Verrechnung von Honoraransprüchen durch eine kassenärztliche Vereinigung
Gründe:
I. Umstritten ist die Befugnis einer Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), Honoraransprüche einer neu gegründeten Gemeinschaftspraxis
mit Rückforderungen zu verrechnen, die ihr gegen einen der Praxispartner aus dessen vorangegangener Tätigkeit als Einzelvertragsarzt
zustehen.
Die Klägerin, eine aus den Radiologen K. und Drs. O. bestehende Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen
Rechts (GbR), wurde mit Gemeinschaftspraxisvertrag vom 19.5.1999 gegründet und nahm nach Genehmigung durch den Zulassungsausschuss
ab 1.6.1999 in den bisherigen Praxisräumen des K. ihre Tätigkeit auf. Beide Partner hatten zuvor in Einzelpraxen im Bezirk
der beklagten KÄV an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen. Am 10.5.1999 war über das Vermögen des Drs. O., der seine
Praxis bereits am 19.3.1999 geschlossen hatte, das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dieser hatte gegenüber der Beklagten
aus seiner Einzelpraxistätigkeit noch unstreitige Zahlungsverpflichtungen (Schuldsaldo) - überwiegend aufgrund Rückforderung
zu Unrecht abgerechneten Honorars - in Höhe von 81.289,82 DM (= 41.562,82 Euro). Die Beklagte meldete ihre Forderung im Insolvenzverfahren
an, wo sie am 12.8.1999 in der Tabelle als in dieser Höhe bestehend festgestellt wurde. Zusätzlich kündigte die Beklagte im
September 1999 gegenüber der Gemeinschaftspraxis eine Verrechnung ihrer Honoraransprüche mit den Altschulden des Drs. O. an,
und zwar ratenweise in den nächsten acht Quartalen. Die Verrechnung erfolgte über jeweils 10.000 DM in den Honorarbescheiden
für die Quartale II/1999 (18.10.1999) bzw III/1999 (14.1.2000) und - nachdem die Gemeinschaftspraxis bereits am 10.2.2000
durch Zulassungsverzicht von Drs. O. endete - über den Restbetrag von 61.289,82 DM im Honorarbescheid für das Quartal IV/1999
(14.4.2000).
Die Beklagte wies die Widersprüche der Klägerin gegen die Verrechnungen zurück. Diese hätten ihre Grundlage in §
8 Abs
3 Satz 4 ihrer Abrechnungsrichtlinien. Die Vorschrift des §
719 Abs
2 BGB stehe dem nicht entgegen, denn deren Anwendungsbereich sei bei Gemeinschaftspraxen auf außerhalb des vertragsärztlichen Abrechnungsverhältnisses
begründete Forderungen beschränkt, im Vertragsarztrecht hingegen "ggf konkludent abbedungen". Die Buchung von Beträgen, die
nur ein Mitglied einer Gemeinschaftspraxis beträfen, über das Konto der Gemeinschaftspraxis sei eine verwaltungsökonomische
Notwendigkeit, da andernfalls die Realisierung solcher Forderungen unverhältnismäßig erschwert wäre (Widerspruchsbescheid
vom 22.8.2000).
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat im Wesentlichen ausgeführt, die Berechtigung
der Beklagten zur Vornahme der Verrechnungen ergebe sich im Rahmen der öffentlich-rechtlich geprägten Honorarabrechnung aus
§ 8 Abs 2 ihrer Abrechnungsrichtlinien; dies gelte auch für die Zeit des Betreibens einer Gemeinschaftspraxis. Die Verpflichtung
des Vertragsarztes zur Rückzahlung überzahlten Honorars könne nicht durch Bildung einer Gemeinschaftspraxis unterlaufen werden.
Mit Gründung einer Gemeinschaftspraxis würden die Vermögen der bisherigen Einzelpraxen aufgrund vertraglichen Schuldbeitritts
zum Gesamthandsvermögen; da zum Vermögen alle Aktiva und Passiva gehörten, seien der Gemeinschaftspraxis mithin auch die Passiva
der Einzelpraxen zugeordnet. Im Übrigen verbiete es sich, vermeintliche Lücken im öffentlich-rechtlichen System durch eine
erweiternde Auslegung zivilrechtlicher Vorschriften zu schließen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22.1.2004
(BGHZ 157, 361 = NJW 2004, 836) stehe dem nicht entgegen, da die dort zu einer Rechtsanwaltssozietät entwickelten Grundsätze wegen der strengen Zweckbindung
der von der Beklagten verteilten Gelder auf die öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen ihr und den Vertragsärzten nicht
übertragbar seien. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 21.5.2003 (B 6 KA 33/02 R - MedR 2004, 172) im Rahmen eines obiter dictum ausgeführt habe, der Schutz des neuen Praxispartners spreche dafür, Einzel- und Gemeinschaftspraxen
im Zeitablauf nicht als Einheit zu sehen, sei dem nicht zu folgen, da der Hinzutretende dieses Schutzes nicht bedürfe.
Aufgrund der öffentlich-rechtlichen Bindungen des vertragsärztlichen Honoraranspruchs sei zudem die eine Aufrechnung ausschließende
Vorschrift des §
719 Abs
2 BGB hier nicht anwendbar. Für die Zulässigkeit einer Verrechnung in der vorliegenden Konstellation sprächen überdies Praktikabilitätserwägungen.
