Vergütung vertragszahnärztlicher Leistungen
Rechtmäßigkeit der Kürzung von Honoraransprüchen wegen einer Verletzung der Fortbildungspflicht
Wirksamkeit einer Aufrechnung der Krankenkasse gegenüber der Gesamtvergütungsforderung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung
Gründe:
I
Streitig ist, ob die beklagte Krankenkasse (KK) gegenüber einem Anspruch der klagenden Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV)
auf Gesamtvergütung erfolgreich mit einer Gegenforderung aufgerechnet hat, die darauf beruht, dass die KZÄV das Honorar einzelner
Vertragszahnärzte wegen nicht fristgerechter Vorlage der erforderlichen Fortbildungsnachweise verminderte.
Nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums, für den Vertragszahnärzte erstmals die Erfüllung ihrer Fortbildungspflicht nachzuweisen
hatten (bis 30.6.2009), kürzte die Klägerin denjenigen Zahnärzten, die diese Pflicht nicht erfüllt hatten, das vertragszahnärztliche
Honorar. Die Honorarkürzungen summierten sich in den Quartalen III/2009 bis IV/2011 auf den Betrag von 439 153,57 Euro. Bemühungen
der Beklagten, den Umfang des auf ihre Versicherten entfallenden Anteils der Kürzungen in Erfahrung zu bringen, um gegebenenfalls
bereits gezahlte Gesamtvergütungsanteile zurückfordern zu können, blieben im Jahr 2012 zunächst erfolglos. Die Klägerin verweigerte
die Übermittlung entsprechender Informationen, da sie der Ansicht war, dass eine Verpflichtung der KZÄVen zur Weiterleitung
der Honorarkürzungsbeträge aufgrund einer Verletzung der Fortbildungspflicht an die KKn - anders als bei Kürzungen wegen Überschreitung
der Degressionsgrenzen - nicht bestehe.
Die Beklagte kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 20.11.2012 an, sie werde gegenüber der nächsten Forderung der Klägerin
auf Zahlung von Gesamtvergütung ihre Gegenforderung aufgrund der Honorarkürzungen wegen Verletzung der Fortbildungspflicht
für den Zeitraum der Quartale III/2009 bis IV/2011 in Höhe von 730 000 Euro aufrechnen. Dieser Betrag ergebe sich aus der
geschätzten Gesamtsumme der Honorarkürzungen von ca 2,6 Mio Euro und ihrem Anteil an den Mitgliedern zum Stichtag 1.7.2011.
Mit Schreiben vom 10.12.2012 erklärte die Beklagte diese Aufrechnung gegenüber der Forderung der Klägerin auf eine Abschlagszahlung
von 12,3 Mio Euro für Leistungen nach Teil 1 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen (BEMA) im Quartal
IV/2012. Daraufhin teilte die Klägerin im Schreiben vom 20.12.2012 mit, dass die Honorareinbehalte wegen nicht fristgerecht
nachgewiesener Fortbildungen für alle Kostenträger in den Quartalen III/2009 bis IV/2011 insgesamt nur 439 153,57 Euro betragen
hätten und davon 103 809,82 Euro auf die Beklagte entfielen. Die Beklagte zahlte sodann der Klägerin den Differenzbetrag zu
der ursprünglich von ihr zur Aufrechnung gestellten Forderung von 730 000 Euro und bat darum, künftig zeitnah über die Höhe
der ab dem Quartal I/2012 nicht weitergeleiteten vertragszahnärztlichen Honorare informiert zu werden.
