Anspruch auf Pflegegeld in der gesetzlichen Unfallversicherung für einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten sind Beginn und Höhe des für den verstorbenen Versicherten gewährten Pflegegeldes streitig.
Der 1939 geborene Versicherte war vom 01.06.1956 bis zum 31.12.1985 als Heizungs- und Lüftungsbauer berufstätig und bezog
von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg zunächst Berufsunfähigkeitsrente (Bescheid vom 11.02.2000) und sodann
Altersrente (Bescheid vom 05.05.2000). Wegen der klinischen Diagnose einer Minderbelüftung des linken Oberlappens im Röntgennativbild
wurde beim Versicherten am 07.02.2007 eine Computertomographie des Thorax durchgeführt. Aufgrund dieser Untersuchung äußerte
die Radiologin Dr. P. in ihrem Arztbrief vom 07.02.2007 den dringenden Verdacht auf einen links-zentralen Tumor und eine Teilverlegung
des Oberlappenbrochus links. Der Versicherte wurde wegen einer Belastungsdyspnoe und nächtlichem Husten mit Auswurf am 21.02.2007
stationär in der Thoraxklinik am Universitätsklinikum H. aufgenommen und dort bis zum 05.03.2007 behandelt. Bei der dort durchgeführten
Röntgen-Thorax-Untersuchung vom 21.02.2007 befundete Dr. H., Thoraxklinik am Universitätsklinikum H., in seinem Befundbericht
vom 21.02.2007 eine große Tumorverschattung im linken Oberfeld, eine vollständige Oberlappenatelektase und eine beginnende
Infiltration im restlichen Unterlappen. Die am 26.02.2007 durchgeführte knochenszintigraphische Untersuchung erbrachte nach
dem Befundbericht von Dr. A., Thoraxklinik am Universitätsklinikum H., eine metastasenverdächtige ringförmige Speicherung
mit zentraler Cold lesion im rechten Os ileum sowie differentialdiagnostisch Metastasen entsprechende Spots im Rippenthorax
beidseits. Assistenzärztin K. führte in dem Arztbrief vom 05.03.2007 aus, beim Versicherten liege ein Adenokarzinom mit Filiae
in der sechsten Rippe links im rechten OS ileum vor. Der Versicherte sei in gutem Allgemeinzustand in die weitere hausärztliche
Betreuung entlassen worden. Am 07.03.2007 erfolgte die Aufnahme in der Thoraxklinik am Universitätsklinikum H. zur palliativen
Radiatio. Nach dem Arztbrief des Assistenzarztes Dr. B. vom März 2007 verschlechterte sich die pulmonale Situation rapide
und kam es zu einem ventilatorischen Versagen. Da sich die kardiopulmonale Situation nicht mehr stabilisieren ließ, verstarb
der Versicherte am 14.03.2007.
Nachdem nach den Angaben der Beklagten eine Anzeige auf Verdacht einer Berufskrankheit durch das Universitätsklinikum H. am
28.02.2007 erfolgt war (Schreiben der Beklagten vom 16.03.2007), wurden am 15.03.2007 bei der Beklagten Leistungen aus der
gesetzlichen Unfallversicherung beantragt, die die Leiche des Versicherten obduzieren ließ. Prof. Dr. Sch., Ärztlicher Direktor
des Pathologischen Institutes des Universitätsklinikums H., führte in seinem Sektionsprotokoll vom 22.04.2007 aus, der Versicherte
sei in respiratorischer Dekompensation bei metastasiertem primär pulmonalem Adenokarzinom verstorben. Asbestfasern hätten
sich innerhalb der Fibroseareale nicht gefunden, eine Brückensymptomatik lasse sich histomorphologisch nicht darstellen. Bis
1999 habe ein chronischer Nikotinabusus vorgelegen. Nach Einholung der Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 04.07.2007
und Beiziehung der radiologischen Befunde holte die Beklagte das Gutachten des Prof. Dr. W., Direktor des Instituts und der
Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Justus-Liebig-Universität G. a. D., vom 31.12.2007 ein. Der Gutachter beschrieb
einen Todeseintritt infolge ventilatorischen Versagens bei Adenokarzinom mit Teilverlegung des linken Oberlappenbronchus,
Teilatelektase und Lymphangiosis carcinomatosa (T3, N2, M1) im Stadium IV. Gegenwärtig lasse sich eine Berufskrankheit nicht
mit ausreichender Sicherheit feststellen, es liege ein non liquet vor und es bestünden Ermittlungsdefizite. Im weiteren Verlauf
legte die Klägerin diverse ärztliche Unterlagen über den Versicherten aus den Jahren 1973, 1974, 1977, 1987, 1993 sowie 1996
bis 1999 vor. Ferner zog die Beklagte die über den Versicherten geführte Patientenakte der Thoraxklinik am Universitätsklinikum
H. bei und holte eine weitere Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 11.08.2008 ein (der Versicherte sei temporär asbestexponiert
gewesen und habe im Laufe seines Berufslebens 269 Faserjahre zurückgelegt).