Da die Gründung einer Gemeinschaftspraxis einen Statuswechsel bedeute und die Gemeinschaftspraxis eine neue Abrechnungsnummer
erhalte, könnten die Altschulden aus dem vorangegangenen Betrieb der Einzelpraxen nur noch über dieses neue Konto verrechnet
werden. Der andere Praxispartner werde hierdurch nicht übermäßig benachteiligt, denn er könne im Innenverhältnis einen Ausgleich
erreichen. Der Umstand, dass über das Vermögen des Drs. O. ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, führe zu keinem abweichenden
Ergebnis, denn die Verrechnung der Altschulden sei mit den Vorschriften der
Insolvenzordnung (
InsO) vereinbar. Die Zulässigkeit der Aufrechnung ergebe sich zwar nicht aus §
94 InsO, aber aus § 114 Abs 2 Satz 1
InsO; der dort verwendete Begriff der "Bezüge aus einem Dienstverhältnis" sei weit auszulegen und erfasse auch Ansprüche eines
Vertragsarztes gegen die KÄV. Schließlich stehe auch die Vorschrift in §
96 Abs
1 Nr
3 InsO einer Aufrechnung nicht entgegen (Urteil vom 7.12.2005, veröffentlicht in GesR 2006, 505 sowie in MedR 2006, 310).
Die Klägerin macht mit ihrer Revision geltend, die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts stehe im Widerspruch zu zivilrechtlichen
Grundsätzen und zur Rechtsprechung von BGH und BSG. Auch wenn der vertragsärztliche Honoraranspruch öffentlich-rechtlich gebunden
sei und grundsätzlich der Verrechnung unterliege, bildeten Einzelpraxen mit einer aus ihnen hervorgegangenen Gemeinschaftspraxis
keine Einheit, sondern die Gründung der Gemeinschaftspraxis bewirke eine Statusänderung und Zäsur. Die unterschiedlichen Rechtssubjekte
hätten verschiedene Honoraransprüche, welche durch die jeweils bestehende öffentlich-rechtliche Bindung nicht miteinander
verklammert seien. Die vom LSG aus zivilrechtlichen Vorschriften hergeleitete Überleitung des Vermögens der bisherigen Einzelpraxen
in das Gesamthandsvermögen der Gemeinschaftspraxis sei nicht zwingend und zudem mit den Regelungen in § 4 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags
der Klägerin nicht vereinbar. Dort sei ausdrücklich bestimmt, dass die Gesellschafter das Vermögen ihrer jeweiligen Einzelpraxen
nicht in die Gemeinschaftspraxis einbrächten. Die Altschulden des Drs. O. könnten mithin nicht den öffentlich-rechtlichen
Bindungen der Gemeinschaftspraxis unterliegen. Zudem stehe seit dem Urteil des BGH vom 22.1.2004 für den Bereich des Zivilrechts
fest, dass bei der Neugründung einer GbR weder die Gesellschaft noch die Gesellschafter einer akzessorischen Haftung für Altschulden
einzelner Mitglieder unterlägen. Diese Entscheidung zum Bereich der Rechtsanwaltssozietäten sei auf vertragsärztliche Gemeinschaftspraxen
übertragbar, zumal auch das BSG auf die Vergleichbarkeit beider Gesellschaftstypen hingewiesen habe. Der im Gegensatz hierzu
vom LSG für erforderlich gehaltene besondere Vertrauensschutz der KÄV sei nicht gerechtfertigt, da diese über alle bedeutsamen
Informationen verfüge und auch am Verfahren zur Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis beteiligt sei. Es sei auch widersprüchlich,
wenn das LSG den Übergang der Altschulden der Einzelpraxis in das Vermögen der Gemeinschaftspraxis aus zivilrechtlichen Grundsätzen
herleite, die Anwendbarkeit des §
719 Abs
2 BGB dagegen wegen des Vorrangs der öffentlich-rechtlichen Bindung vor zivilrechtlichen Grundsätzen verneine. Demgegenüber habe
das BSG im Urteil vom 12.12.2001 (BSGE 89, 90 = SozR 3-2500 §
82 Nr 3) die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter einer vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis iS des §
421 BGB bejaht. Letztlich sprächen auch Praktikabilitätserwägungen gegen die Rechtsansicht des LSG und der Beklagten, zumal diese
sowohl bei Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit als auch bei Statusänderungen das bisherige Arztkonto unter der alten
Abrechnungsnummer regelmäßig fortführe. Die KÄV dürfe nicht besser gestellt werden als andere Gläubiger eines Einzelvertragsarztes,
die darauf beschränkt seien, nach erfolgter Beteiligung an einer Gemeinschaftspraxis dessen Anspruch gegen die Gesellschaft
auf Entnahme des vereinbarten Gewinns zu pfänden. Im Übrigen sei der BGH zwischenzeitlich der Auffassung des LSG, § 114
InsO erfasse auch Honoraransprüche eines Vertragsarztes gegen seine KÄV, ausdrücklich entgegengetreten (BGHZ 167, 363 = NJW 2006, 2485).
