Gründe:
I
Im Streit steht, ob der dem Kläger erteilte disziplinar-rechtliche Verweis rechtmäßig ist.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten KÄV teil.
Mit Schreiben vom 8.10.2012 setzte er die Beklagte darüber in Kenntnis, dass er am 10.10.2012 zusammen mit fünf anderen Kollegen
"das allen Berufsgruppen verfassungsrechtlich zustehende Streikrecht" ausüben und deshalb an diesem Tag seine Praxis schließen
werde. Eine Notfallversorgung werde gewährleistet, indem zum Beispiel über den Anrufbeantworter und einen Aushang an der Praxis
auf einen die Notfallversorgung übernehmenden Kollegen hingewiesen werde. Mit diesem Warnstreik werde der Forderung nach einem
ärztlichen Honorarsystem Ausdruck verliehen, welches feste Preise ohne irgendeine Form von Mengenbegrenzungen vorsehe. Am
10.10.2012 schloss der Kläger nach den Feststellungen des SG seine Praxis, ebenso - wie mit weiterem Schreiben vom 19.11.2012 angekündigt - am 21.11.2012. Auf Antrag des Vorstandes der
Beklagten eröffnete der Disziplinarausschuss ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger und gab ihm dies mit Beschluss vom
23.1.2013 bekannt; die ihm eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme nahm der Kläger mit Schreiben vom 26.2.2013 wahr.
Mit Bescheid vom 7.5.2013 erteilte die Beklagte dem Kläger einen Verweis, da er seine Pflichten als Vertragsarzt verletzt
habe. Vertragsärzte seien grundsätzlich verpflichtet, am Vertragsarztsitz in den Praxisräumen Sprechstunde zu halten. Die
Praxisschließung zur Ausübung eines Warnstreiks sei nicht durch Art
9 Abs
3 GG gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe den Kassenärzten das Recht vorenthalten, ihre Leistungsbedingungen durch Streik zu erkämpfen.
Der Kläger habe in nachhaltiger Weise gegen seine Präsenzpflicht verstoßen und auch schuldhaft gehandelt, denn er habe erkennen
können, dass der Gesetzgeber kollektive Ärztestreiks zu Recht als eine "schwerwiegende Verletzung vertragsärztlicher Pflichten"
gewertet habe und diese mit harten Sanktionen möglichst verhindern wolle. Da derartige Verstöße gegen die Präsenzpflicht in
der vertragsärztlichen Leistungserbringung als schwerwiegend einzustufen seien, andererseits zugunsten des Klägers zu berücksichtigen
sei, dass er zum ersten Mal disziplinarisch auffällig geworden sei, werde ein Verweis für angemessen und erforderlich gehalten.
Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 23.7.2015 - berichtigt mit Beschluss vom 27.1.2016). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, nach § 24 Abs 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) müsse der Vertragsarzt am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten, also in den Sprechstundenzeiten dauernd für die ärztliche
Versorgung der Patienten bereit sein, sofern er keinen zulässigen Unterbrechungsgrund vorweisen könne. Einer der in § 32 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV genannten Unterbrechungsgründe habe nicht vorgelegen; auch ein sonstiger Unterbrechungsgrund, der im Rahmen einer Güterabwägung
berücksichtigt werden könne, liege nicht vor. Weder im
SGB V, noch in der Ärzte-ZV oder den Verträgen sei ein Streikrecht als Grund für eine Unterbrechung der Praxistätigkeit vorgesehen. Vielmehr sprächen
die Vorschriften insbesondere des
SGB V eher gegen ein solches Streikrecht. So hätten nach §
75 Abs
1 SGB V die KÄVen und die KÄBV die vertragsärztliche Versorgung in dem in §
73 Abs
2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen (KKen) und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen,
dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspreche. Die Bedeutung des Sicherstellungsauftrags
bestehe insbesondere darin, dass es eine verantwortliche Institution gebe, die letztlich immer dafür Sorge zu tragen habe,
dass gesetzlich Krankenversicherten eine ambulante ärztliche Versorgung gewährt werden könne. Daraus, dass der Vertragsarzt
an diesem System teilnehme, folgere der Gesetzgeber, dass der Vertragsarzt die Erfüllung des Sicherstellungsauftrags zu fördern
und alles zu unterlassen habe, was die Sicherstellung und Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung gefährden oder ausschließen
könnte.
Auch aus Art
9 Abs
3 GG könne kein Recht auf Unterbrechung der Sprechstundenverpflichtung hergeleitet werden. Bereits der Schutzbereich des Art
9 Abs
3 GG sei nicht eröffnet. Trotz der weiten Fassung des Art
9 Abs
3 GG entspreche es der historischen Entwicklung, dass primär auf die Arbeitnehmereigenschafft abgestellt werde. Die Vertragsärzte
seien jedoch nicht als Arbeitnehmer einzustufen, die des Schutzes des Art
9 Abs
3 GG bedürften. Die Tätigkeit des Vertragsarztes in freier Praxis werde durch die Merkmale der individuellen Unabhängigkeit in
persönlicher und beruflicher Hinsicht und das Tragen des wirtschaftlichen Risikos sowie die Beteiligung an wirtschaftlichen
Erfolgen der Praxis konkretisiert. Auch sei das Verhältnis der Vertragsärzte zur KÄV ein anderes als das der Arbeitnehmer
zu "ihrer" Gewerkschaft, denn der Streik der Vertragsärzte diene dazu, Druck auf beide Verhandlungsparteien, also auch auf
die KÄV als Interessenvertretung der Ärzte, auszuüben. Auch Art 11 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vermöge zu keiner anderen Beurteilung führen, denn auch hier seien Freiberufler vom Schutzbereich nicht erfasst.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Ein Streik von Vertragsärzten sei dann gerechtfertigt,
wenn er sich unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Vertragsarztrechts und des Ärztestreiks als solcher als
verhältnismäßig darstelle. Ein absolutes Streikverbot, das über allem stehe, gebe es auch im Vertragsarztrecht nicht; Vertragsärzte
könnten im Ergebnis nicht schlechter gestellt werden als zB Arbeitnehmer oder Beamte. Ein vollständiger Ausschluss vom Streikrecht
sei weder verfassungsrechtlich noch europarechtlich haltbar. Demnach könne ein Warnstreik von Vertragsärzten, der eine ausreichende
Notfallversorgung gewährleiste und verhältnismäßig sei, rechtmäßig sein; ein rechtmäßiger Streik wiederum dürfte nicht zur
Verhängung einer Disziplinarmaßnahme führen. Nach dem klaren Wortlaut des Art
9 Abs
3 GG sei auch die Berufsgruppe der Ärzte als Grundrechtsträger vom Schutzbereich dieser Vorschrift umfasst. Was für Ärzte gelte,
gelte auch für Vertragsärzte. Dass Vertragsärzte im rechtlichen Sinne keine klassischen Arbeitnehmer seien, sondern vielmehr
als Freiberufler eingestuft würden, führe nicht dazu, dass diese generell von einem Streikrecht ausgeschlossen wären. Dem
Wortlaut des Art
9 Abs
3 GG sei ein solcher Ausschluss nicht zu entnehmen; vielmehr gelte es für "jedermann" und deshalb für alle Menschen in ihrer Eigenschaft
als Berufsangehörige. Die Notwendigkeit, eine individuelle Verhandlungsschwäche mit Hilfe kollektiver Interessenvertretungen
auszugleichen, liege ohne Zweifel auch beim Vertragsarzt vor. Die KÄVen seien durch ihre Doppelfunktion als Interessenvertretung
und Körperschaft kein gleichwertiger Ersatz für eine Koalition nach Art
9 Abs
3 GG, da es ihnen als Körperschaft des öffentlichen Rechts verboten sei, sich im Fall einer gewünschten Boykottmaßnahme gegen
die KKen zu stellen.
Hinzu komme, dass der Status des Vertragsarztes, gerade in Bezug auf den vielfältigen Pflichtenkatalog, den er zu übernehmen
habe, gegenüber einem klassischen Freiberufler so stark limitiert sei, dass er durchaus "arbeitnehmerähnliche Züge" enthalte.
Dies sei bei der Auslegung des Art
9 Abs
3 GG zu berücksichtigen. Das vertragsärztliche Honorar werde - wie bei einem Arbeitnehmer - von einem einzigen "Arbeitgeber" bezahlt,
nämlich der KÄV. Zudem könne der Vertragsarzt weder sein Honorarrisiko streuen noch die Auswahl seiner Kunden selektieren,
sondern müsse mit Sanktionen rechnen, wenn er seine Verpflichtungen auch nur gegenüber einem einzelnen gesetzlich versicherten
Patienten nicht erfülle. Auch die wirtschaftliche Freiheit, das "ob" und "wie" der Arbeitsleistung frei zu bestimmen, sei
bei einem Vertragsarzt deutlich eingeschränkt. Wenn er im Rahmen seiner Sprechstundentätigkeit dem Grunde nach "rund um die
Uhr" zur Verfügung zu stehen habe, habe er keine freie Verfügung mehr über seine eigene Arbeitskraft und könne insbesondere
seine Arbeitszeit nicht mehr frei wählen. Die meisten Ärzte seien auf eine Teilnahme an diesem System dringend angewiesen.
Nach europarechtlichen Vorgaben sei Art
9 Abs
3 GG - wie beispielsweise auch Art
33 Abs
5 GG - so auszulegen, dass diese Auslegung nicht im Widerspruch zur EMRK stehe. In jüngerer Zeit habe das BVerwG festgestellt, dass das statusbezogene Streikverbot nach Art
33 Abs
5 GG und die funktionsbezogenen Gewährleistungen nach Art 11 EMRK in Bezug auf Beamte, die außerhalb der genuinen Hoheitsverwaltung eingesetzt seien, inhaltlich miteinander unvereinbar seien.
Für Vertragsärzte gelte nichts anderes. Stehe somit fest, dass Vertragsärzte sowohl vom Schutzbereich des Art
9 Abs
3 GG als auch des Art 11 Abs 1 EMRK erfasst seien, greife die angefochtene Disziplinarmaßnahme in das daraus resultierende Recht des Vertragsarztes ein, sich
mit anderen Vertragsärzten kollektiv zusammenzuschließen. Der Eingriff in die Schutzbereiche sei auch nicht gerechtfertigt.
Ein verfassungsrechtlich normiertes absolutes Streikverbot bestehe für Vertragsärzte nicht.
Auch das vertragsärztliche System schließe ein Recht auf Streik und andere kollektiv abgestimmte Kampfmaßnahmen nicht wirksam
aus oder begrenze diese. Zwar könne ein Ärztestreik den Sicherstellungsauftrag der KÄVen gefährden, doch lasse sich hieraus
kein generelles bzw absolutes Streikverbot herleiten. So sei der Sicherstellungsauftrag der KÄVen schon durch die hausarztzentrierte
oder die besondere Versorgung eingeschränkt. Auch §
95b Abs
1 SGB V schließe einen Ärztestreik, der nicht mit einem kollektiven Verzicht der Zulassungen verbunden sei, nicht aus. Es könne auch
nicht allgemein und mit Gewissheit abstrakt behauptet werden, dass jeder Streik zwangsläufig die Finanzierbarkeit oder die
Funktionsfähigkeit des Systems gefährde. Schließlich ergebe sich ein konkludentes Streikverbot auch nicht aus dem vertragsärztlichen
Pflichtenkatalog. Gegen die Verpflichtung, mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung zu stehen,
habe er - der Kläger - mit seinen zweimaligen eintägigen Warnstreiks nicht verstoßen. Das SG stelle zu Unrecht auf einen Verstoß gegen § 32 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV ab, weil die Vorschrift allein den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung normiere. Soweit das SG auf eine "Unterbrechung" der Sprechstunde abstelle, sei diese zulässig, soweit eine einzelfallbezogene Güterabwägung den
Vorrang anderer Schutzgüter ergebe. Danach sei der Streik vorliegend rechtmäßig, weil eine ausreichende Notfallversorgung
bzw eine kollegiale Vertretung sichergestellt gewesen sei und er weder die finanzielle Stabilität oder die Funktionsfähigkeit
des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gefährdet habe. Auch die allgemeine "Treuepflicht" des Vertragsarztes
könne nicht weitergehen als zB die Einschränkung des Streikrechts für Beamte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.7.2015 sowie den Bescheid des Disziplinarausschusses der Beklagten vom 7.5.2013
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Kläger sei seiner Präsenzpflicht nicht nachgekommen, indem er an zwei Tagen seine Praxis geschlossen und somit den Versicherten
nicht zur Verfügung gestanden habe. Es habe auch kein zulässiger Grund für eine Unterbrechung bzw Nichtableistung der Sprechstundentätigkeit
vorgelegen. Der Schutzbereich des Art
9 Abs
3 GG sei nicht eröffnet, weil ein Streikrecht ein klassisches Recht von Arbeitnehmern sei; der Kläger sei jedoch Freiberufler,
sodass es an dem einen Arbeitnehmer charakterisierenden Abhängigkeitsverhältnis fehle. Auch ein arbeitnehmerähnliches wirtschaftliches
Abhängigkeitsverhältnis sei bei Vertragsärzten nicht gegeben. Art 11 Abs 1 EMRK führe zu keiner anderen Beurteilung; hieran ändere auch die jüngere Rechtsprechung des EGMR zum Streikrecht von Beamten nichts. Ausschlaggebend sei dort weder die Arbeitnehmereigenschaft noch die hohe Einbindung von
Beamten in die staatliche Sphäre gewesen, sondern das Kriterium der abhängigen Beschäftigung. Selbst wenn Vertragsärzte vom
Schutzbereich des Art
9 Abs
3 GG und des Art 11 Abs 1 EMRK erfasst würden, habe der Gesetzgeber diesen jedenfalls das Recht vorenthalten, ihre Leistungsbedingungen durch Streik zu
erkämpfen. An die Stelle des Tarifkampfes trete im Vertragsarztrecht das gesetzlich geregelte Schlichtungsverfahren. Ein systemimmanentes
Streikverbot lasse sich mit dem Sicherstellungsauftrag gemäß §
75 Abs
1 SGB V begründen. Das gesetzgeberische Ziel, streikähnliche Auseinandersetzungen auszuschließen, habe sich nur durch die Bildung
der KÄVen als Körperschaften mit Pflichtmitgliedschaft erreichen lassen. Als politischer Ausgleich für den Verzicht der Vertragsärzte
auf die Möglichkeit eines streikähnlichen Honorarkampfes sei den KÄVen der Sicherstellungsauftrag übertragen worden. Der Sicherstellungsauftrag
bestehe ungeachtet des selektivvertraglichen Versorgungssystems unverändert fort. Eine Gefährdung des Sicherstellungsauftrags
liege bereits dann vor, wenn die Versorgung eines Teils der Patienten nicht entsprechend der gesetzlichen und vertraglichen
Erfordernisse vorgenommen werden könne.
Für die Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen Systems sei es unentbehrlich, dass jeder Vertragsarzt seinen vertragsärztlichen
Pflichten - wozu auch die Einhaltung der Präsenzpflicht nach § 24 Abs 2 Ärzte-ZV gehöre - jederzeit nachkomme. Die Sicherung einer angemessenen Versorgung der großen Mehrzahl der Bürger im Krankheitsfall
zu bezahlbaren Konditionen sei ein Gemeinwohlbelang von überragender Wichtigkeit, die auch entsprechende Grundrechtseinschränkungen
rechtfertige. Im Unterschied zu Arbeitnehmern hätten Vertragsärzte die Möglichkeit, sich für oder gegen eine Eingliederung
ins System zu entscheiden. Die Funktionsfähigkeit dieses Systems werde nachhaltig gefährdet, wenn einzelne Vertragsärzte durch
Streiks oder streikähnliche Maßnahmen ihre Praxis schlössen und der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr zur Verfügung
stünden. Mehrstündige, kollektive Praxisschließungen von Vertragsärzten aufgrund abgesprochener Streikaktionen stellten nicht
unerhebliche Verweigerungen der vertragsärztlichen Tätigkeit dar und kämen einem Warnstreik von Beschäftigten öffentlicher
Verkehrsbetriebe gleich. Mit der in §
72a Abs
1 SGB V normierten Rechtsfolge habe der Gesetzgeber ein Streikverbot für Vertragsärzte statuiert. Der Sicherstellungsauftrag verpflichte
die KÄVen, disziplinarisch gegen Mitglieder vorzugehen, die auch nur zeitweise bzw kurzfristig die erforderliche vertragsärztliche
Versorgung verweigerten, wenn sie ihren Sicherstellungsauftrag nicht verlieren wolle. Wenn selbst die äußerst harte Sanktion
einer sechsjährigen Wiederzulassungssperre keinen Verstoß gegen Art
9 Abs
3 GG darstelle, müsse dies erst recht für ein sich aus dem Sicherstellungsauftrag ergebendes Streikverbot gelten.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger einen Verweis zu erteilen, als rechtmäßig angesehen. Der Kläger hat
dadurch, dass er seine Praxis am 10.10.2012 sowie am 21.11.2012 geschlossen hatte, um mit anderen Ärzten an einem "Warnstreik"
teilzunehmen, seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt.