Zunächst bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 27.11.2008 einen Vorschuss in Höhe von 4.200 € und mit Bescheid
vom 23.02.2009 einen weiteren Vorschuss in Höhe von 5.000 €. Mit Bescheid vom 06.03.2009 erkannte die Beklagte ein durch Asbeststaub
verursachtes Bronchialkarzinom des Versicherten als Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV). Als Folge der Berufskrankheit werde eine hochgradige Einschränkung der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit anerkannt.
Die Berufskrankheit sei am 30.01.2007 eingetreten. Die Folgen der Berufskrankheit bedinge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) um 100 vom Hundert (v. H.). Ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe vom 31.01.2007 bis zum 14.03.2007. Mit Bescheid
vom 07.04.2009 führte die Beklage aus, der Versicherte sei an den Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur
BKV verstorben. Es bestünden Ansprüche auf Sterbegeld, Übernahme der Überführungskosten und auf Witwenrente ab 14.03.2007.
Auf Anfrage der Beklagten teilte Dr. K. am 23.06.2009 telefonisch mit, in den drei Wochen vor dem ab 21.02.2007 begonnenen
stationären Aufenthalt, in denen er den Versicherten behandelt habe, habe er keine Anzeichen für eine Pflegebedürftigkeit
feststellen können. Der Versicherte sei normal herumgelaufen und auch Auto gefahren. Die Krebserkrankung sei erst nach Einlieferung
in das Krankenhaus rasend schnell fortgeschritten.
Mit Bescheid vom 20.07.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung von Pflegegeld ab. Sie führte unter Hinweis auf die Ausführungen
des Dr. K. zur Begründung aus, nachdem sich der Versicherte in dem Zeitraum, in dem von einem Pflegebedarf im Sinne des §
44 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) auszugehen sei, in stationärer Behandlung befunden habe, komme die Gewährung von Pflegegeld nicht in Betracht.
Hiergegen legte die Klägerin am 12.08.2009 Widerspruch ein. Sie führte zur Begründung aus, es sei nicht ersichtlich, dass
hier die "Pflegerichtlinien im Berufskrebsfall" beachtet worden seien. Außerdem schließe eine stationäre Behandlung ein Pflegegeld
nicht aus. Sie habe dem Versicherten auch psychischen Beistand geleistet, deswegen komme zumindest ein Mindestpflegegeld in
Betracht. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 24.08.2009 mit, nach nochmaliger Überprüfung der Sach-
und Rechtslage sei im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachte psychische Hilflosigkeit beabsichtigt, Pflegegeld
für die Zeit vom 12.02.2007 bis zum 21.02.2007 zuzubilligen. Die Zubilligung von Pflegeansprüchen vor diesem Zeitpunkt sei
nicht möglich, da erst ab diesem Termin eine Diagnose, die überhaupt für die Verursachung entsprechender psychischer Hilflosigkeit
geeignet wäre, gestellt worden sei. Pflegeleistungen nach dem 21.02.2007 könnten nicht erbracht werden, da der Versicherte
an diesem Termin stationär aufgenommen worden und für die Dauer der stationären Aufnahme Pflegegeld nicht zu erbringen sei.
