Vergütung vertragsärztlicher Leistungen; Zulässigkeit der Festsetzung der Grundlagen der jährlichen Vergütungsanpassungen
losgelöst von der Höhe der für das Vorjahr gezahlten Vergütungen und der Festsetzung der jahresbezogenen Veränderung der Morbiditätsstruktur
allein anhand eines der in § 87a Abs. 4 S. 3 SGB V genannten Parameter
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit von Schiedssprüchen des beklagten Landesschiedsamtes betreffend die Festsetzung
der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen in Sachsen-Anhalt für das Jahr 2013 streitig.
Mit Schreiben vom 26.9.2012 erklärte die beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) gegenüber dem beklagten Landesschiedsamt,
dass die Verhandlungen zur Vereinbarung der Gesamtvergütung für die Jahre 2012 und 2013 gescheitert seien und bat um Festsetzung
durch den Beklagten. Dem widersprachen die klagenden Krankenkassen und machten geltend, dass für 2013 noch keine Verhandlungen
geführt worden seien. Ferner habe der Bewertungsausschuss (BewA) die erforderlichen Vorgaben und Empfehlungen für 2013 noch
nicht beschlossen.
Mit Beschluss vom 22.10.2012 (DÄ 2012, A 2322) empfahl der BewA für den Bezirk der beigeladenen KÄV eine Veränderungsrate
auf der Grundlage vertragsärztlicher Behandlungsdiagnosen in Höhe von 2,6931 % und eine Veränderungsrate auf der Grundlage
demographischer Daten in Höhe von 0,7247 %. Auch auf wiederholte Einladung der beigeladenen KÄV kam es in der Folge nicht
zu Verhandlungen mit den Klägerinnen, die an der Auffassung festhielten, dass Verhandlungen zur Gesamtvergütung für das Jahr
2013 bisher nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit geführt worden seien.
Mit Schiedsspruch vom 6.12.2012 entschied das beklagte Landesschiedsamt über die zwischen den Beteiligten noch streitigen
Punkte zur Höhe der Gesamtvergütung für das Jahr 2012.
Ebenfalls mit Schiedsspruch vom 6.12.2012 (Bescheid vom 19.2.2013) stellte das beklagte Landesschiedsamt fest, dass "es zur
Festsetzung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen für das Jahr 2013 wirksam angerufen worden ist".
Mit weiterem Schiedsspruch vom 6.12.2012 (weiterer Bescheid vom 19.2.2013) stellte das beklagte Landesschiedsamt zudem fest,
dass zusätzlich zu den Anpassungen (auf Basis der Veränderungsraten) gemäß §
87a Abs
4 SGB V eine sockelwirksame Anpassung des Behandlungsbedarfs auf der Grundlage von §
87a Abs
4 Satz 4
SGB V vorzunehmen sei.
Ferner wurde den Vertragsparteien aufgegeben, die Höhe der Steigerung auf der Grundlage von §
87a Abs
4 Satz 4
SGB V ab 2013 bis zum 15.12.2012 zu vereinbaren. Wenn keine Einigung erfolge, werde das Schiedsverfahren am 19.12.2012 insoweit
fortgesetzt. Zudem wurde ua die Veränderungsrate für 2013 gemäß §
87a Abs
4 Satz 1 Ziffer 2
SGB V auf 2,6931 % festgeschrieben.
Am 19.12.2012 erging ein weiterer Schiedsspruch (ebenfalls Gegenstand des og "weiteren" Bescheides vom 19.2.2013) des beklagten
Landesschiedsamtes, wonach § 3 Abs 1 der Vergütungsvereinbarung wie folgt gefasst wurde:
"(1) Die Berechnung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung für das Jahr 2013 richtet sich nach §
87a Abs.
3 SGB V, nach §
87a Abs.
4 SGB V und nach den für das Jahr 2013 geltenden Beschlüssen des Bewertungsausschusses vom 22. Oktober 2012. ...
Der so ermittelte Behandlungsbedarf wird sockelwirksam um
1. insgesamt 12 %, davon 4 % in 2013, 4 % in 2014 und 4 % in 2015 erhöht
2. 2,6931 % gem. §
87a Abs.
4 S. 1 Ziffer 2
SGB V... erhöht."
Zur Begründung verwies das beklagte Landesschiedsamt auf Studienergebnisse und Berechnungen der Beigeladenen. Danach entspreche
die für den Bereich der Beigeladenen gezahlte morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) nicht der Morbidität der Bevölkerung im Land Sachsen-Anhalt. Aus diesem Grund sowie einer im Vergleich zum Bundesdurchschnitt
niedrigeren Vergütung je Versichertem werde unter Berücksichtigung der Empfehlung des BewA vom 22.10.2012 die Veränderungsrate
gemäß §
87a Abs
4 Satz 1 Ziffer 2
SGB V für das Jahr 2013 auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen in Höhe von 2,6931 % festgeschrieben. Grundlage
der Erhöhung des Behandlungsbedarfs um insgesamt 12 % für die Jahre 2013, 2014 und 2015 sei die gesetzliche Öffnungsklausel
in §
87a Abs
4 Satz 4
SGB V. Hierdurch werde der Intention des Gesetzgebers Rechnung getragen, mit der Einführung des §
87a SGB V das Morbiditätsrisiko den Krankenkassen zu übertragen. Zwar sei von den Vertragspartnern nur die Festsetzung der Vergütung
vertragsärztlicher Leistungen für das Jahr 2013 beantragt worden. Die Verteilung der Steigerungsrate auf einen Dreijahreszeitraum
erfolge indes unter Abwägung der Interessenlage der Krankenkassen. Im Übrigen sei bei dieser Entscheidung berücksichtigt worden,
dass die Krankenkassen aufgrund der Morbiditätsstruktur in Sachsen-Anhalt höhere Zuweisungen aus dem Risikostrukturausgleich
(RSA) erhielten, die zur Versorgung der Versicherten eingesetzt werden müssten.
Das LSG hat die die Gesamtvergütung für das Jahr 2013 betreffenden Schiedssprüche des Beklagten vom 6.12.2012 und vom 19.12.2012
sowohl bezogen auf die - auf drei Jahre verteilte - Erhöhung des Behandlungsbedarfs um 12 % als auch bezogen auf die weitere
Veränderungsrate für das Jahr 2013 von 2,6931 % aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über die Anpassung des Behandlungsbedarfs
für das Jahr 2013 erneut zu entscheiden. Im Übrigen hat das LSG die Klage abgewiesen. Soweit die Klage auf die gesonderte
Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs vom 6.12.2012 gerichtet sei, mit dem festgestellt wurde, dass der Beklagte
zur Festsetzung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen für das Jahr 2013 wirksam angerufen worden sei, sei der Antrag
unzulässig. Es handele sich insoweit um eine unselbstständige Zwischenentscheidung. Im Übrigen sei die Klage zulässig und
auch teilweise begründet. Gemäß §
87a Abs
4 SGB V sei der Behandlungsbedarf in der zu treffenden Vereinbarung nicht für jedes Jahr völlig neu festzusetzen, sondern aufsetzend
auf dem für das Vorjahr vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf. Der Gesetzgeber habe genaue Regelungen für die erstmalige
Vereinbarung der MGV für das Jahr 2009 getroffen und in den Folgejahren an der Systematik der Vorjahresanknüpfung festgehalten. Zudem sei der
Schiedsspruch auch bezogen auf die weitere Erhöhung des Behandlungsbedarfs für 2013 in Höhe der diagnosebasierten Veränderungsrate
von 2,6931 % rechtswidrig. §
87a Abs
4 Satz 3
SGB V sehe eine gewichtete Zusammenfassung der vom BewA als Empfehlungen mitgeteilten Raten vor, wobei sich dem Gesetz keine Kriterien
für eine solche gewichtete Zusammenfassung entnehmen ließen. Die entsprechende Begründung im Gesetzesentwurf lasse erkennen,
dass den Vertragsparteien bei der konkreten Festlegung ein großer Verhandlungsspielraum zukomme. Ob es vor diesem Hintergrund
als zwingend rechtswidrig anzusehen sei, wenn die Vertragsparteien im Rahmen einer zusammenfassenden Gewichtung im Ergebnis
zu einer vollständigen Ausschöpfung der höheren der beiden Raten gelangten, könne hier offenbleiben, da es bereits an einer
ausreichenden Begründung fehle. Die Begründung des Schiedsspruches lasse erkennen, dass die gebotene Gewichtung nicht stattgefunden
habe. Der Beklagte habe daher von vornherein nicht versucht, der jeweils jahresbezogenen Veränderung der Morbiditätsstruktur
Rechnung zu tragen, sondern die Regelung des §
87a Abs
4 SGB V stattdessen zur Korrektur aus seiner Sicht schon länger bestehender Ungleichgewichte genutzt. Eine solche allgemeine Korrekturmöglichkeit
bezüglich einer als zu niedrig oder zu hoch empfundenen Vergütung eröffne die Norm nicht. Im Ergebnis habe der Beklagte daher
seinen Entscheidungsspielraum überschritten.