A. 1. Rechtsgrundlage der Disziplinarmaßnahme ist §
81 Abs
5 Satz 1
SGB V in Verbindung mit der Satzung der Beklagten. Nach §
81 Abs
5 Satz 1
SGB V müssen die Satzungen der KÄVen die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder bestimmen,
die ihre vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen. Als Disziplinarmaßnahme kommen je nach Schwere
der Verfehlung eine Verwarnung, ein Verweis, eine Geldbuße oder die Anordnung des Ruhens der Zulassung bis zu zwei Jahren
in Betracht (aaO Satz 2). Das Höchstmaß der Geldbußen kann bis zu 10 000 Euro (§
81 Abs
5 Satz 3
SGB V idF bis 22.7.2015) bzw bis zu 50 000 Euro (§
81 Abs
5 Satz 3
SGB V idF ab 23.7.2015) betragen.
Nach § 3 Abs 2 der Satzung der Beklagten (in der ab 1.1.2010 geltenden Fassung) ist diese befugt, gegen Mitglieder, die ihre
Pflichten nicht oder in nicht ausreichender Weise erfüllen, nach den Bestimmungen der - als Bestandteil dieser Satzung geregelten
- Disziplinarordnung (DO) Maßnahmen zu ergreifen. Nach § 1 Satz 1 DO kann ein Disziplinarverfahren gegen ein Mitglied der
KÄV durchgeführt werden, wenn dieses die ihm durch Gesetz, Satzung, Vertrag, Richtlinien und satzungsmäßige Bestimmungen oder
Weisungen obliegenden vertragsärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt. Zu den in § 13 Abs 1 DO aufgeführten
Disziplinarmaßnahmen gehört der Verweis, der dort als "Tadel eines pflichtwidrigen Verhaltens mit der Aufforderung, die sich
aus Gesetz, Satzung oder Vertrag ergebenden Pflichten in gehöriger Weise zu erfüllen", umschrieben ist.
Die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme setzt - neben der Verletzung vertragsärztlicher Pflichten - zudem voraus, dass der
Vertragsarzt schuldhaft gehandelt hat (BSG Beschluss vom 8.5.1996 - 6 BKa 67/95 - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 9.12.2004 - B 6 KA 70/04 B - Juris RdNr 9; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 7 S 37; BSG Beschluss vom 28.8.1996 - 6 BKa 22/96 - Juris RdNr 4).
2. Das Disziplinarrecht der KÄVen ist verfassungsgemäß und verstößt insbesondere nicht gegen Art
12 Abs
1 GG (BSG SozR 3-2500 §
81 Nr
9 S 49; Steinmann-Munzinger in juris-PK
SGB V, 3. Aufl 2016, § 81 RdNr 52 f; siehe hierzu auch BSG Beschluss vom 20.3.1996 - 6 BKa 1/96 - Juris). Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die gesetzlichen
Vorgaben für die Festsetzung von Disziplinarmaßnahmen hinreichend bestimmt sind (BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 7 S 29; BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 9 S 49; siehe auch BSG Urteil vom 14.3.2001 - B 6 KA 67/00 R - Juris RdNr 13 = MedR 2002, 47 = USK 2001-126).
§
75 Abs
2 Satz 2
SGB V bestimmt ausdrücklich, dass es zu den Aufgaben der KÄVen gehört, die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten
zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, unter Anwendung der in §
81 Abs
5 SGB V vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten. Im Übrigen bedingt die den KÄVen gemäß §
75 Abs
1 Satz 1
SGB V auferlegte Gewährleistungsverpflichtung deren Disziplinargewalt (Steinmann-Munzinger aaO RdNr
53). Nach §
75 Abs
1 Satz 1
SGB V haben die KÄVen und die KÄBV die vertragsärztliche Versorgung in dem in §
73 Abs
2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den KKen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche
Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Diese Gewährleistungsverpflichtungen können sie nur
erfüllen, wenn ihnen Sanktionsmöglichkeiten gegenüber denjenigen Mitgliedern zur Verfügung stehen, die ihre Pflichten als
Vertragsarzt nicht ordnungsgemäß erfüllen (BSG Beschluss vom 20.3.1996 - 6 BKa 1/96 - Juris RdNr 5).
3. Ob ein Vertragsarzt seine vertragsärztlichen Pflichten verletzt hat - dh das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen -,
ist gerichtlich voll überprüfbar, ohne dass der KÄV oder ihrem Disziplinarorgan ein Beurteilungsspielraum zusteht (BSGE 62,
127, 128 = SozR 2200 § 368m Nr 3 S 3). Lediglich bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahme und bei der Festsetzung ihrer Höhe ist
der Disziplinarausschuss grundsätzlich ermächtigt, nach seinem Ermessen zu handeln, sodass die Entscheidung nur eingeschränkt
gerichtlich überprüfbar ist (BSGE 62, 127, 129 = SozR 2200 § 368m Nr 3 S 3; BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 9 S 51); insoweit ist der Bescheid daher nur bei Ermessensüberschreitung oder bei Ermessensfehlgebrauch rechtswidrig (BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 9 S 51).
B. Nach diesen Maßstäben ist der Bescheid der Beklagten rechtmäßig.
Der Bescheid der Beklagten ist formell rechtmäßig; insbesondere bedarf es keines Vorverfahrens (§
81 Abs
5 Satz 4
SGB V). Der angefochtene Bescheid ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; die tatbestandlichen Voraussetzungen
für eine disziplinarische Reaktion auf das Verhalten des Klägers als Vertragsarzt liegen vor und rechtfertigen den Ausspruch
eines Verweises. Der Kläger hat seine vertragsärztlichen Pflichten dadurch verletzt, dass er seine Praxis während der Sprechstundenzeit
geschlossen hat, um an einem "Warnstreik" teilzunehmen (1.); der Kläger handelte auch schuldhaft (2.). Schließlich ist auch
die verhängte Disziplinarmaßnahme als solche nicht zu beanstanden (3.).
1. Der Kläger hat die ihm obliegenden vertragsärztlichen Pflichten dadurch verletzt, dass er entgegen seiner in § 24 Abs 2 Ärzte-ZV normierten Verpflichtung, am Vertragsarztsitz eine Sprechstunde zu halten, seine Praxis an zwei Tagen geschlossen hatte,
um an einem "Warnstreik" teilzunehmen (a.), und ihm für die Praxisschließung keine diese rechtfertigenden Gründe zur Seite
gestanden haben (b.).
a. aa. Nach § 24 Abs 2 Ärzte-ZV iVm §
98 Abs
1 Satz 1
SGB V muss der Vertragsarzt am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten, also persönlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung
stehen (Schallen, Ärzte-ZV, 7. Aufl 2009, § 24 RdNr 19). Diese - aus dem Gebot der persönlichen Leistungserbringung folgende (BSGE 120, 197 = SozR 4-5520 § 20 Nr 4, RdNr 30) - sogenannte "Präsenzpflicht" steht im Zusammenhang mit der Pflicht zur Behandlungsübernahme
nach dem Sachleistungsprinzip und der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung (Hartmannsgruber in Ratzel/Luxenburger,
Handbuch Medizinrecht, 3. Aufl 2015, Abschnitt 7 RdNr 1235): Wer nicht in der Praxis erreichbar ist, kann auch diese Pflichten
nicht erfüllen. Durch diese Pflichten soll es den KÄVen ermöglicht werden, ihren Sicherstellungsauftrag nach §
75 Abs
1 SGB V zu erfüllen.
Konkretisiert wird dies durch § 17 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä): Nach § 17 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 BMV-Ä ist der Vertragsarzt gehalten, an seinem Vertragsarztsitz - sowie ggf weiteren Tätigkeitsorten - Sprechstunden entsprechend
dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung mindestens in dem in § 17 Abs 1a BMV-Ä geregelten Umfang festzusetzen und seine Sprechstunden auf einem Praxisschild bekanntzugeben. Die Sprechstunden sind grundsätzlich
mit festen Uhrzeiten auf dem Praxisschild anzugeben (Satz 2 aaO). Der sich aus der Zulassung des Vertragsarztes ergebende
Versorgungsauftrag ist dadurch zu erfüllen, dass der Vertragsarzt an seinem Vertragsarztsitz persönlich mindestens 20 Stunden
wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung steht (§ 17 Abs 1a Satz 1 BMV-Ä in der ab 1.7.2007 geltenden und seither unveränderten Fassung).
bb. Dieser Verpflichtung ist der Kläger am 10.10.2012 sowie am 21.11.2012 nicht nachgekommen. Dabei ist es ohne Bedeutung,
ob der Kläger ggf ungeachtet der Praxisschließungen die Vorgabe von mindestens 20 Wochenstunden erfüllt hat:
Darauf kommt es zum einen schon deshalb nicht an, weil er jedenfalls an einem Tag, an dem er üblicherweise (und wie auf dem
Praxisschild bekanntzugeben) seiner Praxistätigkeit nachging, seine Praxis geschlossen hatte. Sprechstunden sind nicht nur
anzukündigen, sondern auch einzuhalten (Pawlita in juris-PK
SGB V, 3. Aufl 2016, § 95 RdNr 445; siehe auch BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 1 RdNr 18). Der Vertragsarzt muss in den Sprechstundenzeiten dauernd für die vertragsärztliche Versorgung der Patienten
bereit sein, sofern er keinen zulässigen Unterbrechungsgrund vorweisen kann (Bayerisches LSG Urteil vom 15.1.2014 - L 12 KA 91/13 - Juris RdNr 18 = GesR 2014, 362 ff = NZS 2014, 518 ff = MedR 2014, 840 ff). Er vernachlässigt daher seine Versorgungsverpflichtung, die er mit der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit übernimmt,
wenn er regelmäßig angekündigte Sprechstunden nicht einhält, was unzumutbare Wartezeiten für die Patienten zur Folge hätte
(BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 1 RdNr 18).
Zum anderen bestimmt § 17 Abs 1a Satz 1 BMV-Ä nur den zeitlichen (Gesamt-)Umfang der Sprechstunden, nicht aber deren Verteilung auf die einzelnen Wochentage. Diese sind
grundsätzlich gleichmäßig auf die einzelnen Wochentage zu verteilen und dürfen nicht etwa "geblockt" werden (etwa durch zwei
zehnstündige Sprechstunden am Wochenanfang). Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass eine ärztliche Praxis in den
Zeiten, in denen kein Notfalldienst eingerichtet ist, grundsätzlich für die Versorgung der Versicherten erreichbar sein muss
und nicht nur Sprechstunden an einzelnen Wochentagen anbieten darf (BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 29 RdNr 44). Dies folgt bereits aus § 17 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 BMV-Ä, wonach die Sprechstunden "entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung"
festzusetzen sind. Im Übrigen bestimmt § 17 Abs 2 BMV-Ä, dass bei der Verteilung der Sprechstunden "auf den einzelnen Tag" - gemeint ist damit nicht allein deren Verteilung innerhalb
des Tages, sondern auch ihre Verteilung auf die Wochentage - die "Besonderheiten des Praxisbereiches und die Bedürfnisse der
Versicherten (z.B. durch Sprechstunden am Abend oder an Samstagen)" zu berücksichtigen sind. Den Bedürfnissen der Versicherten
entspricht es am ehesten, wenn sie den Vertragsarzt an jedem Werktag aufsuchen können.
cc. Der Pflichtverstoß entfällt auch nicht deswegen, weil eine Notfallversorgung gesichert war und der Kläger seine Patienten
darüber informiert hatte, welche Ärzte ihre Praxis geöffnet hatten (siehe hierzu noch [B.1.c.cc.(1)]). Dies stellt kein gesetzeskonformes
Surrogat für die Wahrnehmung des vom Kläger übernommenen Versorgungsauftrags dar; maßgeblich ist allein, dass der Kläger seine
Praxis geschlossen hatte, ohne hierzu berechtigt zu sein, und deswegen nicht für die Versorgung der Patienten zur Verfügung
stand.
b. Der Kläger war auch nicht aufgrund normativ anerkannter (aa.) bzw sonstiger anerkennenswerte Gründe (bb.) zur Praxisschließung
berechtigt.
aa. In welchen Fällen ein Vertragsarzt berechtigt ist, seine Praxis (vorübergehend) zu schließen, ist zwar nicht explizit
geregelt, folgt jedoch grundsätzlich aus § 32 Abs 1 Ärzte-ZV iVm §
98 Abs
1 Satz 1
SGB V. Danach ist der Vertragsarzt verpflichtet, die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben (Satz 1 aaO). Inhalt der
- persönlich auszuübenden - Tätigkeit ist die Durchführung von Sprechstunden. Er kann sich jedoch in den in § 32 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Ärzte-ZV genannten Konstellationen - in begrenztem zeitlichen Umfang - vertreten lassen. Aus dieser Regelung ist nicht allein der
Schluss zu ziehen, dass der Vertragsarzt bei Nichtvorliegen der dort genannten Gründe sich nicht vertreten lassen darf, sondern
seine Tätigkeit persönlich auszuüben hat. Vielmehr lässt die Regelung darüber hinaus den Erst-recht-Schluss zu, dass einem
Vertragsarzt bei Nichtvorliegen der in § 32 Ärzte-ZV genannten Gründe (bzw sonstiger anerkennenswerter Gründe) auch nicht das Recht zusteht, den Praxisbetrieb - und sei es nur
vorübergehend - vollständig einzustellen.
Gründe für eine Vertretung sind Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung (§ 32 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV); bei Ärztinnen tritt eine Vertretung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Entbindung hinzu (aaO Satz 3). Als
(weitere) Gründe für eine - längerfristige - Vertretung (bzw die Beschäftigung von Assistenten) nennt § 32 Abs 2 Satz 2 Ärzte-ZV Kindererziehungszeiten (Nr 2 aaO), die Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen (Nr 3 aaO) sowie eine Vertretung im Rahmen der Aus- und Weiterbildung
oder aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung (Nr 1 aaO). Derartige Gründe werden jedoch vom Kläger
weder geltend gemacht noch liegen solche vor. Unterbrechungen aus anderen Gründen sind - grundsätzlich (siehe noch bb.) -
unzulässig (Hartmannsgruber in Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 3. Aufl 2015, Abschnitt 7 RdNr 1237).
bb. Der Kläger war vorliegend auch nicht aus anderen - nicht von § 32 Ärzte-ZV erfassten - Gründen berechtigt, seine Praxis zu schließen. In welchen Fällen Vertragsärzte - über die in § 32 Ärzte-ZV geregelten Konstellationen hinaus - ihre Praxis während der regulären Sprechstundenzeiten schließen dürfen, ohne gegen ihre
vertragsärztlichen Pflichten zu verstoßen, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Außerhalb von § 32 Ärzte-ZV kommen als rechtfertigende Gründe etwa gerichtliche Zeugenvorladungen und Hausbesuche in Betracht (siehe hierzu Hesral in
Ehlers, Disziplinarrecht für Ärzte und Zahnärzte, 2. Aufl 2013, RdNr 87; ebenso Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Ärzte-ZV, § 24 RdNr 3). Die Teilnahme an einem vertragsärztlichen "Warnstreik" ist jedenfalls kein Anlass, der eine Praxisschließung rechtfertigen
könnte, da derartige ärztliche "Kampfmaßnahmen" durch die Bestimmungen des Vertragsarztrechts ausgeschlossen sind (siehe B.1.c.).
c. Die Durchsetzung ärztlicher Forderungen durch "Kampfmaßnahmen" - hierzu gehören neben "(Warn-)Streiks" etwa Boykottaufrufe
gegen bestimmte KKen, aber auch andere Maßnahmen, wie zB die ohne sachlichen Grund erfolgende Verweigerung der Annahme neuer
Patienten bzw die Nichtvergabe von Terminen bei planbaren Eingriffen - steht nicht mit den Bestimmungen des Vertragsarztrechts
im Einklang (ein "Streikrecht" der Vertragsärzte verneinend: Burkardt, Ärztliche Standespflichten und Streikrecht der Kassenärzte
und der in Krankenhäusern privatrechtlich angestellten Ärzte, Dissertation 1971, S 21 f mwN; Hencke in Peters, Handbuch der
Krankenversicherung, Stand Januar 2016, §
72 SGB V RdNr 14; Thiele, DVBl 1977, 556 ff; Wenner, GesR 2009, 505, 516; Zacher, ZfS 1966, 129, 161; ders, Abhandlungen zum Sozialrecht, 1993, 582, 615; differenzierend und ein "Streikrecht" für den Fall einer gravierenden
Systemstörung bejahend: Kern in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 16 RdNr 4; Uhlenbruck, RdA 1972, 327, 334; ein Streikrecht auf der Grundlage von Art
12 Abs
1 GG bejahend: Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 112 ff).
Der Senat hat vorliegend allein darüber zu befinden, ob Praxisschließungen zum Zweck der Durchführung streikähnlicher ärztlicher
"Kampfmaßnahmen" eine Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten darstellen. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten ausdrücklich
erklärt, ein "Streikrecht" ausüben zu wollen. Damit hat er sein Handeln in dem Sinne verstanden, an einer planmäßigen und
gemeinschaftlich durchgeführten "Arbeitsniederlegung" - dh der Einstellung einer an sich zu erbringenden Arbeitsleistung -
teilzunehmen (zum Streikbegriff siehe Treber in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl 2015, § 191 RdNr 8; Linsenmaier in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl 2016, Art
9 GG RdNr 161).
Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob einmalige Praxisschließungen innerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten, die allein
zu dem Zweck einer Teilnahme des Vertragsarztes an einer Protestversammlung oder -kundgebung erfolgen, generell oder unter
bestimmten Voraussetzungen zulässig sind.