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Dezember 2005 und des Sozialgerichts Dortmund vom 6. November
2003 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale II/1999 bis IV/1999 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2000 zu verurteilen, an sie - die Klägerin - die im Wege der Verrechnung einbehaltenen
Beträge in Höhe von insgesamt 41.562,82 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend. Im Rechtsverhältnis zur KÄV müssten die gesellschaftsrechtlichen Wirkungen
einer Gemeinschaftspraxis in dem Umfang zurücktreten, wie dies mit der öffentlich-rechtlichen Zweckbindung der verteilten
Gesamtvergütungen nicht vereinbar sei. Von einem einzelnen Vertragsarzt unberechtigt erlangte Honorare schmälerten unmittelbar
die Vergütung der übrigen Vertragsärzte. Mithin gebiete es die Interessenlage, der KÄV den Zugriff auf die Honoraransprüche
einer neu gegründeten Gemeinschaftspraxis zu ermöglichen, um die Rückzahlungsverpflichtungen ihres weiterhin in der vertragsärztlichen
Versorgung, aber nunmehr im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis tätigen Mitglieds realisieren zu können. Die gesamthänderische
Bindung von Honoraransprüchen einer Gemeinschaftspraxis müsse im Verhältnis zur KÄV unberücksichtigt bleiben, weil andernfalls
die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Vergütungs- und Verteilungssystems gefährdet sei. Dieser Gedanke liege auch
der Rechtsprechung des BSG zur umfassenden Zulässigkeit nachträglicher sachlich-rechnerischer Richtigstellungen zugrunde.
Die KÄV könne die Gründung bzw Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis wegen bestehender Verbindlichkeiten von deren Mitgliedern
rechtlich nicht verhindern. Die Entscheidung des LSG gewährleiste, dass ein einzelner Vertragsarzt sich nicht missbräuchlich
durch "Flucht in eine Gemeinschaftspraxis" der Haftung für seine Verbindlichkeiten zum Schaden für die gesamte Vertragsärzteschaft
entziehen könne. Die weiteren Mitglieder der Gemeinschaftspraxis, denen regelmäßig die Altschulden bekannt seien, würden aufgrund
der innergesellschaftlich bestehenden Freistellungsansprüche nicht unverhältnismäßig belastet, zumal sie nicht persönlich,
sondern nur mit den laufenden Honoraransprüchen der Gemeinschaftspraxis hafteten und damit lediglich mittelbar betroffen seien.
II. Die Revision der klagenden Gemeinschaftspraxis hat Erfolg. Die Minderung ihrer Honorare für die Quartale II/1999 bis IV/1999
aufgrund Verrechnung mit einer Forderung, die der Beklagten nur gegen einen der Praxispartner aus dessen vorangegangener Einzelpraxistätigkeit
zusteht, beschwert die Klägerin in rechtswidriger Weise (§
54 Abs
2 Satz 1
SGG).
Die Revision ist zulässig. Die Gemeinschaftspraxis als Rechtsmittelführerin in der Rechtsform einer GbR ist unbeschadet von
deren Auflösung zum 10.2.2000 weiterhin beteiligtenfähig iS des §
70 Nr 1
SGG (zur Beteiligtenfähigkeit einer GbR s BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 5 RdNr 13; SozR 4-1500 § 86 Nr 2 RdNr 8 - jeweils mwN). Der Widerruf der Genehmigung zur Bildung dieser Gemeinschaftspraxis
im Beschluss des Zulassungsausschusses vom 10.2.2000 beendete den besonderen vertragsärztlichen Status der Berufsausübung
in Gemeinschaftspraxis (s hierzu BSG SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 14 f; SozR 4-5520 § 33 Nr 5 RdNr 6) nur für die Zukunft, ließ
hingegen die mit diesem Status verbundenen und in der Vergangenheit entstandenen Rechte und Pflichten unberührt. Solche Rechte
sind Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Für die Geltendmachung der ihr gegenüber der Beklagten gegebenenfalls noch
zustehenden öffentlich-rechtlichen Ansprüche auf Honorarteilhabe für die Dauer des Bestehens der Gemeinschaftspraxis in den
Quartalen II/1999 bis IV/1999 - dh im Rahmen der Abwicklung ihrer Rechtsbeziehungen zu Dritten - ist deshalb weiterhin die
Gemeinschaftspraxis befugt (vgl §
730 Abs
2 Satz 1
BGB) und als solche auch beteiligtenfähig. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - auf zivilrechtlicher Ebene im Gesellschaftsvertrag
der GbR eine Liquidation der Gesellschaft bzw eine Vermögensauseinandersetzung bei Ausscheiden eines Partners ausgeschlossen
wurde (vgl §
731 Satz 1
BGB sowie §
2 Nr 3 iVm §
22 Nr 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin vom 19.5.1999) und deshalb nach Gesellschaftsrecht eine sofortige Vollbeendigung
der GbR eintritt (vgl Gummert in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, 2. Aufl 2004, § 21 RdNr 8 und
102; s auch BGH NJW 2002, 1207 sowie Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
Verwaltungsgerichtsordnung, Stand April 2006, §
61 RdNr 10). Denn die KÄV und die weiteren vertragsärztlichen Behörden sind aufgrund der speziellen Ausprägung des vertragsarztrechtlichen
Status einer Gemeinschaftspraxis - ungeachtet der zivilrechtlichen Vereinbarungen zur Auseinandersetzung der GbR, die ihnen
oftmals nicht bekannt sein werden - befugt, die öffentlich-rechtlichen Berechtigungen und Verpflichtungen einer Gemeinschaftspraxis
auch noch nach deren gesellschaftsrechtlicher Vollbeendigung durch einen an diese gerichteten Verwaltungsakt festzustellen
(vgl § 12 Abs 1 Nr 2 SGB X). Die Gemeinschaftspraxis wird mithin in vertragsarztrechtlicher Hinsicht als fortbestehend angesehen, solange sie noch Pflichten
aus ihrem Status zu erfüllen hat oder ihr hieraus noch Rechte zustehen (ebenso zur parallelen Rechtslage im Steuerrecht: BFHE
191, 494, 495). Nur dies wird der erforderlichen Klarheit und Transparenz bei der Abwicklung vertragsarztrechtlicher Massenverfahren,
wie sie der Erlass quartalsbezogener Honorarbescheide - einschließlich Prüf- und Richtigstellungsbescheide - darstellt, gerecht.