Das SG hat die von der Klägerin am 17.10.2013 erhobene Klage auf Zahlung von 103 809,82 Euro abgewiesen (Urteil vom 26.1.2015 -
S 2 KA 33/13). Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung sei wirksam. Diese habe in der genannten Höhe einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch
erworben, denn die Klägerin sei verpflichtet, die den Vertragszahnärzten auferlegten Honorarkürzungen wegen Verletzung der
Fortbildungspflicht an die KKn weiterzuleiten. Die Honorarkürzungen sollten zwar auch disziplinierende Wirkung entfalten,
doch seien sie keine Disziplinarmaßnahme im klassischen Sinne, sondern vielmehr eine sachlich-rechnerische Berichtigung aufgrund
einer Qualitätssicherungsmaßnahme. Das vertragszahnärztliche Honorar sei bei einer Einzelleistungsvergütung für die KZÄV nur
ein "durchlaufender Posten". Die Klägerin dürfe keine anderen Einnahmen generieren als die in § 28 ihrer Satzung geregelten
Beiträge ihrer Mitglieder. Würden die Honorarkürzungen nach §
95d Abs
3 S 3
SGB V bei der Klägerin verbleiben, wäre das eine unzulässige zusätzliche Einnahmequelle.
Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG die vorinstanzliche Entscheidung geändert und die Beklagte zur Zahlung von 103 809,82
Euro verurteilt (Urteil vom 8.3.2017 - L 11 KA 21/15). Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage sei begründet, weil die eingeklagte Abschlagszahlung auf Honorar für
Leistungen nach BEMA Teil 1 im Quartal IV/2012 fällig und durchsetzbar sei und die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellte
Gegenforderung nicht existiere. Die Gegenforderung könne allenfalls auf einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch beruhen.
Danach könne eine KK von der KZÄV die Erstattung der Gesamtvergütung verlangen, soweit sie diese für Einzelleistungen gezahlt
habe, die vom Vertragszahnarzt tatsächlich nicht erbracht worden seien. Zwar sei in den hier maßgeblichen Gesamtvergütungsverträgen
für die Jahre 2009 bis 2011 eine Einzelleistungsvergütung vereinbart; mithin hätte die Beklagte wirksam aufrechnen können,
soweit die Klägerin in den Quartalen III/2009 bis IV/2011 Honoraransprüche, die für die Behandlung von Versicherten der Beklagten
entstanden, gemäß §
95d Abs
3 SGB V gekürzt habe. Die Beklagte habe aber derart konkret bezeichnete Erstattungsansprüche nicht zur Aufrechnung gestellt, sondern
eine nach abstrakten Kriterien ermittelte Gegenforderung benannt. Eine solche Forderung nach Maßgabe des Anteils der Mitglieder
der Beklagten an der Gesamtzahl der Versicherten im Juli 2011 bestehe jedoch nicht.
Auch aus anderen Gründen stehe der Beklagten eine durchsetzbare Gegenforderung nicht zu. Der Rechtsgrund für die in den Quartalen
III/2009 bis IV/2011 von ihr gezahlten Gesamtvergütungen sei nicht teilweise entfallen; er beruhe vielmehr auf den von Vertragszahnärzten
gegenüber den Versicherten der Beklagten erbrachten abrechnungsfähigen Leistungen. §
95d Abs
3 SGB V ordne kein Leistungs- oder Abrechnungsverbot an und sanktioniere keine "Schlechtleistung", sondern die Nichtvorlage des Fortbildungsnachweises.
Eine analoge Anwendung der Regelungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung in §
106d Abs
2 SGB V scheide aus, da eine planwidrige Regelungslücke fehle. Soweit die Gesetzesbegründung darauf abstelle, dass ein "Abschlag
für die schlechtere Qualität der ärztlichen Leistung" erfolge, könne das nur so verstanden werden, dass die Leistungen immer