Die durch Art
5 Abs
1 GG und Art
8 GG geschützten Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit stehen auch Vertragsärzten zu und können - unter der Voraussetzung,
dass zumindest ein Notdienst sichergestellt ist - im Grundsatz auch eine vorübergehende Praxisschließung rechtfertigen. Zu
welchem Zweck diese Versammlung abgehalten wird und gegen wen sie sich richtet, ist dabei unerheblich. Ungeachtet des Gebots
des Zusammenwirkens (§
72 Abs
1 Satz 1
SGB V) kann sich die Versammlung auch auf eine Beeinflussung der KKen, der eigenen KÄV der Vertragsärzte oder aber des Gesetzgebers
richten. Die KÄVen werden jedoch zur Vermeidung einer Umgehung des "Streikverbots" durch vorgebliche "Demonstrationen" in
jedem Einzelfall - insbesondere bei wiederkehrenden Aktionen - sorgfältig zu prüfen haben, ob es sich (noch) um eine durch
Art
8 GG geschützte Versammlung oder vielmehr um einen - vertragsärztliche Pflichten verletzenden - "Streik" handelt.
Eine - auch eine vorübergehende Praxisschließung rechtfertigende - Teilnahme an einer Versammlung könnte dann anzunehmen sein,
wenn dabei das auf eine größere Öffentlichkeit zielende demonstrative Element - im Sinne einer "machtvollen Kundgebung" -
im Mittelpunkt steht und die Schließung der Praxis gleichsam nur unvermeidliche Folge der Demonstrationsabsicht ist. Steht
hingegen das Bestreben im Vordergrund, durch eine Beeinträchtigung der Versorgung der Versicherten Druck auf die KKen auszuüben
und wird diese Maßnahme lediglich medial unterstützt, liegt hingegen ein - unzulässiger - "Streik" vor.
aa. Ein ausdrückliches Verbot von kollektiven "Kampfmaßnahmen" der Ärzteschaft bzw eine dem gleichkommende Sanktionierung
entsprechenden Verhaltens enthalten allerdings weder das
SGB V noch das auf dessen Grundlage ergangene Recht.
Zwar bestimmt §
95b Abs
1 SGB V, dass es mit den Pflichten eines Vertragsarztes nicht vereinbar ist, in einem mit anderen Ärzten aufeinander abgestimmten
Verhalten auf die Zulassung als Vertragsarzt zu verzichten (sogenannter "Kollektivverzicht"); entsprechende Pflichtverstöße
haben (ua) gemäß §
95b Abs
2 SGB V eine sechsjährige Wiederzulassungssperre zur Folge (zur Rechtmäßigkeit dieser Regelung siehe die Urteile des BSG vom 27.6.2007 - B 6 KA 37/06 R - BSGE 98, 294 = SozR 4-2500 § 95b Nr 1, - B 6 KA 38/06 R - USK 2007-68 und - B 6 KA 39/06 R - nicht veröffentlicht, sowie die Urteile vom 17.6.2009 - B 6 KA 16/08 R - BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, - B 6 KA 18/08 R - SozR 4-1500 § 54 Nr 15 und - B 6 KA 14/08 R - nicht veröffentlicht). §
95b SGB V gilt jedoch sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach seinem Sinn und Zweck nur für den Fall eines kollektiven Verzichts
auf die Zulassung und kann nicht auf andere "Kampfmaßnahmen" - wie vorübergehende Praxisschließungen - analog angewandt werden.
Allerdings lässt der Umstand, dass der Gesetzgeber allein den Fall eines kollektiven Zulassungsverzichts explizit sanktioniert
hat, auch nicht den Umkehrschluss zu, dass er alle übrigen "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte als zulässig erachtet. Dass
sich der Gesetzgeber in Bezug auf den "Kollektivverzicht" zu einer expliziten gesetzlichen Reaktion veranlasst sah, beruht
gerade darauf, dass das Mittel des "Kollektivverzichts" aus dem Bewusstsein heraus entwickelt wurde, dass andere "Kampfmaßnahmen"
- insbesondere ein "Ärztestreik" - rechtlich ausgeschlossen sind (siehe hierzu Ludes, Die Honorierung kassenärztlicher Leistungen
als Instrument zur Angebotssteuerung im ambulanten Sektor, 1986, S 57 ff: Rückgabe der Zulassung als "Quasi-Streik"). Mit
Aktionen in Form eines "Kollektivverzichts" sollte der Umstand genutzt werden, dass Vertragsärzte rechtlich nicht gehindert
sind, ihre Zulassungen zurückzugeben bzw auf diese zu verzichten. Die gesetzliche Regelung soll einen derartigen Missbrauch
dieses Rechts verhindern; sanktioniert wird der rechtsmissbräuchliche, von den Vertragsärzten lediglich als Druckmittel in
der Erwartung eingesetzte Verzicht, die vertragsärztliche Versorgung könne auf Dauer nicht ohne sie auskommen (siehe Gesetzesbegründung
zum Gesundheitsstrukturgesetz [GSG], BT-Drucks 12/3608 S 95 zu §
95b Abs
1 SGB V).
Auch §
72a Abs
1 SGB V, der den Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die KKen vorsieht, wenn mehr als 50 vH aller in einem Zulassungsbezirk
oder regionalen Planungsbereich niedergelassenen Vertragsärzte auf ihre Zulassung nach §
95b Abs
1 SGB V verzichten oder die vertragsärztliche Versorgung verweigern und die Aufsichtsbehörde festgestellt hat, dass dadurch die vertragsärztliche
Versorgung nicht mehr sichergestellt ist, kann weder im Sinne eines "Streikverbots" noch im (umgekehrten) Sinne einer gesetzlichen
Tolerierung aller übrigen "Kampfmaßnahmen" verstanden werden. Zwar käme der Fall einer "Verweigerung" vertragsärztlicher Leistungen
im Ergebnis einem "Streik" gleich. Der Annahme, dass der Gesetzgeber damit allein den Fall eines "flächendeckenden" Streiks
sanktionieren wollte, steht jedoch die Wertung entgegen, dass der Gesetzgeber eine Sanktionierung etwaiger Streikmaßnahmen
von Vertragsärzten durch Disziplinarmaßnahmen der KÄVen als grundsätzlich ausreichend erachten durfte und nur im Falle einer
"flächendeckenden" Verweigerung der vertragsärztlichen Tätigkeit zusätzlich das schärfere Schwert eines Entzugs des Sicherstellungsauftrags
für erforderlich erachtet.
bb. Die Unzulässigkeit von gegen die KKen (und ggf auch gegen die KÄVen) gerichteten "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte ergibt
sich jedoch aus der gesetzlichen Konzeption des Vertragsarztrechts. Dieses stellt ein in sich geschlossenes System dar, durch
dessen Ausgestaltung der Gesetzgeber die partiell gegenläufigen Interessen der KKen auf der einen und der Leistungserbringer
auf der anderen Seite zum Ausgleich gebracht hat, um auf diese Weise eine verlässliche Versorgung der Versicherten zu angemessenen
Bedingungen sicherzustellen.
Der Gesetzgeber hat das Vertragsarztrecht bewusst so konzipiert, dass die Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen
Leistungen ungeachtet der Interessengegensätze zwischen den Leistungserbringern und den Kostenträgern unter allen Umständen
gewährleistet bleibt. Dies wird durch bestimmte, das Vertragsarztrecht prägende Strukturelemente erreicht, deren wesentlicher
Zweck darin besteht, Störungen der Patientenversorgung zu verhindern. Das vom Gesetzgeber geschaffene System ist dabei vorrangig
auf einen Interessenausgleich ausgerichtet, stellt jedoch zugleich sicher, dass auch im Falle unüberbrückbarer Gegensätze
zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern die Versorgung der Versicherten gewährleistet bleibt. Wesentliche Strukturelemente
des Vertragsarztrechts sind die Trennung der Rechtskreise (siehe dazu [(1)]), die Übertragung des Sicherstellungsauftrags
auf die KÄVen (siehe dazu [(2)]) sowie ein "Kollektivvertragssystem" (siehe dazu [(3)]). Dieses System ist das Ergebnis einer
jahrzehntelangen, durch wiederkehrende Auseinandersetzungen und Interessengegensätze geprägten Entwicklung und daher auf den
Ausgleich dieser Gegensätze angelegt (siehe dazu [(4)]).
(1) Das Vertragsarztrecht ist zunächst so ausgestaltet, dass grundsätzlich (zu Ausnahmen durch Selektivverträge siehe §§ 73b,
140a
SGB V) unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den KKen als Kostenträgern und den Ärzten als Leistungserbringern vermieden werden
(vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 130): Rechtliche Beziehungen bestehen allein zwischen den KKen bzw deren Verbänden und den
- als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisierten (§
77 Abs
5 SGB V) - KÄVen, welche in einer Doppelfunktion zugleich die Rechte der Vertragsärzte wahrzunehmen haben (§
75 Abs
2 Satz 1
SGB V). Auf Bundesebene gilt Entsprechendes für deren Spitzenorganisationen, die KÄBV und den Spitzenverband Bund der KKen. Allein
zwischen diesen Vertragsparteien werden die maßgeblichen Leistungsbedingungen ausgehandelt und in Form von Bundesmantelverträgen
(§
82 Abs
1 Satz 1
SGB V) bzw auf regionaler Ebene in Form von Gesamtverträgen (§
83 Satz 1
SGB V) vereinbart. Dies gilt insbesondere für die Höhe der Vergütungen, die von den Landesverbänden der KKen und den Ersatzkassen
mit der jeweiligen KÄV vereinbart und von der jeweiligen KK als "Gesamtvergütung" für alle in einem bestimmten Zeitraum erbrachten
vertragsärztlichen Leistungen insgesamt gezahlt werden (§
85 Abs
1, §
87a Abs
3 Satz 1
SGB V). Die Verteilung der Gesamtvergütungen auf die einzelnen Vertragsärzte wiederum ist alleinige Aufgabe der jeweiligen KÄV.
Bei der Berechnung und Zahlung der Gesamtvergütungen und deren Verteilung handelt es sich um zwei eigenständige, formal getrennte
Rechtskreise (stRspr des BSG, zB BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 9 RdNr 32; BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 33).
Die Trennung der Rechtskreise sowie der Umstand, dass sich bei den Vertragsverhandlungen Körperschaften des öffentlichen Rechts
gegenüberstehen, die an Recht und Gesetz gebunden sind, bewirkt schon für sich genommen eine gewisse "Verrechtlichung" und
damit Versachlichung der Auseinandersetzungen.
(2) Ein zentrales Element des Vertragsarztrechts und damit des Systems der GKV stellt der den KÄVen übertragene "Sicherstellungsauftrag"
dar.
§
72 Abs
1 Satz 1
SGB V bestimmt grundlegend (in der Art einer "Generalklausel", so Klückmann in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand September 2016, §
72 RdNr 6), dass Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, medizinische Versorgungszentren (MVZ) und KKen zur Sicherstellung der
vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zusammenwirken. Ungeachtet dieser alle Beteiligten treffenden Verpflichtung
zur Zusammenarbeit überträgt das Gesetz durch §
75 Abs
1 Satz 1
SGB V die konkrete Aufgabe der Sicherstellung der (Regel-)Versorgung den vertragsärztlichen Körperschaften. Danach haben die KÄVen
und die KÄBV die vertragsärztliche Versorgung in dem in §
73 Abs
2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den KKen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche
Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (sogenannter "Sicherstellungsauftrag"). Aus dieser
Aufgabenübertragung resultiert die Gesamtverantwortung der vertragsärztlichen Körperschaften für die ordnungsgemäße Durchführung
der vertragsärztlichen Versorgung (stRspr des BSG, zB BSGE 79, 97, 99 f = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4; BSGE 109, 182 = SozR 4-2500 § 103 Nr 8, RdNr 13). Ob den KÄVen der Sicherstellungsauftrag für die vertragsärztliche Versorgung als politischer
Ausgleich für den Verzicht der Kassenärzte auf die Möglichkeit des streikähnlichen Honorarkampfes übertragen wurde (so Hess
in Kasseler Komm,
SGB V, Stand Juni 2016, §
75 RdNr 3), oder ob die Übertragung auf die KÄVen nicht primär deswegen erfolgte, weil sie die Sicherstellung der Versorgung
(über ihre Mitglieder) am besten gewährleisten können, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist dieser Sicherstellungsauftrag auch nicht dadurch obsolet geworden, dass §
73b SGB V ("Hausarztzentrierte Versorgung") und §
140a SGB V ("Besondere Versorgung") den Abschluss von Selektivverträgen zwischen KKen und Leistungserbringern ermöglichen, bei deren
Durchführung der Sicherstellungsauftrag der KÄV eingeschränkt ist (siehe hierzu §
73b Abs
4 Satz 6 und §
140a Abs
1 Satz 4
SGB V; BSGE 100, 52 = SozR 4-2500 §
140d Nr 1, RdNr 21). Dass nunmehr ein Teil der vertragsärztlichen Versorgung über Selektivverträge organisiert wird, ändert im
Grundsatz nichts daran, dass die KÄVen weiterhin die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen haben. Das Gesetz spricht
allein von einer "Einschränkung", nicht hingegen von einer "Aufhebung" des Sicherstellungsauftrags; zudem gilt die gesetzliche
Einschränkung nur, "soweit" die Versorgung durch Selektivverträge durchgeführt wird. Ob bzw unter welchen Voraussetzungen
der den KÄVen verbliebene Sicherstellungsauftrag etwa für die hausärztliche Versorgung obsolet werden kann, wenn die überwiegende
Zahl der Vertragsärzte an Selektivverträgen beteiligt ist, bedarf gegenwärtig keiner Entscheidung.
Die sich aus §
75 Abs
1 Satz 1
SGB V ergebende Verpflichtung trifft zwar unmittelbar allein die KÄV als Körperschaft. Umgesetzt wird die Sicherstellung aber von
den gemäß §
72 Abs
1 Satz 1
SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung mitwirkenden Vertragsärzten (und Psychotherapeuten) als Mitglieder der KÄV (BSGE 88,
20, 27 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73). Die KÄV kann ihre Sicherstellungsverpflichtung nur erfüllen, wenn ihre Mitglieder wiederum
ihrer Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nachkommen, dh die zur vertragsärztlichen Versorgung
ihres jeweiligen Fachgebiets gehörenden Leistungen auch anbieten und erbringen (BSGE 88, 20, 27 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73). Daher ist der einzelne Vertragsarzt gemäß §§
70 Abs
1,
72 Abs
1 Satz 1,
75 Abs
1 SGB V in diesen Sicherstellungsauftrag eingebunden (BSG Urteil vom 14.3.2001 - B 6 KA 67/00 R - Juris RdNr 26 = MedR 2002, 47 = USK 2001-126).
Gewährleistet wird die Umsetzung des Sicherstellungsauftrags der KÄV dadurch, dass die zugelassenen Vertragsärzte - sowie
die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden angestellten Ärzte nach Maßgabe dieser Vorschrift - (Zwangs-)Mitglieder
der für sie zuständigen Körperschaft KÄV werden (§
77 Abs
3 SGB V). Der einzelne Vertragsarzt wird gemäß §
95 Abs
3 Satz 1
SGB V aufgrund seiner Zulassung kraft Gesetzes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in dem durch den Sicherstellungsauftrag
festgelegten Umfang verpflichtet (BSG Urteil vom 12.10.1994 - 6 RKa 29/93 - Juris RdNr 10 = USK 94139; BSGE 88, 193, 197 f = SozR 3-2500 §
79a Nr
1 S 6); Entsprechendes gilt für MVZ (§
95 Abs
3 Satz 2
SGB V) und ermächtigte Ärzte (§
95 Abs
4 Satz 1
SGB V). Dementsprechend haben (ua) die Vertragsärzte an der Erfüllung des den Versicherten zustehenden Anspruchs auf ärztliche
Behandlung mitzuwirken (BSGE 88, 20, 26 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73; BSG Urteil vom 14.3.2001 - B 6 KA 67/00 R - Juris RdNr 26 = MedR 2002, 47 = USK 2001-126). Die KÄVen haben die Vertragsärzte ggf mit den Mitteln des Disziplinarrechts dazu anzuhalten, sich der Mitwirkung
an der vertragsärztlichen Versorgung nicht ohne sachlichen Grund - auch nicht in Teilbereichen - zu entziehen (BSG aaO), und sie haben durch die Zwangsmitgliedschaft der an der Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte und die hiermit verbundene
Disziplinargewalt über diese auch die Möglichkeit hierzu.
Durch die Übertragung des Sicherstellungsauftrags erfolgt eine Inpflichtnahme der KÄV und - hiervon abgeleitet - der dieser
angehörenden Vertragsärzte der Art, dass sie für den Gemeinwohlbelang der Funktionsfähigkeit der GKV Verantwortung zu tragen
haben. Die Vertragsärzte sind aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der KÄV nicht allein als deren Erfüllungsgehilfen zu betrachten;
vielmehr übernimmt (auch) der einzelne Vertragsarzt mit seinem Beitritt zum vertragsärztlichen System die Verantwortung für
den Erhalt dieses Systems (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 95 zu §
95b Abs
3 SGB V). Damit ist die Bereitschaft der Vertragsärzte zur Einhaltung der vertragsärztlichen Vorschriften und zur Kooperation mit
den vertragsärztlichen Institutionen wesentlich für die Sicherung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung und der Funktionsfähigkeit
der GKV (vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 26.9.2016 - 1 BvR 1326/15 - RdNr 43 - Juris). Ohne diese auch tatsächliche Gewährleistung einer störungsfreien Versorgung der Versicherten durch die
KÄVen und ihre Mitglieder wäre es nicht zu rechtfertigen, dass die Sicherstellungsaufgaben nicht denjenigen Körperschaften
übertragen worden sind, die - über die Beiträge ihrer Mitglieder - die Versorgung finanzieren.