Die Klägerin ist überdies im Revisionsverfahren durch einen ordnungsgemäß bestellten Prozessbevollmächtigten vertreten (§
166 Abs 1
SGG). Nach Auflösung der Gemeinschaftspraxis wird diese im Prozess grundsätzlich durch die nur noch gemeinschaftlich geschäftsführungsbefugten
bisherigen Praxispartner vertreten (§
71 Abs
3 SGG iVm §
730 Abs
2 Satz 2 und §
714 BGB), sofern nicht gegenüber dem Gericht eine abweichende Vereinbarung - etwa in Gestalt der besonderen Beauftragung eines der
bisherigen Praxispartner - nachgewiesen wird (s hierzu Timm/Schöne in Bamberger/Roth (Hrsg), Beck'scher Online-Kommentar
BGB, Stand 1.10.2006, §
730 RdNr 23). Mehrere nur gemeinschaftlich geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Praxispartner müssen einen zur Vertretung
der Gemeinschaftspraxis im gerichtlichen Verfahren bestellten Prozessbevollmächtigten auch gemeinsam bevollmächtigen (§
73 Abs
1 SGG). Eine solche Prozessvollmacht ist jedenfalls im Revisionsverfahren vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgelegt worden.
Keinen Bedenken begegnet zudem, dass die Klägerin im Revisionsverfahren erneut einen auf Auszahlung der aufgrund Verrechnung
einbehaltenen Honorare gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsantrag (§
54 Abs
1 Satz 1 iVm Abs
4 SGG) zur Entscheidung gestellt hat. Die Klägerin hatte diesen für ihr Begehren sachgerechten Klageantrag bereits vor dem Sozialgericht
erhoben. Wenn die Klägerin im weiteren Prozessverlauf - nach ihren Angaben in Befolgung einer Anregung des Gerichts - nur
noch einen ihr Rechtsschutzziel nicht sinnvoll ausschöpfenden Antrag auf vollständige Aufhebung der ihr erteilten Honorarbescheide
geltend machte, so kann dies nicht als teilweise Klagerücknahme in Bezug auf den Leistungsantrag gewertet werden. Denn die
Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie von ihrem Begehren auf Zahlung der einbehaltenen
Beträge Abstand nehmen möchte (vgl BSG SozR 4-1500 § 92 Nr 2 RdNr 8). Mithin bezieht sich der im Revisionsverfahren erneut
erhobene Leistungsantrag nicht auf einen durch Klagebeschränkung bereits bestandskräftig abgeschlossenen Teil des ursprünglichen
Streitgegenstands, sondern enthält eine gemäß §
99 Abs
3 Nr
2 SGG auch in der Revisionsinstanz zulässige Neufassung eines sachdienlichen Klageantrags.
Die Revision der Klägerin ist auch begründet. Die Klägerin kann beanspruchen, dass die von ihr in den Quartalen II/1999 bis
IV/1999 unstreitig erworbenen Honorarteilhabeansprüche (§
85 Abs
4 Satz 1
SGB V) ungeschmälert durch Verrechnungen mit Forderungen der Beklagten gegen Drs. O. aus dessen Tätigkeit als Einzelvertragsarzt
zur Auszahlung kommen. Entgegen der Ansicht der Beklagten und des LSG besteht keine Rechtsgrundlage dafür, die der Gemeinschaftspraxis
zustehenden Honorare mit den Altverbindlichkeiten eines ihrer Praxispartner zu verrechnen.
Spezielle Normen des Vertragsarztrechts enthalten keine Bestimmung, die es der Beklagten ausdrücklich gestatten würde, die
bestehende Honorarforderung einer Gemeinschaftspraxis im Wege der Verrechnung bzw Aufrechnung mit einer sich ausschließlich
gegen einen der Praxispartner gerichteten Gegenforderung teilweise zum Erlöschen zu bringen. Die vom LSG hierfür herangezogene
Vorschrift in § 8 Abs 2 der Abrechnungsrichtlinien der Beklagten vom 8.6.1991 ist - ungeachtet ihres tatsächlichen Regelungsgehalts
- auf die Ende 1999 und Anfang 2000 vorgenommenen Verrechnungen nicht anwendbar. Denn die Beklagte erließ am 9.5.1998 neue
Abrechnungsrichtlinien, die zum 1.7.1998 in Kraft traten. Auch die im Widerspruchsbescheid benannte Regelung in § 8 Abs 3
Satz 4 der Abrechnungsrichtlinien vom 9.5.1998 gestattet die hier streitige Aufrechnung bzw Verrechnung nicht. Allerdings
sind die Abrechnungsrichtlinien als Satzungsrecht der KÄV für ihre Mitglieder verbindlich (§
81 Abs
1 Nr
4 SGB V). Die Vorschrift in §
8 Abs
3 Satz 4 der Abrechnungsrichtlinien - der Senat darf sie ungeachtet ihrer Eigenschaft als nicht revisibles Landesrecht selbst
auslegen, nachdem das LSG sie unberücksichtigt gelassen hat (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 20) - betrifft jedoch nach
Wortlaut und Regelungszusammenhang nur Konstellationen, in denen sich bei der endgültigen Honorarabrechnung herausstellt,
dass vorab zu hohe Honorar-Abschlagszahlungen an einen Vertragsarzt geleistet wurden. In einem solchen Fall von Überzahlungen
ist die Beklagte "zur Verrechnung mit den nächsten Zahlungen verpflichtet". Darum geht es hier jedoch nicht; vielmehr soll
ein endgültiger Schuldsaldo aus der Einzeltätigkeit des Drs. O. gegen abschließend festgestellte Honorarforderungen der Gemeinschaftspraxis
aufgerechnet werden. Eine hierfür notwendige Regelung, die vom Erfordernis der Gegenseitigkeit der Forderungen als Voraussetzung
einer Aufrechnung dispensiert, enthalten die Abrechnungsrichtlinien vom 9.5.1998 weder in § 8 Abs 3 noch an anderer Stelle.
