Festsetzung des Gegenstandswertes in der vertragspsychotherapeutischen Versorgung
1. Die von der Rechtsprechung zu der Vorschrift des § 8 Abs. 2 S. 2 Halbs. 1 BRAGO entwickelten Grundsätze können für die Auslegung des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG herangezogen werden.
2. Wenn das Interesse eines Vertragspsychotherapeuten darin besteht, dass in einem verfahrensfehlerfrei durchgeführten Berufungsverfahren
über seinen Anspruch entschieden wird, die bereits begonnenen Behandlungen nach Ablauf der aus Vertrauensschutzgründen weiterhin
gestatteten Tätigkeit im Delegationsverfahren mit dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Berufungsurteils, das seinen Anspruch
auf Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung endgültig versagt hat, noch zu Ende zu führen, so ist bei der Höhe
des Gegenstandswertes nicht auf den Regelwert des § 23 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 RVG abzustellen. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Gründe:
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Absätze 1 und 4
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in der am 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 §
116 Nr
24 S 115 ff). Nach §
193 Abs
1 Satz 3
SGG entscheidet das Gericht durch Beschluss über die Kosten, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Diese Vorschrift
gilt im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren entsprechend, wenn das Verfahren anders als durch Beschluss über die Zulassung
der Revision bzw die Verwerfung oder Zurückweisung der Beschwerde beendet wird. Bei der Kostenentscheidung ist vor allem die
bisherige Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen. Maßgeblich ist danach, welcher Beteiligte ohne das zur Erledigung führende
Ereignis voraussichtlich obsiegt hätte bzw unterlegen wäre.
Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten nicht an dem voraussichtlichen Erfolg
der erst angestrebten Revision, sondern in erster Linie danach auszurichten, ob der Beschwerdeführer voraussichtlich das Ziel
der Zulassung der Revision erreicht hätte. Das ist bei der gebotenen summarischen Betrachtung hier zu Gunsten des Klägers
zu bejahen. Seine Rüge, das berufungsgerichtliche Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel im Sinne des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG, hätte voraussichtlich Erfolg gehabt, weil das Berufungsgericht über seinen ausdrücklich gestellten Antrag, ihm hinsichtlich
der laufenden Behandlungen eine Auslauffrist zu gewähren, nicht entschieden hat. Mutmaßlich hätte der Senat von der Möglichkeit
des §
160a Abs
5 SGG Gebrauch gemacht und das angefochtene Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
an das Bayerische Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen. Dieses hätte in dem dann erneut eröffneten Berufungsverfahren
über den Rechtsanspruch des Klägers auf Anerkennung seiner Berechtigung zum Abschluss der begonnenen psychotherapeutischen
Behandlungen entscheiden müssen. Zur Vermeidung des damit verbundenen Aufwands haben die Beteiligten auf Anregung des Berichterstatters
des Senats eine vergleichsweise Regelung hinsichtlich des Abschlusses der laufenden Behandlungen bereits im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
getroffen. Hinsichtlich der Kostenentscheidung muss es indessen dabei bleiben, dass der Kläger im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
voraussichtlich erfolgreich gewesen wäre.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 33 Abs 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Danach setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss
selbstständig fest, wenn es ua an einem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert fehlt. Diese zum 1. Juli 2004 in Kraft
getretene Vorschrift ist hier anwendbar. Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers war zwar in der den Streitgegenstand bildenden
Zulassungsangelegenheit bereits vor diesem Zeitpunkt gerichtlich tätig. Das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde zum
Bundessozialgericht (BSG) ist jedoch erst danach, nämlich am 6. August 2004 eingelegt worden. Dieser Zeitpunkt ist für die
Anwendbarkeit des alten und des neuen Vergütungsrechts der Rechtsanwälte im jeweiligen Rechtszug maßgeblich (§ 60 Abs 1 Satz 2 RVG).
Für die Übergangszeit, in der sich die Anwaltsvergütung im vertragsarztrechtlichen Verfahren nach dem RVG richtet, eine gerichtliche Wertfestsetzung nach § 63 Gerichtskostengesetz aber wegen der Fortdauer der Kostenfreiheit sozialgerichtlicher Verfahren aus Vertrauensschutzgründen nicht stattzufinden
hat, erfolgt die Gegenstandswertfestsetzung auf der Grundlage des § 23 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 RVG. Danach ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen, soweit er sich aus bestimmten, hier nicht einschlägigen
Vorschriften des RVG nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht. Diese Vorschrift entspricht wörtlich § 8 Abs 2 Satz 2 Halbsatz 1 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung. Deshalb können für die Auslegung des § 23 Abs 3 Satz 2 RVG die Grundsätze herangezogen werden, die die Rechtsprechung zu der früher geltenden Vorschrift entwickelt hat.
Danach ist in erster Linie die sich aus dem Antrag des Rechtsuchenden für ihn ergebende Bedeutung der Sache maßgebend, dh
in der Regel sein wirtschaftliches Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen (BSG SozR 3-1930 § 8 Nr
2 S 2 ff; SozR 3-1930 § 8 Nr 1 S 2, Nr 2 S 8). Dabei ist auf den wirtschaftlichen Wert des im Streit befindlichen Anspruchs
abzustellen.
Der bisherige Sach- und Streitstand bietet hier hinreichende Anhaltspunkte für die Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes
des Interesses des Klägers an der Zulassung der Revision. Deshalb ist nicht auf den Regelwert des § 23 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 RVG abzustellen. Das Interesse des Klägers ging dahin, dass in einem verfahrensfehlerfrei durchgeführten Berufungsverfahren über
seinen Anspruch entschieden wird, die bereits begonnenen Behandlungen nach Ablauf der aus Vertrauensschutzgründen weiterhin
gestatteten Tätigkeit im Delegationsverfahren mit dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Berufungsurteils, das seinen Anspruch
auf Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung endgültig versagt hat, noch zu Ende zu führen. Zutreffend geht
der Kläger dabei davon aus, dass das wirtschaftliche Interesse dem Honorar entspricht, das er nach dem Ende der ihm unter
Vertrauensschutzgesichtspunkten ohnehin gestatteten Tätigkeit im Delegationsverfahren für den Abschluss der bereits begonnenen
Behandlung zu erwarten hatte. Nach der vom Kläger zu den Akten gereichten Aufstellung handelt es sich insoweit bezogen auf
den Stand vom 31. März 2004 (Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen LSG) um noch 477 offene Behandlungsstunden.
Zutreffend weist allerdings die zu 2. beigeladene Krankenkasse darauf hin, dass der Kläger zumindest bis zur Zustellung des
Berufungsurteils im Delegationsverfahren hatte weiter behandeln dürfen und wohl weiter behandelt hat. Das wirtschaftliche
Interesse des Klägers ist daher auf Honoraransprüche für die Zeit nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (August 2004)
bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden aus jedweder psychotherapeutischen Tätigkeit für Versicherte der Krankenkassen am
31. März 2005 begrenzt. Zur Vermeidung weiterer Ermittlungen schätzt der Senat das Vergütungsinteresse des Klägers auf 2/3
des für den Zeitraum vom 31. März 2004 bis zum 31. März 2005 geltend gemachten Betrages. Damit ergibt sich unter Zugrundelegung
einer Vergütung von 61,19 _ pro Behandlungsstunde ein (gerundeter) Gegenstandswert von 20.000,00 _.