noch den Vorgaben in §
12 SGB V entsprächen und auch im Übrigen nicht gegen vertragsarztrechtliche Regularien verstießen.
Gegen die Rechtsansicht der Beklagten sprächen auch systematische Überlegungen. Die Fortbildungsverpflichtung und deren Sanktionierung
sei im 7. Titel "Voraussetzungen und Formen der Teilnahme von Ärzten und Zahnärzten an der Versorgung" geregelt; eine Bezugnahme
auf den im 9. Titel "Wirtschaftlichkeit und Abrechnungsprüfung" verorteten §
106d SGB V sei nicht erfolgt. Wenn in §
125 Abs
2 S 2 (jetzt S 3) sowie in §
132a Abs
2 (jetzt Abs
4) S 2
SGB V für Verträge mit Heilmittelerbringern und mit Leistungserbringern der häuslichen Krankenpflege Vergütungsabschläge bei Nichterfüllung
der Fortbildungsverpflichtung vorgeschrieben seien, sei das in der unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen KK und Leistungserbringer
folgerichtig. Für den vertrags(zahn)ärztlichen Bereich könne daraus aber nichts hergeleitet werden. Wenn der Gesetzgeber gewollt
hätte, dass das gekürzte Honorar auch insoweit bei den KKn verbleibe, hätte er das klar und deutlich - wie etwa in §
85 Abs
4e S 1
SGB V für degressionsbedingte Honorareinsparungen - regeln müssen. Letztlich stelle die in §
95d Abs 3 S 3 angeordnete Verpflichtung der KZÄV zur Honorarkürzung bei nicht nachgewiesener Fortbildung eine Disziplinarmaßnahme
sui generis mit dem Ziel der Verhaltenssteuerung dar, die nicht eine schlechtere Qualität sanktioniere, sondern nachlässiges,
uneinsichtiges und pflichtwidriges Unterlassen.
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von §
95d Abs
3 SGB V. Wenn ein Vertragszahnarzt seine Fortbildungsverpflichtung nicht erfülle, entstehe für dessen künftige Behandlungen ein Honoraranspruch
nicht in derselben Höhe wie bei einem Vertragszahnarzt, der dieser Verpflichtung nachgekommen sei. Im Rechtsverhältnis der
KZÄV zur KK habe das bei einer Einzelleistungsvergütung zur Folge, dass der KK nur diejenigen Kosten in Rechnung gestellt
werden dürften, die honorartechnisch zugunsten des Zahnarztes tatsächlich entstanden seien. Wenn die Beklagte in solchen Fällen
ihr gegenüber dennoch die ungekürzten Honorare zum Ansatz gebracht habe, stehe das im Widerspruch zum Normzweck des §
95d Abs
3 SGB V und führe zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Beklagten. Diese Regelung könne auch nicht als Disziplinarmaßnahme
sui generis angesehen werden. Im Vordergrund stehe vielmehr, dass die pauschale Honorarkürzung ein Abschlag für die schlechtere
Qualität der ärztlichen Leistung sei.
Auf Anfrage des Senats hat die Klägerin mitgeteilt, dass im Jahr 2009 die vereinbarte höchstzulässige Gesamtvergütung mit
den für Versicherte der Beklagten abgerechneten Einzelleistungen um ca 449 000 Euro überschritten worden sei, während der
Höchstbetrag in den Jahren 2010 und 2011 um ca 372 000 Euro bzw 307 000 Euro unterschritten wurde. Von dem Gesamtbetrag der
auf die Beklagte in den Jahren 2009 bis 2011 entfallenden Honorarkürzungen in Höhe von 103 809,82 Euro betreffe ein Teilbetrag
von 38 273,50 Euro das Jahr 2009. Daraufhin hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Zahlungsanspruch
der Klägerin - bezogen auf das Jahr 2009 - in Höhe von 38 273,50 Euro anerkannt; die Klägerin hat dieses Anerkenntnis angenommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8.3.2017 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil
des Sozialgerichts Münster vom 26.1.2015 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten hat Erfolg, soweit der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nach dem angenommenen Teilanerkenntnis
noch streitbefangen ist. Insoweit hat das LSG die Klägerin zu Unrecht zur Zahlung weiterer Gesamtvergütungsbeträge verurteilt.
Die Zahlungsklage ist in diesem Umfang nicht begründet (§
101 Abs
2 iVm §
170 Abs
2 S 1
SGG). Die Aufrechnung, die die Beklagte gegenüber dem mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Gesamtvergütung für das Quartal
IV/2012 (dazu unter 1.) erklärte, bewirkte das Erlöschen des Anspruchs (dazu unter 2.). Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung
der Beklagten beruhte auf einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin wegen zu viel gezahlter
Gesamtvergütungen (dazu unter 3.). Die Überzahlungen entstanden, weil die Klägerin im Rahmen der vereinbarten Einzelleistungsvergütung
gegenüber der Beklagten die Behandlungsleistungen von Vertragszahnärzten, welche die Erfüllung ihrer Fortbildungsverpflichtung
bis zum 30.6.2009 nicht nachgewiesen hatten, vollumfänglich in Ansatz brachte, obwohl sie selbst den betroffenen Vertragszahnärzten
diese Leistungen nur zu 90 % bzw 75 % vergütete.
