Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen eines Vertragsarztes wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise; Zulässigkeit der eingeschränkten
Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in den Quartalen
II/1998 bis II/1999.
Der Kläger ist seit 1997 als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe niedergelassen. Er betreibt eine auf Maßnahmen
der künstlichen Befruchtungen spezialisierte Praxis, die in dem streitbefangenen Zeitraum als Gemeinschaftspraxis - bestehend
aus ihm und dem Beigeladenen zu 7. - betrieben wurde. Auf Antrag der Krankenkassen prüfte der Prüfungsausschuss die Honorarabrechnungen
für die Quartale II/1998 bis II/1999 im Wege der Prüfung nach Durchschnittswerten und nahm mit Bescheiden vom 18.11.1998,
1.3.1999, 20.5.1999, 20.7.1999 und 8.11.1999 Honorarkürzungen bei den nicht budgetrelevanten O III-Leistungen sowie der Nr
4955 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) vor. Die Widersprüche des Klägers waren nur teilweise
erfolgreich (Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses vom 16.3.2000); im anschließenden Klageverfahren hob das SG mit Urteil vom 25.6.2003 den Bescheid des Beklagten - insbesondere wegen der ungenauen Bestimmung der gewählten Vergleichsgruppe
- auf und verpflichtete ihn zur Neubescheidung.
Der Beklagte beschloss daraufhin die Durchführung einer eingeschränkten Einzelfallprüfung mit Hochrechnung und forderte hierzu
vom Kläger die Behandlungsunterlagen für insgesamt 830 Behandlungsfälle (jeden fünften Fall nach der auf den Datenträgern
der Beigeladenen zu 1. - der Kassenärztlichen Vereinigung - gespeicherten Reihenfolge) an. In der Zeit von Juli 2006 bis Dezember
2007 legte der Kläger insgesamt 570 Behandlungsakten vor. Mit Schreiben vom 4.4.2008 teilte er mit, dass 260 Akten nicht auffindbar
seien; er könne sich das Fehlen der Akten nur so erklären, dass diese in den Besitz des Beigeladenen zu 7. und möglicherweise
auch von Herrn Dr. H gelangt sein könnten. Auf der Grundlage einer gutachterlichen Stellungnahme der Fachärztin für Frauenheilkunde
und Geburtshilfe Dr. S K half der Beklagte mit Bescheid vom 21.7.2008 (aus der Sitzung vom 24.6.2008) den Widersprüchen teilweise
ab. Es verblieben Honorarkürzungen hinsichtlich der Leistungen Labor O III von 23 % bis 41,1 %; im Quartal IV/1998 wurden
zudem Leistungen nach der EBM-Ä Nr 4955 um 25 % gekürzt. Der Beklagte legte patientenbezogen die von ihm jeweils getroffenen
Feststellungen dar und gab die als unwirtschaftlich erkannten Leistungen an. Die Honorarkürzungen in den einzelnen Quartalen
errechnete er ausgehend von den abgerechneten einzelnen Leistungspositionen des Kapitels O III bzw der Nr 4955 EBM-Ä unter
Kürzung der als unwirtschaftlich festgestellten Leistungen (in Punkten) und nahm hiervon einen Abschlag von 25 % vor. Er berücksichtigte
ferner, dass im Vergleich zu dem Bescheid vom 16.3.2000 eine Änderung zu Lasten des Klägers nicht vorgenommen werden dürfe.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29.6.2011 abgewiesen. Vor dem Hintergrund des vorangegangenen Urteils vom 25.6.2003 sei nicht
zu beanstanden, dass der Beklagte eine Prüfung nach Durchschnittswerten bei der sehr kleinen, nicht homogenen Vergleichsgruppe
der reproduktionsmedizinisch ausgerichteten Praxen als nicht durchführbar angesehen habe, und dass der Bescheid keine weiteren
Ausführungen zur gewählten Prüfmethode enthalte. Auch die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben (Urteil des LSG vom
4.9.2013). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, eine Prüfung nach Durchschnittswerten sei weder mit der Vergleichsgruppe
der Gynäkologen noch mit der der endokrinologisch bzw reproduktionsmedizinisch tätigen Praxen in Betracht gekommen. Den an
eine repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung zu stellenden Anforderungen werde der Bescheid des Beklagten vom 21.7.2008
gerecht. Mit der Anforderung der Behandlungsunterlagen durch den Beklagten sei es Sache des Klägers und seines Praxiskollegen,
diesem die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen vollständig vorzulegen. Der abrechnende Arzt sei gemäß § 57 Abs 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) verpflichtet, Behandlungsunterlagen mindestens 10 Jahre nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren. Darüber hinaus sei
mit Einleitung eines Prüfverfahrens die Erforderlichkeit der Aufbewahrung der Behandlungsunterlagen für den Vertragsarzt erkennbar.