Besondere Umstände des konkreten Einzelfalles, die ein Abweichen von dieser grundsätzlichen Regelung ermöglichen würden, seien
nicht ersichtlich. Mit Teil-Abhilfebescheid vom 20.10.2009 änderte die Beklagte ihren Bescheid vom 20.07.2009 teilweise ab
und bewilligte Pflegegeld für die Zeit vom 12.02.2007 bis zum 21.02.2007 in Höhe von 295,00 €. Mit Widerspruchsbescheid vom
17.12.2009 änderte die Beklagte den Bescheid vom 20.07.2009 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 20.10.2009 ab, bewilligte
Pflegegeld auch für die Zeit vom 05.03.2007 bis zum 07.03.2007 in Höhe von insgesamt 29,49 € und wies im Übrigen den Widerspruch
zurück. Sie führte zur Begründung aus, es bestehe ein Anspruch auf weitere drei Tage Pflegegeld, da der Versicherte am 05.03.2007
aus der stationären Behandlung entlassen worden und am 07.03.2007 in eine erneute stationäre Behandlung gekommen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 21.01.2010 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe erhoben, zu deren Begründung sie vorgetragen hat,
bereits vor dem Tag der Verkündung der Diagnose Lungenkrebs habe offenbar die Pflegebedürftigkeit auf psychische Art eingesetzt.
Pflegegeld müsse durchgehend gewährt werden.
Mit Urteil vom 08.06.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, es lasse vorliegend
ausdrücklich offen, ob überhaupt aus Rechtsgründen die nachträgliche Geltendmachung eines Pflegegeldes durch die Klägerin
als Sonderrechtsnachfolgerin in Fällen wie dem vorliegenden, in welchem kurz nach Bekanntwerden des Verdachts auf Bestehen
einer Berufskrankheit bei der Beklagten der betroffene Versicherte verstorben sei, die nachträgliche Geltendmachung eines
Pflegegeldes möglich sei. Denn Anhaltspunkte dafür, dass beim Versicherten Hilflosigkeit vor dem 12.02.2007 vorgelegen habe,
bestünden nach Auswertung aller verfügbaren Befundunterlagen nicht. Deshalb sei das Vorliegen der Voraussetzungen für einen
Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld für die Zeit vor dem 12.02.2007 nicht nachgewiesen. Denn nach dem Entlassungsbericht
vom 05.03.2007 habe der Versicherte bei Aufnahme lediglich über Belastungsdyspnoe und nächtlichen Husten mit wenig Auswurf,
über Gewichtsverlust bei Inappetenz von drei Kilogramm in einem Monat und über seit wenigen Tagen bestehende von der linken
Schulter in den linken Arm ausstrahlende Schmerzen geklagt. Es habe weder Fieber noch Nachtschweiß bestanden. Gemäß dem körperlichen
Untersuchungsbefund habe sich der Versicherte bei Aufnahme in gutem Allgemein- und Ernährungszustand befunden. Ferner habe
Dr. K., bei dem sich der Versicherte erstmals am 30.01.2007 vorgestellt habe, geäußert, dass der Versicherte in den drei Wochen
von der erstmaligen Vorstellung bis zur Aufnahme im Krankenhaus am 21.02.2007 normal herumgelaufen und auch noch Auto gefahren
sei. Des Weiteren habe der zu Lebzeiten des Versicherten noch nicht festgestellte Pflegegeldanspruch, sofern er rückwirkend
überhaupt geltend zu machen sei, spätestens am Tage vor der stationären Aufnahme geendet und am Tage nach der stationären
Entlassung begonnen. Der Wortlaut des §
44 Abs.
3 Satz 1
SGB VII sei in Fällen wie dem Vorliegenden, in welchem nicht nur eine rückwirkende Bewilligung von Pflegegeld an den Versicherten,
sondern eine nachträgliche Bewilligung von Pflegegeld an die Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten auch für Zeiten des
stationären Aufenthalts aufgrund der Ausnahmevorschrift des §
44 Abs.
3 Satz 1
SGB VII im Streit stehe, teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass die dort normierte Weiterzahlungsregelung im Falle der nachträglichen
Bewilligung an einen Sonderrechtsnachfolger nicht zur Anwendung komme. Dies folge nach der unfallversicherungsrechtlichen