Unter diesen Umständen braucht der Frage, ob §
81 Abs
1 Nr
4 SGB V überhaupt eine ausreichende Rechtsgrundlage für eine Satzungsregelung wäre, die das für Aufrechnungen geltende Erfordernis
der Gegenseitigkeit der Forderungen - dazu im Einzelnen sogleich - preis gibt, hier nicht weiter nachgegangen zu werden.
Auch die allgemein für öffentlich-rechtliche Schuldverhältnisse maßgeblichen Bestimmungen gestatten für die hier zu beurteilende
Fallgestaltung kein Absehen von dem Erfordernis der Gegenseitigkeit bei einer Aufrechnung oder Verrechnung von Forderungen.
Die Vorschrift des §
52 SGB I ermöglicht zwar einem Sozialleistungsträger die Verrechnung einer von ihm zu zahlenden Geldleistung mit einer Forderung,
die einem anderen Leistungsträger gegen den Berechtigten zusteht, lässt mithin das ansonsten auch im Sozialleistungsrecht
für Aufrechnungen maßgebliche Gegenseitigkeitserfordernis entfallen (vgl Seewald in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht,
Stand 1.11.2006, §
52 SGB I RdNr 2). Diese für Geldleistungen iS von §
11 SGB I maßgebliche Norm ist aber ebenso wie die Aufrechnungsvorschrift in §
51 SGB I auf die hier betroffenen Honorarzahlungen an Vertragsärzte auf der Grundlage von §
85 Abs
4 Satz 1
SGB V schon deshalb nicht anwendbar, weil solche Zahlungen keine Sozialleistungen darstellen, die dem Vertragsarzt zur Verwirklichung
seiner sozialen Rechte zukommen sollen (stRspr, vgl BSGE 56, 116, 117 = SozR 1200 § 44 Nr 10 S 33 f; BSGE 61, 19, 21 = SozR 2200 § 368f Nr 11 S 30; BSGE 82, 50, 51 = SozR 3-1300 § 44 Nr 23 S 49; BSG SozR 4-1500 § 92 Nr 2 RdNr 10 und SozR 4-1300 § 44 Nr 6 RdNr 8). Entsprechendes gilt
hinsichtlich weiterer Vorschriften des Sozialgesetzbuchs, die eine Verrechnung unter Verzicht auf das Gegenseitigkeitserfordernis
zulassen. So erfasst §
28 Nr 1
SGB IV nur den Fall, dass ein zur Erstattung von Beiträgen verpflichteter Leistungsträger den ihm obliegenden Erstattungsbetrag
mit Ansprüchen eines anderen Leistungsträgers gegen den Berechtigten verrechnet. Wenn insoweit auf das Gegenseitigkeitserfordernis
verzichtet wird, um die aufgrund der gemeinsamen Zielsetzung aller Sozialleistungen gebotene funktionale Einheit der Leistungsträger
und deren Pflicht zur Zusammenarbeit zur Geltung zu bringen (so BSG SozR 3-2400 § 28 Nr 1 S 5; s hierzu auch § 87 Abs 1 SGB X), unterscheidet sich dies wesentlich von der hier vorliegenden Konstellation, in der einer Behörde zwei unterschiedliche
Rechtspersönlichkeiten mit jeweils eigenen Forderungen und Verpflichtungen gegenüberstehen. Eine - entsprechende - Anwendung
dieser Verrechnungsvorschrift scheidet mithin aus.
Ebenso ergibt sich aus den für die öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisse des Vertragsarztrechts im Wege der Lückenfüllung
entsprechend anwendbaren Vorschriften des Allgemeinen Schuldrechts über die Aufrechnung in §§
387 ff
BGB (BSG SozR 3-2500 §
75 Nr 11 S 55 f, mwN) keine Regelung, die für die hier zu beurteilende Fallgestaltung ein Absehen von dem Gegenseitigkeitserfordernis
zuließe. Entsprechend §
387 BGB sind Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit und Fälligkeit der beiderseitigen Forderungen wesentliche Voraussetzungen für das Bestehen
einer Aufrechnungslage. Ausnahmen vom Erfordernis der Gegenseitigkeit können jedoch in speziellen gesetzlichen Vorschriften
(zB §§
406,
409 BGB) oder auch in allgemeinen Rechtsgrundsätzen (zB Durchgriffshaftung) eröffnet sein (vgl Grüneberg in Palandt,
BGB, 66. Aufl 2007, §
387 RdNr 6 f).
Zwischen der Hauptforderung der Klägerin gegen die Beklagte auf Honorarzahlung und der Gegenforderung der Beklagten gegen
Drs. O. auf Honorarrückzahlung besteht kein Verhältnis der Gegenseitigkeit. Die Hauptforderung steht der Gemeinschaftspraxis
als eigenständiger und einheitlicher Rechtspersönlichkeit zu (BSGE 91, 164 RdNr 22 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 21; BSG SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22). Hingegen
richtet sich die Gegenforderung der Beklagten auf Rückzahlung zu Unrecht erhaltenen vertragsärztlichen Honorars gegen Drs.