Bei einer Nachforderung von Unterlagen an Stelle der nicht mehr auffindbaren Akten würden die ursprünglichen Auswahlkriterien
nicht eingehalten. Eine generelle Auswahl wäre unmöglich; eine Nachforderungskette käme einer individuellen Auswahl nahe.
Zudem hätte es der Vertragsarzt dann in der Hand, die Auswahl der Prüffälle zu beeinflussen. Die geprüften 570 Fälle reichten
zu einer statistisch verwertbaren Aussage über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers aus.
Der Bescheid vom 21.7.2008 sei auch inhaltlich rechtmäßig. Der Beklagte habe nach gutachterlicher Beurteilung der vorgelegten
Behandlungsunterlagen für jeden geprüften Behandlungsfall im Einzelnen dargestellt, welche Beanstandungen festgestellt und
welche O III-Leistungen unwirtschaftlich veranlasst worden seien, den Sicherheitsabschlag vom 25 % berücksichtigt und den
ermittelten Wert auf die mit Bescheid vom 16.3.2000 erfolgten Kürzungen begrenzt. Der Kläger habe hinsichtlich der festgestellten
Unwirtschaftlichkeit keine konkreten Einwände erhoben, sondern nur pauschal vorgetragen, dass die Leistungen in jedem Einzelfall
im Rahmen der speziellen Behandlungsausrichtung der Praxis erforderlich gewesen seien. Die Ausschlussfrist von vier Jahren
sei durch die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 18.11.1998, 1.3.1999, 20.5.1999, 20.7.1999 und 8.11.1999 gewahrt worden;
eine gesonderte Ausschlussfrist für das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss bestehe nicht. Die lange Dauer des Verfahrens
vor dem Beschwerdeausschuss wirke sich auch nicht im Sinne einer Verwirkung aus, da der Beklagte gegenüber dem Kläger zu keinem
Zeitpunkt Anlass zu der Annahme gegeben habe, er werde auf die Durchsetzung der Honorarkürzungen verzichten. Im Übrigen habe
der Kläger durch die gestaffelte Vorlage der Patientenunterlagen maßgeblich zur Verzögerung des Verfahrens beigetragen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Die gewählte Prüfmethode sei im vorliegenden Fall ungeeignet
und damit unzulässig. Eine Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung sei mit erheblichen Nachteilen behaftet, weil
sich Fehler schnell potenzierten. Vorliegend liege der Hochrechnung ein falscher Ausgangswert zugrunde, weil nicht mindestens
20 % der Behandlungsfälle je Quartal geprüft worden seien. Er habe nachweislich unverschuldet die geforderte Aktenzahl nicht
erreichen können. Seine Behandlungsweise sei nicht unwirtschaftlich gewesen; über dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe liegende
Kosten seien durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt, da die spezielle Behandlungsausrichtung auf die Reproduktionsmedizin
erhöhte Laborleistungen erforderlich gemacht habe. Das LSG habe auch die von ihm erhobene Einrede der Verjährung verkannt:
Die für "die Berichtigung" der Honorarbescheide geltende Frist sei abgelaufen. Nach dem Aufhebungsurteil des SG sei keine Entscheidung in der Sache ergangen; damit sei die Hemmung der Verjährung mit dem Urteil beendet gewesen. Er habe
deshalb auf den Bestand der ursprünglichen Honorarbescheide vertrauen dürfen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 4.9.2013 und das Urteil des SG Berlin vom 29.6.2011 sowie den Bescheid des Beklagten
vom 21.7.2008 aus der Sitzung vom 24.6.2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Senats erneut über die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 18.11.1998, 1.3.1999,
20.5.1999, 20.7.1999 und 8.11.1999 zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Vorliegend sei eine statistische Vergleichsprüfung ausgeschieden, weil es an einer
validen Vergleichsgruppe gefehlt habe. Da eine repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung durchgeführt worden sei,
komme es weder auf die vermeintliche Heterogenität der Vergleichsgruppe noch auf das Vorliegen von Praxisbesonderheiten an.