Literatur (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, §
44 SGB VII, Rdnr. 13) daraus, dass die in §
44 Abs.
3 Satz 2
SGB VII zum Ausdruck gebrachte Regelung sicherstellen solle, dass es wegen vertraglicher Vereinbarungen mit Pflegekräften, die regelmäßig
nicht von einem Tag auf den anderen gekündigt werden könnten, zu erheblichen finanziellen Ausfällen komme. Vorliegend lägen
zudem keine Anhaltspunkte dafür vor, dass zugunsten des Versicherten in den hier streitigen Zeiträumen überhaupt Pflegeleistungen
erbracht worden seien. Schließlich bestehe auch kein Anspruch auf die Gewährung höheren Pflegegeldes. Eine nur psychische
Betreuung, wie sie vorliegend durch die Klägerin ausgehend von ihrem Vorbringen im Widerspruchsverfahren wohl erfolgt sei,
könne nach obergerichtlicher Rechtsprechung bei der Bewertung der Hilflosigkeit grundsätzlich nicht berücksichtigt werden
(LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.06.2008 - L 1 U 1284/08). Lediglich dann, wenn Antriebsschwächen mit Hilfe der Betreuungsperson überwunden werden müssten, um tägliche Verrichtungen
vornehmen zu können, sei der hierdurch entstehende Aufwand zu berücksichtigen. Den aktenkundigen ärztlichen Äußerungen sei
eine nur durch Hilfspersonen überwindbar gewesene Antriebsschwäche des Versicherten nicht zu entnehmen. Ferner komme es für
die Einstufung in die für die Bemessung des Pflegegeldes maßgeblichen Kategorien insbesondere auf das Ausmaß der körperlichen
Funktionseinschränkung an. Diese seien aber ausweislich der aktenkundigen Entlassungsberichte in den Zeiträumen, in denen
sich der Versicherte nicht in stationärer Behandlung befunden habe, gering. Erst nach nochmaliger stationärer Aufnahme am
07.03.2007 habe sich der körperliche Zustand des Versicherten rapide bis zum Tode verschlechtert.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 08.07.2010 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat die Klägerin am 29.07.2010
Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, bei einem Bronchialkarzinom reiche ein Pflegegeld von 25 % bei Weitem
nicht hin, erst recht dann nicht, wenn das Bronchialkarzinom zum Tode führe. Außerdem müsse das Pflegegeld durchgängig gewährt
und könne nicht retrospektiv gestückelt werden. Dem stehe der sozialrechtliche Herstellungsanspruch entgegen. Im Übrigen habe
sich die Tumorerkrankung im streitigen Zeitraum bereits im Stadium IV befunden. Das Sozialgericht habe ersichtlich nicht die
erforderliche medizinische Sachkunde gehabt, um die Dauer und die Höhe des Pflegegeldes beurteilen zu können.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts vom 8. Juni 2010 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2009 in der Gestalt des
Teil-Abhilfebescheides vom 20. Oktober 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2009 abzuändern und die Beklagte
zu verurteilen, Pflegegeld auch für die Zeit vor dem 12. Februar 2007, vom 22. Februar 2007 bis zum 4. März 2007 sowie vom
8. März 2007 bis zum 14. März 2007 und in Höhe von mehr als 25 % des Höchstsatzes zu gewähren,
hilfsweise ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten
der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§
143 und
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte sowie nach §
151 SGG zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden
hat (§
124 Abs.
2 SGG), ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Pflegegeld für weitere Zeiträume und auch nicht
auf höheres Pflegegeld. Das Sozialgericht hat deswegen die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin ist zwar als Ehefrau, da sie zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten mit ihm in einem Haushalt gelebt hat, Sonderrechtsnachfolgerin
nach §
56 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I). Die Rechtsnachfolge ist auch nicht nach §
59 Satz 2
SGB I ausgeschlossen. Insoweit unterstellt der Senat zugunsten der Klägerin, dass zum Todeszeitpunkt durch die Anzeige der behandelnden
Ärzte vom Universitätsklinikum vom 28.02.2007 ein Verwaltungsverfahren eingeleitet wurde, wenngleich die Beklagte tatsächlich
erst nach dem Antrag der Klägerin vom 15.03.2007 und damit nach dem Tod des Versicherten tätig wurde.