Mit der hiergegen eingelegten Revision macht die Beigeladene im Wesentlichen geltend, die Morbidität der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt
sei in den letzten Jahren erheblich auf ein den Bundesdurchschnitt weit überschreitendes Maß gestiegen. §
87a Abs
4 SGB V verbiete es den Vertragsparteien auf Landesebene und dem Landesschiedsamt unter diesen Umständen nicht, eine der absoluten
Höhe der Morbidität entsprechende Basiskorrektur vorzunehmen. Dies entspreche auch dem gesetzgeberischen Ziel, das - regional
unterschiedliche - Morbiditätsrisiko auf die Krankenkassen zu verlagern. Da §
87a Abs
4 Satz 1
SGB V an den nach §
87a Abs
3 Satz 2
SGB V "vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf" des Vorjahres anknüpfe, könne die Regelung nicht auf den durch §
87d Abs
2 SGB V gesetzlich festgelegten Behandlungsbedarf des Jahres 2012 bezogen werden. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass §
87d Abs
2 SGB V der Kostenbegrenzung für die Krankenkassen und der Gleichmäßigkeit der Honorarverteilung unter den KÄVen und damit Parametern
gedient habe, die keinen sachlichen Bezug zur Morbiditätsstruktur aufwiesen. Aufgrund der seit der Einführung der MGV im Jahr 2009 geltenden Übergangsregelungen gehe es im Jahr 2013 darum, erstmals eine Grundlage für eine morbiditätsorientierte
Bereitstellung der Mittel für die ambulante vertragsärztliche Versorgung zu schaffen. Auf diese könne dann in den Folgejahren
aufgesetzt werden. Auch der vom LSG in Bezug genommenen Entscheidung des BSG vom 27.4.2005 (B 6 KA 42/04 R) sei bezüglich des Prinzips der Vorjahresanknüpfung nur zu entnehmen, dass der vorjährige Behandlungsbedarf den Ausgangspunkt
für den nachfolgend zu vereinbarenden Behandlungsbedarf bilde und nicht rückwirkend angepasst werden könne, nicht jedoch,
dass prospektiv ausschließlich Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr berücksichtigt werden dürften. Die Beschränkung der
Anpassung auf jahresbezogene Veränderungen habe sich in der Vergangenheit erst aufgrund der Verknüpfung des Prinzips der Vorjahresanknüpfung
mit dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität in §
85 Abs
3 SGB V aF ergeben. Die Anpassung des Behandlungsbedarfs im Hinblick auf die Morbiditätsstruktur sei aber bereits durch das Gesetz
zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom Grundsatz der Beitragssatzstabilität entkoppelt worden und beschränke daher die Anpassung des Behandlungsbedarfs nicht
auf jahresbezogene Veränderungen. Bestätigt werde dies durch die Gesetzesbegründung zu dem Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen
in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG), der kein Anhaltspunkt für eine Beschränkung auf jahresbezogene Veränderungen zu entnehmen sei. Zentrales Kennzeichen des
neuen Vergütungssystems sei vielmehr die Verlagerung des Morbiditätsrisikos auf die Krankenkassen. Zudem komme durch die Formulierung
"insbesondere Veränderungen" in §
87a Abs
4 Satz 1
SGB V zum Ausdruck, dass nicht nur Veränderungen gegenüber dem Vorjahr zu berücksichtigen seien, sondern dass auch eine Weiterentwicklung
der Basis für den Behandlungsbedarf möglich sei; anderenfalls hätte der Gesetzgeber "Veränderungen insbesondere" formuliert.
Bestätigt werde das Ergebnis durch den mWv 1.1.2012 neu eingefügten §
87a Abs
4 Satz 4
SGB V, der die Heranziehung weiterer Morbiditätskriterien erlaube. Die Verwendung des Wortes "weitere" verdeutliche, dass auch
bislang nicht verwendete Kriterien zur Bestimmung der Morbidität Berücksichtigung finden könnten. Eine entsprechende Zuständigkeit
habe auch der BewA bis zum 31.12.2011 nach §
87a Abs
5 Satz 3
SGB V gehabt. Aus der Gesetzesbegründung zum GKV-WSG ergebe sich, dass er weitere Kriterien habe heranziehen dürfen, die dazu beitrügen, den Behandlungsbedarf an die regionale
Morbidität anzupassen. Diese Kompetenzen seien durch §
87a Abs
4 Satz 4
SGB V auf die regionalen Verhandlungspartner übertragen und - aufgrund des Wegfalls der Anknüpfung an die Kriterien des RSA - erweitert
worden. Bestätigt werde die vorgenannte Wortlautinterpretation des §
87a Abs
4 SGB V durch die Entstehungsgeschichte. Der Gesetzgeber habe zwar seit dem Jahr 2004 das Ziel verfolgt, das Morbiditätsrisiko auf
die Krankenkassen zu verlagern, der BewA habe aber eine Umsetzung der Neuregelung verhindert. Bis zum Jahr 2012 habe der Gesetzgeber
sodann Übergangsregelungen geschaffen, sodass der Behandlungsbedarf noch nicht morbiditätsbedingt ermittelt oder vereinbart
worden sei. Daher könne die tradierte gesetzliche Fiktion der Angemessenheit der Gesamtvergütung des Vorjahres hier nicht
herangezogen werden. Damit existiere keine Grundlage für eine Vorjahresanknüpfung bezogen auf die erstmals ohne eine Übergangsregelung
zu vereinbarende MGV des Jahres 2013. Die Neuregelung des ärztlichen Vergütungsrechts stehe schließlich auch in einem systematischen Zusammenhang
mit der Morbiditätsorientierung des RSA seit dem Jahre 2009. Die im RSA berücksichtigten erhöhten Morbiditätslasten einer
Krankenkasse entstünden nur dann, wenn die Ausgaben, insbesondere die Kosten für die vertragsärztliche Versorgung, überhaupt
morbiditätsorientiert justiert würden. Würden die Einnahmen an der Morbidität orientiert, die Ausgaben hingegen nicht, werde
dieser regelungssystematische Zusammenhang auseinandergerissen.
Entgegen der Ansicht des LSG sei die darüber hinaus getroffene Regelung, wonach die Veränderung der Morbiditätsstruktur für
2013 mit einer Erhöhung des Behandlungsbedarfs von 2,6931 % berücksichtigt werde, ebenfalls rechtmäßig. Es sei nicht zu beanstanden,
dass die Veränderung der Morbiditätsstruktur allein auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen und nicht
auch aufgrund demographischer Kriterien durchgeführt worden sei. Das Verhältnis der beiden Veränderungsraten zueinander sei
nicht vorgegeben, sodass die gesetzliche Formulierung "gewichtete Zusammenfassung" auch die Berücksichtigung einer Rate zu
100 % zulasse. Die Orientierung allein an der diagnosebezogenen Veränderungsrate sei zudem durch fachliche Gründe gerechtfertigt.