Die Prüfung des jeweiligen Einzelfalls sei auch unter dem Aspekt erfolgt, dass die Leistungen durch einen Reproduktionsmediziner
abgerechnet worden seien. Es seien allein deswegen weniger als 20 % der Behandlungsfälle überprüft worden, weil der Kläger
nicht sämtliche angeforderten Patientenakten habe liefern können.
Die Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch sich geäußert.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der angefochtene Bescheid
des Beklagten vom 21.7.2008, der an die Stelle des vom SG aufgehobenen Bescheides vom 16.3.2000 getreten ist, rechtmäßig ist. Der Beklagte durfte die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise
des Klägers insbesondere bei reproduktionsmedizinischen Behandlungen nach der Methode der eingeschränkten Einzelfallprüfung
mit anschließender Hochrechnung prüfen (1.) und hat diese Methode korrekt angewandt (2.). Die für eine Honorarkürzung wegen
unwirtschaftlicher Behandlungsweise maßgeblichen Fristen sind gewahrt (3.).
1. Rechtsgrundlage der Honorarkürzung ist nach der Rechtsprechung des Senats §
106 Abs
2 SGB V in der im Prüfungszeitraum geltenden Fassung, vorliegend also in der vom 1.1.1993 bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung des
Gesundheitsstrukturgesetzes. Nach §
106 Abs
2 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach
Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößen (aaO Satz 1 Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Satz 1 Nr
2) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß §
106 Abs
2 Satz 4
SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren; zudem können die Prüfgremien unabhängig hiervon erforderlichenfalls andere
Prüfmethoden entwickeln (stRspr, vgl BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 61; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 20).
Nach diesen Vorgaben ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers
mittels der Methode der eingeschränkten Einzelfallprüfung mit Hochrechnung geprüft hat:
a. Grundsätzlich steht den Prüfgremien bei der Auswahl der Prüfmethode ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum
zu (stRspr, zB BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 16 mwN). Dieser Spielraum wird zwar (ua) dadurch eingeschränkt, dass in dem hier maßgeblichen Zeitraum die Prüfung
nach Durchschnittswerten die "Regelprüfmethode" war (stRspr, vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 9; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; allgemein zur Einschränkung des Beurteilungsspielraums BSGE 77, 53, 56 = SozR 3-2500 § 106 Nr 33 S 186), von welcher die Prüfgremien nur abweichen durften, wenn sich die Prüfung nach Durchschnittswerten
im Einzelfall als nicht aussagekräftig oder nicht durchführbar erwies (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10). Die Voraussetzungen für ein ausnahmsweises Abweichen von dieser Methode lagen jedoch vor.
Zu berücksichtigen ist zunächst, dass der Beklagte an das rechtskräftige Urteil des SG vom 25.6.2003 gebunden war, das die Bestimmung der Vergleichsgruppe bei der zunächst durchgeführten statistischen Vergleichsprüfung
beanstandet hatte. Damit war die Anwendung dieser, nach damaliger Rechtslage vom Senat in ständiger Rechtsprechung als vorzugswürdig
angesehenen Methode erheblich erschwert. Im Hinblick darauf sowie wegen der Schwierigkeiten der statistischen Vergleichsprüfung
bei der kleinen und inhomogenen Gruppe der reproduktionsmedizinisch tätigen Gynäkologen ist es nicht rechtswidrig, dass der
Beklagte von seinem Beurteilungsspielraum bei der Auswahl der Prüfmethoden dahingehend Gebrauch gemacht hat, eine eingeschränkte
Einzelfallprüfung mit Hochrechnung durchzuführen.