O. als Einzelvertragsarzt. Im Grundsatz ist damit eine Aufrechnungslage nicht gegeben. Dies wird in §
719 Abs
2 BGB für die Konstellation, dass sich eine Forderung, die - wie die Honorarforderung der Gemeinschaftspraxis - zum Gesellschaftsvermögen
einer GbR gehört, und eine Gegenforderung - hier der KÄV - gegen einen ihrer Gesellschafter gegenüberstehen, nochmals ausdrücklich
klargestellt (vgl Sprau in Palandt, aaO, § 719 RdNr 5).
Die Altverbindlichkeit des Drs. O gegenüber der Beklagten ist mit Gründung der GbR durch Abschluss des Gemeinschaftspraxisvertrags
vom 19.5.1999 auch nicht zur Verbindlichkeit der Gemeinschaftspraxis geworden. Der vom LSG lediglich unter Berufung auf eine
Literaturstelle (Haack, MedR 2005, 631, 635; kritisch hierzu Bridts, MedR 2006, 102, 103) sowie unter Hinweis auf eine eigene vorangegangene Kostenentscheidung (Beschluss vom 9.5.1990, L 11 S (Ka) 23/90; der
nachfolgende Beschluss vom 25.11.1992, L 11 S (Ka) 21/92 verweist im Rahmen summarischer Prüfung lediglich hierauf) angenommene
automatische Übergang der Verbindlichkeiten der vormaligen Einzelpraxen in das Vermögen der neu gegründeten Gemeinschaftspraxis
hat im Gesetz keine Grundlage. Sie widerspricht vielmehr der Regelung des §
718 Abs
1 BGB, derzufolge nur die vereinbarten Beiträge der Gesellschafter sowie die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen
Gegenstände Bestandteil des Gesellschaftsvermögens werden, nicht aber Verbindlichkeiten (vgl Buchner, AcP 169, 483, 491; Kraft/Kreutz,
Gesellschaftsrecht, 11. Aufl 2000, S 132).
Früher war allerdings eine Haftung der Gesellschaft für Altschulden eines eintretenden Gesellschafters auf gesetzlicher Grundlage
des § 419
BGB denkbar, sofern dieser sein wesentliches Aktivvermögen als Beitrag in die Gesellschaft einbrachte. Da diese Vorschrift zum
1.1.1999 - also noch vor Gründung der klägerischen Gemeinschaftspraxis - außer Kraft trat, vermag sie im hier zu entscheidenden
Fall eine Haftung der Gemeinschaftspraxis für die Altverbindlichkeiten des Drs. O. ebenfalls nicht zu begründen. Darüber hinaus
verbieten auch die vertraglichen Regelungen des Gemeinschaftspraxisvertrags vom 19.5.1999, die das LSG weder im Einzelnen
referiert noch ausgelegt hat, die Annahme eines vertraglichen Schuldbeitritts der Gemeinschaftspraxis zu den Altverbindlichkeiten
des Drs. O. Ein solcher Schuldbeitrittsvertrag zwischen dem Altschuldner - Drs. O. - und der diese Schuld mit übernehmenden
Gemeinschaftspraxis zugunsten der KÄV als Gläubigerin jener Altverbindlichkeiten ist zwar grundsätzlich denkbar (vgl Grüneberg
in Palandt, aaO, Überblick vor § 414 RdNr 2). Die in § 1 Abs 2, § 4 Abs 1 und § 14 Abs 2 Satz 2 des Gemeinschaftspraxisvertrags
getroffenen Bestimmungen verbieten jedoch die Annahme, dass die Gesellschafter bei Abschluss ihres Gesellschaftsvertrages
eine solche Rechtsfolge ernsthaft gewollt haben könnten. Dort ist im Gegenteil ausdrücklich vorgesehen, dass Drs. O. "lediglich
seine Arbeitskraft in die Gemeinschaftspraxis einbringt" und die Partner "jeweils selbst und allein verpflichtet" sind, vor
Gründung der Gemeinschaftspraxis begründete Ansprüche Dritter zu erfüllen.
Eine Haftung der Gemeinschaftspraxis für die Altverbindlichkeiten des Drs. O. gegenüber der Beklagten - und damit ein Gegenseitigkeitsverhältnis
zwischen der Hauptforderung der Klägerin auf Honorarzahlung und ihrer Haftungsverpflichtung, welches eine Aufrechnung durch
die Beklagte gestatten würde - ergibt sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 28 Abs 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB). Eine solche Haftungserstreckung wird zwar von einem Teil des zivilrechtlichen Schrifttums für den Fall gefordert, dass
eine (Anwalts-)Sozietät unter Einbringung der bisherigen Einzelkanzlei eines der Partner neu gegründet wird. In diesem Falle
soll die Sozietät nicht nur die bestehenden Anwaltsverträge der Einzelkanzlei übernehmen, sondern zugleich auch für deren
Verbindlichkeiten mit haften (so K. Schmidt, NJW 2003, 1897, 1903; ders in NJW 2005, 2801, 2807; Knöfel, AnwBl 2006, 373; s nunmehr auch OLG Naumburg MedR 2006, 725, 726). Die hier vorliegende besondere Konstellation einer möglichen Erstreckung der Haftung der Gesellschaft auf Altverbindlichkeiten
desjenigen Partners, der seine Einzelpraxis und deren Substrat gerade nicht in die neue Gemeinschaftspraxis mit einbringt
- so dass von einer Unternehmenskontinuität als innere Rechtfertigung einer solchen Haftung nicht ausgegangen werden kann
-, wird dort allerdings nicht erörtert. Unabhängig hiervon hat der BGH in seinem Urteil vom 22.1.2004 (BGHZ 157, 361 = NJW 2004, 836) auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung zur akzessorischen Gesellschafterhaftung und in Würdigung der in
der Literatur vorgetragenen Argumente daran festgehalten, dass die Vorschrift des § 28 Abs 1 Satz 1 HGB auf die Neugründung einer Sozietät in der Rechtsform einer GbR nicht entsprechend angewandt werden kann. Der BGH hat dies
einerseits damit begründet, dass aus der Sicht des Rechtsverkehrs jedenfalls der Einzelanwalt vornehmlich mit einer persönlichen
und eigenverantwortlichen Dienstleistung und nicht als Unternehmer in Erscheinung trete; der auf die Kontinuität eines Unternehmens
gestützte Gedanke der Haftungserstreckung komme insoweit von vornherein nicht zum Tragen. Andererseits sei es den Gesellschaftern
einer GbR - anders als denjenigen einer offenen Handelsgesellschaft - nicht möglich, eine vom Grundsatz des § 28 Abs 1 Satz 1 HGB abweichende Haftungsvereinbarung in das Handelsregister einzutragen und auf diese Weise die Haftung abzuwenden (§ 28 Abs 2 HGB). Würde dennoch die Haftungserstreckung entsprechend § 28 Abs 1 Satz 1 HGB auch auf Anwälte angewandt, wären diese Nichtkaufleute schlechter gestellt als Kaufleute (BGHZ 157, 361, 366 f).