Der den KÄVen übertragene Auftrag zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ist von zentraler Bedeutung für die
Funktionsfähigkeit des Systems der GKV. Das kommt bereits dadurch zum Ausdruck, dass die "Sicherstellung der vertragsärztlichen
und vertragszahnärztlichen Versorgung" ausweislich der Überschrift Gegenstand des gesamten Ersten Titels des Kapitels 4 Abschnitt
2 des
SGB V ist. Die Bedeutung des Sicherstellungsauftrags für den Systemerhalt bestätigen zudem zahlreiche gesetzliche Vorschriften,
die dessen Erfüllung gewährleisten bzw Systemstörungen verhindern sollen: So sieht §
72a Abs
1 SGB V den Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die KKen vor, wenn mehr als 50 vH aller in einem Zulassungsbezirk oder regionalen
Planungsbereich niedergelassenen Vertragsärzte auf ihre Zulassung nach §
95b Abs
1 SGB V verzichten oder die vertragsärztliche Versorgung verweigern und die Aufsichtsbehörde festgestellt hat, dass dadurch die vertragsärztliche
Versorgung nicht mehr sichergestellt ist. Die Regelung bezweckt, abgestimmte Boykottaktionen zur Herbeiführung erheblicher
Versorgungsengpässe und Erlangung einer nötigungsgleichen Verhandlungsposition zu unterbinden (Hesral in juris-PK
SGB V, 3. Aufl 2016 §
72a RdNr 19). Mit dem Übergang des Sicherstellungsauftrags sind die KKen insbesondere berechtigt, mit Ärzten - aber auch mit
Krankenhäusern - Einzel- und Gruppenverträge zu schließen (§
72a Abs
3 Satz 1
SGB V) und Eigeneinrichtungen nach §
140 Abs
2 SGB V zu errichten (§
72a Abs
3 Satz 2
SGB V).
Zudem steht den KKen dann, wenn die KÄV ihrem Sicherstellungsauftrag aus Gründen, die sie zu vertreten hat, nicht nachkommt,
das Recht zu, die in den Gesamtverträgen nach §
85 oder §
87a SGB V vereinbarten Vergütungen teilweise zurückzubehalten (§
75 Abs
1 Satz 2
SGB V [Satz 5 idF bis 22.7.2015]). Die Einzelheiten haben die Partner des BMV-Ä gemäß §
75 Abs
1 Satz 3
SGB V vertraglich zu regeln; entsprechende Regelungen enthält § 54 Abs 3 BMV-Ä idF ab 1.10.2013 - einschließlich eines Schadensersatzanspruchs der KK (siehe § 54 Abs 3 Satz 12 BMV-Ä). Zweck der Regelung ist es, den KKen "die Möglichkeit" - letztlich ein Druckmittel (so auch Klückmann in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand September 2016, §
75 RdNr 4e) - in die Hand zu geben, um die KÄVen zur Einhaltung ihrer Gewährleistungsverpflichtung anzuhalten (Gesetzesbegründung
zum GKV-Modernisierungsgesetz [GMG], BT-Drucks 15/1525 S 98). Von der KÄV zu vertretende Gründe für ein Versagen des Sicherstellungsauftrags
können in einem gesetzwidrigen Verhalten (Boykottaufrufe etc) oder in einem systematischen Unterlassen gesetzlich gebotener
oder vertraglich vereinbarter Maßnahmen bestehen, wenn kausal damit Sicherstellungsdefizite verbunden sind (Hess in Kasseler
Komm,
SGB V, Stand Juni 2016, §
75 RdNr 36a). Nach Sinn und Zweck der Regelung dürften die Voraussetzungen für einen Einbehalt schon dann erfüllt sein, wenn
die KÄV nicht in der gebotenen Weise (etwa durch Einleitung von Disziplinarverfahren und/oder durch Verlautbarungen, die auf
die Pflichtwidrigkeit der geplanten Maßnahmen hinweisen) ärztlichen "Kampfmaßnahmen" entgegentritt oder diese sogar befürwortet.
(3) Das System der vertragsärztlichen Versorgung ist als sogenanntes "Kollektivvertragssystem" konzipiert. Dies bedeutet zum
einen, dass die für die Tätigkeit der Vertragsärzte maßgeblichen Bedingungen nicht durch zwischen dem einzelnen Arzt und der
einzelnen KK geschlossene Einzelverträge, sondern durch Kollektivverträge der KKen(-Verbände) auf der einen und den vertragsärztlichen
Körperschaften (K[Z]ÄVen, KÄBV bzw KZÄBV) auf der anderen Seite bestimmt werden. Das gesetzlich vorgegebene System verzichtet
damit zwar nicht darauf, dass die maßgeblichen Leistungsbedingungen, insbesondere die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen,
ausgehandelt werden; dies wird aber nicht durch "Marktkräfte", sondern durch Verbände gesteuert (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 130).
Zum anderen ist Wesensmerkmal des vertragsärztlichen Kollektivvertragssystems, dass die beteiligten Körperschaften der KKen
und der Ärzte als "gemeinsame Selbstverwaltung" die Einzelheiten der vertragsärztlichen Versorgung auf der Grundlage gesetzlicher
Vorgaben weitgehend selbst regeln. Die Selbstverwaltung und das Zusammenwirken der Beteiligten zur Sicherstellung der ärztlichen
Versorgung der Versicherten stellt einen "Grundzug" des Vertragsarztrechts dar (Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik
zum Gesetz über die Regelung der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und KKen [Kassenarztrecht] - GKAR, BT-Drucks [2.
Wahlperiode] 1313 S 3). Auch der erkennende Senat hat es als "Leitgedanken" des Vertragsarztrechts bezeichnet, dass die vertragsärztliche
Versorgung "in allen ihrer Verästelungen wesentlich vom eigenverantwortlichen Zusammenwirken der KKen und der Kassenärzte
sowie ihrer Verbände in gemeinsamer Selbstverwaltung getragen wird" (BSGE 36, 151, 154 = SozR Nr 7 zu § 368g
RVO unter Bezugnahme auf BSGE 20, 73, 84 = SozR Nr 1 zu § 368h
RVO). Dieses System kollektivvertraglicher Normsetzung bildet ein Regelungsinstrumentarium eigener Art (BSGE 81, 73, 82 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 57).
Rechtliche Grundlage des Kollektivvertragssystems ist §
72 Abs
2 SGB V. Danach ist die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des GBA durch schriftliche
Verträge der KÄVen mit den Verbänden der KKen zu regeln. Ausgehend hiervon bestimmt etwa §
83 Satz 1
SGB V, dass die KÄVen mit den für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der KKen und den Ersatzkassen Gesamtverträge über die
vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder zu schließen haben. Den allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge wiederum haben deren
Spitzenorganisationen auf Bundesebene - die KÄBV (§
77 Abs
4 SGB V) sowie der Spitzenverband Bund der KKen (§
217a SGB V) - in Bundesmantelverträgen zu vereinbaren (§
82 Abs
1 Satz 1
SGB V). Zu den gesetzlich vorgeschriebenen Vereinbarungen gehören darüber hinaus - auf der Ebene der KÄVen - etwa Punktwertvereinbarungen
nach §
87a Abs
2 Satz 1
SGB V und Arzneimittelvereinbarungen nach §
84 Abs
1 SGB V. Auf Bundesebene haben die dortigen Vertragspartner durch einen von ihnen gebildeten Bewertungsausschuss (§
87 Abs
1 Satz 1
SGB V) insbesondere einen einheitlichen Bewertungsmaßstab (als Bestandteil der Bundesmantelverträge) zu vereinbaren, welcher den
Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, (grundsätzlich) in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander
bestimmt (§
87 Abs
2 Satz 1
SGB V).
Den hierzu zwischen den Vertragspartnern der gemeinsamen Selbstverwaltung geschlossenen Vereinbarungen kommt zudem Rechtsnormqualität
zu (sogenannte "Normsetzungsverträge", vgl BSGE 81, 86, 89 = SozR 3-2500 § 87 Nr 18 S 84; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 64 ff; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 13 RdNr 26; BSG Urteil vom 17.2.2016 - B 6 KA 47/14 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 32 RdNr 22 - zu Regelungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs; BSGE 76, 48, 51 = SozR 3-2500 § 120 Nr 5 S 29 - zu Gesamtverträgen; BSG Beschluss vom 28.9.2016 - B 6 KA 11/16 B - nicht veröffentlicht, RdNr
10 - zu Richtgrößenvereinbarungen nach §
84 Abs
6 SGB V aF), mit der Folge, dass sie nicht allein für die Vertragsparteien, sondern auch für die Vertragsärzte und die gesetzlich
krankenversicherten Patienten verbindlich sind.
Über die gemeinsame Vertragsgestaltung hinaus sind die vertragsärztlichen Körperschaften und die KKen(-Verbände) als "gemeinsame
Selbstverwaltung" in vielfältiger Weise miteinander verbunden: So wirken sie im GBA nach §
91 SGB V zusammen, welcher die zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine
ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten beschließt (§
92 Abs
1 Satz 1
SGB V); in dessen Beschlussgremium entsenden die Spitzenorganisationen der Ärzte wie auch der KKen Mitglieder (§
91 Abs
2 Satz 1
SGB V). Weitere Entscheidungsgremien, in denen KKen und KÄVen zusammenarbeiten, sind zB Landesausschüsse nach §
90 SGB V, Zulassungs- und Berufungsausschüsse nach §§
96,
97 SGB V sowie Beschwerdeausschüsse nach §
106 Abs
4 SGB V.
Die Übertragung des Rechts, die eigenen Angelegenheiten im Wesentlichen selbst durch entsprechende Verträge zu gestalten,
und das den Kollektivvertragspartnern damit gewährte hohe Maß an Autonomie macht es zugleich erforderlich, durch entsprechende
Rahmenbedingungen sicherzustellen, dass die Beteiligten ihren Verpflichtungen auch nachkommen. Die KÄVen und die KKen-Verbände
sind zugleich gezwungen, beim Abschluss der Vereinbarungen über die vertragsärztliche Versorgung einen Interessenausgleich
mit der jeweils anderen Seite zu finden (BSGE 81, 73, 82 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 57). Diese Verpflichtung zum Interessenausgleich wird bereits durch das in §
72 Abs
1 Satz 1
SGB V normierte "Zusammenwirkungsgebot" (Hesral in juris-PK
SGB V, 3. Aufl 2016, §
72 RdNr 7) verdeutlicht.
Um zu verhindern, dass ein vertragsloser und damit "regelungsloser" Zustand eintritt, verlässt sich der Gesetzgeber allerdings
weder allein auf das vorerwähnte Gebot einer vertrauensvollen Zusammenarbeit der Vertragspartner noch auf die Möglichkeit,
mit Aufsichtsmitteln nach §
89 SGB IV auf die als Körperschaften des öffentlichen Rechts unter staatlicher Aufsicht stehenden Vertragspartner einzuwirken (siehe
hierzu §
78 Abs
1 für die KÄBV und die KÄVen, §
208 Abs
1 Satz 1
SGB V für die Landesverbände der KKen, §
217d Satz 3 iVm §
208 Abs
2 Satz 1
SGB V für den Spitzenverband Bund der KKen), auch wenn diese Maßnahmen bis zur Einsetzung eines "Staatskommissars" reichen können
(siehe hierzu §
79a Abs
1 SGB V; BSGE 88, 193 = SozR 3-2500 §
79a Nr
1). Vielmehr wird das reibungslose Funktionieren der vertragsärztlichen Versorgung durch zwei weitere für das vertragsärztliche
Kollektivvertragssystem typische Gestaltungselemente abgesichert, nämlich durch gesetzlich vorgeschriebene Schlichtungsverfahren
sowie die gesetzlich angeordnete Fortgeltung ausgelaufener Verträge bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung.
Diese Regelungen gewährleisten, dass ein vertragsloser Zustand vermieden wird (vgl BSGE 116, 280 = SozR 4-2500 § 87a Nr 2, RdNr 30); gleichzeitig verhindern sie, dass einer der Beteiligten durch die Blockade der Vertragsverhandlungen
und den sich aus einem vertragslosen Zustand ergebenden Auswirkungen auf die vertragsärztliche Versorgung ein ihm genehmes
Verhandlungsergebnis erzwingen kann. Im Streitfall soll das erforderliche Ergebnis - des Abschlusses eines Vertrages über
die vertragsärztliche Versorgung - nicht durch Mittel des "Arbeitskampfes" (im Sinne von "Streik" und "Aussperrung") erzwungen
werden. Vielmehr wird den Vertragspartnern im Falle der Nichteinigung der Streitgegenstand entzogen und die Entscheidungshoheit
auf das neutrale Schiedsamt übertragen, dessen Entscheidung wiederum zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden kann.
So bestimmt §
89 Abs
1 SGB V, dass dann, wenn ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande kommt (Satz 1 aaO)
oder wenn ein neuer Vertrag nach Kündigung des alten nicht bis zu dessen Ablauf zustande kommt (Satz 3 aaO), das - neben Vertretern
der Vertragsparteien mit drei unparteiischen Mitgliedern besetzte - (Landes-)Schiedsamt den Vertragsinhalt innerhalb von drei
Monaten festsetzt (siehe hierzu Düring/Schnapp in Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl
2016, S 57 ff). Für den Fall, dass der für eine Entscheidung des Schiedsamts erforderliche Antrag nicht gestellt wird, sieht
§
89 Abs
1a Satz 1
SGB V für gesetzlich vorgeschriebene Verträge - wie etwa Gesamtverträge nach §
83 SGB V, deren Inhalt insbesondere die Vereinbarung der Gesamtvergütungen ist (vgl §
85 Abs
2 Satz 1
SGB V) - eine Antragstellung durch die Aufsichtsbehörden vor. Schließlich hat der Gesetzgeber auch für den Fall Vorsorge getroffen,
dass das Schiedsamt seinerseits untätig bleibt: Kommt ein Vertrag nicht innerhalb von drei Monaten durch Schiedsspruch zustande
und verstreicht sodann auch eine dem Schiedsamt von der Aufsichtsbehörde gesetzte Frist, setzt diese den Vertragsinhalt fest
(§
89 Abs
1 Satz 5 und Abs
1a Satz 3 iVm Abs
1 Satz 5
SGB V). Schließlich wird bestimmt, dass Klagen gegen die Festsetzung des Schiedsamts keine aufschiebende Wirkung haben (§
89 Abs
1 Satz 6, Abs
1a Satz 4
SGB V), der von diesem festgesetzte Vertragsinhalt also sofort Geltung erlangt.
Für den Fall, dass die den Bewertungsausschuss bildenden Organisationen - im Regelfall also die KÄBV und der Spitzenverband
Bund der KKen - keine Einigung über die dem Bewertungsausschuss übertragenen Aufgaben, namentlich den Inhalt des Bewertungsmaßstabs
nach §
87 Abs
1 SGB V, erzielen, sieht §
87 Abs
5 SGB V eine Entscheidung durch den - um einen unparteiischen Vorsitzenden und zwei weitere unparteiische Mitglieder erweiterten
(§
87 Abs
4 Satz 1
SGB V) - erweiterten Bewertungsausschuss vor (siehe hierzu Altmiks in Schnapp/Düring aaO, S 205 ff).
Flankiert werden die Schiedsregelungen durch die Bestimmungen über die Fortgeltung bisheriger Verträge. Zwecks Verhinderung
eines vertragslosen Zustandes im Zeitraum zwischen Vertragsablauf und Schiedsamtsentscheidung bestimmt etwa §
89 Abs
1 Satz 4
SGB V, dass ein gekündigter Vertrag bis zur Entscheidung des Schiedsamts fortgilt. Dies wird weder durch das Scheitern der Schiedsverhandlungen
in Frage gestellt noch dadurch, dass ein Schiedsentscheid nicht binnen der Dreimonatsfrist des §
89 Abs
1 Satz 3
SGB V erging (BSGE 88, 193, 202 = SozR 3-2500 §
79a Nr
1 S 11). Ebenso bestimmt §
84 Abs
1 Satz 3
SGB V, dass dann, wenn eine Arzneimittelvereinbarung nicht bis zum Ablauf der in §
84 Abs
1 Satz 1
SGB V genannten Frist zustande kommt, die bisherige Vereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung oder einer Entscheidung
durch das Schiedsamt weiter gilt.
(4) Die gesetzlichen Regelungen zum Vertragsarztrecht sind in "jahrzehntelanger Entwicklung aus den Interessengegensätzen
und dem Interessenausgleich zwischen der Ärzteschaft und den KK" entstanden (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung zum ersten
Entwurf eines GKAR, BT-Drucks [2. Wahlperiode] 87 S 14 - A. Allgemeiner Teil I. Entwicklung des Kassenarztrechts).
Nach dem "Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter" (Krankenversicherungsgesetz [KVG]) vom 15.6.1883 (RGBl 73)
konnten die KKen nach eigenem Ermessen und in freier Vereinbarung mit ihnen genehmen Ärzten bürgerlich-rechtliche (Einzel-)Dienstverträge
über die ärztliche Versorgung ihrer Versicherten schließen (Gesetzesbegründung zum GKAR aaO; siehe hierzu auch Rompf, VSSR
2007, 1, 5 ff). So ermächtigte der mit Gesetz vom 10.4.1892 (RGBl 379) in das KVG eingefügte § 6a die KKen, durch Statut zu bestimmen,
welche Ärzte die Versicherten behandeln konnten; die Bezahlung anderer als der im Statut benannten Ärzte war ausgeschlossen.