Für Sachsen-Anhalt seien von den Krankenkassen keine Up- und Right-Coding-Prozesse vorgetragen worden, vielmehr könnten Morbiditätssteigerungen
durch externe Datenquellen belegt und begründet werden. Die Qualität der Kodierung sei gerade in Sachsen-Anhalt besonders
hoch. Der Begründung des beklagten Landesschiedsamtes sei auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass eine zusammenfassende
Gewichtung der seitens des BewA in dem Beschluss vom 22.10.2012 mitgeteilten Raten stattgefunden habe. Der Beklagte habe zunächst
die Ausgangslage korrekt dargestellt und sodann auf die erhöhte Morbidität der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt und die im Vergleich
zum Bundesdurchschnitt niedrigere Vergütung der Versicherten hingewiesen. Es sei damit erkennbar, dass von beiden Veränderungsraten
ausgegangen worden und sodann aufgrund der besonderen Situation auf Landesebene der Wert in Höhe von 2,6931 % festgeschrieben
worden sei. Die vom Gesetz geforderte Festlegung sei damit im Sinne einer gewichteten Zusammenfassung getroffen worden.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 13.11.2013 zu ändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Schiedssprüche vom 6.12.2012 und vom 19.12.2012 seien schon deshalb rechtswidrig, weil es an der Voraussetzung der Nichteinigung
über die vertragsärztliche Vergütung für das Jahr 2013 gefehlt habe. Aufgrund der Festsetzung der Vorjahresvereinbarung für
das Jahr 2012 erst am 6.12.2012 seien Verhandlungen für das Jahr 2013 bis dahin objektiv unmöglich gewesen. Die Verhandlungen
seien auch nicht als gescheitert anzusehen gewesen, da mangels Existenz der Vorjahresvereinbarung als zwingend vorgegebenem
Anknüpfungspunkt keine Verhandlungen hätten geführt werden können. Der Beklagte sei daher nicht zuständig gewesen. Die Festsetzung
einer Erhöhung des Behandlungsbedarfs um 12 % zusätzlich zu der vom BewA empfohlenen diagnosebezogenen Veränderungsrate von
2,6931 % für das Jahr 2013 sei nicht mit §
87a Abs
4 SGB V vereinbar. §
87a Abs
4 Satz 4
SGB V gebe das in §
87a Abs
4 Satz 1
SGB V geregelte Prinzip der Vorjahresanknüpfung nicht auf, sondern erlaube allein die Berücksichtigung weiterer relevanter Morbiditätskriterien
für die Bestimmung der Veränderungsrate im Vergleich zum Vorjahr. Eine "Basiskorrektur" des als angemessen vermuteten Behandlungsbedarfs
des Vorjahres sei hingegen nicht möglich. Der Grundsatz der Vorjahresanknüpfung werde durch §
87a Abs
4 Satz 1
SGB V zwingend vorgeschrieben, da hiernach die Anpassung "aufsetzend" auf dem für das Vorjahr vereinbarten Behandlungsbedarf erfolgen
müsse. Eine entsprechende Vorjahresvereinbarung habe im Jahr 2012 in Form eines bestandskräftigen Schiedsspruchs des beklagten
Landesschiedsamtes auch vorgelegen. Zudem fehlten gesetzliche Vorgaben für die Bestimmung des objektiv "richtigen" Behandlungsbedarfs
unabhängig von den Veränderungen des Vorjahres, was den Umkehrschluss zulasse, dass eine solche nicht zulässig sei. Eine derartige
Neubestimmung erfordere zahlreiche wesentliche Entscheidungen, die der Gesetzgeber selbst treffen müsse. Dem Wortlaut des
§
87a SGB V lasse sich auch keine Anknüpfung des Behandlungsbedarfs an den RSA entnehmen. Für die direkte Übernahme zur Bestimmung des
Behandlungsbedarfs in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung seien die Daten aus dem RSA nicht geeignet. Insbesondere
bestimme der RSA seiner Funktion nach lediglich die Verteilung beschränkter Mittel unter den Krankenkassen. Eine gestiegene
Morbidität führe demnach nicht dazu, dass die Krankenkassen zusätzlich Mittel erhielten. Es verbleibe daher bei der Rechtsprechung
des BSG, wonach es sich bei den Bestimmungen über die Veränderungen der Gesamtvergütung und denen über den RSA um unterschiedliche
Regelungskomplexe handele. Gestützt werde diese Auslegung auch durch den sich aus der Entstehungsgeschichte ergebenden Sinn
und Zweck der Regelungen. Der Gesetzgeber habe den gesetzlichen Krankenkassen mit der Neuregelung des vertragsärztlichen Vergütungssystems
durch das GKV-WSG das sogenannte Morbiditätsrisiko übertragen, jedoch zu keinem Zeitpunkt festgelegt, dass die Morbidität von den Vertragspartnern
frei festgesetzt werden könne. Die Befugnis zur Anpassung des Behandlungsbedarfs ergebe sich auch nicht aus §
87a Abs
4 Satz 4
SGB V. Sowohl die Voraussetzung der "Erforderlichkeit" als auch die Befugnis zur Heranziehung "weiterer relevanter Morbiditätskriterien"
bezöge sich jeweils darauf, dass der Behandlungsbedarf nur aufsetzend auf dem für das Vorjahr vereinbarten und bereinigten
Behandlungsbedarf iS des §
87a Abs
4 Satz 1
SGB V vereinbart werden dürfe. Dies folge aus dem Wortlaut von §
87a Abs
4 Satz 4
SGB V, der den Begriff der (Morbiditäts-)kriterien aus §
87a Abs
4 Satz 3
SGB V übernehme. Zudem werde auch systematisch unmittelbar an diese Regelung angeknüpft. Belegt werde dieses Ergebnis auch durch
die Entstehungsgeschichte der Norm. Der Gesetzesbegründung lasse sich entnehmen, dass die regionalen Vertragspartner nunmehr
weitere Kriterien bei der Vereinbarung der Veränderung des ambulanten Behandlungsbedarfs heranziehen könnten. Anhaltspunkte
dahingehend, dass eine Abweichung von der Orientierung an der jährlichen Veränderung der Morbidität ermöglicht werden sollte,
lägen indes nicht vor. Der Beklagte sei nicht berechtigt, die mit den gesetzlichen Übergangsregelungen der §§ 87c, 87d
SGB V geschaffene Basis zu korrigieren. Zudem sei der Schiedsspruch vom 19.12.2012 rechtswidrig, weil die Steigerung des Behandlungsbedarfs
um 12 % auf drei Jahre verteilt worden sei, sodass eine Steigerung von je 4 % auch für die Jahre 2014 und 2015 verbindlich
festgesetzt worden sei. Eine derartige Mehrjahresvereinbarung sei mit §
89 SGB V unvereinbar. Für die Jahre 2014 und 2015 hätten noch keinerlei Verhandlungen stattgefunden, sodass diese auch nicht gescheitert
seien. Zudem verstoße die Mehrjahresfestsetzung gegen §
87a SGB V. Ohne Kenntnis der Vorjahresvereinbarung oder -festsetzung ließen sich auch die nach §
87a SGB V vorzunehmenden Anpassungen nicht durchführen.
Die Anhebung der MGV um weitere 2,6931 % sei ebenfalls rechtswidrig, weil die Festsetzung allein anhand diagnosebezogener Kriterien erfolgt sei,
während nach §
87a Abs
4 Satz 3
SGB V eine gewichtete Zusammenfassung diagnosebezogener und demographischer Kriterien vorzunehmen sei. In der Festsetzung einer
zu 100 % diagnosebezogenen Veränderungsrate könne zwar ggf eine Gewichtung, jedoch keine "Zusammenfassung" gesehen werden.
Zudem leide die Festsetzung an einem Begründungsmangel. Das beklagte Landesschiedsamt habe nur auf die vermeintlich unzureichende
bisherige Berücksichtigung der Morbidität der Versicherten in Sachsen-Anhalt abgestellt.
Das beklagte Landesschiedsamt verweist auf den Inhalt der Verwaltungsakten und insbesondere den Schiedsspruch vom 19.12.2012.
II
Die Revision der Beigeladenen hat keinen Erfolg.
1. Die der Revision zugrunde liegende Klage ist zulässig. Das LSG war gemäß §
29 Abs
2 Nr
1 SGG erstinstanzlich zuständig, weil sich die Klage gegen eine Entscheidung des Landesschiedsamtes richtet.
Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß §
54 Abs
1 iVm §
131 Abs
2 Satz 2 und Abs
3 SGG. Die Anfechtung des Schiedsspruchs in Verbindung mit der beantragten Verpflichtung zur Neubescheidung berücksichtigt, dass
die Festsetzung des Vertragsinhalts durch ein Schiedsamt gegenüber den Vertragspartnern ein Verwaltungsakt ist (BSGE 110,
258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 20; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 10 mwN).
Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht. Aus der Eigenart der Tätigkeit des Schiedsamtes, das bei der Vertragsfestsetzung an
die Stelle der Vertragsparteien tritt, folgt, dass eine Überprüfung des Schiedsspruchs nur im gerichtlichen Verfahren erfolgen
kann (BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 21; vgl BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr 1 zu § 368h
RVO S Aa 2, unter Verweis auf die noch ausdrückliche Anordnung in § 368i Abs 5
RVO).
2. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass das beklagte Landesschiedsamt neu über die Höhe der Gesamtvergütung für das Jahr
2013 zu entscheiden hat. Bezogen auf die Festsetzung für das Jahr 2013 leidet der Schiedsspruch nicht an formellen Mängeln
(a). Dagegen durfte das beklagte Landesschiedsamt seine Festsetzung nicht auf die Jahre 2014 und 2015 erstrecken (b). Im Übrigen
ist der Schiedsspruch aus materiellen Gründen rechtswidrig (c), weil er eine Anpassung nicht aufsetzend auf dem vereinbarten
und bereinigten Behandlungsbedarf des Jahres 2012 vorgenommen hat, sondern sich hiervon gelöst und einen um 12 % (jeweils
4 % verteilt auf die Jahre 2013 bis 2015) erhöhten Wert zugrunde gelegt hat (aa). Zudem ist die Festsetzung der jahresbezogenen
Veränderung der Morbiditätsstruktur auf 2,6931 % für das Jahr 2013 rechtswidrig, weil es sich dabei nicht um das Ergebnis
einer gewichteten Zusammenfassung der vom BewA mitgeteilten Veränderungsraten handelt (bb).
Gemäß §
89 Abs
1 Satz 1
SGB V setzt das Schiedsamt mit der Mehrheit seiner Mitglieder den Vertragsinhalt fest, wenn ein Vertrag über die vertragsärztliche
Versorgung ganz oder teilweise nicht zustande kommt. Bei der Vereinbarung über die von den Krankenkassen in SachsenAnhalt
für das Jahr 2013 mit befreiender Wirkung an die beigeladene KÄV zu zahlende MGV für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der KÄV, dessen Inhalt der Beklagte festgesetzt
hat, handelt es sich um einen Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung im Sinne dieser Vorschrift.
a) Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Schiedssprüche, die Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens sind, bezogen
auf die Festsetzung für das Jahr 2013 nicht aufgrund von Verfahrensfehlern rechtswidrig. Insbesondere lagen die Voraussetzungen
für eine Entscheidung des beklagten Landesschiedsamtes vor.
aa) Dies folgt allerdings nicht bereits aus dem Beschluss des Beklagten vom 6.12.2012, mit dem "entschieden" wurde, dass "das
Landesschiedsamt zur Festsetzung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen wirksam angerufen worden ist". Die gegen diesen
Beschluss gerichtete Klage hat das LSG mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, dass es sich dabei um eine unselbstständige
Zwischenentscheidung gehandelt habe, die nur gemeinsam mit der Entscheidung in der Hauptsache überprüfbar sei. Die Entscheidung
des LSG ist insoweit nicht zutreffend, als der Beklagte die Entscheidung über seine Zuständigkeit in der äußeren Form eines
Schiedsspruchs, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und damit in der äußeren Form eines Verwaltungsakts erlassen hat.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Anfechtungsklage auch gegeben, wenn sich die Verwaltung in unzulässiger Weise der äußeren
Form eines Verwaltungsakts bedient (BSGE 91, 68 = SozR 4-1300 § 31 Nr 1, RdNr 12; BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 9; vgl Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 22b mwN; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014, § 35 RdNr 16 mwN). Indes hat der Senat darüber nicht zu befinden. Die Entscheidung des LSG ist insoweit rechtskräftig, weil die
durch die teilweise Abweisung der Klage allein beschwerten Kläger dagegen keine Rechtsmittel eingelegt haben.
Der Umstand, dass das LSG die Entscheidung des beklagten Landesschiedsamts aus dem og Beschluss vom 6.12.2012 nicht aufgehoben,
sondern die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen hat, hat gleichwohl nicht zur Folge, dass die Frage der wirksamen Anrufung
des beklagten Landesschiedsamtes durch die Beigeladene einer Prüfung durch den Senat entzogen wäre. Die Entscheidung des Beklagten,
nach der er "wirksam angerufen" worden ist, ist kein Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X, der in Bestandskraft erwachsen könnte. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte die Entscheidung in der äußeren Form
eines Verwaltungsakts erlassen hat, weil die Form nicht über den Charakter als Verwaltungsakt im materiellen Sinne entscheidet.
Eine in der äußeren Form eines Verwaltungsakts erlassene Verwaltungsmaßnahme (formeller Verwaltungsakt oder Schein-Verwaltungsakt)
wird nur - wegen des von der Behörde gesetzten Rechtsscheins - hinsichtlich ihrer Anfechtbarkeit als Verwaltungsakt behandelt.
Für die Frage, ob Bestandskraft eintreten kann, kommt es hingegen darauf an, ob tatsächlich ein Verwaltungsakt im materiellen
Sinne vorliegt (zur entsprechenden Regelung des § 35 VwVfG vgl Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl 2013, § 35 RdNr 3, 3a; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl 2014, § 35 RdNr 16 f; Erfmeyer, DÖV 1996, 629). Dies ist hier nicht der Fall. Der Schiedsspruch, für dessen Erlass das beklagte Landesschiedsamt gemäß §
89 Abs
1 SGB V zuständig ist, stiftet und gestaltet die zwischen den Vertragspartnern bestehenden Vertragsbeziehungen. Nur eine solche Entscheidung
des Schiedsamtes ergeht gegenüber den Verfahrensbeteiligten als Verwaltungsakt (s o 1.). Davon abweichend hat der og Schiedsspruch
vom 6.12.2012 nicht den Inhalt des Gesamtvertrags zum Gegenstand. Vielmehr betrifft die Entscheidung des Beklagten, seine
Anrufung als wirksam anzusehen, eine verfahrensrechtliche Frage, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des noch zu erlassenden
Schiedsspruchs von Bedeutung sein kann. Für den Erlass eines Verwaltungsakts durch das Landesschiedsamt, der die formellen
Voraussetzungen für das Ergehen eines Schiedsspruchs zum Gegenstand hat, gibt es keine rechtliche Grundlage. Fragen der Rechtmäßigkeit
des eigenen Handelns in verfahrensrechtlicher Hinsicht sind einer hoheitlichen Regelung durch das Landesschiedsamt von vornherein
nicht zugänglich, sodass diese nicht zum Gegenstand eines Verwaltungsakts gemacht werden können.
Dass die Rechtmäßigkeit einzelner Verfahrensschritte auf dem Weg zur Sachentscheidung nicht isoliert Gegenstand von Widerspruchs-
und Klageverfahren sein soll, findet im Übrigen Ausdruck in §
56a SGG (in der seit dem 25.10.2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur
Änderung des
Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze vom 19.10.2013, BGBl I 3836). Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen
grundsätzlich nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dieser
zunächst nur für das verwaltungsgerichtliche Verfahren in §
44a VwGO ausdrücklich geregelte Grundsatz, galt bereits vor Inkrafttreten des §
56a SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 56, 215, 219; BSG SozR 1500 § 144 Nr 39 S 69 f; Düring in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 9 RdNr 68). Auch dies spricht dafür,
dass der Beklagte die Frage der Zulässigkeit von Verfahrenshandlungen nicht zum Gegenstand eines gesondert anfechtbaren Verwaltungsakts
machen kann.
Auch wenn die Regelungen zum Zwischenurteil gemäß §
130 Abs
2 SGG im Hinblick auf die justizförmige Ausgestaltung des Schiedsverfahrens (vgl Schnapp in ders, Handbuch des sozialrechtlichen
Schiedsverfahrens, 2004, RdNr 12, 92; Becker in Becker/Dalichau, Perspektiven des Gesundheitswesens, Festschrift für Bernd
Wiegand, S 271, 285) hier entsprechend herangezogen werden, folgt daraus für die Frage der Bestandskraft der Entscheidung
des Landesschiedsamts nichts anderes, weil auch solche Zwischenurteile nur zusammen mit dem Endurteil angefochten werden können
(BSG SozR 4-1500 §
130 Nr 2; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
130 RdNr 11 mwN).
bb) Danach ist maßgebend, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Beklagten tatsächlich vorgelegen haben. Dies ist
bezogen auf die Anpassung des Behandlungsbedarfs für das Jahr 2013 der Fall. Die Vereinbarung ist insoweit iS des §
89 Abs
1 Satz 1
SGB V "ganz oder teilweise nicht zustande" gekommen.