Der Senat schließt sich dieser speziell für Anwaltssozietäten getroffenen Bewertung des BGH für den Bereich der hier zu beurteilenden
Zusammenschlüsse von Vertragsärzten zur gemeinsamen Berufsausübung in Gemeinschaftspraxen an (vgl bereits Engelmann, ZMGR
2004, 3, 7; ebenso Möller, MedR 2006, 621, 626; Ureta, GesR 2006, 508 sowie Schallen, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren,
Psychotherapeuten, 5. Aufl 2007, RdNr 1256 ff). Denn auch für die vertragsärztliche Einzelpraxis ist die persönliche und eigenverantwortliche
ärztliche Heilbehandlung prägend, wie sich aus § 32 Abs 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) ergibt (vgl BSGE
80, 1, 3 = SozR 3-5545 § 19 Nr 2 S 8 für vertragszahnärztliche Behandlungen sowie BSG, Beschluss vom 8.9.2004 - B 6 KA 25/04 B -, in juris dokumentiert, für den vertragsärztlichen Bereich). Der Gedanke einer "Unternehmenskontinuität" im Falle der Umwandlung
in eine Gemeinschaftspraxis liegt hier ebenfalls fern. Ebenso fehlt auch Vertragsärzten die in § 28 Abs 2 HGB für neu gegründete Handelsgesellschaften eröffnete Möglichkeit, eine Haftungserstreckung auf das Gesellschaftsvermögen durch
Eintragung in das Handelsregister abzuwenden. Soweit dem entgegengehalten wird, die Variante einer Einzelmitteilung über den
Haftungsausschluss (§ 28 Abs 2 Variante 2 HGB) stehe Nichtkaufleuten gleichfalls offen (Knöfel, AnwBl 2006, 373, 375), ist zutreffend darauf hingewiesen worden, dass die Vorlage eines Gemeinschaftspraxisvertrags mit Regelungen zum Haftungsausschluss
für Altverbindlichkeiten an den Zulassungsausschuss für alle am Verfahren zur Genehmigung der Gemeinschaftspraxis Beteiligten
- also auch für die KÄV (§ 33 Abs 2 - bzw nunmehr Abs 3 - iVm § 37 Abs 2 Ärzte-ZV in der ab 1.1.2007 geltenden Fassung des
Vertragsarztrechtsänderungs- gesetzes [VÄndG] vom 22.12.2006, BGBl I 3439) - eine solche Einzelmitteilung enthält (so Ureta,
GesR 2006, 508; s hierzu auch die Empfehlung zur Vertragsgestaltung bei Dahm/Ratzel, MedR 2006, 555, 561). Mithin wäre selbst bei entsprechender Anwendung von § 28 HGB auf Neugründungen von Gemeinschaftspraxen regelmäßig - und auch im hier zu entscheidenden Fall - eine Erstreckung der Haftung
für Altverbindlichkeiten auf die Gemeinschaftspraxis ausgeschlossen.
Der Senat teilt darüber hinaus nicht die Ansicht des LSG, eine Erstreckung der Haftung von Einzelvertragsärzten für ihre Altverbindlichkeiten
gegenüber der KÄV auf die neu gebildete Gemeinschaftspraxis sei aus spezifisch vertragsarztrechtlichen Gründen geboten, um
vor allem der besonderen öffentlich-rechtlichen Prägung und strengen Zweckbindung der von der Beklagten verteilten Gesamtvergütungen
Geltung zu verschaffen. Vielmehr würde eine solche Vorgehensweise für die KÄV als Gläubigerin zu einer sachlich nicht gerechtfertigten
Erweiterung des Kreises ihrer Schuldner führen. Das Berufungsgericht stellt einseitig nur auf die Zweckbindung der von der
Beklagten früher zu Unrecht an Drs. O. ausgezahlten Gesamtvergütungsanteile ab, die zu einer berechtigten Rückforderung und
dem Bestehen einer Altverbindlichkeit dieses Praxispartners geführt haben. Wenn aber aus diesem Grund eine Haftung der neu
gegründeten Gemeinschaftspraxis für solche Altverbindlichkeiten und somit eine Aufrechnungsmöglichkeit der Beklagten in Bezug
auf gegen sie gerichtete aktuelle Honoraransprüche bejaht würde, führte dies zwangsläufig dazu, dass dieselbe "strenge Zweckbindung"
der von den Krankenkassen für nachfolgende Zeiträume entrichteten und grundsätzlich an die Vertragsärzte in diesem Quartal
auszukehrenden Gesamtvergütungsanteile (vgl BSG SozR 4-1500 § 44 Nr 6 RdNr 13 mwN) vernachlässigt würde. Diese wären dann
nicht mehr in Gänze eine Vergütung für alle in der Gemeinschaftspraxis - auch von K. - erbrachten vertragsärztlichen Leistungen,
sondern müssten zum Teil zur Begleichung von Verbindlichkeiten dienen, die zu der beruflichen Tätigkeit jedenfalls des K.