1. Die mit der Klage geltend gemachte (Haupt-)Forderung auf Abschlagszahlung für konservierend-chirurgische Leistungen (BEMA
Teil 1), welche die Mitglieder der Klägerin im Quartal IV/2012 für Versicherte der Beklagten erbrachten, hat ihre Grundlage
in §
85 Abs
2 SGB V (idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378) sowie in § 4 Nr 2 der von der Klägerin und (ua) der
Beklagten für das Jahr 2012 abgeschlossenen Vergütungsvereinbarung vom 4.5.2012. Dass diese Hauptforderung in Höhe von 12
300 000 Euro zunächst bestand, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten und bedarf deshalb hier keiner Vertiefung.
2. Diese Hauptforderung ist, soweit sie zwischen den Beteiligten in Höhe von 65 536,01 Euro noch im Streit steht, aufgrund
der von der Beklagten mit Schreiben vom 4.1.2013 wirksam erklärten Aufrechnung mit einer ihr gegenüber der Klägerin in dieser
Höhe zustehenden Gegenforderung (dazu sogleich unter 3.) erloschen (§
69 Abs
1 S 3
SGB V iVm §§
387 ff
BGB; s hierzu Engelmann in juris-PK
SGB V, 3. Aufl 2016, § 69 RdNr 44; allgemein zur Aufrechnung im Vertragsarztrecht BSG Urteil vom 18.2.1970 - 6 RKa 1/69 - BSGE 31, 24, 29 = SozR Nr 13 zu § 368f
RVO; zuletzt BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 14/10 R - BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62, RdNr 13 sowie BSG Urteil vom 17.8.2011 - B 6 KA 24/10 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 64 RdNr 11).
Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung
gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung
bewirken kann (§
387 BGB). Die Aufrechnung erfolgt nach §
388 S 1
BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Die Erklärung muss sowohl die Hauptforderung als auch die Gegenforderung hinreichend
konkret in einer Weise bezeichnen, dass der Aufrechnungswille zumindest durch Auslegung klar erkennbar ist (vgl BSG Urteil vom 25.10.2016 - B 1 KR 9/16 R - SozR 4-5562 § 11 Nr 2 RdNr 29 mwN).
Der Senat teilt die vom LSG geäußerten Bedenken in Bezug auf die hinreichende Bestimmtheit der Aufrechnungserklärung der Beklagten
nicht. Zur Ermittlung des Inhalts der erklärten Aufrechnung ist hier nicht mehr auf das Schreiben der Beklagten vom 20.11.2012
abzustellen, auf das in der ersten Aufrechnungserklärung vom 10.12.2012 verwiesen worden war. Maßgeblich ist vielmehr die
Erklärung der Beklagten im Schreiben an die Klägerin vom 4.1.2013. Darin teilte sie der Klägerin mit, aufgrund der zwischenzeitlich
übermittelten Informationen nicht mehr an der ursprünglich am 10.12.2012 auf der Grundlage einer Schätzung geltend gemachten
Aufrechnung über 730 000 Euro festzuhalten, sondern diese auf den Betrag von 103 809,82 Euro zu beschränken. Der Betrag entspreche
gemäß den Auskünften der Klägerin ihrem - der Beklagten - Anteil an den tatsächlichen Honorareinbehalten bei Vertragszahnärzten
in den Quartalen III/2009 bis IV/2011 wegen Nichterfüllung der Fortbildungsverpflichtung. Nach dem Inhalt dieser Erklärung
wollte die Beklagte nunmehr exakt die Summe aller konkreten Honorarkürzungen, welche die Klägerin bei den Vertragszahnärzten
aufgrund einer Verletzung der Fortbildungspflicht in den einzelnen Behandlungsfällen ihrer Versicherten vornahm, zur Aufrechnung
stellen, weil sie diese Beträge für sich reklamierte. Der Senat ist befugt, diese Willenserklärung selbst auszulegen, weil
das Berufungsgericht das Schreiben vom 4.1.2013 zwar erwähnt, aber nicht vollständig, sondern nur partiell im Hinblick auf
die Reduzierung des ursprünglich am 10.12.2012 aufgerechneten Betrags verwertet hat (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