Das Schiedsverfahren wird gemäß § 13 Abs 1 Satz 1, § 14 Satz 1 Verordnung über die Schiedsämter für die vertragsärztliche (vertragszahnärztliche) Versorgung (SchiedsamtsVO) grundsätzlich mit dem schriftlich bei dem Vorsitzenden des Schiedsamts von einer der Vertragsparteien gestellten Antrag
eingeleitet, eine Einigung über den Inhalt eines Vertrages herbeizuführen. Gemäß § 14 Satz 2 SchiedsamtsVO hat der Antrag den Sachverhalt zu erläutern, ein zusammenfassendes Ergebnis der vorangegangenen Verhandlungen darzulegen
sowie die Teile des Vertrages aufzuführen, über die eine Einigung nicht zustande gekommen ist. Ob eine Verletzung der in §
14 Satz 2 SchiedsamtsVO geregelten Formerfordernisse überhaupt die Rechtmäßigkeit eines darauf ergangenen Schiedsspruchs berührt oder ob es sich
- ähnlich der Frist von drei Monaten, innerhalb der das Schiedsamt den Vertragsinhalt gemäß §
89 Abs
1 Satz 1
SGB V festzusetzen hat (vgl BSGE 20, 73, 79 = SozR Nr 1 zu § 368h
RVO; BSG SozR Nr 1 zu Art 4 § 12 GKAR Bl Aa2; BSGE 88, 193, 202 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1 S 11) - um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt (vgl Schmiedl, Das Recht des vertrags(zahn)ärztlichen
Schiedswesens, 2002, 161 f; ablehnend dagegen: Düring in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 9
RdNr 26) kann dahingestellt bleiben, weil der von der Beigeladenen an das Landesschiedsamt gerichtete Antrag vom 26.9.2012
mit den nachfolgenden Ergänzungen (Schreiben der KÄV an das Landesschiedsamt vom 12.10.2012 und vom 12.11.2012) die genannten
Voraussetzungen ohne Weiteres erfüllt. Dies wird auch von den Klägern nicht mehr in Frage gestellt. Im Übrigen sind unter
Berücksichtigung des Ziels der Vorschrift - der Ermöglichung einer zeitnahen Regelung und damit der Vermeidung eines vertragslosen
Zustands - keine hohen Anforderungen an die Form des Antrags zu stellen (ebenso: Molière/Zalewski in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht,
§
89 SGB V RdNr 15).
Die Kläger können nicht mit Erfolg geltend machen, dass vor der Anrufung des Landesschiedsamtes keine ernsthaften Vertragsverhandlungen
stattgefunden hätten. Eine Entscheidung des Schiedsamtes ist nicht davon abhängig, dass die Beteiligten zuvor "mit der gebotenen
Ernsthaftigkeit" verhandelt haben (aA Schnapp in ders, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2004, RdNr 78; Kingreen
in Becker/Kingreen,
SGB V, 3. Aufl 2012, §
89 RdNr
11). Bereits dem Wortlaut des §
89 Abs
1 Satz 1
SGB V ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass es auf die Gründe des Scheiterns der Verhandlungen ankommen würde oder dass als
Verfahrensvoraussetzung Anforderungen an die Intensität der dem Schiedsspruch vorausgehenden Verhandlungen zu stellen wären.
Ausschlaggebend ist nach dem Wortlaut des Gesetzes allein, dass der Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung "ganz oder
teilweise nicht zustande" gekommen ist (ebenso: Molière/Zalewski in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, §
89 SGB V RdNr 15; Beier in jurisPK-
SGB V, 2. Aufl 2012, §
89 RdNr 30). Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn - wie hier - schon keine Einigung über den Zeitpunkt der Verhandlungen
erzielt werden kann oder eine Seite auf die Einladung der anderen Seite zur Aufnahme von Verhandlungen nicht reagiert. Bereits
mit Schreiben vom 26.9.2012 hat die Beigeladene sich an das beklagte Landesschiedsamt gewandt und erklärt, dass die zuletzt
am 18.9.2012 für die Jahre 2012 und 2013 geführten Verhandlungen zur Gesamtvergütung gescheitert seien. In der Folge ist es
auf die Einladungen der Beigeladenen vom 25.10.2012 und vom 5.11.2012 nicht zu weiteren Verhandlungen mit den Klägern gekommen
und auch die schließlich vom beklagten Landesschiedsamt gesetzte Frist bis zum 15.12.2012 ist erfolglos verstrichen. In einer
solchen Konstellation muss das Schiedsamt die Möglichkeit haben, die fehlende Einigung im Wege der Festsetzung des Vertragsinhalts
zu ersetzen. Anderenfalls würde der Seite, die kein Interesse am zeitnahen Zustandekommen einer Vereinbarung zur Gesamtvergütung
hat, die Möglichkeit in die Hand gegeben, die Durchführung des Schiedsverfahrens zu verzögern. Dies muss gerade für die Vereinbarung
der MGV, die gemäß §
87a Abs
3 Satz 1
SGB V jährlich bis zum 31.10. für das Folgejahr zustande kommen soll, vermieden werden. Im Übrigen werden die Parteien des Vertrages
in ihrem Handlungsspielraum und der Möglichkeit selbst eine Einigung herbeizuführen, durch die Anrufung des Schiedsamtes nicht
eingeschränkt. Sie können die Verhandlungen nicht nur während des laufenden Schiedsverfahrens an sich ziehen, sondern auch
noch nach ergangenem Schiedsspruch einvernehmlich eine davon abweichende Regelung treffen (BSGE 86, 126, 131 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 292; BSGE 51, 58, 61 = SozR 2200 § 368h Nr 3 S 5).
Den Klägern kann auch nicht darin gefolgt werden, dass Verhandlungen über die Gesamtvergütung für das Jahr 2013 nicht geführt
werden konnten, solange die Gesamtvergütung für das Jahr 2012 nicht vereinbart worden ist und dass die Voraussetzungen für
die Festsetzung des Vertragsinhalts durch das beklagte Landesschiedsamt deshalb nicht vorgelegen hätten: Verhandlungen über
die Höhe der Gesamtvergütung für das Jahr 2013 konnten bereits geführt werden, bevor die Vergütung für das Jahr 2012 verbindlich
fixiert war. Dem stand nicht der Grundsatz der Vorjahresanknüpfung entgegen. Schließlich war zwischen den Beteiligten gerade
streitig, ob dieser Grundsatz für die Höhe der Gesamtvergütung im Jahr 2013 gilt. Wenn zu dieser Frage keine Einigung erzielt
werden kann, dann steht bereits fest, dass eine Vereinbarung jedenfalls insoweit nicht zustande kommen kann. Zudem sollte
die Gesamtvergütung für das Jahr 2013 nicht vor der für das Jahr 2012 vereinbart werden, sondern die Beigeladene wollte die
noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen für das bereits ablaufende Jahr zusammen mit den Verhandlungen für das folgende Jahr
führen. Dagegen ist unter rechtlichen Gesichtspunkten nichts einzuwenden. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob eine abschließende
Entscheidung des Schiedsamts für das Jahr 2013 vor einer Vereinbarung oder Entscheidung für das Jahr 2012 ergehen kann. Darauf
kommt es hier indes nicht an, weil das beklagte Landesschiedsamt über die zwischen den Vertragspartnern des Gesamtvertrags
noch streitigen Fragen zur Gesamtvergütung für das Jahr 2012 bereits mit Beschluss vom 6.12.2012 und über die Festsetzungen
für das Jahr 2013 abschließend erst mit Beschluss vom 19.12.2012 entschieden hat. Auch der Umstand, dass der Beklagte die
Veränderungsrate für die Morbiditätsstruktur der Versicherten nach §
87a Abs
4 Satz 1 Nr
2 SGB V für das Jahr 2013 bereits mit Beschluss vom 6.12.2012 auf 2,6931 % festgesetzt hat, begegnet keinen Bedenken, weil auch eine
gemeinsame Festsetzung nicht zu beanstanden ist, wenn - wie hier - zu dem Zeitpunkt, zu dem nach den gesetzlichen Vorgaben
(vgl §
87a Abs
3 Satz 1
SGB V) bereits die Vereinbarung für das Folgejahr (2013) zu schließen ist, noch nicht einmal die Vereinbarung für das davor liegende
Jahr (2012) zustande gekommen war. Zudem hängt die Veränderungsrate nicht von der Höhe der Gesamtvergütung des Vorjahres ab.