Die durch den zunehmenden Organisationsgrad der GKV bedingten Auswirkungen dieser Machtstellung auf die Ärzteschaft (ausführlich
hierzu Käsbauer, Die Neuordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und KKen durch das Berliner Abkommen vom 23.12.1913,
Dissertation, 2015, S 54 ff) führten zur Gründung ärztlichen Interessenorganisationen (namentlich des Leipziger Verbandes
bzw "Hartmannbundes"), die insbesondere für eine Erhöhung der Honorare, die freie Arztwahl sowie die Ablösung der Einzelverträge
durch Kollektivverträge eintraten (Rompf aaO; Gesetzesbegründung zum GKAR aaO).
Die an die Stelle des KVG tretende
RVO vom 19.7.1911 (RGBl 509) übernahm die bestehenden Strukturen des KVG und entsprach damit nicht den Interessen der Ärzteschaft
(Zacher, ZfS 1966, 129, 131). Vielmehr wurde die Position der Ärzte weiter geschwächt, da die KKen durch § 370 Satz 1
RVO ermächtigt wurden, den Versicherten an Stelle von Sachleistungen zwei Drittel des durchschnittlichen Krankengeldes zu gewähren,
sofern die ärztliche Versorgung ernstlich dadurch gefährdet wurde, dass die KK keinen Vertrag zu angemessenen Bedingungen
mit einer ausreichenden Zahl von Ärzten schließen konnte oder dass die Ärzte den Vertrag nicht einhielten; hierdurch wurde
den Ärzten ein effektives Druckmittel - die Kündigung der Verträge - entzogen, weil die Versicherten in diesem Fall Ärzte
konsultieren konnten, die keine Verträge mit den KKen geschlossen hatten (Ziermann, Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen
des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der GKV, Dissertation 2007, S 20). Daraufhin wurde
auf einem außerordentlichen Ärztetag am 26.10.1913 ein allgemeiner Streik ab dem Inkrafttreten der
RVO - dh ab dem 1.1.1914 - beschlossen (Zacher, ZfS 1966, 129, 131). Auf Vermittlung der Reichsregierung wurde am 23.12.1913 zwischen den Spitzenverbänden der KKn und der Ärzteschaft
das sogenannte "Berliner Abkommen" (abgedruckt bei Käsbauer aaO S 405 ff) vereinbart. Nach diesem - auf privatrechtlicher
Grundlage zwischen Ärzten und KKen geschaffenen - Vertragssystem (zu den Einzelheiten siehe Käsbauer aaO S 149 ff) verblieb
es beim Einzelvertragssystem. Jedoch verzichteten die KKen auf die einseitige Bestimmung der Zahl, der Auswahl und der Beschäftigungsbedingungen
der Ärzte zugunsten einer gemeinsamen Regelung durch paritätisch besetzte Ausschüsse unter ausschlaggebender Mitwirkung eines
beamteten Vorsitzenden (vgl Nr 5 und 6 des Abkommens). Auch sah das Abkommen vor, dass der Leipziger Verband auf eine Weitergeltung
der alten Verträge bis zum Abschluss eines neuen Vertrages hinwirken sollte (siehe hierzu auch Rompf aaO Fußnote 59: Verpflichtung
zur Weiterbehandlung).
Bedingt durch das Auslaufen des zunächst auf zehn Jahre befristeten und nunmehr kündbaren "Berliner Abkommens" sowie durch
die Auswirkungen der Geldentwertung (Rompf aaO S 10; Käsbauer aaO S 195 ff) kam es auf der Grundlage eines Ermächtigungsgesetzes
vom 13.10.1923 (RGBl 943) mit der Verordnung der Reichsregierung über Ärzte und KKen vom 30.10.1923 (RGBl 1051) erstmals zu
einer normativen Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und KKen. Mit dieser Verordnung wurde der wesentliche
Teil des "Berliner Abkommens" in die
RVO aufgenommen (Gesetzesbegründung zum GKAR aaO; Käsbauer aaO S 211 mwN). Geregelt wurde die Bildung eines Reichsausschusses
für Ärzte und KKen (§§ 1 bis 6), von Landesausschüssen (§§ 7 bis 9) sowie von Einigungs- und Schiedsstellen (§§ 10 bis 17).
Die Nichtbeachtung von Schiedsamtsentscheidungen durch den Arzt konnte einen Zulassungsausschluss von bis zu fünf Jahren nach
sich ziehen, während für die Verbände der Ärzte und der KKen eine Schadensersatzpflicht bestand (§ 17 der Verordnung). Durch
die Verordnung über Krankenhilfe bei den KKen vom 30.10.1923 (RGBl I 1054) wurde hingegen ua - in § 6 - bestimmt, dass die ärztliche Versorgung im Sinne von § 370
RVO insbesondere als ernstlich gefährdet gilt, wenn ein für die ausreichende Versorgung unentbehrlicher Teil der Ärzte den geschlossenen
Vertrag nicht einhält (Nr 1), sich nach Ablauf oder Abbruch des Vertrags weigert, die Behandlung vorläufig unter den bisher
geltenden Bedingungen fortzusetzen (Nr 2) oder sich weigert, über die künftigen Bedingungen vor den Schiedsstellen zu verhandeln
(Nr 3). Der Inhalt der "Verordnung über Ärzte und KKen" wurde durch die Bekanntmachung vom 15.12.1924 (RGBl I 779, 821 ff)
- als §§ 368a bis 368t - in die
RVO aufgenommen.
Die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre und die daraus resultierende Massenarbeitslosigkeit mit entsprechender Verringerung
des Beitragsaufkommens sowie die Absenkung der Krankenkassenbeiträge zur Finanzierung der Arbeitslosenversicherung bedingte
eine Reduzierung der Krankenversicherungsausgaben (Käsbauer aaO S 265 ff). Hierzu dienten die durch die Notverordnung vom
26.7.1930 (RGBl I 311, 321 ff) umgesetzten Maßnahmen. Zu diesen gehörten insbesondere die Normierung eines Wirtschaftlichkeitsgebots
und eine mit dessen Verletzung verbundene Schadensersatzpflicht des Arztes sowie die Aufnahme von Regelungen gegen eine übermäßige
Ausdehnung des kassenärztlichen Dienstes (§ 368 Abs 2
RVO) und eine Verschärfung des § 370
RVO durch die Reduzierung der anstelle einer Sachleistung zu gewährenden Barleistung auf 80 vH der wirklichen Kosten, die zugleich
als Zahlung im Sinne der ärztlichen Gebührenordnung galt, und die Einführung eines Kündigungsrechts bei übermäßigen Ausgaben
der KK.
Die insbesondere aus diesen Maßnahmen resultierenden Spannungen zwischen Ärzten und KKen (vgl Rompf aaO S 14) führten dazu,
dass es auf Initiative und maßgeblicher Mitwirkung des Reichsarbeitsministeriums 1931 zu einer Vereinbarung zwischen der Ärzteschaft
und den größten Verbänden der KKen kam, die auf der einen Seite Forderungen der Ärzteschaft nach großzügigerer Zulassung durch
eine Absenkung der Verhältniszahl entgegenkam und auf der anderen Seite den Forderungen der KKen nach Abgeltung der gesamten
Behandlung durch einen festen Abgeltungsbetrag für jeden Versicherten - sogenannte "Kopfpauschale" - entsprach (Gesetzesbegründung
zum GKAR aaO). Da die Innungs-, Betriebs- und Landeskrankenkassen dem Kompromiss nicht zustimmten (Rompf aaO), erfolgte mit
der Vierten Verordnung des Reichspräsidenten vom 8.12.1931 (RGBl I 699, 718 ff = Fünfter Teil Kapitel I [Krankenversicherung])
auf der Grundlage des vorgenannten Übereinkommens (Gesetzesbegründung zum GKAR aaO S 14 f) eine gesetzliche Regelung. Deren
Inhalt wurde nachfolgend durch die Verordnung über die kassenärztliche Versorgung vom 14.1.1932 (RGBl I 19) im Wege einer
Neufassung der §§ 368 bis 373 in die
RVO eingearbeitet.
Mit dieser Neuregelung erhielt das Vertragsarztrecht weitgehend seine noch heute gültigen Strukturen. So wurde zur Regelung
des "kassenärztlichen Dienstes" der Abschluss von Gesamtverträgen zwischen KKen und KÄVen auf der Grundlage der von den Spitzenverbänden
vereinbarten Mantelverträge vorgeschrieben (§ 1 der Notverordnung = § 368
RVO nF), die Zahlung einer nach Kopfpauschalen bemessenen Gesamtvergütung bestimmt (§ 2 = § 368e Abs 1
RVO nF) sowie deren mit befreiender Wirkung erfolgenden Zahlung an die KÄV, welcher deren Verteilung oblag (§ 3 = § 368e Abs 2
RVO nF). Zudem wurde bestimmt, dass die KÄV die Erfüllung der den Kassenärzten obliegenden Verpflichtungen zu überwachen hatte
und dass sie den KKen gegenüber die Gewähr dafür übernahm, dass die kassenärztliche Versorgung den Anforderungen entsprach
(§ 4 = § 368d Abs 2 und 3
RVO nF). Nach § 368p Abs 3 Satz 3 Halbsatz 2
RVO wurde zudem bestimmt, dass bis zur Entscheidung des Reichsschiedsamts über das gegen eine Entscheidung des Schiedsamts eingelegte
Rechtsmittel die Vergütung in der Höhe fortzuzahlen war, in der sie vor Erlass der angefochtenen Entscheidung gewährt wurde.
Der nachkonstitutionelle Gesetzgeber hat an das überkommene Regelungskonzept angeknüpft und es weiter ausgebaut (BSGE 78,
70, 78 = SozR 3-2500 § 92 Nr 6 S 33; BSGE 81, 73, 83 = SozR 3-2500 § 92 Nr 7 S 58). Mit dem GKAR vom 17.8.1955 (BGBl I 513) hat er dabei bewusst - in der Erkenntnis, dass
in der Vergangenheit mehrfach heftige Kämpfe zwischen der Ärzteschaft und den KKen entbrannt seien, die zeitweise die Grundlagen
der GKV zu erschüttern gedroht hätten, im Ergebnis aber zu der beiderseitigen Erkenntnis geführt hätten, dass im Interesse
der ärztlichen Versorgung der Versicherten das verständnisvolle Zusammenwirken der Ärzteschaft und der KKen in einer umfassenden
Gemeinschaftsarbeit unerlässlich sei (Gesetzesbegründung zum GKAR, BT-Drucks [2. Wahlperiode] 87 S 14) - die wesentlichen
Strukturen des bisherigen Rechts übernommen. Ausdrücklich hervorgehoben wurde, dass dann, wenn keine Einigung über den Inhalt
der Gesamtverträge erzielt werde, ein "Einigungsverfahren" gelte, dass notfalls zu einer Zwangsschlichtung führe, und dass
bis zur endgültigen Entscheidung die Vergütung gemäß § 368h Abs 5
RVO in der bisherigen Höhe weiterzuzahlen sei (Ausschussbericht zum GKAR, BT-Drucks [2. Wahlperiode] 1313 S 4). Auf die Übernahme
der sogenannten "Misstrauensparagraphen" (§§ 370 ff der
RVO) werde verzichtet, da Ärztestreiks uÄ aufgrund der gesetzlich vorgegebenen Zwangsschlichtung ausgeschlossen erschienen (Ausschussbericht
aaO). Die Gesetzesbegründung betont damit den engen Zusammenhang zwischen der "Zwangsschlichtung" auf der einen und dem Verzicht
auf die "Misstrauensparagraphen" auf der anderen Seite: Es habe Einigkeit darüber bestanden, dass der - im Gesetzgebungsverfahren
diskutierte - Wegfall der Zwangsschlichtung die Wiedereinführung der §§ 370 ff
RVO zur Folge haben müsse; daher habe man im Interesse der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten an der Zwangsschlichtung
festgehalten (Ausschussbericht aaO S 6 zu d) Schlichtung).
Auch dem nachkonstitutionellen Gesetzgeber kam es damit maßgeblich darauf an, im Interesse der Sicherstellung der ärztlichen
Versorgung der Versicherten einen vertragslosen Zustand zu verhindern. Dabei wurde als selbstverständlich vorausgesetzt, dass
die (vorübergehende) Fortgeltung der bestehenden Vereinbarungen auch ihren Niederschlag in einer durch "Kampfmaßnahmen" unbeeinträchtigten
Versorgung der Versicherten findet. Hierauf weisen gerade die im Gesetzgebungsverfahren diskutierten Alternativen "Zwangsschlichtung"
oder "Misstrauensparagraphen" hin: Den KKen sollte kein Mittel nach Art des § 370
RVO aF in die Hand gegeben werden, um auf "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte angemessen reagieren zu können, sondern es sollte
durch die Verpflichtung der KKen und KÄVen zum Zusammenwirken und die ggf zwangsweise Herbeiführung einer Einigung von vornherein
ausgeschlossen werden, dass es überhaupt zu "Kampfmaßnahmen" kommt.
Hieran hat der Gesetzgeber auch nachfolgend festgehalten. So hat er mit dem Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz ([KVKG]
vom 27.6.1977, BGBl I 1069) eine dreimonatige Frist für das Wirksamwerden eines Zulassungsverzichts eingeführt (siehe hierzu
§§ 368a Abs 7, 368c Nr 15
RVO iVm den Zulassungsordnungen). Hierdurch sollten die KÄVen rechtzeitig von einer Veränderung der Versorgungssituation Kenntnis
erlangen und ggf geeignete Sicherstellungsmaßnahmen ergreifen können (Ausschussbericht zum KVKG, BT-Drucks 8/338 S 63 zu Art
1 Nr 28); damit sollte vermieden werden, dass sich ein Vertragsarzt mit sofortiger Wirkung von seinen Verpflichtungen im Rahmen
der vertragsärztlichen Versorgung lösen kann (Ausschussbericht aaO S 52 Allgemeiner Teil III.1.; zu den Hintergründen siehe
auch Ludes aaO S 57 ff).
Im Zusammenhang mit der Einfügung der gesetzlichen Regelungen zur Begegnung von Maßnahmen in Form eines "Kollektivverzichts"
durch das GSG vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) - hierzu gehört insbesondere der Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die KKen (§
72a SGB V) und die sechsjährige Wiederzulassungssperre (§
95b SGB V), aber auch die Regelungen in §
13 Abs
2 Satz 7
SGB V und §
140 Abs
2 Satz 2
SGB V - hat er nicht nur durch die ergriffenen Maßnahmen, sondern auch durch die Gesetzesbegründung deutlich gemacht, dass er jegliche
Beeinträchtigung der vertragsärztlichen Versorgung durch ärztliche "Kampfmaßnahmen" für nicht hinnehmbar ansieht. Die Bestimmungen
über die vertragsärztliche Versorgung seien für den Vertragsarzt verbindlich und er habe dementsprechend die Erfüllung des
Sicherstellungsauftrags zu fördern und alles zu unterlassen, was die Sicherstellung und die Durchführung der vertragsärztlichen
Versorgung gefährden oder ausschließen könnte; jede Schädigung der vom Körperschaftszweck erfassten Interessen der Beteiligten
habe zu unterbleiben (Gesetzesbegründung zum GSG, BT-Drucks 12/3608 S 95 zu §
95b Abs
1 SGB V).
Durch das GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) hat der Gesetzgeber den KKen mit §
75 Abs
1 Satz 2
SGB V die Möglichkeit eröffnet, die Gesamtvergütungen teilweise zurückzubehalten, wenn die KÄVen ihrer Sicherstellungsverpflichtung
nicht nachkommen. Zudem wurde bestimmt, dass die Satzung der KÄVen auch Bestimmungen über die vertragsärztlichen Pflichten
zur Ausfüllung des Sicherstellungsauftrags enthalten muss (§
81 Abs
1 Satz 1 Nr
9 [jetzt Nr 10]
SGB V). Hierdurch soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1525 S 99 zu Art 1 Nr 59) rein betriebswirtschaftlich motivierten
Praxisschließungen vor Ende des Abrechnungsquartals entgegengewirkt werden.
cc. Mit diesem in sich geschlossenen, in der Kontinuität einer mehr als hundertjährigen Entwicklung stehenden und bis in die
jüngere Zeit durch den Gesetzgeber fortentwickelten System des Vertragsarztrechts sind "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte
nicht vereinbar (in diesem Sinne auch LSG Berlin Urteil vom 5.12.2001 - L 7 KA 17/99 - RdNr 29 ff - Juris, zu Streikaufrufen der KZÄV).
(1) (a) Es würde das dargestellte Regelwerk des Vertragsarztrechts konterkarieren, wenn sich die Vertragsärzte dem vom Gesetzgeber
mit der Schiedsregelung und der Fortgeltung von Verträgen beabsichtigten Zweck, eine störungsfreie ärztliche Versorgung der
Versicherten sicherzustellen, durch "(Warn-)Streiks" ganz oder auch nur partiell entziehen könnten. Insbesondere die Verpflichtung
zur Weiterarbeit unter den bisherigen Bedingungen bis zum Abschluss oder der Festsetzung einer neuen Vereinbarung, die bereits
Eingang in die Bestimmungen des Berliner Abkommens gefunden hatte und nachfolgend in die
RVO übernommen wurde (siehe § 368p Abs 3 Satz 3 Halbsatz 2
RVO idF der Verordnung vom 14.1.1932), verfolgt den erkennbaren Zweck, jede - und sei es auch nur vorübergehende - Unterbrechung
oder Beeinträchtigung der Versorgung der in der GKV versicherten Patienten auszuschließen.