Der vom Beklagten getroffenen Entscheidung zur Durchführung einer eingeschränkten Einzelfallprüfung mit Hochrechnung steht
auch nicht entgegen, dass der Senat in seiner älteren Rechtsprechung wiederholt der Anwendung anderer Prüfmethoden als der
Prüfung nach Durchschnittswerten - namentlich der Einzelfallprüfung mit Hochrechnung - entgegengetreten ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 14). Dem lag jedoch, wie der Senat bereits im Urteil vom 19.10.2011 (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33) klargestellt hat, eine andere Konstellation zugrunde, da die Prüfgremien ihre Auswahl damit begründet hatten, die
Einzelfallprüfung sei gegenüber einer Vergleichsprüfung die genauere und gerechtere Methode. Weiter hat der Senat dort unter
Hinweis auf das Gebot effektiver Wirtschaftlichkeitsprüfungen klargestellt, dass er die Wahl einer anderen Prüfmethode billigt,
soweit eine Prüfung anhand von Durchschnittswerten nicht effektiv ist (BSG aaO RdNr 27 unter Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 14).
b. Der Bescheid des Beklagten genügt auch den Begründungsanforderungen hinsichtlich der gewählten Prüfmethode. Nach der Senatsrechtsprechung
bedarf die Wahl einer "nachrangigen" Prüfmethode einer ausreichenden Begründung (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 16; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 48). Vor dem Hintergrund der im vorangegangenen Verfahren vom SG erhobenen und allen Beteiligten bekannten Beanstandungen in Bezug auf die Durchführung einer Prüfung nach Durchschnittswerten
genügen die Darlegungen des Beklagten im Bescheid, "aufgrund der statistischen Nichtvergleichbarkeit" eine eingeschränkte
Einzelfallprüfung mit Hochrechnung als Prüfmethode gewählt zu haben, diesen Anforderungen.
2. Der Beklagte hat auch den bei einer Anwendung der Methode "eingeschränkte Einzelfallprüfung mit Hochrechnung" zu beachtenden
Vorgaben entsprochen.
a. Die eingeschränkte Einzelfallprüfung mit Hochrechnung setzt voraus, dass sich bei der Überprüfung (der Behandlungsweise)
eine ständige wiederkehrende Verhaltensweise des Arztes feststellen lässt, die von den Prüfgremien als unwirtschaftlich beurteilt
wird (BSGE 70, 246, 255 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 53). Zudem ist es erforderlich, pro Quartal einen prozentualen Anteil von mindestens 20
% der abgerechneten Fälle - bezogen auf die Gesamtzahl der vom geprüften Arzt behandelten Patienten (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 45 S 245) - zu überprüfen, die zugleich mindestens 100 Behandlungsfälle umfassen müssen (BSGE 70, 246, 255 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 53; ebenso BSG Urteil vom 14.7.1993 - 6 RKa 13/91 - Juris RdNr 19 = USK 93115; s auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 16). Dabei ist sicherzustellen, dass die zu prüfenden Einzelfälle nach generellen Kriterien ermittelt werden (BSGE
70, 246, 255 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 53). Der bei dieser Prüfung ermittelte unwirtschaftliche Behandlungsumfang kann auf die
Gesamtheit der Fälle hochgerechnet werden, doch ist wegen der mit dieser Methode einhergehenden Unsicherheiten bei der Bemessung
des Kürzungsbetrages ein Sicherheitsabschlag von 25 % des danach als unwirtschaftlich ermittelten Gesamtbetrages vorzunehmen
(BSGE 70, 246, 255 = SozR 3-2500 § 106 Nr 10 S 53; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 18).
b. Diese Vorgaben für die Anwendung dieser Methode hat der Beklagte beachtet. Er hat ein weitgehend gleichförmiges Verhalten
des Klägers bei den reproduktionsmedizinischen Behandlungen festgestellt, mindestens 100 Fälle geprüft und war bereit, 20
% der Fälle des Klägers in die Prüfung einzubeziehen. Dass diese Quote nicht erreicht worden ist, beruht allein darauf, dass
der Kläger die Behandlungsunterlagen nur für 570 der 830 angeforderten, nach generellen Kriterien bestimmten Fälle vorlegen
konnte. Dieser Umstand führt, wie das LSG richtig gesehen hat, nicht dazu, dass eine Prüfung nach der vom Beklagten ausgewählten
Methode ausgeschlossen ist.