Grundlage für die jahresbezogene Änderung der Morbiditätsstruktur sind gemäß §
87a Abs
4 Satz 3
SGB V grundsätzlich die ärztlichen Behandlungsdiagnosen einerseits und demographische Kriterien andererseits. Die entsprechenden
Veränderungsraten für das Jahr 2013 sind durch den BewA am 22.10.2012 (DÄ 2012, A 2322 f) beschlossen und den Vertragsparteien
mitgeteilt worden, sodass sie bei der Beschlussfassung des Beklagten am 6.12.2012 allen Beteiligten bekannt waren. Unter diesen
Umständen ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
b) Soweit durch die auf drei Jahre verteilte Anhebung des Behandlungsbedarfs um 12 % Regelungen auch für die Jahre 2014 und
2015 getroffen wurden, ist der Schiedsspruch vom 19.12.2012 bereits deshalb rechtswidrig, weil für diese beiden Jahre noch
keine Vertragsverhandlungen geführt worden waren, die hätten scheitern können. Solche Vertragsverhandlungen konnten bei Ergehen
der streitgegenständlichen Schiedssprüche Ende des Jahres 2012 auch noch nicht sinnvoll geführt werden. Gemäß §
87a Abs
3 Satz 1 und
2 SGB V ist der Behandlungsbedarf jährlich bis zum 31.10. jeweils für das Folgejahr zu vereinbaren. Die Vereinbarung ist also grundsätzlich
jeweils für ein Jahr zu schließen (vgl Rompf in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, §
87a SGB V RdNr 22; zu Ausnahmen für den Fall, dass zu dem genannten Zeitpunkt die Vereinbarung für das vorangegangene Jahr noch nicht
zustande gekommen ist, vgl oben 2. a) bb). Damit unterscheidet sich die Regelung zur Vereinbarung des Behandlungsbedarfs zB
von Vereinbarungen gemäß § 11 Krankenhausentgeltgesetz die nach Abs 2 Satz 2 der Vorschrift auch für einen in der Zukunft liegenden Zeitraum von mehreren Jahren geschlossen werden können. Weil
Grundlage der Vereinbarung des Behandlungsbedarfs die Veränderungen sind, die gegenüber dem Vorjahr bezogen auf die in §
87a Abs
4 Satz 1 Nr
1 bis 5
SGB V genannten Kriterien (Zahl der Versicherten, Morbiditätsstruktur der Versicherten, Art und Umfang der ärztlichen Leistungen,
ua) eingetreten sind (vgl dazu im Einzelnen unten c) aa) und weil diese Veränderungen erst im Laufe des Jahres für das Folgejahr
ermittelt werden können, sind Vereinbarungen für weitere zukünftige Jahre ausgeschlossen. Zudem sind bei der Vereinbarung
Empfehlungen und Vorgaben des BewA zu berücksichtigen, die gemäß §
87a Abs
5 Satz 8
SGB V jeweils bis zum 31.8. eines Jahres vorliegen und dann Grundlage der bis zum 31.10. für das Folgejahr zu schließenden Vereinbarung
sind. Somit konnten die Vertragsparteien im Zeitpunkt der Entscheidung des beklagten Landesschiedsamtes im Dezember 2012 noch
keine Vereinbarungen treffen, die sich auf den Behandlungsbedarf für die Jahre 2014 und 2015 beziehen. Tatsächlich hatten
dazu noch keine Verhandlungen stattgefunden, und auch der an den Beklagten gerichtete Antrag der beigeladenen KÄV bezog sich
auf die Festsetzung des Behandlungsbedarfs für das Jahr 2013 und nicht auf weitere Folgejahre. Damit lag die Voraussetzung
des §
89 Abs
1 Satz 1
SGB V, nach der das Schiedsamt den Vertragsinhalt festsetzt, wenn ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung ganz oder teilweise
nicht zustande kommt, bezogen auf die für die Jahre 2014 und 2015 zu schließenden Verträge zum Zeitpunkt der Entscheidung
des Schiedsamtes nicht vor.
Dieser Mangel konnte auch nicht in entsprechender Anwendung des §
295 Abs
1 ZPO geheilt werden, weil gemäß §
295 Abs
2 ZPO nur Verfahrensfehler behoben werden können, auf deren Einhaltung die Beteiligten verzichten können (vgl dazu BSGE 51, 58, 60 ff = SozR 2200 § 368h Nr 3 S 4 ff; BSGE 52, 253 = SozR 2200 § 368g Nr 9 S 12). Auf die Einhaltung der og zwingenden gesetzlichen Vorgabe, nach der die Anpassung des Behandlungsbedarfs
jeweils für das Folgejahr und damit nicht für weitere künftige Zeiträume vereinbart wird, können die Vertragsparteien gegenüber
dem Schiedsamt nicht wirksam verzichten. Die genannten Regelungen betreffen nicht allein das Verfahren vor dem Schiedsamt.
Zudem dienen sie - anders als zB Vorschriften zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (vgl BSGE 51, 58, 60 = SozR 2200 § 368h Nr 3 S 3 f) - nicht nur dem Interesse der Vertragsparteien sondern auch dem öffentlichen Interesse.
c) Darüber hinaus sind die angefochtenen Schiedssprüche sowohl bezogen auf die Anhebung des Behandlungsbedarfs um 12 % als
auch bezogen auf die Anpassung um weitere 2,6931 % für das Jahr 2013 in materieller Hinsicht rechtswidrig.
Schiedssprüche nach §
89 SGB V unterliegen - auf Anfechtung der Gesamtvertragsparteien hin - nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle (stRspr;
grundlegend: BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11 mwN; vgl ferner: BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, jeweils RdNr 13 mwN; BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5). Die Vertragsgestaltungsfreiheit des Schiedsamtes ist nicht geringer als diejenige der
Vertragspartner bei einer im Wege freier Verhandlungen erzielten Vereinbarung (zuletzt: BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 73 RdNr 15; vgl auch BSGE 86, 126, 134 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 37 S 295 mwN). Seine Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der
vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter.
Dementsprechend sind sie inhaltlich nur daraufhin zu überprüfen, ob der vom Schiedsamt zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft,
ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, dh insbesondere die zwingenden rechtlichen Vorgaben
beachtet hat und ob der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt.
aa) Die Überprüfung der Schiedssprüche anhand der aufgezeigten Maßstäbe ergibt, dass das beklagte Landesschiedsamt nicht befugt
war, eine Erhöhung des Behandlungsbedarfs für 2013 und die beiden Folgejahre um insgesamt 12 % ohne Bezug zu Veränderungen
vorzunehmen, die gegenüber dem Vorjahr eingetreten sind.
(1) Gemäß §
87a Abs
3 Satz 1
SGB V idF des GKV-VStG vom 22.12.2011 (BGBl I 2983), vereinbaren die Partner der Gesamtverträge bis zum 31.10. gemeinsam und einheitlich für das
Folgejahr mit Wirkung für die Krankenkassen die von den Krankenkassen mit befreiender Wirkung an die jeweilige KÄV zu zahlende
MGV für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der KÄV. Maßgebend für die Höhe der Gesamtvergütung
ist gemäß §
87a Abs
3 Satz 2
SGB V - neben dem Punktwert, der gemäß §
87a Abs
2 Satz 1
SGB V auf der Grundlage des Orientierungswertes ermittelt wird - der mit der Zahl und Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundene
Behandlungsbedarf, der zwischen den Partnern der Gesamtverträge zu vereinbaren ist.
§
87a Abs
4 SGB V regelt Vorgaben für die Vereinbarung des Behandlungsbedarfs, die für die Vertragspartner - und damit auch das beklagte Landesschiedsamt
- verbindlich sind. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind "insbesondere Veränderungen" der in Nr 1 bis 5 bezeichneten Kriterien
(Zahl der Versicherten, Morbiditätsstruktur der Versicherten, ua) Grundlage der Vereinbarung über die Anpassung des Behandlungsbedarfs
"jeweils aufsetzend auf dem insgesamt für alle Versicherten mit Wohnort im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung für das
Vorjahr nach Abs 3 Satz 2 vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf". Dass die "jeweils jahresbezogene Veränderung der
Morbiditätsstruktur im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung" maßgebend ist, wird noch einmal in §
87a Abs
4 Satz 3
SGB V betont. Die Regelung geht also nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut nicht davon aus, dass der Behandlungsbedarf zwischen
den Vertragspartnern jährlich neu zu vereinbaren wäre. Vielmehr ist lediglich eine "Anpassung des Behandlungsbedarfs" zu vereinbaren.