keinen Bezug haben. Mithin erweist sich das Argument der "strengen Zweckbindung" bei umfassender Betrachtung als ambivalent
und nicht geeignet, eine Haftungserstreckung zu begründen.
Im Übrigen würde eine Haftung der neu gegründeten Gemeinschaftspraxis für Altverbindlichkeiten eines ihrer Praxispartner -
und damit aufgrund der akzessorischen Gesellschafterhaftung entsprechend § 128 HGB zwingend auch eine persönliche Haftung der weiteren Praxispartner mit ihrem Privatvermögen für diese Altverbindlichkeiten
- in der Praxis dazu führen, dass ein wirtschaftlich in Bedrängnis oder gar in Insolvenz geratener Vertragsarzt kaum mehr
die Möglichkeit bekommen dürfte, wenigstens im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis seinen Lebensunterhalt sowie Beträge zur Tilgung
seiner Verbindlichkeiten - auch gegenüber der KÄV - zu erwerben. Kein vernünftiger und ordnungsgemäß beratener Vertragsarzt
würde das Risiko der gemeinschaftlichen Berufsausübung mit einem derart vorbelasteten Praxispartner auf sich nehmen. Dies
würde - vom Einzelfall losgelöst - im Ergebnis die Wahrscheinlichkeit sogar deutlich erhöhen, dass die KÄV Honorarrückzahlungsforderungen
gegenüber solchen Ärzten überhaupt nicht mehr realisieren kann. Aber auch unabhängig vom Falle erkennbarer wirtschaftlicher
Bedrängnis eines der Praxispartner hätte der Umstand, dass in der vertragsärztlichen Versorgung Honorarrückforderungen oder
Regresse gegen einen Vertragsarzt auch noch längere Zeit nach Ablauf des betreffenden Quartals festgesetzt werden können (s
hierzu zB BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, jeweils RdNr 62; BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, jeweils RdNr 14), zur Folge, dass zum Zeitpunkt der Gründung einer Gemeinschaftspraxis für die
Beteiligten überhaupt noch nicht feststellbare Verbindlichkeiten der Einzelvertragsärzte die gemeinschaftliche Berufsausübung
belasten würden; eine adäquate Absicherung gegen solche Entwicklungen wäre kaum möglich. Dies alles würde das mit dem Eingehen
einer vertragsärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft verbundene wirtschaftliche Risiko gerade auch für einen ordnungsgemäß
arbeitenden Vertragsarzt unkalkulierbar machen und stünde im Widerspruch zu den Bestrebungen des Gesetzgebers des VÄndG, die
gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit zu erleichtern (vgl § 33 Abs 2 Ärzte-ZV nF).
Die vom LSG und von der Beklagten angeführten Praktikabilitätserwägungen können Aufrechnungen unter Missachtung des Gegenseitigkeitserfordernisses
nicht rechtfertigen. Die Beklagte muss bei Beachtung der Voraussetzungen einer Aufrechnung auch nicht besorgen, ihre berechtigten
Rückzahlungsforderungen überhaupt nicht mehr realisieren zu können. Soweit die Befürchtung besteht, dass Einzelvertragsärzte
mit einem Schuldsaldo gegenüber der KÄV "in eine Gemeinschaftspraxis flüchten" und sich auf diese Weise - bei gutem Auskommen
aus vertragsärztlicher Tätigkeit - ihrer Rückzahlungsverpflichtungen entziehen, bestehen gewisse Möglichkeiten, dem zu begegnen.
Die Beklagte kann insbesondere den Anspruch des betroffenen Vertragsarztes und nunmehrigen Mitglieds einer Gemeinschaftspraxis
gegen die GbR auf Auszahlung des Gewinnanteils und/oder dessen Gesellschaftsanteil pfänden (vgl Gummert in Münchener Handbuch
des Gesellschaftsrechts, aaO, § 16 RdNr 11 f, 16, 21; s auch Wertenbruch NJW 2002, 324, 328), sofern dem insolvenzrechtliche Vorschriften (zB §§
89,
91 InsO) nicht entgegenstehen. Ist die KÄV hingegen Insolvenzgläubiger eines Einzelvertragsarztes, kann sie nach dem Willen des Gesetzgebers
der
InsO eine bevorzugte Befriedigung aus der Insolvenzmasse, zu der auch das vom Schuldner während des Insolvenzverfahrens Erlangte
gehört (vgl §
35 InsO), ohnehin nicht beanspruchen (s auch BGHZ 167, 363 = NJW 2006, 2485, jeweils RdNr 8 ff, zur Unanwendbarkeit der vom LSG herangezogenen Vorschrift des § 114
InsO für Vergütungsansprüche eines Vertragsarztes gegen seine KÄV).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 und 4
SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).