Rechtsgrundlage für die Gewährung von Pflegegeld ist §
44 SGB VII. Danach wird Pflegegeld gezahlt, solange Versicherte infolge des Versicherungsfalls so hilflos sind, dass sie für die gewöhnlichen
und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang der Hilfe bedürfen, eine
Pflegekraft gestellt oder Heimpflege gewährt (§
44 Abs.
1 SGB VII). Das Pflegegeld ist unter Berücksichtigung der Art oder Schwere des Gesundheitsschadens sowie des Umfangs der erforderlichen
Hilfe auf einen Monatsbetrag zwischen 300 € und 1.199 € (Beträge am 01.07.2008) festzusetzen (§
44 Abs.
2 Satz 1
SGB VII). Während einer stationären Behandlung wird das Pflegegeld bis zum Ende des ersten auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats
weitergezahlt und mit dem ersten Tag des Entlassungsmonats wieder aufgenommen (§
44 Abs.
3 Satz 1
SGB VII). Die Bundesregierung setzt mit Zustimmung des Bundesrates die neuen Mindest- und Höchstbeträge nach §
44 Abs.
2 SGB VII in der Rechtsverordnung über die Bestimmung des für die Rentenanpassung in der gesetzlichen Rentenversicherung maßgebenden
aktuellen Rentenwertes fest (§
44 Abs.
6 SGB VII).
Unter Berücksichtigung dessen hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung von Pflegegeld für die Zeit vor dem 12.02.2007,
vom 22.02.2007 bis zum 04.03.2007 sowie vom 08.03.2007 bis zum 14.03.2007 und auch nicht in Höhe von mehr als 25 % des Höchstsatzes.
Der Klägerin steht zur Überzeugung des Senats schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Pflegegeld zu. Dem steht nicht entgegen,
dass die Beklagte ab dem 12.02.2007 Hilflosigkeit mit der Begründung bejaht hat, mit der Eröffnung der Diagnose sei eine geringgradige
psychische Einschränkung einhergegangen. Denn durch den Teil-Abhilfebescheid vom 20.10.2009 ist weder der gleiche streitbefangene
Zeitraum betroffen noch hat die Beklagte grundsätzlich eine Pflegebedürftigkeit des Versicherten anerkannt.
Bereits aus Rechtsgründen ist Pflegegeld nach §
44 Abs.
1 SGB VII nicht für einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit zu gewähren, wenn die Überprüfung der Hilfebedürftigkeit zu
Lebzeiten des Versicherten nicht stattgefunden hat und hierfür zu Lebzeiten weder von Amts wegen Anlass bestanden hatte noch
auf Veranlassung des Versicherten oder seiner Angehörigen hätte erfolgen müssen. Die rückwirkende Bewilligung von Pflegegeld
ist in diesen Fällen nicht mit dem Gesetzeszweck vereinbar. Das Pflegegeld soll den Versicherten in die Lage versetzen, sich
die erforderliche Pflege zu beschaffen, sichert in besonderem Maße die eigene Gestaltungsfreiheit sowohl des Pflegebedürftigen
als auch der Pflegeperson in der familiären oder sonstigen privaten Sphäre und soll als Anreiz, die Pflege in der gewohnten
Umgebung durchzuführen, dienen. Die Sicherung der Gestaltungsfreiheit des Versicherten, sich die notwendigen Pflegeleistungen
auf Grund des Pflegegeldes selbst zu beschaffen, oder die Anreizfunktion des Pflegegeldes, die Pflege in der häuslichen Umgebung
zu sichern, kann mit der nachträglichen Gewährung des Pflegegeldes nicht mehr erreicht werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil
vom 30.06.2008 - L 1 U 1284/08).
Bei dem Versicherten ist ein zeitnaher Antrag auf Gewährung von Pflegeleistungen nicht gestellt worden. Hinweise auf Pflegebedürftigkeit
sind im maßgeblichen Zeitraum nicht aktenkundig geworden, weshalb auch von Amts wegen eine Bewilligung von Pflegeleistungen
nicht hat erwartet werden können. Sofern dennoch pflegerische Betreuungsmaßnahmen von der Klägerin erbracht worden sein sollten,
ist nicht erkennbar, dass mit einer - erwarteten - nachträglichen Bewilligung von Pflegegeld der Entschluss der Klägerin zur
Erbringung von Pflegeleistungen oder die Art der erbrachten Hilfeleistungen in irgendeiner Form beeinflusst worden wäre.