162 RdNr 3b mwN).
3. Der Beklagten stand gegen die Klägerin die in der Aufrechnungserklärung bezeichnete Forderung als gleichartige, voll wirksame,
fällige und nicht einredebehaftete (Geld-)Forderung zwar nicht in der bezeichneten Höhe von 103 809,82 Euro für die Quartale
III/2009 bis IV/2011, aber in Höhe von 65 536,01 Euro für die Quartale I/2010 bis IV/2011 und somit im Umfang des hier noch
streitbefangenen Betrags zu.
a) Rechtsgrundlage für die Forderung ist ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Ein solcher Anspruch setzt - in Anlehnung
an §
812 Abs
1 und §
818 Abs
2 BGB - voraus, dass im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder
sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen wurden (vgl BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 2.7.2013 - B 4 AS 72/12 R - BSGE 114, 55 = SozR 4-4200 § 6b Nr 1, RdNr 28 f; BSG Urteil vom 7.9.2017 - B 10 LW 1/16 R - SozR 4-2400 § 27 Nr 8 RdNr 27, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; zum Vertragsarztrecht zB BSG Urteil vom 27.6.2012 - B 6 KA 33/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 72 RdNr 15; BSG Urteil vom 28.9.2005 - B 6 KA 71/04 R - BSGE 95, 141 RdNr 22 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 30).
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs sind hier erfüllt. Die Beklagte entrichtete
für die gesamte vertragszahnärztliche Versorgung ihrer Versicherten an die Klägerin mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung
(§
85 Abs
1 SGB V), die nach Einzelleistungen berechnet wurde (abgerechnete Punktzahlen nach dem BEMA multipliziert mit den in §
1 der jeweiligen Vergütungsvereinbarung festgelegten Punktwerten - vgl Engelhard in Hauck/Noftz,
SGB V, K §
85 RdNr 97, Stand der Einzelkommentierung Mai 2014). Für Behandlungen ab dem Quartal III/2009 durch Vertragszahnärzte, die die
Erfüllung ihrer Fortbildungsverpflichtung nicht rechtzeitig bis zum 30.6.2009 nachgewiesen hatten (§
95d Abs
3 S 3
SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes [GMG] vom 14.11.2003, BGBl I 2190 [aF] - aufgehoben mWv 1.1.2012 durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz
vom 22.12.2011, BGBl I 2983 [nF]; zur entsprechenden Anwendung der Vorschrift gemäß §
72 Abs
1 S 2
SGB V auch auf Zahnärzte s BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 19/14 R - SozR 4-2500 § 95d Nr 1 RdNr 9), ist ein Honoraranspruch dieser Zahnärzte gegenüber der Klägerin nach §
95d Abs
3 S 4
SGB V aF (nunmehr: §
95d Abs
3 S 3
SGB V nF) aber von vornherein nur in einer um 10 % bzw 25 % verminderten Höhe entstanden (so bereits BSG Beschluss vom 13.5.2015 - B 6 KA 50/14 B - Juris RdNr 8). In ihrem Rechtsverhältnis zur KK durfte die Klägerin in solchen Fällen aufgrund der vereinbarten Gesamtvergütung
nach Einzelleistungen (§
85 Abs
2 S 2
SGB V) dann auch nur die in geringerer Höhe erworbenen Honoraransprüche der Vertragszahnärzte als Rechnungsposten in die Abrechnung
gegenüber der Beklagten einstellen (vgl BSG Beschluss vom 4.10.1966 - 6 RKa 14/66 - SozR Nr 31 zu §
75 SGG; BSG Urteil vom 25.10.1989 - 6 RKa 17/88 - BSGE 66, 1, 3 = SozR 2200 § 368f Nr 16 S 68). Von der Beklagten ohne Kenntnis dieser Umstände an die Klägerin geleistete zu hohe Zahlungen
von Gesamtvergütungsbeträgen sind mithin ohne Rechtsgrund erbracht.