Eine der Intention des Gesetzgebers zuwiderlaufende Störung der Versorgung liegt mithin auch dann vor, wenn es sich bei den
ärztlichen "Kampfmaßnahmen" lediglich um "Nadelstiche" - also um zeitlich, örtlich oder vom Ausmaß her begrenzte Maßnahmen
wie etwa "Warnstreiks" - handelt. Auch in der mit einem vertragsärztlichen "Warnstreik" verbundenen mehrstündigen Praxisschließung
liegt eine nicht unerhebliche Verweigerung der vertragsärztlichen Versorgung (so auch LSG Berlin Urteil vom 5.12.2001 - L 7 KA 17/99 - Juris RdNr 34 = NZS 2002, 386 ff = Breith 2002, 495 ff = MedR 2002, 370 ff). Auch derartige partielle "Kampfmaßnahmen" beeinträchtigen die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten. Die teilnehmenden
Vertragsärzte stehen für die Dauer des "Warnstreiks" nicht für die Versorgung der Versicherten zur Verfügung, obwohl ihre
Teilnahme hieran geboten und erforderlich ist:
Die KÄVen und ihre Mitglieder haben gemäß §
75 Abs
1 Satz 1
SGB V zu gewährleisten, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Dies
ist aber nur dann der Fall, wenn alle Vertragsärzte im vorgesehenen und als erforderlich erachteten Umfang an der Versorgung
teilnehmen. Die vertragsärztliche Bedarfsplanung mit der Feststellung eines bedarfsgerechten Versorgungsgrades und der Feststellung
von Überversorgung beruht auf der Prämisse, dass die Vertragsärzte die für ihre Fachgebiete oder für ihren Versorgungsbereich
wesentlichen Leistungen anbieten und erbringen (BSGE 88, 20, 27 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73), und damit natürlich erst recht auf der Annahme, dass die Vertragsärzte überhaupt Leistungen
im Umfang des übernommenen Versorgungsauftrags erbringen. Dass im Rahmen der vertragsärztlichen Bedarfsplanung auch diejenigen
Vertragsärzte berücksichtigt werden, die tatsächlich kaum Sprechstunden verlässlich durchführen, ist ein auch vom Senat beklagter
Missstand (vgl BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 1 RdNr 18), der nicht der mit der Bedarfsplanung verfolgten Intention einer gleichmäßigen und ausreichenden Versorgung
entspricht. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass nur ein Tätigwerden im Umfang des übernommenen Versorgungsauftrags
den rechtlichen Vorgaben genügt.
Dem entspricht die in §
81 Abs
1 Satz 1 Nr
10 SGB V normierte Vorgabe, dass die Satzung der KÄV auch Bestimmungen über die vertragsärztlichen Pflichten zur Ausfüllung des Sicherstellungsauftrags
enthalten muss. Hintergrund dieser ausdrücklichen Verpflichtung ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/1525 S 99 zu
Nr 59) die Beobachtung, dass Vertragsärzte vor Ende eines Abrechnungszeitraums ihre Praxis schließen, weil das individuelle
Abrechnungsvolumen ihrer Praxis erschöpft ist. Mit einem derartigen Verhalten setzten sich diese Vertragsärzte in Widerspruch
zu der aus ihrer Zulassung resultierenden Verpflichtung, der vertragsärztlichen Versorgung in vollem Umfang zur Verfügung
zu stehen und nicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen ihre Praxis zu schließen (aaO). Diesem Verhalten hat der Gesetzgeber
auch mit Blick auf § 32 Abs 1 Ärzte-ZV, der eine Praxisschließung nur unter den dort geregelten Voraussetzungen erlaubt, entgegenwirken wollen (vgl Vahldiek in
Hauck/Noftz,
SGB V, Stand September 2016, §
81 RdNr 26). Auch dies stützt die Annahme, dass jede nicht durch Sachgründe bedingte bzw gerechtfertigte Unterbrechung der vertragsärztlichen
Versorgung mit einer Systemstörung gleichzusetzen ist.
Es ist im Übrigen gerade der Zweck der als "Kampfmaßnahme" ("Warn-Streik") konzipierten vorübergehenden Praxisschließung,
dass sich diese Maßnahme auf die Versorgung der Versicherten auswirkt, weil hierdurch ein Nachgeben der KKen in den (Vergütungs-)Verhandlungen
erzwungen werden soll: Es soll den KKen - vorerst zeitlich und vom Umfang her begrenzt - aufgezeigt werden, welche Situation
eintreten könnte, wenn diese nicht auf die Forderungen der Ärzteschaft eingehen. "Warnstreiks" von Vertragsärzten kommen in
ihrer Wirkung einem Warnstreik der Beschäftigten eines öffentlichen Versorgungsunternehmens gleich, bei dem ebenfalls aufgrund
einer kurzfristigen Arbeitsniederlegung durch die Öffentlichkeit vermittelter Druck auf die Verhandlungspartner ausgeübt werden
soll (LSG Berlin aaO RdNr 34).
(b) Ebenso würde es dem vom Gesetzgeber angestrebten Interessenausgleich zwischen den KKen und den Ärzten zuwiderlaufen, wenn
die Vertragsärzte die Möglichkeit besäßen, die KKen durch - die ärztliche Versorgung der Mitglieder der KKen beeinträchtigende
- "Kampfmaßnahmen", wie vorübergehende Praxisschließungen, unter Druck zu setzen. Der vom Gesetzgeber beabsichtige Ausgleich
der partiell gegenläufigen Interessen würde unter diesen Umständen daran scheitern, dass die KKen einen zu Lasten ihrer Versicherten
geführten Kampf um Vergütungen und Vertragsbedingungen im Regelfall nicht lange durchhalten würden und daher gezwungen wären,
auf die Forderungen der Ärzte bzw der KÄV einzugehen (in diesem Sinne auch Ludes aaO S 59, 60). Denn der von den Vertragsärzten
durch "Kampfmaßnahmen" ausgeübte Druck richtete sich nur vermeintlich gegen die KKen selbst; unmittelbar betroffen wären vielmehr
die Patienten, die ärztlicher Behandlung bedürfen und diese Behandlung nur in begrenztem zeitlichen Umfang oder gar nicht
aufschieben können; diese würden letztlich von den Vertragsärzten als "Geiseln" genommen. Vertragsärzte dürfen ihre Auseinandersetzungen
mit der KÄV und den KKen aber nicht auf dem Rücken der Versicherten austragen (Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform,
§ 30 RdNr 6), vor allem, weil die Versicherten auf die Höhe der vertragsärztlichen Vergütungen keinen Einfluss haben (Wenner,
GesR 2009, 505, 517). Im Ergebnis würden die widerstreitenden Interessen also nicht ausgeglichen, sondern es käme im Extremfall
zu einem einseitigen "Diktat" zu Lasten der KKen.
(c) Dass der Gesetzgeber ein derartiges "Diktat" nicht hinzunehmen bereit ist, bestätigen auch die bereits erwähnten Regelungen
in §
72a und §
95b SGB V. Der Gesetzgeber hat mit diesen Vorschriften deutlich zu erkennen gegeben, dass "Kampfmaßnahmen" mit der vertragsärztlichen
Tätigkeit unvereinbar sind. Die sehr scharfen Sanktionen im Falle eines abgesprochenen Systemausstiegs - namentlich die sechsjährige
Wiederzulassungssperre - wären nur beschränkt plausibel, wenn "Ärztestreiks" unter Beibehaltung des Zulassungsstatus zulässig
wären. Denn es stellte sich die Frage, worin der Unterschied zwischen einem - sanktionierten - abgesprochenen Zulassungsverzicht
mit der Intention, nach Erfüllung der finanziellen Forderungen sofort wieder in das System zurückzukehren, und einem zeitlich
unbefristeten Streik unter Beibehaltung des Zulassungsstatus bestehen könnte.
Die Wertung eines systemimmanenten Ausschlusses von "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte bestätigt der Umstand, dass der nachkonstitutionelle
Gesetzgeber - anders, als dies unter der Geltung des "Misstrauensparagraphen" § 370
RVO der Fall war - den KKen kein Instrumentarium in die Hand gegeben hat, um vorübergehenden und ggf auch "niedrigschwelligen"
Störungen der Versorgung entgegentreten zu können. Wollte man den Vertragsärzten ein "Streikrecht" zugestehen, müsste man
im Übrigen zugleich den KKen die Möglichkeit eröffnen, hierauf adäquat reagieren zu können. Während die Arbeitgeber im Falle
eines Streiks ihrer Beschäftigten zur Herstellung der Kampf- bzw Verhandlungsparität (vgl BVerfGE 84, 212, 225) die Möglichkeit der Aussperrung - also der Suspendierung der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis (vgl
Treber in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl 2015, § 191 RdNr 12) - haben, sind vergleichbare Gegenmaßnahmen den KKen
für den Regelfall verwehrt (auf die "sehr begrenzten Substitutionsmöglichkeiten" der KK weist auch Ludes [aaO S 62] hin).
So ist es ihnen grundsätzlich (vgl §
140 Abs
2 Satz 1
SGB V) versagt, durch Schaffung von Eigeneinrichtungen etwaigen "Kampfmaßnahmen" der Ärzte vorzubeugen. Ebenso wenig sind die KKen
berechtigt, eine ambulante Behandlung ihrer Mitglieder durch Krankenhäuser statt durch Vertragsärzte sicherstellen zu lassen,
weil die ambulante Versorgung Aufgabe der niedergelassenen Ärzte ist und ihnen hier - grundsätzlich - der Vorrang zukommt
(stRspr des BSG, vgl zB BSGE 88, 20, 27 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 73; BSG SozR 4-2500 § 76 Nr 2 RdNr 13; siehe auch BVerfG SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 15 ff). Etwas anderes gilt allein in dem (Extrem-)Fall, dass mehr
als 50 vH der Vertragsärzte in einem Zulassungsbereich oder Planungsbezirk nach §
95b Abs
1 SGB V (sogenannter "Kollektivverzicht") auf ihre Zulassung verzichtet haben oder die vertragsärztliche Versorgung verweigern und
damit - nach entsprechender Feststellung der Aufsichtsbehörde - der Sicherstellungsauftrag nach §
72a SGB V auf die KKen übergeht. Insoweit lässt das Gesetz auch die Neuerrichtung von Eigeneinrichtungen zur Erfüllung des Sicherstellungsauftrags
(§
72a Abs
3 Satz 2, §
140 Abs
2 Satz 2
SGB V) und den Abschluss von Verträgen mit Krankenhäusern ua zu (§
72a Abs
3 Satz 1
SGB V).
Einem "Ärztestreik" steht schließlich auch entgegen, dass die von den KKen an die KÄVen gezahlte Gesamtvergütung eine Gesamtmenge
an Leistungen vergüten soll, die sich nach dem mit der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundenen Behandlungsbedarf
bemisst (vgl §
87a Abs
3 Satz 2
SGB V). Da davon auszugehen ist, dass mit Praxisschließungen konfrontierte Versicherte in gewissem Umfang darauf verzichten werden,
"eingepreiste" Behandlungen nachzufragen, etwa um lange Wartezeiten bei den "Vertretungs-Praxen" zu vermeiden, erhalten Vertragsärzte,
die aufgrund von "Warnstreiks" oÄ ihre Leistungen zurückhalten, einen Anteil der - abstrakt bemessenen - Gesamtvergütung zu
Unrecht.
(2) Die gegen wesentliche Strukturelemente des vertragsarztrechtlichen Systems erhobenen Einwände überzeugen nicht. Soweit
geltend gemacht wird, dass das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zur Streitschlichtung durch (Landes- oder Bundes-)Schiedsämter
nach §
89 SGB V bzw durch den erweiterten Bewertungsausschuss nach §
87 Abs
4 SGB V untauglich sei, weil es nicht sicherstelle, dass die Interessen der Ärzteschaft gewahrt würden, geht dies fehl. Dass die
unparteiischen Mitglieder der genannten Gremien oftmals den Ausschlag geben werden, ist einem Schlichtungsverfahren ebenso
immanent wie der Umstand, dass die Entscheidung des Schiedsorgans zu Lasten der einen wie auch der anderen Seite ausgehen
kann.
Der weitere Einwand, dass die Sozialgerichtsbarkeit ihrer Überprüfungspflicht nur unzureichend nachkomme, weil sie bei der
Überprüfung der Schiedssprüche starke Zurückhaltung übe (so auch Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 112), trifft ebenfalls nicht zu. Die eingeschränkte Überprüfbarkeit der Schiedssprüche bzw der Entscheidungen des erweiterten
Bewertungsausschusses beruht zum einen auf dem Umstand, dass es sich nach der gesetzlichen Konstruktion auch bei den an die
Stelle der vertraglichen Vereinbarung tretenden Entscheidungen der Schiedsorgane um untergesetzliche Normsetzung handelt,
sodass die hierfür geltenden Prüfmaßstäbe anzuwenden sind und insbesondere die Gestaltungsfreiheit des Normgebers zu respektieren
ist (stRspr des BSG, vgl zum Bewertungsausschuss: BSGE 88, 126, 134 = SozR 3-2500 § 87 Nr 29 S 153; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 86; zu Gesamtvergütungsvereinbarungen: BSGE 95, 141 RdNr 17 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 17; siehe auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 72 RdNr 33 mwN). Zum anderen besitzen Schiedsämter eine besondere Gestaltungsfreiheit, die dem auf den Interessenausgleich
angelegten Wesen der Schiedssprüche und dem ihnen immanenten Kompromisscharakter Rechnung trägt und die nicht geringer ist
als der Gestaltungsspielraum der Vertragspartner (stRspr des BSG, vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 §
85 Nr 41, RdNr 13). Dies gilt nicht allein für Schiedsämter nach §
89 SGB V, sondern gleichermaßen für den erweiterten Bewertungsausschuss, da es sich bei der in §
87 Abs
4 SGB V vorgesehenen Erweiterung des Bewertungssauschusses um ein in den Normsetzungsvorgang inkorporiertes Schiedsverfahren handelt
(BSGE 90, 61, 62 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 35 S 202; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 75). Auch diesen besonderen Gestaltungsspielraum haben die Gerichte zu respektieren.
Der Feststellung, dass die rechtlichen Vorgaben des Vertragsarztrechts einen Streik der Vertragsärzte nicht zulassen, steht
schließlich auch nicht das Urteil des 3. Senats des BSG vom 25.9.2001 (B 3 KR 14/00 R - BSGE 89, 19 = SozR 3-2500 § 125 Nr 7) entgegen, mit dem dieser einen Boykottaufruf des Zentralverbandes der Krankengymnasten als zulässig
angesehen hat (aA Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 116). Unabhängig von dem Gesichtspunkt, dass das für die Krankengymnasten geltende Regelwerk nicht ohne Weiteres mit dem
Vertragsarztrecht vergleichbar ist, hat der 3. Senat des BSG seine auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen gestützte Entscheidung namentlich damit begründet, dass innerhalb des Systems
der GKV kein geeignetes Konfliktlösungsinstrument zur Verfügung stehe, welches die berechtigten wirtschaftlichen Interessen
der Krankengymnasten berücksichtige (BSGE 89, 19, 24 = SozR 3-2500 § 125 Nr 7 S 28). Derartige Konfliktlösungsinstrumente stellen jedoch ein wesentliches Strukturelement
des Vertragsarztrechts dar.
dd. Das "Streikverbot" gilt nicht allein für zugelassene Vertragsärzte, sondern auch für MVZ, da diese kraft ihrer Zulassung
denselben vertragsärztlichen Vorgaben unterliegen (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 14 RdNr 15, 25 für die Verpflichtung des MVZ zur Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst). Das MVZ kann seinen
ihm kraft seiner Zulassung zugewiesenen Versorgungsauftrag nur durch die bei ihm tätigen angestellten Ärzte oder Vertragsärzte
erfüllen (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 80 RdNr 35). Das dargestellte "Streikverbot" gilt generell für alle Ärzte, die innerhalb des GKV-Systems an der Versorgung
der Versicherten beteiligt sind. Es ist also auch von Ärzten zu beachten, die als angestellte Ärzte bei in Einzelpraxis tätigen
Ärzten, in Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) oder in MVZ beschäftigt sind, ebenso - soweit die vertragsärztliche Tätigkeit
betroffen ist - auch von ermächtigten Ärzten:
Wesensmerkmal der vertragsärztlichen Versorgung ist - wie dargestellt -, dass die KÄVen die Versorgung sicherzustellen haben
und sich zur Gewährleistung dieser Verpflichtung ihrer Mitglieder "bedienen". Durch die Zwangsmitgliedschaft in der KÄV -
die gemäß §
77 Abs
3 Satz 1
SGB V auch angestellte Ärzte umfasst, sofern sie mindestens halbtags beschäftigt sind (§
77 Abs
3 Satz 2
SGB V - nach Art 1 Nr
1 des GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetzes, BT-Drucks 18/10605 S 7 zu §
77 Abs
3 Satz 2
SGB V ist zukünftig eine Grenze von zehn Stunden pro Woche vorgesehen) - und die daraus resultierende Disziplinargewalt wird den
KÄVen die Möglichkeit eröffnet, ihre Mitglieder zur Gewährleistung des ihr obliegenden Sicherstellungsauftrags heranziehen.