Darüber hinaus kann jedenfalls für die Zeit vor dem 12.02.2007 das Tatbestandsmerkmal der Hilflosigkeit des Versicherten nicht
nachgewiesen werden, so dass schon dem Grunde nach keine Pflegebedürftigkeit und demzufolge kein Anspruch auf Pflegegeld bestand.
Insoweit hat das Sozialgericht zutreffend auf die aktenkundigen Entlassberichte und die telefonischen Angaben des Dr. K. vom
23.06.2009 hingewiesen. Der Senat schließt sich gemäß §
153 Abs.
2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung
von Wiederholungen an.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Begriff der die Gewährung von Pflegegeld in der gesetzlichen Unfallversicherung
voraussetzenden Pflege zwar weder durch das
SGB VII noch durch das Elfte Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) definiert wird (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 6/10 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 16), aber auf die Verrichtungen im täglichen Leben Bezug nimmt, somit auf §
14 SGB XI (so auch LSG Saarland, Urteil vom 13.04.2011 - L 2 U 76/07 - [...] - unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 26.06.2011 - B 2 U 28/00 R - SozR 3-2700 §
44 Nr.
1). §
14 Abs.
4 SGB XI stellt einen Katalog derjenigen Verrichtungen auf, die der Gesetzgeber als regelmäßig wiederkehrend ansieht. Dazu zählen
im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung
(Nr. 1), im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung (Nr. 2), im Bereich der Mobilität
das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen oder Wiederaufsuchen
der Wohnung (Nr. 3) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen,
Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen (Nr. 4). Die Vorschrift bezeichnet lediglich diejenigen Verrichtungen
im Ablauf des täglichen Lebens, die bei der Begutachtung und Abstufung der Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigen sind und
schließt damit die Heranziehung anderer Bedarfsbereiche bei der Feststellung von Pflegebedürftigkeit aus (vgl. BT-Drucks.
12/5262 S. 96). Der strenge Bezug des Begriffs der Pflegebedürftigkeit auf diese Verrichtungen ist verfassungsgemäß (BVerfG,
Beschluss vom 22.05.2003 - 1 BvR 452/99 - [...]). Die allgemeine psychische Betreuung fällt nicht darunter (BSG, Urteil vom 01.09.2005 - B 3 P 5/04 R - [...]).
Die von der Klägerin geltend gemachte psychische Betreuung ist im Übrigen von ihr nicht näher im Hinblick auf eine irgendwie
geartete Pflegetätigkeit im Sinne der Verrichtungen konkretisiert worden. Sonstige von ihr geleistete Hilfen hat sie nicht
genannt. Sie hat keine Umstände vorgetragen, die für ergänzende weitere Ermittlungen des Senats Anlass gegeben hätten. Eine
gezielte gutachterliche Aufklärung, inwieweit ein substantiiert dargelegter Betreuungsaufwand medizinisch begründet war, hat
sich dem Senat daher nicht aufgedrängt, zumal §
44 SGB VII nach der dargelegten Rechtsauffassung des Senats vorliegend ohnehin nicht anwendbar ist. Ob geeignete Beweismittel hierfür
nach dem Tod des Versicherten überhaupt zur Verfügung gestanden hätten, lässt der Senat dahinstehen. Die Klägerin hat ohne
Spezifizierung nur die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt.
Aus Rechtsgründen besteht auch kein Anspruch auf Pflegegeld während des stationären Aufenthaltes des Versicherten für die
Zeit vom 22.02.2007 bis zum 04.03.2007 sowie vom 08.03.2007 bis zum 14.03.2007. Das Sozialgericht hat in der angegriffenen
Entscheidung zutreffend dargelegt, dass die Regelung des §
44 Abs.
3 Satz 1
SGB VII nach ihrem Sinn und Zweck dahingehend auszulegen ist, dass sie nicht für den Fall der nachträglichen Gewährung von Pflegegeld
an den Sonderrechtsnachfolger gilt. Der Zweck der Regelung ist darin begründet, dass eine sofortige Einstellung der Pflege-Leistungen
mit der stationären Aufnahme dem Versicherten in vielen Fällen nicht zumutbar wäre, da zum Beispiel keine sofortige Lösung
eines Vertrages mit einer Pflegekraft möglich wäre. Eine solche Konstellation liegt hier jedoch nicht vor, denn tatsächlich
konnte eine Härte für den Versicherten beziehungsweise die Klägerin durch die Nichtgewährung von Pflegegeld während der stationären
Aufenthalte nicht entstehen. Zum einen ist hier eine Motivation zur Durchführung der häuslichen Pflege nicht mehr notwendig
gewesen und zum anderen ist offensichtlich keine Pflegekraft beschäftigt worden. Eine Belastung des Versicherten dadurch,
dass trotz der Gewährung der Pflege während der stationären Aufenthalte trotzdem Aufwendungen für häusliche Pflege anfielen,
existierte nicht (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.03.2011 - L 3 U 19/10).