Der Senat hat bislang einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch im Anwendungsbereich einer Einzelleistungsvergütung
insbesondere in Fällen unrechtmäßig oder unwirtschaftlich oder überhaupt nicht erbrachter (zahn-)ärztlicher Leistungen angenommen
(BSG Urteil vom 21.11.1986 - 6 RKa 5/86 - BSGE 61, 19, 21 f = SozR 2200 § 368f Nr 11 S 31; BSG Urteil vom 25.10.1989 - 6 RKa 17/88 - BSGE 66, 1, 2 = SozR 2200 § 368f Nr 16 S 67; BSG Urteil vom 1.8.1991 - 6 RKa 9/89 - BSGE 69, 158, 160 = SozR 3-1300 § 113 Nr 1 S 2; BSG Urteil vom 10.5.1995 - 6 RKa 18/94 - BSGE 76, 120, 121 = SozR 3-5545 § 24 Nr 1 S 2; BSG Urteil vom 18.12.1996 - 6 RKa 66/95 - BSGE 80, 1, 4 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2 S 9; BSG Urteil vom 28.10.2015 - B 6 KA 15/15 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 52 RdNr 12). Für erbrachte Leistungen, die kraft gesetzlicher Anordnung nur mit einem Bruchteil der
vollen Vergütung honoriert werden dürfen, gilt jedoch nichts anderes. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage nicht gegenüber
Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise, die nicht aufgrund einer Einzelleistungsprüfung identifiziert,
sondern im Rahmen einer statistischen Vergleichsprüfung festgesetzt werden.
In diesem Sinne wird auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
als Rechtsgrundlage für einen Anspruch der KK auf Rückzahlung von nach Einzelleistungen berechneten Gesamtvergütungsanteilen
aufgrund von Honorarminderungen bei Vertragszahnärzten infolge nicht erfüllter Fortbildungspflichten ganz überwiegend bejaht
(SG Münster Urteil vom 26.1.2015 - S 2 KA 33/13; SG München Urteil vom 30.9.2016 - S 49 KA 5196/15; SG Gotha Teil-Urteil vom 9.11.2016 - S 2 KA 4928/15 - Juris RdNr 25; SG Düsseldorf Urteil vom 29.11.2017 - S 2 KA 405/15 - Juris RdNr 23 ff; offengelassen von SG Kiel Urteil vom 23.1.2018 - S 13 KA 67/16 - für den Fall einer Gesamtvergütung nach Kopfpauschalen; s auch Pawlita in juris-PK
SGB V, 3. Aufl 2016, §
95d RdNr 32 ff, Stand der Einzelkommentierung 8.3.2018; Scholz in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, BeckOK Sozialrecht, §
95d SGB V RdNr 16, Stand der Einzelkommentierung 1.3.2018). Lediglich Nölling (MedR 2018, 303, 306) verneint das, weil er annimmt, die KK habe nur dann ohne Rechtsgrund die volle Einzelleistungsvergütung gezahlt, wenn
die Honorarkürzung wegen Schlechtleistung und nicht (wovon er ausgeht) aus disziplinarischen Gründen erfolgt sei. Dem ist
aber nicht zu folgen, weil für die Frage, ob die KK einen Teil des vollen Betrags der Einzelleistung "ohne Rechtsgrund" an
die KZÄV gezahlt hat, der konkrete Grund dafür, weshalb der Honoraranspruch des Vertragszahnarztes gegenüber der KZÄV nicht
vollumfänglich entstand, ohne Bedeutung ist.