Dies spricht dafür, dass grundsätzlich alle Ärzte, die am Sicherstellungsauftrag mitwirken, dem systemimmanenten "Streikverbot"
unterliegen. Dies ist nicht zuletzt deswegen von Bedeutung, weil die Zahl der angestellten Ärzte erheblich zugenommen hat
(siehe hierzu auch Gesetzesbegründung zum GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz, BT-Drucks 18/10605 S 24 f zu §
77 Abs
3 Satz 2
SGB V) und daher Zweifel angebracht sind, ob die KÄVen ohne deren Einbeziehung noch die Sicherstellung der Versorgung gewährleisten
könnten.
Etwas anderes gilt für den Fall, dass angestellte Ärzte durch eine Arbeitsniederlegung allein Druck auf ihren Arbeitgeber
ausüben wollen. Insoweit sind sie angestellten Krankenhausärzten vergleichbar und damit auch berechtigt, ihre Forderungen
gegenüber ihrem Arbeitgeber durch Arbeitskampfmaßnahmen durchzusetzen. Mit dem Streikverbot im dargestellten Sinne auch für
angestellte Ärzte im MVZ, in einer BAG und bei einzelnen Vertragsärzten wird die Koalitionsfreiheit (Art
9 Abs
3 GG) der als Arbeitnehmer tätigen Ärzte nicht in verfassungswidriger Weise beschränkt. Deren Berufsverbände sind nicht gehindert,
auf den Abschluss eines Tarifvertrages mit (potentiellen) Verbänden ärztlicher Kooperationen oder auch mit Einrichtungen hinzuwirken
und in diesem Rahmen auch einen Arbeitskampf zu führen. Dieser darf sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
allerdings nur auf tariflich regelbare Ziele richten (stRspr, vgl BAGE 122, 134, 156 = NZA 2007, 987, RdNr 79), also ausdrücklich nicht auf eine Verbesserung der Honorierung der Leistung des MVZ oder der BAG, bei dem die ärztlichen
Arbeitnehmer, die der KÄV angehören, tätig sind.
d. Der sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen des Vertragsarztrechts ergebende Ausschluss ärztlicher "Kampfmaßnahmen"
steht auch mit Verfassungsrecht (sowie Menschenrechten) im Einklang. Dabei lässt der Senat dahingestellt, ob sich der Kläger
überhaupt - dem Grunde nach - auf derartige Rechte berufen könnte (siehe aa.), weil diese jedenfalls in zulässiger Weise durch
das Gesetz beschränkt worden sind (siehe hierzu bb.).
aa. (1) Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob der Kläger als Vertragsarzt aus Art
9 Abs
3 GG Rechte herleiten könnte.
Art
9 Abs
3 Satz 1
GG bestimmt, dass für jedermann und für alle Berufe das Recht gewährleistet ist, zur Wahrung und zur Förderung der Arbeits-
und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Das als "Koalitionsfreiheit" bezeichnete Grundrecht (vgl etwa BVerfGE
88, 103, 113) soll gewährleisten, dass die Beteiligten selbst und eigenverantwortlich, grundsätzlich frei von staatlicher Einflussnahme
über die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen bestimmen (BVerfGE 50, 290, 367). Zu den geschützten Tätigkeiten gehört im Bereich der individuellen Koalitionsfreiheit die Gründung sowie der Beitritt
zu einer Koalition, der Verbleib in der Koalition und die Teilnahme an der geschützten Tätigkeit (vgl BVerfGE 116, 202, 217 mwN). Im Bereich der kollektiven Koalitionsfreiheit werden zum einen der Bestand und damit die verbandsbezogenen Tätigkeiten
und zum anderen die nach außen gerichteten koalitionsspezifischen Aktivitäten geschützt (Jarass in Jarass/Pieroth,
GG, 14. Aufl 2016, Art
9 RdNr
37 mwN). In den Schutzbereich des Art
9 Abs
3 GG sind solche Betätigungen einbezogen, die dem Zweck der Koalitionen dienen, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren
und zu fördern (BVerfG [Kammer] Beschluss vom 6.2.2007 - 1 BvR 978/05 - RdNr 22 - Juris = BVerfGK 10, 250 unter Hinweis auf BVerfGE 28, 295, 305). Zu den geschützten Tätigkeiten gehört insbesondere der Streik, der auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet
ist (vgl BVerfGE 92, 365, 393 f = SozR 3-4100 § 116 Nr 3 S 115).
Ob sich auch Ärzte im Rahmen ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit auf dieses Grundrecht berufen können, ist zweifelhaft. Schon
dem Grunde nach stellt sich die Frage, ob Koalitionen von Angehörigen eines freien Berufes bzw Selbstständigen überhaupt in
den Schutzbereich des Art
9 Abs
3 GG einbezogen sind (a); erst recht unterliegt es gravierenden Zweifeln, ob ein "Warnstreik" von Vertragsärzten eine koalitionsmäßige
Betätigung im Sinne des Art
9 Abs
3 GG darstellen kann (b).
(a) Der Senat lässt es - wie bereits in seinem Urteil zum "Kollektivverzicht" (BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 81) - weiterhin offen, ob Art
9 Abs
3 GG so zu verstehen ist, dass Träger der Koalitionsfreiheit nicht allein Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, sondern sich grundsätzlich
alle Menschen in ihrer Eigenschaft als Angehörige eines Berufes - also auch Selbstständige - hierauf berufen können. Diese
Frage wird, soweit sie überhaupt Erörterung findet, in Rechtsprechung (bejahend wohl LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 9.4.2008
- L 3 KA 139/06 - Juris RdNr 50; LSG Berlin Urteil vom 5.12.2001 - L 7 KA 17/99 - Juris RdNr 30 = NZS 2002, 386 ff = Breith 2002, 495 ff = MedR 2002, 370 ff; verneinend LSG für das Saarland Urteil vom 4.4.2000 - L 2/3 K 31/95 - Juris RdNr 32) und Schrifttum (verneinend Scholz in Maunz/Dürig,
GG, Stand Mai 2016, Art
9 RdNr 180) unterschiedlich beantwortet.
Auch wenn der Begriff "Beruf" es nicht per se ausschließt, auch die freien Berufe miteinzubeziehen, wird der Schutzbereich
des Art
9 Abs
3 Satz 1
GG sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum regelmäßig allein auf "Arbeitnehmer" und "Arbeitgeber" bezogen (aus dem
Schrifttum zB Scholz aaO RdNr 174, 178; Bauer in Dreier,
GG, 2013, Art
9 RdNr 67; Sodan in ders,
GG, 3. Aufl 2015, Art
9 RdNr 21; Jarass aaO, Art
9 RdNr 43; Kannengießer in Schmidt-Bleibtreu/Klein,
GG, 13. Aufl 2014, Art
9 RdNr
23). Soweit das BVerfG ausgeführt hat, dass die Koalitionsfreiheit nach Art
9 Abs
3 GG - obwohl historisch vor allem den Arbeitnehmern vorenthalten und von diesen erstritten - nicht als Arbeitnehmer-Grundrecht
ausgestaltet sei, hat es daran angeschlossen, dass das Grundrecht ebenso den Arbeitgebern zustehe (BVerfGE 84, 212, 224).
Wären daher vom Schutzbereich des Art
9 Abs
3 GG nicht nur in erster Linie, sondern ausschließlich Arbeitnehmer und Arbeitgeber erfasst, könnten sich Vertragsärzte - sofern
sie nicht in der Funktion eines Arbeitgebers betroffen sind - nicht auf dieses Grundrecht berufen. Der Vertragsarzt ist kein
Arbeitnehmer (Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 94 f; Zacher, ZfS 1966, 129, 158), sondern er übt einen freien Beruf aus (allg Ansicht, siehe zB Zacher, ZfS 1966, 129, 157; Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 91; Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 18 RdNr 39 ff).
Der Kläger kann - unabhängig davon, ob dieser Umstand überhaupt eine Geltung des Art
9 Abs
3 GG begründen könnte - auch nicht damit durchdringen, dass Vertragsärzte aufgrund des "vielfältigen Pflichtenkanons" des Vertragsarztrechts
jedenfalls im Ergebnis Arbeitnehmern gleichzustellen seien. Der Begriff des "Arbeitnehmers" ist vor allem durch das Merkmal
unselbstständiger Arbeit gekennzeichnet (Scholz aaO RdNr 178 mwN) und dieses Merkmal ist auch für den Arbeitnehmerbegriff
des Art
9 Abs
3 GG maßgebend. Auch "arbeitnehmerähnliche Personen" unterfallen daher nur dann dem Schutzbereich des Art
9 Abs
3 Satz 1
GG, wenn sie persönliche Arbeitsleistungen in wirtschaftlicher Abhängigkeit erbringen (Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 99; siehe auch Linsenmaier in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl 2016, Art
9 GG RdNr 28). Diese Voraussetzungen erfüllen Vertragsärzte - ungeachtet gefühlter Abhängigkeiten - nicht ansatzweise (so im Ergebnis
auch Uhlenbruck, RdA 1972, 327, 334). Es fehlt zweifelsfrei an der für unselbstständige Beschäftigungsverhältnisse kennzeichnenden persönlichen Abhängigkeit:
Eine durch Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht geprägte Tätigkeit ist gerade Wesensmerkmal einer Tätigkeit
in freier Praxis im Sinne des § 32 Abs 1 Satz 1 Ärzte-ZV (BSGE 106, 222 = SozR 4-5520 § 32 Nr 4, RdNr 37 f).
(b) Aber auch wenn man davon ausgeht, dass auch Angehörige freier Berufe dem Grunde nach Koalitionen im Sinne des Art
9 Abs
3 GG bilden und koalitionsspezifische Rechte wahrnehmen könnten, erscheint es jedenfalls als sehr fernliegend, dass die durch
Art
9 Abs
3 GG gewährleisteten koalitionsspezifischen Rechte und Betätigungen - insbesondere der Abschluss von Tarifverträgen sowie Arbeitskampfmaßnahmen
wie Streik und Aussperrung - der Sache nach Anwendung auf das Handeln der Vertragsärzte finden können.
Wesensmerkmal der durch Art
9 Abs
3 GG gewährleisteten Rechte ist es, dass zwischen den Beteiligten Verhandlungen über die "Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen"
- hierzu gehören insbesondere das Arbeitsentgelt sowie die anderen materiellen Arbeitsbedingungen (BVerfGE 100, 271, 282 = SozR 3-4300 § 275 Nr 1 S 5 f, mwN) - geführt werden und beide Seiten die Möglichkeiten haben, ihre diesbezüglichen
Vorstellungen ggf durch Arbeitskampfmaßnahmen durchzusetzen. Eine solche Konstellation besteht in Bezug auf das Verhältnis
zwischen Vertragsärzten und KKen jedoch nicht:
Zum einen stehen sich Vertragsärzte und KKen überhaupt nicht als ("Tarif"-)Vertragspartner oder Gegner gegenüber, weil es
aufgrund der spezifischen Konstruktion des Vertragsarztrechts (siehe hierzu B.1.c.bb.) keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen
zwischen Vertragsärzten und KKen gibt. Die maßgeblichen Verträge über die "Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" werden zwischen
den KKen bzw ihren Verbänden und den K(Z)ÄVen, der KÄBV bzw der KZÄBV geschlossen. Insbesondere wird die Höhe des vertragsärztlichen
Honorars - in Form einer "Gesamtvergütung" - allein zwischen den KKen(-Verbänden) und den KÄVen verhandelt und vereinbart.
Zwischen den Kontrahenten etwaiger "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte und den die für das Vertragsarztrecht maßgeblichen "Arbeitsbedingungen"
aushandelnden Vertragspartner besteht mithin gerade keine Identität. Ein Streik, der sich nicht gegen einen Tarifvertragspartner
wendet und kein Ziel verfolgt, das mit den Mitteln des "kollektiven Arbeitsrechts" regelbar wäre, stellt jedoch einen unzulässigen
politischen Streik dar (vgl Linsenmaier in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl 2016, Art
9 GG RdNr 119; Jarass aaO, Art
9 RdNr 40 mwN).
Zum anderen sind auch die Verhandlungsspielräume der "eigentlichen" Vertragspartner - der KKen und KÄVen bzw ihrer Spitzenorganisationen
- aufgrund ihrer Gesetzesbindung stark eingeschränkt. Namentlich bei der Bestimmung der Höhe der zu vereinbarenden Gesamtvergütung
sind die Vertragspartner nicht frei; vielmehr enthält das Gesetz hierzu Vorgaben, die die Vertragspartner teilweise zwingend
zu beachten, teilweise jedenfalls zu berücksichtigen haben. So bestimmt etwa §
87a Abs
3 Satz 2
SGB V für den vertragsärztlichen Bereich, dass die Vertragspartner zur Bestimmung der Höhe der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung
den mit der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundenen Behandlungsbedarf als Punktzahlvolumen auf der Grundlage
des einheitlichen Bewertungsmaßstabs zu vereinbaren haben. Für die vertragszahnärztliche Versorgung gibt §
85 Abs
3 Satz 1 und
2 SGB V die Faktoren vor, die bei der Vereinbarung der Veränderung der Gesamtvergütung zu berücksichtigen sind; zu diesen gehört
etwa der Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§
71 SGB V). Selbst wenn sich die Vertragspartner über die gesetzlichen Vorgaben hinwegsetzen würden, stünde der Erreichung des ärztlichen
"Kampfzieles" entgegen, dass die Partner der Kollektivverträge staatlicher Aufsicht unterliegen. Gemäß §
71 Abs
4 Satz 1
SGB V sind die Vereinbarungen über die Vergütung der Leistungen (ua) nach den §§
83 und
85 SGB V den für die Vertragsparteien zuständigen Aufsichtsbehörden vorzulegen; diese können die Vereinbarungen bei einem Rechtsverstoß
innerhalb von zwei Monaten nach deren Vorlage beanstanden (§
71 Abs
4 Satz 2
SGB V).
Schließlich fehlte es auch an der erforderlichen "Waffengleichheit" bzw einem "Verhandlungsgleichgewicht" (Kannengießer aaO
RdNr 31) zwischen den Kontrahenten eines "Arbeitskampfes" der Vertragsärzte, weil den KKen anders als Arbeitgebern nicht die
Möglichkeit der "Aussperrung" - im Sinne einer vorübergehenden Suspendierung des aus der Zulassung folgenden Rechts zur Teilnahme
an der vertragsärztlichen Versorgung - zukommt.
(2) Für Art 11 Abs 1 EMRK gilt nichts anderes, da die Norm einen vergleichbaren Schutzbereich wie Art
9 Abs
3 GG aufweist. Danach hat jede Person das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen;
dazu gehört auch das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten. Art 11 Abs 1 EMRK gewährleistet damit die Koalitionsfreiheit insoweit, als ausdrücklich das Recht eingeräumt wird, Gewerkschaften zum Schutz
der Interessen der Mitglieder zu bilden und sich ihnen anzuschließen (Kluth in Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum
GG, Stand August 2016, C Art
9 RdNr 142). So werden ua das Eintreten der Gewerkschaft für die Interessen ihrer Mitglieder und das Streikrecht als Mittel
des Arbeitskampfes gewährleistet, wobei der in allen Konventionsstaaten bekannte Begriff der "Gewerkschaft" - als Zusammenschluss
abhängig Beschäftigter zur Vertretung ihrer Interessen aus dem Beschäftigungsverhältnis - vorausgesetzt wird (Kluth aaO RdNr
143 mwN). Auch insoweit bestehen die in Bezug auf Art
9 Abs
3 GG dargestellten Zweifel an einer Anwendbarkeit der Norm auf "(Warn-)Streiks" von Vertragsärzten, ohne dass dies einer abschließenden
Entscheidung bedarf.
(3) Ebenfalls keiner Entscheidung bedarf es, ob das Verbot von Arbeitskampfmaßnahmen einen Eingriff in die durch Art
12 Abs
1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit darstellt (in diesem Sinne Sodan/Schaks, VSSR 2014, 89, 110 f).
bb. Unabhängig davon, ob sich Vertragsärzte überhaupt auf die angeführten Grund- und Menschenrechte berufen können, stellt
der inzidente Ausschluss gegen die KK oder gegen die KÄV gerichteter streikähnlicher "Kampfmaßnahmen" durch das Vertragsarztrecht
- nicht anders als die sechsjährige Wiederzulassungssperre nach §
95b Abs
2 SGB V (siehe hierzu BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 §
95b Nr 2, RdNr 68 ff, 81) - eine verfassungsrechtlich unbedenkliche, zum Schutz der Stabilität der vertragsärztlichen Versorgung
erforderliche Begrenzung des Art
9 Abs
3 GG, des Art
12 Abs
1 GG sowie des § 11 Abs 1 EMRK dar.
Die in Art
9 Abs
3 GG garantierte Koalitionsfreiheit kann, obwohl sie ohne Gesetzesvorbehalt gewährt wird, zum Schutz von Rechtsgütern und Gemeinwohlbelangen
eingeschränkt werden, denen gleichermaßen verfassungsrechtlicher Rang gebührt (stRspr, vgl BVerfGE 84, 212, 228; BVerfGE 100, 271, 283 = SozR 3-4300 § 275 Nr 1 S 6; BVerfGE 103, 293, 306; BVerfG [Kammer] Beschluss vom 6.2.2007 - 1 BvR 978/05 - RdNr 23 - Juris = BVerfGK 10, 250, 256); hierzu gehört auch die finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung
(BVerfGE 103, 293, 306 f; Jarass in Jarass/Pieroth,
GG, 14. Aufl 2016, Art
9 RdNr 53). Für Art
12 Abs
1 GG und für § 11 Abs 1 EMRK gilt nichts anderes. Der durch ein Verbot von "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte - vorliegend in der Form eines "Warnstreiks"
- (ggf) bewirkte Eingriff in die genannten Grund- und Menschenrechte ist verfassungskonform, weil er wichtigen Gemeinwohlbelangen
dient, zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele geeignet und erforderlich ist sowie insgesamt verhältnismäßig ist.