Basis dieser Anpassung ("aufsetzend") ist gemäß §
87a Abs
4 Satz 1
SGB V der im Bezirk der KÄV "für das Vorjahr nach Abs 3 Satz 2 vereinbarte" Behandlungsbedarf. Der vereinbarte Behandlungsbedarf
gilt nach §
87a Abs
3 Satz 2 letzter Halbsatz
SGB V als notwendige medizinische Versorgung iS des §
71 Abs
1 Satz 1
SGB V.
(2) Wie sich aus der Rechtsprechung des Senats zur Rechtslage vor der Neufassung des §
87a SGB V durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) ergibt, hat die Anpassung zwingend an die vorjährige Vereinbarung anzuknüpfen. Die Vereinbarung
der Gesamtvergütung war bis dahin Gegenstand des §
85 Abs
3 SGB V. Nach der dazu ergangenen ständigen Rechtsprechung des Senats war nach Art einer Vermutung davon auszugehen, dass die Höhe
der im Vorjahr vereinbarten oder gesetzlich festgelegten Gesamtvergütung angemessen ist (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 10; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 21; BSGE 20, 73, 84, 86 = SozR Nr 1 zu § 368h
RVO S Aa5 Rücks), dass diese Gesamtvergütung deshalb im darauf folgenden Jahr als maßgeblicher Ausgangspunkt zugrunde zu legen
ist und dass bei der neuen Vereinbarung allein die eingetretenen Veränderungen bezogen auf die gesetzlich vorgegebenen Kriterien
zu berücksichtigen sind (Prinzip der Vorjahresanknüpfung; grundlegend: BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 21; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 25; BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 8 ff). Ausnahmen von diesen Grundsätzen müssen im Gesetz deutlich zum Ausdruck kommen (BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 3 RdNr 26). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch bezogen auf die hier maßgebende Rechtslage des Jahres 2013 mit
der Maßgabe fest, dass die Kriterien, deren Veränderung in der Vereinbarung über die Anpassung des Behandlungsbedarfs zu berücksichtigen
sind, seit der Neufassung des §
87a SGB V durch das GKV-WSG nicht mehr abschließend geregelt sind (zu der ehemals geltenden Beschränkung auf die gesetzlich ausdrücklich geregelten Kriterien
vgl BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 14; BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 9). Dies kommt in der Verwendung des Wortes "insbesondere" in Abs 4 Satz 1 der Vorschrift zum Ausdruck. Im Übrigen hat sich
der Gesetzgeber aber jedenfalls bei der Neufassung des §
87a Abs
4 SGB V mit dem GKV-VStG zum 1.1.2012 erkennbar an der zu §
85 Abs
3 SGB V aF ergangenen Rechtsprechung zur Vorjahresanknüpfung orientiert und diesen Grundsatz sogar noch deutlicher als bisher mit
der Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass die Anpassung des Behandlungsbedarfs "aufsetzend" auf dem "für das Vorjahr nach
Abs 3 Satz 2 vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf" zu vereinbaren ist.
Durch die mit dem GKV-WSG für die Zeit ab 1.1.2009 eingeführte Orientierung an der Veränderung der Morbiditätsstruktur der Versicherten anstelle der
Anknüpfung an die Entwicklung der Grundlohnsumme wird der in der Rechtsprechung zu §
85 Abs
3 SGB V aF entwickelte Grundsatz der Vorjahresanknüpfung nicht in Frage gestellt. Zwar gilt der in §
71 Abs
1 Satz 1
SGB V verankerte Grundsatz der Beitragssatzstabilität, den der Senat in einen Zusammenhang mit dem Grundsatz der Vorjahresanknüpfung
gestellt hat (vgl BSGE 100, 144 = SozR 4-2500 § 85 Nr 41, RdNr 14; SozR 4-2500 § 85 Nr 72 RdNr 31), seit den Änderungen im vertragsärztlichen Vergütungssystem durch das GKV-WSG für die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen nur noch sehr eingeschränkt, weil der vereinbarte Behandlungsbedarf gemäß
§
87a Abs
3 Satz 2
SGB V als notwendige medizinische Versorgung im Sinne dieser Vorschrift gilt. Damit kann einer der Veränderung der Morbiditätsstruktur
der Versicherten entsprechenden Anpassung des Behandlungsbedarfs nicht entgegengehalten werden, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität
verletzt würde (vgl BT-Drucks 16/3100, S 120, zu Abs 3 Satz 2). Das Prinzip der Vorjahresanknüpfung kann entgegen der Auffassung
der Beigeladenen jedoch auch unabhängig von dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität Geltung beanspruchen. Dies hat der Senat
bereits in seiner Rechtsprechung zu §
85 Abs
3 SGB V mit der Formulierung zum Ausdruck gebracht, dass das Prinzip der Vorjahresanknüpfung im Grundsatz der Beitragssatzstabilität
eine "weitere eigenständige Verankerung" gefunden hat (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 13; BSG Urteil vom 27.4.2005 - B 6 KA 22/04 R - Juris RdNr 23). Dass die Orientierung am Beitragsaufkommen durch eine Orientierung an der Änderung der Morbidität der Versicherten
als dem für die Anpassung der Vergütung wichtigsten Parameter verdrängt worden ist, ändert demnach nichts an der Geltung des
Prinzips der Vorjahresanknüpfung. Geändert haben sich lediglich die Kriterien, die bei der Anpassung der Gesamtvergütung -
auf der Basis des Vorjahreswertes - zu berücksichtigen sind.
(3) Entgegen der Auffassung der Beigeladenen können die Worte "insbesondere Veränderungen" in §
87a Abs
4 Satz 1
SGB V nicht in der Weise verstanden werden, dass die Vertragspartner den Behandlungsbedarf zwar insbesondere, jedoch nicht allein
nach den eingetretenen Veränderungen neu festzusetzen hätten. Die von der Beigeladenen vertretene Auffassung vernachlässigt
den Zusammenhang, in dem die angeführte Wendung steht. Da eine "Anpassung" des Behandlungsbedarfs "aufsetzend" auf dem für
das Vorjahr vereinbarten Behandlungsbedarf zu vereinbaren ist, kann das anschließend verwendete Wort "insbesondere" nur auf
die nachfolgende Aufzählung (§
87a Abs
1 Satz 1 Nr
1 bis 5
SGB V) und nicht auf das Wort "Veränderungen" bezogen werden. Es handelt sich also um keine abschließende Aufzählung, sodass die
Vertragsparteien neben den ausdrücklich genannten (Zahl der Versicherten, Morbiditätsstruktur der Versicherten, ua) auch andere
Faktoren berücksichtigen dürfen, die eine Veränderung des Behandlungsbedarfs bedingen (ebenso Engelhard in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand: 11/2013, K §
87a RdNr 89; Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand: 84. Ergänzungslieferung 2014, §
87a RdNr 16; Freudenberg in jurisPK-
SGB V, 2. Aufl 2012, §
87a RdNr 106). Für die Zulässigkeit einer Neubestimmung des Aufsatzwertes unabhängig vom Vorjahr lässt sich demnach aus der Verwendung
des Wortes "insbesondere" nichts herleiten.
Etwas Anderes folgt entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch nicht aus einer Entscheidung des Senats vom 21.3.2012 (B 6 KA 21/11 R - BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr
34), die nicht die Vereinbarung des Behandlungsbedarfs nach §
87a Abs
4 SGB V zum Gegenstand hatte, sondern ua die Vereinbarung von Zu- oder Abschlägen von den Orientierungswerten gemäß §
87a Abs
2 Satz 2
SGB V aF. Anders als §
87a Abs
4 Satz 1
SGB V für den Behandlungsbedarf sieht §
87a Abs
2 Satz 2
SGB V aF für diese Zu- und Abschläge keine Anpassung auf der Basis eines Vorjahreswertes vor, sodass aus der genannten Entscheidung
nichts für die hier interessierende Fragestellung hergeleitet werden kann.