c) Dementsprechend ist auch die Einordnung des in §
95d Abs
3 S 4
SGB V aF gesetzlich angeordneten Honorarabschlags entweder als Sonderform einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Abrechnung
des Vertragszahnarztes oder als Disziplinarmaßnahme eigener Art für das Entstehen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs
der KK jedenfalls bei einer gesamtvertraglich vereinbarten Einzelleistungsvergütung ohne Belang (zum Doppelcharakter der Regelung
s BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 19/14 R - SozR 4-2500 § 95d Nr 1 RdNr 24). Entscheidend ist vielmehr, dass das Gesetz die Sanktion für einen nicht rechtzeitigen
Nachweis der Erfüllung der Fortbildungspflichten in pauschalierter Weise mit der Höhe des dem Vertrags(zahn)arzt zustehenden
Honoraranspruchs verknüpft (BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 19/14 R - aaO RdNr 19; BSG Beschluss vom 13.5.2015 - B 6 KA 50/14 B - Juris RdNr 8). Insoweit ist die Honorarminderung wegen Verletzung der Fortbildungspflicht vergleichbar mit der in §
85 Abs
4b ff
SGB V angeordneten Honorarminderung bei Überschreitung eines bestimmten Behandlungsvolumens (sog Degression), die ebenfalls zumindest
auch der Bekämpfung von Fehlentwicklungen bei der Qualität der zahnärztlichen Versorgung dient (vgl BSG Urteil vom 27.4.2005 - B 6 KA 18/04 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 15 RdNr 7, 12).
Trotz dieser Vergleichbarkeit kann aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Regelung in §
95d Abs
3 SGB V, die ebenso wie §
85 Abs
4e S 1
SGB V eine Weitergabe der Honorareinsparungen der K(Z)ÄV aus den Vergütungsminderungen gegenüber den einzelnen Vertragszahn)ärzten
an die KKn anordnet, nicht geschlossen werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers im Fall einer Honorarminderung wegen
Verletzung der Fortbildungspflicht ein solcher Ausgleich unterbleiben müsse. Im Gesetzentwurf zum GMG wird die Frage, wem
die Beträge aus den Honorarkürzungen nach § 95d Abs 3 S 3
SGG V nF zufließen sollen, an keiner Stelle erörtert (BT-Drucks 15/1525 S 110 f - zu § 95d Abs 3). Da diese Problematik auch
in den Beratungen des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung - soweit ersichtlich - nicht angesprochen wurde (vgl
Beschlussempfehlung BT-Drucks 15/1584 und Bericht BT-Drucks 15/1600), fehlt jeglicher Anhaltspunkt für die Ansicht des LSG,
der Gesetzgeber habe "bewusst davon abgesehen", die KZÄVen zu verpflichten, das einbehaltene Honorar an die KKn auszukehren.
Die unterbliebene Normierung einer dem §
85 Abs
4e SGB V vergleichbaren Regelung im Rahmen des §
95d Abs
3 SGB V führt entsprechend der Eigenart der vom Gesetzgeber in §
85 Abs
2 S 2
SGB V zugelassenen unterschiedlichen Gesamtvergütungssysteme allerdings dazu, dass im (hier nicht vorliegenden) Fall einer Gesamtvergütung
nach Kopfpauschalen der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch als Grundlage für einen Anspruch der KK auf Auskehrung der
Honorareinbehalte nicht eingreift. Nach der Rechtsprechung des Senats sind die KKn bei einer Vergütung nach Kopfpauschalen
nicht berechtigt, die Gesamtvergütung zu vermindern, wenn einzelne Vertrags(zahn)ärzte ihre Leistungen nicht in Übereinstimmung
mit den rechtlichen Vorgaben erbringen (BSG Urteil vom 28.10.2015 - B 6 KA 15/15 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 52 RdNr 12 am Ende, mwN). Dieses Ergebnis ist auch für die Honorarkürzungen nach §
95d Abs
3 SGB V hinzunehmen, solange sich der Gesetzgeber nicht zu einer Ergänzung der Vorschrift entschließt (zu ähnlichen Regelungen bei
der Verletzung von Fortbildungspflichten durch andere Leistungserbringer vgl §
125 Abs
2 S 3
SGB V in der ab 11.4.2017 geltenden Fassung des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes vom 4.4.2017, BGBl I 778, sowie §
132a Abs
4 S 2
SGB V in der ab 1.1.2017 geltenden Fassung des Dritten Pflegestärkungsgesetzes vom 23.12.2016, BGBl I 3191).