Für den von der Beklagten bewilligten Zeitraum besteht auch kein Anspruch auf höheres Pflegegeld. Das Gesetz gibt zunächst
nur einen Pflegegeldrahmen vor, innerhalb dessen die genaue Festsetzung im Einzelfall unter Berücksichtigung der Art und Schwere
des Gesundheitsschadens sowie des Umfangs der erforderlichen Hilfe erfolgt (BSG, Urteil vom 10.10.2006 - B 2 U 41/05 R - SozR 4-2700 § 44 Nr. 1) Nach der vom Gesetzgeber zuletzt mit Wirkung zum 01.07.2008 vorgenommenen Anpassung beträgt der
Pflegegeldrahmen für Versicherungsfälle in den alten Bundesländern zwischen 300 € und 1.199 € monatlich. Sowohl in den alten
Bundesländern als auch im Beitrittsgebiet betrug der Anpassungsfaktor für das Pflegegeld ab dem 01.07.2008 1,0110 (§ 4 Abs.
1 bzw. 2 Rentenwertbestimmungsgesetz 2008 [RWBestG]). Einzelheiten hierzu regeln die zum Zwecke der Gleichbehandlung herausgegebenen
Anhaltspunkte des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) zur Bemessung des Pflegegeldes. Diese Anhaltspunkte enthalten Kategorien der Gesundheitsschäden, denen jeweils Einzeleinstufungen
für die Festsetzung des Pflegegeldes bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten in einem Prozentsatz des Höchstbetrages des
Pflegegeldes zugeordnet sind.
Ausgehend davon hat die Beklagte angenommen, dass der Versicherte ab der Diagnosestellung an einer erheblichen Antriebsschwäche
gelitten hat und auf fremde Hilfe angewiesen war. Dies beruhte allein darauf, dass nach den Anhaltspunkten bei infauster Prognose
der Erkrankung häufig Hilflosigkeit in dem Sinne vorstellbar ist, dass der Erkrankte durch erhebliche Antriebsschwäche auf
fremde Hilfe angewiesen ist. Darüber hinausgehende einen höheren Vomhundertsatz als 25 rechtfertigende Funktionseinschränkungen
(zum Beispiel dauernde Bettlägrigkeit für 80 bis 100 v. H., überwiegende Bettlägrigkeit für 60 bis 80 v. H, stark eingeschränkte
Mobilität für 40 bis 60 v. H. oder eingeschränkte Mobilität beziehungsweise Hilfebedarf bei An- und Auskleiden sowie Hygieneverrichtungen
für 25 bis 40 v. H.) sind nicht objektivierbar. Denn die behandelnden Ärzte haben über eine noch voll erhaltene körperliche
Leistungsfähigkeit berichtet, so dass allenfalls der Mindestpflegesatz angemessen ist. Dass kein höherer Anspruch besteht,
ergibt sich darüber hinaus auch daraus, dass die schematische Anwendung der Anhaltspunkte ohne Rücksicht auf Besonderheiten
des Einzelfalls unzulässig ist (BSG, Urteil vom 24.01.1990 - 2 RU 15/89 - SozR 3- 2200 § 558 Nr. 1) und sich die Defizite von Fall zu Fall unterschiedlich auswirken, so dass eine Auswertung allein
nach den in Gutachten dokumentierten Funktionseinschränkungen nicht von der individuellen Prüfung der Hilflosigkeit und des
dadurch bedingten Pflegeumfanges entheben kann. Eine solche Überprüfung hat mangels entsprechender Hinweise auf eine Pflegebedürftigkeit
jedoch zu Lebzeiten des Versicherten nicht stattgefunden.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
193,
183 Satz 1 Alternative 5
SGG.
Für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG bestand kein Anlass.