(1) Die Verhinderung ärztlicher "Kampfmaßnahmen" dient gewichtigen Gemeinwohlbelangen, nämlich zum einen der Sicherstellung
der Versorgung der gesetzlich Versicherten (siehe hierzu BVerfGE 103, 172, 184 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 16, 25), zum anderen der Aufrechterhaltung
der Funktionsfähigkeit des Systems der GKV (BVerfGE 68, 193, 218 = SozR 5495 Art 5 Nr 1 S 3; BVerfGE 103, 172, 184 f, 192 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27, 32 f; BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139; BVerfG SozR 4-2500 § 5 Nr 1 RdNr 24; BVerfGE 123, 186, 264 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 233; zuletzt BVerfG [Kammer] Beschluss vom 26.9.2016 - 1 BvR 1326/15 - RdNr 43 - Juris; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 139; BSGE 98, 294 = SozR 4-2500 § 95b Nr 1, RdNr 34; siehe auch BVerfG SozR 4-2500 § 87 Nr 6 RdNr 13). Neben ihrer Funktionsfähigkeit ist auch
die finanzielle Stabilität des Systems der GKV bzw dessen Finanzierbarkeit als ein Gemeinwohlbelang von hohem Rang anerkannt
(vgl BVerfGE 68, 193, 218 = SozR 5495 Art 5 Nr 1 S 3; BVerfGE 70, 1, 26, 29 = SozR 2200 § 376d Nr 1 S 8, 10; BVerfGE 82, 209, 230; BVerfG [Kammer] SozR 3-2500 § 34 Nr 1 S 4; BVerfG SozR 3-2500 § 73 Nr 3 S 17; BVerfGE 103, 172, 184 f, 192 = SozR 3-5520 § 266 Nr 9 S 27, 32; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 30 S 229; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 136; BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 1 RdNr 27; BSG SozR 4-5562 § 8 Nr 5 RdNr 22). Letztlich dient die Sicherung der finanziellen Stabilität der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des
Systems (vgl BVerfGE 123, 186, 264 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 233).
Das Sozialstaatsprinzip (Art
20 Abs
1 GG) enthält einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber; es verpflichtet ihn unter anderem, für einen Ausgleich der sozialen
Gegensätze zu sorgen (BVerfGE 100, 271, 284 = SozR 3-4300 § 275 Nr 1 S 7 mwN). Dies gilt auch für den Bereich der GKV (vgl BVerfGE 123, 186, 263 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 229). Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 9.12.2004 (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 134 ff) dargelegt hat, ist das bestehende System einer Gesundheitsversorgung durch ein Sozialversicherungssystem
- dessen wesentlicher Bestandteil das Vertragsarztrecht ist - als solches nicht "beliebig", sondern in dieser oder ähnlicher
Form geboten. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht frei, ob er ein System errichten und erhalten will, das allen
oder zumindest der großen Mehrzahl der Bürger eine angemessene Versorgung im Krankheitsfall gewährleistet, sondern er hat
auch einkommensschwachen Bevölkerungsteilen einen vollen Krankenversicherungsschutz zu moderaten Beiträgen zu ermöglichen
(vgl BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27). Unabhängig von der Ausgestaltung des Krankenversicherungssystems im Einzelnen besteht
ein struktureller Gegensatz zwischen dem Ziel einer qualitativ hochstehenden Gesundheitsversorgung zu bezahlbaren Konditionen
und den Interessen der Leistungserbringer an möglichst hohen Einkünften aus ihrer Tätigkeit, der vom Gesetzgeber zum Ausgleich
zu bringen ist (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 134, 140; siehe hierzu schon BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27; siehe auch BVerfGE 101, 331, 348). Die Sicherung einer solchen angemessenen Versorgung zu bezahlbaren Konditionen ist ein Gemeinwohlbelang von überragender
Wichtigkeit (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 134).
Für die Einschränkung der Berufsausübung ist anerkannt, dass die Versorgung der Patienten als hohes Gut von öffentlichem Interesse
die Regulierung der vertragsärztlichen Versorgung mit den daraus resultierenden Beschränkungen der Berufsfreiheit der Leistungserbringer
legitimiert (BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 16, 25); Rang und Gemeinwohlbedeutung der Funktionsfähigkeit der GKV
sind dabei von solchem Gewicht, dass denjenigen, die ihre berufliche Tätigkeit in diesem System und unter seinem Schutz ausüben,
stärkere Reglementierungen zugemutet werden können als anderen freiberuflich tätigen Personen, die in einem allein durch die
Marktkräfte gesteuerten System arbeiten (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 139). Für eine (etwaige) Beschränkung des Rechts auf Koalitionsfreiheit gilt nichts anderes,
da sich dieses Recht - wenn überhaupt - gerade aus der beruflichen Betätigung der Vertragsärzte ergibt.
Die genannten Gemeinwohlbelange würden durch ärztliche "Kampfmaßnahmen" in Form von "Warnstreiks" oÄ beeinträchtigt: Zum einen
würden "Kampfmaßnahmen" unmittelbar eine Störung der vertragsärztlichen Versorgung der GKV-Versicherten bewirken, weil die
hieran teilnehmenden Vertragsärzte nicht für eine Versorgung zur Verfügung stünden. Zum anderen besteht die Gefahr, dass die
"Kampfmaßnahmen" - ihrem Zweck entsprechend - zu Kostensteigerungen führen, sei es aufgrund überproportionaler Honorarsteigerungen
für die Vertragsärzte oder zumindest für einzelne Gruppen von Vertragsärzten, sei es - wie vom Kläger im Rahmen seines "Warnstreiks"
gefordert - als Folge eines durch "Kampfmaßnahmen" erzwungenen Honorarsystems mit festen Preisen und ohne irgendeine Form
der Mengenbegrenzung; diese Kostensteigerungen wären wiederum geeignet, die finanzielle Stabilität der GKV zu beeinträchtigen.
Eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Systems der GKV durch die mit den "Kampfmaßnahmen" verbundenen Engpässe in der
Versorgung und absehbaren Ausgabenerhöhungen für die KKen wäre mit dem gesetzgeberischen Ziel und der sozialstaatlichen Verpflichtung,
im Rahmen der GKV eine funktionsfähige und bedarfsgerechte Patientenversorgung zu bezahlbaren Preisen zu gewährleisten (BVerfGE
123, 186, 242 = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 171; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 52; siehe schon BVerfGE 103, 172, 186 = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 28), unvereinbar.
(2) Der Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte der Vertragsärzte ist auch zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet
und erforderlich. Eine Maßnahme ist geeignet, wenn der gewünschte Erfolg mit ihrer Hilfe gefördert werden kann, und sie ist
erforderlich, wenn kein anderes, gleich wirksames, das betreffende Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes
(milderes) Mittel zur Verfügung steht (vgl BVerfGE 63, 88, 115 = SozR 7610 § 1587b Nr 3 S 7; BVerfGE 70, 1, 28 = SozR 2200 § 376d Nr 1 S 10 mwN; BSGE 61, 1, 2 = SozR 2200 § 368a Nr 16 S 58; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 72).
Das "Streikverbot" für Vertragsärzte ist geeignet, die genannten Gemeinwohlbelange zu fördern: Unterbleiben "Warnstreiks"
oder andere "Kampfmaßnahmen" der Vertragsärzte, weil die andernfalls drohenden Disziplinarmaßnahmen präventive Wirkung haben,
oder weil jedenfalls die Möglichkeit besteht, pflichtwidrig handelnde Ärzte zu disziplinieren und ggf - im Extremfall - aus
dem System auszuschließen, kommt es weder zu einer Störung in der Versorgung der Versicherten noch zu einer Beeinträchtigung
der Funktionsfähigkeit der GKV. Ebenso wird eine Gefährdung der finanziellen Stabilität der KKen durch überhöhte Honorarsteigerungen
vermieden.
Darüber hinaus ist das generelle Verbot vertragsärztlicher "Kampfmaßnahmen" und die damit verbundene Möglichkeit einer Sanktionierung
abweichenden Verhaltens auch erforderlich, weil keine milderen Mittel erkennbar sind. Insbesondere genügt es nicht, lediglich
solche "Warnstreiks" auszuschließen, die ohne vorherige Information der Versicherten und ohne ausreichenden "Notdienst" durchgeführt
werden, weil sich - ausgehend von einer gebotenen Versorgung der Versicherten durch alle an der vertragsärztlichen Versorgung
teilnehmenden Ärzte - jede nicht gerechtfertigte Versorgungsunterbrechung als Störung des Systems der vertragsärztlichen Versorgung
darstellt (siehe hierzu schon [B.1.c.cc.(1)]); die Organisation eines "Notdienstes" und die Information der Patienten über
behandlungsbereite Ärzte ändert hieran nichts.
(3) Schließlich ist der Eingriff auch im engeren Sinne verhältnismäßig, da bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des
Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (zu diesen Anforderungen
vgl BVerfGE 103, 1, 10 mwN; vgl auch BVerfGE 100, 271, 286 = SozR 3-4300 § 275 Nr 1 S 9 sowie BVerfG SozR 4-2500 § 135 Nr 16 RdNr 14 = BVerfGK 17, 381, 386; BSGE 103, 243 = SozR 4-2500 § 95b Nr 2, RdNr 75), bzw Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen (so
zB BVerfGE 123, 186, 238 f = SozR 4-2500 § 6 Nr 8 RdNr 165).
Der mit dem "Streikverbot" für Vertragsärzte verfolgte Zweck, der auf eine Verhinderung der Systemgefährdung gerichtet ist
(vgl zu diesem Maßstab BVerfG [Kammer] Beschluss vom 26.9.2016 - 1 BvR 1326/15 - RdNr 44 - Juris), und die Intensität des Eingriffs in die Rechte des Klägers stehen in einem angemessenen Verhältnis zueinander:
Leistungserbringer innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung profitieren einerseits von den Vorteilen des öffentlich-rechtlichen
Systems des Vertragsarztrechts, müssen im Interesse der Funktionsfähigkeit und Finanzierbarkeit des Systems unter Umständen
aber auch Einschränkungen hinnehmen, die ihnen das Berufsrecht nicht abverlangt (BVerfG SozR 4-2500 § 135 Nr 2 RdNr 29; BSGE
88, 20, 24 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 70; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135).
Wer aus diesem System Nutzen zieht, indem er davon lebt, muss zum Erhalt des Systems auch Eingriffe ertragen, die ein Unternehmen,
dass sich auf dem Markt behaupten muss, nicht hinnehmen müsste (Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 13 RdNr 11 mwN). Dies
gilt umso mehr, als Vertragsärzte die Möglichkeit haben, sich für oder gegen die Eingliederung in das System der GKV in Kenntnis
der damit für sie verbundenen Vor- und Nachteile zu entscheiden (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135). Mit der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit akzeptiert der Vertragsarzt - oder
hat es zumindest hinzunehmen -, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit gewissen Beschränkungen unterworfen ist; die Option, von
den Vorteilen des Systems zu profitieren, aber ansonsten nach Marktgesetzen agieren zu können, steht Vertragsärzten nicht
zu.
Der erkennende Senat wie auch das BVerfG haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit
die Teilhabe an einem umfassenden Leistungssystem der GKV ermöglicht, von dem auch die Leistungserbringer profitieren (BSGE
94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135, 139; siehe hierzu auch BVerfGE 103, 172, 185 f = SozR 3-5520 § 25 Nr 4 S 27 f; BVerfG SozR 3-2500 § 73 Nr 3 S 17). Mit dem Erwerb des besonderen Status eines Vertragsarztes
sind verschiedene Begünstigungen verbunden: So wird ihm der Zugang zum Kreis der GKV-Versicherten als potentielle Patienten
eröffnet und es werden ihm sichere, insolvenzgeschützte und auch auskömmliche Einnahmen von öffentlich-rechtlichen Institutionen
als Schuldnern gewährt (BSGE 88, 20, 24 = SozR 3-2500 § 75 Nr 12 S 70); sie sind - anders als viele andere freiberuflich tätige Berufsgruppen - durch ihre öffentlich-rechtlichen
Vergütungsansprüche gegen die KÄVen davor geschützt, ihre erbrachten Leistungen nicht, nicht vollständig oder nicht in angemessener
Zeit honoriert zu bekommen, was ihnen ein hohes Maß an Planungssicherheit gewährleistet (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135).
Innerhalb dieses Systems sind Vertragsärzte aufgrund von Zulassungsbeschränkungen, insbesondere aber aufgrund des ihnen eingeräumten
Vorrangs im Bereich der ambulanten ärztlichen Versorgung, weitgehend gegen Konkurrenz geschützt (vgl BVerfG [Kammer] SozR
4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 21). Externe Anbieter - insbesondere Krankenhäuser - erhalten in der Regel nur bei Vorliegen eines nicht
durch die am System beteiligten Leistungserbringer gedeckten Bedarfs Zugang hierzu. Zudem können sich Vertragsärzte im Wege
der defensiven Konkurrentenklage gegen das Hinzutreten weiterer Leistungserbringer wehren, sofern der dem Konkurrenten eingeräumte
Status gegenüber demjenigen des Anfechtenden nachrangig ist (stRspr, vgl BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10; BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4; BSGE 103, 269 = SozR 4-1500 § 54 Nr 16, RdNr 19; BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 19). Nicht zuletzt sind die Vertragsärzte durch das Kollektivvertragssystem davor geschützt,
als Einzelne und im Wettbewerb mit anderen Ärzten die Vertragsbedingungen mit marktstarken KKen aushandeln zu müssen.
Den Interessen der Vertragsärzte an einer angemessenen Vergütung der von ihnen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung
erbrachten Leistungen trägt §
72 Abs
2 SGB V Rechnung. Danach ist die vertragsärztliche Versorgung ua so zu regeln, dass die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet
werden. Die Einhaltung dieses zwingenden gesetzlichen Gebots der Angemessenheit der Vergütung (siehe hierzu schon BSGE 68,
291, 296 = SozR 3-1500 § 54 Nr 7 S 16) können die Vertragsärzte gerichtlich klären lassen. Speziell den Vertragsärzten wird aus
ihrer Tätigkeit für die Versicherten der KKen seit Jahrzehnten und bis heute ein Einkommen ermöglicht, das weit über dem Durchschnittseinkommen
der pflichtversicherten Arbeitnehmer liegt (BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 135; in diesem Sinne schon BVerfGE 103, 172, 192) und auch bei einem Vergleich mit anderen Berufsgruppen mit akademischer Qualifikation eine Spitzenstellung gewährt.
Angesichts der Unvereinbarkeit ärztlicher "Kampfmaßnahmen" mit dem System des Vertragsarztrechts und der durch diese bewirkten
Störung des Systems der Gesundheitsversorgung stellt sich das systemimmanente Verbot ärztlicher "Kampfmaßnahmen" als vergleichsweise
geringfügiger Eingriff in die Rechte der Vertragsärzte dar. Diese werden durch ein "Streikverbot" keineswegs schutzlos gestellt,
weil durch die gesetzlich vorgeschriebenen Schlichtungsverfahren in ausreichendem Umfang sichergestellt ist, dass ihre Interessen
Berücksichtigung finden. Der Ausschluss von "Kampfmaßnahmen" ist daher Vertragsärzten ohne Weiteres zumutbar, weil es dieser
zur Durchsetzung ihrer legitimen Interessen nicht bedarf. Sofern Vertragsärzte der Auffassung sind, dass sich die sie vertretende
KÄV in den Verhandlungen mit den KKen als zu nachgiebig erweist, haben sie die Möglichkeit, über die Wahlen zur Vertreterversammlung
Einfluss auf die Organe der KÄV zu nehmen.
2. Der Kläger handelte auch schuldhaft. Die Feststellung der Beklagten, dass der Kläger zumindest grobfahrlässig gehandelt
hat, begegnet keinen Bedenken. Der Umstand, dass ein vertragsärztlicher Pflichtenverstoß begangen wurde, verliert nicht dadurch
an Bedeutung, dass der Betroffene in Unkenntnis war oder sich in einem Irrtum über die Rechtslage befand bzw dass zur Zulässigkeit
einer konkreten Verhaltensweise noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorlag (BSG Urteil vom 14.3.2001 - B 6 KA 67/00 R - Juris RdNr 27 = MedR 2002, 47 = USK 2001-126; BSG Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 KA 13/12 B - Juris RdNr 12).
3. Schließlich ist der Bescheid der Beklagten auch hinsichtlich der ausgewählten Disziplinarmaßnahme nicht zu beanstanden.
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Unabhängig davon erscheint ein Verweis als die "zweitmildeste" Disziplinarmaßnahme
("Tadel") zur Ahndung des Pflichtenverstoßes angemessen.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§
154 Abs
2 VwGO).