d) Umstände, die das Entstehen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zugunsten der KK im Fall der Vereinbarung
einer gesamtvertraglichen Einzelleistungsvergütung hindern könnten, ergeben sich auch nicht aus §
95d Abs
6 S 2 bis 4
SGB V. Nach dieser Vorschrift regeln die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen "das Verfahren des Fortbildungsnachweises und der
Honorarkürzung". Entsprechende Bestimmungen hat die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZÄBV) zuletzt am 25.3.2009 getroffen
(Regelung des Fortbildungsnachweises gemäß §
95d Abs
6 SGB V - ZM 2009, Heft 10, S 116). Sie enthalten in Abschnitt II ("Honorarkürzungen gem. §
95d Abs.
3 SGB V durch die KZV") allerdings keine Aussagen zu der hier maßgeblichen Problematik. Ohnehin sind weder die KZÄBV noch die einzelnen
KZÄVen aufgrund von §
95d Abs
6 SGB V befugt, Regelungen über das Bestehen oder Nichtbestehen von Erstattungsansprüchen der KKn im Zusammenhang mit einer Verletzung
der Fortbildungspflicht zu treffen; ihre Kompetenz umfasst lediglich die nähere Ausgestaltung des Verfahrens einer Honorarkürzung.
e) Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Beklagten aufgrund rechtsgrundlos wegen Verletzung der Fortbildungspflichten
an die Klägerin gezahlter Gesamtvergütungsanteile kann allerdings nur insoweit entstehen, als die Summe der insgesamt rechtmäßig
zu ihren Lasten abgerechneten Einzelleistungsvergütungen den gemäß §
85 Abs
2 S 7
SGB V zu vereinbarenden Betrag des gesamten Ausgabenvolumens (Höchstgrenze für die Gesamtvergütung je KK gemäß § 2 der jeweiligen
Vergütungsvereinbarung) nicht übersteigt. Wird dieser Höchstbetrag bereits mit den nach §
95d Abs
3 S 4
SGB V aF geminderten Einzelleistungsvergütungen überschritten, führt eine Honorarminderung im Verhältnis zwischen der Klägerin
und den Vertragszahnärzten zu keiner rechtsgrundlosen Zahlung von Gesamtvergütung durch die Beklagte. Vielmehr kommen in einer
solchen Konstellation die Honorarkürzungen gegenüber einzelnen Vertragszahnärzten mittelbar allen Vertragszahnärzten zugute,
da dann im Rahmen der Honorarverteilung entsprechend höhere (quotierte) Punktwerte zur Anwendung gelangen.
f) Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte für die Quartale III/2009 und IV/2009 keinen Anspruch auf Erstattung von Gesamtvergütungsanteilen
aufgrund der Verletzung von Fortbildungspflichten durch einzelne Vertragszahnärzte erworben. Die für das Jahr 2009 von ihr
zu entrichtende höchstzulässige Gesamtvergütung wurde aufgrund der erbrachten Einzelleistungen um ca 449 000 Euro überschritten,
während die bei der Behandlung von Versicherten der Beklagten angefallenen Honorarminderungen nach §
95d Abs
3 S 4
SGB V aF lediglich 38 273,50 Euro ausmachten. Die Beklagte hat dem mit ihrem Anerkenntnis zutreffend Rechnung getragen. Für die
Quartale I/2010 bis IV/2011 ergibt sich hingegen ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin aufgrund der Honorarminderungen
in Höhe von insgesamt (40 294,52 + 25 241,49 =) 65 536,01 Euro, da in den Jahren 2010 und 2011 die jeweils vereinbarte höchstzulässige
Gesamtvergütung um ca 372 000 Euro bzw 307 000 Euro unterschritten wurde.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
155 Abs
1 VwGO. Die Klägerin, die unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses der Beklagten in Höhe eines Drittels des ursprünglich von
ihr eingeklagten Betrags erfolgreich war, hat dementsprechend zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel der Kosten des Rechtsstreits
in allen Rechtszügen zu tragen.