Der Senat hat bislang nicht entschieden, ob die Vorgabe, dass 20 % der Fälle des Arztes zu prüfen sind, ausnahmslos gilt oder
einen Grundsatz darstellt, von dem unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden kann. Nur die letztgenannte Sichtweise
wird der großen Bedeutung der Wirtschaftlichkeitsprüfung gerecht und vermeidet, dass die Behandlungsweise eines Arztes in
einem bestimmten Zeitraum überhaupt nicht auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft werden kann (tendenziell in diesem Sinne schon
BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 RdNr 16: "regelmäßige Voraussetzung"; eine Abweichung "in besonderen Fällen" bejahend: LSG Baden-Württemberg, MedR 1994,
499).
Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, in welchen Konstellationen von der Vorgabe der 20 %-Quote abgewichen werden
kann. Klar ist, dass eine solche Abweichung im Hinblick auf die Verlässlichkeit der Prüfungsergebnisse und damit auch auf
den Schutz des Arztes vor ungerechtfertigten Kürzungen nur in Betracht kommt, wenn die Gründe für deren Unterschreitung zumindest
auch in der Sphäre des Arztes liegen. Das ist hier der Fall, denn der Kläger konnte 260 der korrekt angeforderten Akten nicht
mehr vorlegen, weil diese ihm abhanden gekommen waren. Damit hat der Kläger objektiv gegen seine Verpflichtung zur sicheren
Aufbewahrung der Behandlungsunterlagen für 10 Jahre (§ 57 Abs 2 BMV-Ä in der Fassung vom 19.12.1994, DÄ 1995 S A-625, jetzt § 57 Abs 3 BMV-Ä) verstoßen.
Darüber hinaus liegt eine Verletzung der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten vor. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung
nach §
106 SGB V treffen den geprüften Arzt besondere Mitwirkungspflichten, die über die allgemeinen Mitwirkungspflichten nach § 21 Abs 2 SGB X hinausgehen (BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 101; BSG Urteil vom 9.3.1994 - 6 RKa 16/92 - USK 94131; BSG Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 - USK 95137 S 738; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40). Diese - von der Darlegungs- und Feststellungslast zu trennende - besondere Mitwirkungspflicht ergibt sich
daraus, dass dem Arzt ein Vergütungsanspruch nur dann zusteht, wenn er die Leistung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung
erbringen durfte; es ist daher seine Angelegenheit, die zur Begründung seines Anspruchs dienenden Tatsachen so genau wie möglich
anzugeben und zu belegen, vor allem, wenn er sich auf für ihn günstige Tatsachen berufen will, die allein ihm bekannt sind
oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (stRspr, vgl BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 101; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 18). Die Vorlage der zur Prüfung benötigten Unterlagen gehört zu diesen besonderen Mitwirkungspflichten des Arztes
(vgl BSGE 55, 150, 152 f = SozR 2200 § 368 Nr 8 S 21 f; BSGE 59, 172, 174 ff = SozR 2200 § 368 Nr 9 S 31 ff); dies gilt jedenfalls, solange die für den jeweiligen Prüfungszeitraum maßgeblichen
Ausschlussfristen noch nicht abgelaufen sind.
Auf ein Verschulden des Klägers kommt es hier nicht an, weil ihm wegen der Nichtauffindbarkeit der Behandlungsunterlagen in
260 Fällen kein - etwa disziplinarisch zu ahndender - Schuldvorwurf gemacht wird. Es geht allein darum, dass der Kläger (auch)
im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Konsequenzen zu tragen hat, dass bestimmte Unterlagen, die 2008 noch hätten vorhanden
sein müssen, tatsächlich nicht mehr auffindbar waren. Nichts anderes würde im Übrigen in einem Verfahren nach §
106a SGB V zur Abrechnungsprüfung gelten, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Kläger nicht korrekt abgerechnet hat: Wenn entsprechende
Zweifel wegen des Fehlens der Behandlungsunterlagen nicht geklärt werden könnten, ginge das zu Lasten des Klägers, uU mit
der Folge, dass ihm für die nicht aufklärbaren Fälle kein Honorar zustünde.
Auf das Angebot des Klägers, selbst 260 andere Fälle vorzulegen, zu denen die Unterlagen noch vorhanden waren, musste der
Beklagte nicht eingehen. Die Aussagekraft der eingeschränkten Einzelfallprüfung beruht darauf, dass die zu prüfenden Fälle
nach einem bestimmten, strikt anzuwendenden Prinzip ausgewählt werden: Die Auswahl der Fälle hat nach generellen Kriterien
zu erfolgen; dies wäre bei einer Nachforderung von Akten nicht mehr gewährleistet. Je höher die Zahl der nachgeforderten Akten
ist, desto weiter entfernt sich die Auswahl der zu prüfenden Einzelfälle von den ursprünglich bestimmten generellen Kriterien.
Weder darf der Arzt die Fälle bestimmen, weil dann die Gefahr besteht, dass er vorrangig Fälle präsentiert, die ersichtlich
unproblematisch sind, noch dürfen KÄV bzw Krankenkassen die Fälle vorgeben, weil dann zu befürchten ist, dass problematische
Fälle die Auswahl dominieren.
Im Übrigen sind die Ergebnisse der Einzelfallprüfung nicht so unzuverlässig, dass aus ihnen nicht das Ausmaß der Unwirtschaftlichkeit
hochgerechnet werden könnte. Dem steht entgegen, dass hier die Fallzahl relativ hoch war, immerhin ca 14 % der Fälle geprüft
werden konnten und die geprüften Fälle aus dem reproduktionsmedizinischen Bereich eine gleichförmige Behandlungsweise des
Klägers belegen.
c. Die (weiteren) Bedenken des Klägers gegen die Annahme von Unwirtschaftlichkeit greifen nicht durch; der Beklagte hat sich
hinreichend mit der reproduktionsmedizinischen Ausrichtung seiner Praxis befasst und gerade bei den vom Kläger als Besonderheit
angeführten Fällen erhebliche Unwirtschaftlichkeiten beobachtet. Die auf die Hochrechnung der geprüften Fälle gestützte Feststellung
des Beklagten, dass der Kläger in dem angenommenen Umfang unwirtschaftlich behandelt hat, ist daher insgesamt nicht zu beanstanden.
3. Auch die für eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise geltenden Fristen sind gewahrt worden.
a. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, unterliegt die Festsetzung von Honorarkürzungen und Regressen
wegen unwirtschaftlicher Behandlungs- bzw Verordnungsweise keiner Verjährung, sondern einer Ausschlussfrist (zB BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 18; zuletzt BSG Urteil vom 14.5.2014 - B 6 KA 13/13 R - RdNr 24, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 §
106 Nr 44 vorgesehen). Die Ausschlussfrist für auf der Grundlage des §
106 SGB V ergangene Bescheide beträgt vier Jahre (stRspr, zB BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 27); mit dieser Festlegung hat das BSG der Notwendigkeit zeitlicher Begrenzung von Prüfverfahren aufgrund des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtssicherheit Rechnung
getragen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 27 mwN). Die Ausschlussfrist beginnt in Fällen, in denen die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise im Streit
steht, mit dem Tag nach der Bekanntgabe des Honorarbescheides für das jeweils betroffene Quartal (vgl BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 17 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 31; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 30).
Vorliegend ist die Ausschlussfrist durch die jeweils zeitnah nach Ablauf des streitbefangenen Quartals ergangenen Bescheide
des Prüfungsausschusses gewahrt worden. Dass der an die Stelle dieser Bescheide getretene Bescheid des Beklagten vom 16.3.2000
durch das SG aufgehoben wurde, ist insoweit ohne Bedeutung. Ein innerhalb der Ausschlussfrist ergangener Bescheid wahrt die Ausschlussfrist
auch dann, wenn der (nachfolgende) Bescheid des Beschwerdeausschusses im gerichtlichen Verfahren aufgehoben und nach Fristablauf
durch einen neuen, dasselbe Quartal betreffenden Bescheid ersetzt worden ist: Für den Fall gerichtlicher Aufhebung des Prüfbescheides
und der Verpflichtung zur Neubescheidung wirkt die Fristwahrung im bisherigen Verfahren für das neue Verfahren weiter (BSGE
95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12, 23).
b. Eine Frist, bis zu der das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss beendet sein muss, ist gesetzlich nicht bestimmt und darf
deshalb nicht allgemein von der Rechtsprechung vorgegeben werden (BSG Beschluss vom 11.5.2011 - B 6 KA 5/11 B - RdNr 9 - Juris; siehe hierzu auch BSG Beschlüsse vom 27.6.2012 - B 6 KA 99/11 B - RdNr 8 und vom 28.8.2013 - B 6 KA 11/13 B - RdNr 7). Insbesondere beginnt die vierjährige Ausschlussfrist nach der Entscheidung der Prüfungsstelle nicht erneut zu
laufen. Wie der Senat bereits entschieden hat (BSG Beschluss vom 11.5.2011 - B 6 KA 5/11 B - RdNr 8 f - Juris; BSG Beschluss vom 28.8.2013 - B 6 KA 11/13 B - RdNr 6), unterliegt das Verfahren vor dem Beklagten keiner eigenständigen Ausschlussfrist. Dessen bedarf es schon deshalb
nicht, weil der Zustand des Nichtwissens für den Vertragsarzt mit dem vorangegangenen Bescheid der Prüfungsstelle beendet
wurde (BSG Beschluss vom 11.5.2011 - B 6 KA 5/11 B - RdNr 8 - Juris; BSG Beschluss vom 28.8.2013 - B 6 KA 11/13 B - RdNr 6). Für das gerichtliche Verfahren gilt nichts anderes (BSG Beschluss vom 27.6.2012 - B 6 KA 99/11 B - RdNr 8).
Deshalb ist es für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Beklagten vom 21.7.2008 ohne Bedeutung, ob dieser sein Verfahren
nach dem ersten Urteil des SG vom 25.6.2003 mit der gebotenen Beschleunigung geführt hat; auch die Dauer des (erneuten) Verfahrens in der ersten Instanz
hat keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung des Beschlusses des Beklagten. Verzögerungen im Verfahrensablauf bei den
Prüfgremien und/oder den Gerichten können grundsätzlich nicht dazu führen, dass ein - für sich genommen - rechtmäßiger Bescheid
des Beschwerdeausschusses aufgehoben werden muss (so schon BSG Beschluss vom 27.6.2012 - B 6 KA 99/11 B - RdNr 8). Aus einem Verstoß gegen die Verpflichtung, das Verfahren angemessen zu fördern, ist nicht abzuleiten, dass der
Beschwerdeausschuss allein deswegen an der Festsetzung eines Regresses in Form der Bestätigung der Entscheidung des Prüfungsausschusses
gehindert ist (BSG Beschluss vom 11.5.2011 - B 6 KA 5/11 B - RdNr 9 - Juris).
Soweit es das Gerichtsverfahren betrifft, hat der Gesetzgeber mit dem Erlass des "Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen
Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren" vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) zum Ausdruck gebracht, dass dem
Ziel der Gewährung von zeitnahem Rechtsschutz durch verfahrensimmanente Rechtsbehelfe (Verzögerungsrüge) und einen Entschädigungsanspruch
gegen die jeweilige für das betreffende Gericht zuständige Gebietskörperschaft (Bund/Land) Rechnung getragen werden soll;
damit ist regelmäßig für Lösungen der Problematik einer unangemessen langen Verfahrensdauer zwischen den Verfahrensbeteiligten
und mit Bezug auf den Streitgegenstand kein Raum mehr (BSG Beschluss vom 27.6.2012 - B 6 KA 99/11 B - RdNr 9; BSG Beschluss vom 12.12.2012 - B 6 KA 28/12 B - RdNr 15; siehe hierzu auch BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26, RdNr 41).
c. Ob die Befugnis der Prüfgremien, gegen einen Vertragsarzt Honorarkürzungen oder Regresse festzusetzen, überhaupt verwirkt
sein kann (zweifelnd bereits BSG Beschluss vom 11.5.2011 - B 6 KA 5/11 B - RdNr 12 - Juris), kann dahingestellt bleiben: Wie das LSG zutreffend dargelegt hat, hat der Beklagte dem Kläger keine Veranlassung
zu der Annahme gegeben, er werde auf die Durchsetzung der Honorarkürzung verzichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§
154 Abs
2 VwGO), mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen (§
162 Abs
3 VwGO).