(4) Der Maßgeblichkeit des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung kann die Beigeladene ferner nicht mit Erfolg entgegenhalten,
dass nach §
87a Abs
4 SGB V an den "vereinbarten und bereinigten" Behandlungsbedarf des Vorjahres anzuknüpfen ist, dass der Behandlungsbedarf des Jahres
2012 jedoch nicht vereinbart und bereinigt, sondern gesetzlich festgelegt worden sei. Zwar trifft es zu, dass der Behandlungsbedarf
nach der für die Jahre 2011 und 2012 geltenden Sonderregelung des §
87d Abs
2 Satz 2
SGB V idF des Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz
- GKV-FinG) vom 22.12.2010 (BGBl I 2309) zu ermitteln war, indem der für das Vorjahr vereinbarte, bereinigte Behandlungsbedarf
je Versichertem pauschal um 1,25 % erhöht wurde. Gleichwohl war der Behandlungsbedarf gemäß §
87a Abs
3 Satz 2
SGB V idF des GKV-FinG auch für das Jahr 2012 in der äußeren Form einer Vereinbarung festzulegen. Selbst wenn abweichend davon
angenommen würde, dass es aufgrund der gesetzlichen Vorgaben im Jahr 2012 keinen vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf
gegeben hätte, würde im Übrigen nichts anderes gelten, weil die Vermutung der Angemessenheit der Gesamtvergütung sowie der
darauf aufbauende Grundsatz der Vorjahresanknüpfung nach der Rechtsprechung des Senats ebenso gilt, wenn die Höhe der Vergütung
im Vorjahr - ganz oder teilweise - gesetzlich festgelegt war (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 16 RdNr 10; BSG Urteil vom 14.12.2005 - B 6 KA 25/04 R - Juris RdNr 15). Dies folgt aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit die Angemessenheit
der Gesamtvergütung näher bestimmen kann. Seinen Vorgaben kommt sogar ein höherer Rang zu, als der Vereinbarung der Beteiligten.
Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass auch eine gesetzlich festgelegte Gesamtvergütung eine geeignete Basis für die
Anpassung der Vergütung im Folgejahr bildet.
(5) Ferner kann §
87a Abs
4 Satz 4
SGB V keine Ausnahme von dem Grundsatz der Vorjahresanknüpfung entnommen werden. Nach dieser Bestimmung können - falls erforderlich
- weitere für die ambulante Versorgung relevante Morbiditätskriterien herangezogen werden. Vor der Änderung durch das GKV-VStG enthielt §
87a Abs
5 Satz 3
SGB V eine dem im Wesentlichen entsprechende Regelung, die sich jedoch an den BewA richtete, der bis dahin für die Bestimmung der
Veränderung der Morbiditätsstruktur zuständig war. Im Zuge der Regionalisierung der vertragsärztlichen Vergütung durch das
GKV-VStG ist auch die Möglichkeit zur Berücksichtigung weiterer Morbiditätskriterien auf die Landesebene übertragen worden (vgl BT-Drucks
17/6906, S 64). Dadurch hat sich jedoch nichts daran geändert, dass es allein um Kriterien für die Bemessung der Veränderung
des Behandlungsbedarfs im Vergleich zum Vorjahr geht.
Mit ihrer davon abweichenden Auffassung übersieht die Beigeladene den unmittelbaren Zusammenhang des Satzes 4 mit dem vorangehenden
Satz 3. §
87a Abs
4 Satz 3
SGB V stellt anknüpfend an Satz 1 Nr
2 klar, dass "die jeweils jahresbezogene Veränderung" der Morbiditätsstruktur der Versicherten zu vereinbaren und damit gerade
keine Neubestimmung vorzunehmen ist. Grundlage der jahresbezogen zu vereinbarenden Veränderung der Morbiditätsstruktur sind
nach dieser Vorschrift zwei vom BewA mitzuteilende Veränderungsraten, von denen die eine vertragsärztliche Behandlungsdiagnosen
berücksichtigt und die andere demographische Kriterien. In Anwendung dieser Regelung würde sich der Spielraum der Vertragspartner
bezogen auf die Vereinbarung der Veränderung der Morbiditätsstruktur der Versicherten auf die zusammenfassende Gewichtung
der beiden mitgeteilten Veränderungsraten beschränken (zu den an die zusammenfassende Gewichtung zu stellenden Anforderungen
vgl nachfolgend bb). §
87a Abs
4 Satz 4
SGB V erweitert vor diesem Hintergrund den Verhandlungsspielraum der Vertragspartner und damit auch des Schiedsamtes, indem er
"falls erforderlich" die Heranziehung weiterer "relevanter" Morbiditätskriterien zulässt. Dies ändert jedoch nichts daran,
dass auch diese weiteren Kriterien lediglich in die nach §
87a Abs
4 Satz 1 Nr
2, Satz 3
SGB V zu vereinbarende Änderung des Behandlungsbedarfs einfließen und nicht zur Grundlage einer Neubestimmung gemacht werden können.
Damit übereinstimmend wird in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/6906, S 64) ausgeführt, dass Satz 4 den Vertragspartnern
die Möglichkeit gebe, weitere "für die Vereinbarung der Veränderung des ambulanten Behandlungsbedarfs" relevante Morbiditätskriterien
zu berücksichtigen.
Danach darf der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung als weitere "relevante" Morbiditätskriterien nur solche Kriterien
berücksichtigen, die Auskunft über die Veränderung der Morbidität der Versicherten im Bezirk der KÄV Sachsen-Anhalt gegenüber
dem Vorjahr geben und auf deren Grundlage sich ein Bezug zum Behandlungsbedarf - bezogen auf die ambulante vertragsärztliche
Versorgung - herstellen lässt. Die Anpassung an höhere Gesamtvergütungen in anderen Bundesländern oder im Bundesdurchschnitt
oder an die Höhe der Zuweisungen aus dem RSA scheiden deshalb als zulässige Kriterien für eine Anpassung des Behandlungsbedarfs
aus. Aus der Formulierung in Satz 4, nach der "weitere" Kriterien herangezogen werden können, folgt ferner, dass diese nur
neben den Kriterien, deren Berücksichtigung Satz 3 verbindlich vorschreibt, in die vorzunehmende gewichtete Zusammenfassung
einbezogen werden können. Wegen der an die zusammenfassende Gewichtung zu stellenden Anforderungen wird auf die nachfolgenden
Darlegungen unter bb) verwiesen. Eine Addition der nach Satz 4 auf der Grundlage weiterer relevanter Morbiditätskriterien
ermittelter Veränderungsraten ist demnach ebenso wenig zulässig wie die Addition der beiden nach Satz 3 vom BewA mitgeteilten
Raten (zu den beiden nach Satz 3 durch den BewA mitgeteilten Raten vgl BT-Drucks 17/6906, S 63).
(6) Entgegen der Auffassung der Beigeladenen lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem nach §
87a Abs
4 SGB V zu vereinbarenden Behandlungsbedarf und den Regelungen zum RSA nicht in der Weise herstellen, dass der Behandlungsbedarf
unabhängig von einer Anknüpfung an das Vorjahr neu zu definieren wäre. Wie der Senat bereits in einer Entscheidung vom 16.7.2003
(B 6 KA 29/02 R - BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 17) dargelegt hat, handelt es sich bei den Bestimmungen zur Veränderung der Gesamtvergütung
und denen zum RSA nach §§
266 ff
SGB V um unterschiedliche Regelungskomplexe, die selbstständig nebeneinander stehen. Daran hat sich im Grundsatz weder durch die
Änderungen der Vorschriften zur ärztlichen Vergütung noch durch die stärker morbiditätsorientierte Umgestaltung des RSA mit
dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10.12.2001 (BGBl I 3465) und
dem GKV-WSG etwas geändert.
Zwar stellt §
87a Abs
5 Satz 3
SGB V idF des GKV-WSG insofern eine Verbindung zum RSA her, als nur solche "weiteren" Morbiditätskriterien für die Bestimmung einer Veränderung
des Behandlungsbedarfs herangezogen werden durften, die mit den im jeweils geltenden RSA verwendeten Morbiditätskriterien
vereinbar waren. Die im Jahr 2013 geltende Nachfolgeregelung des §
87a Abs
4 Satz 4
SGB V idF des GKV-VStG enthält diese Beschränkung jedoch nicht mehr, weil der Gesetzgeber darin eine Überregulierung gesehen hat (vgl BT-Drucks
17/6906, S 64). Damit wird die Heranziehung der im RSA verwendeten Morbiditätskriterien, nicht unzulässig (Engelhard in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand: 11/2013, K §
87a RdNr
102). Ausschlaggebend ist im vorliegenden Zusammenhang allerdings, dass §
87a Abs
4 SGB V keine Neubestimmung des Behandlungsbedarfs in Anwendung von Regelungen zum RSA vorsieht und dass - wie oben dargelegt - auch
bei der Heranziehung "weiterer" Morbiditätskriterien nach §
87a Abs
4 Satz 4
SGB V allein Anpassungen auf der Grundlage der für das Vorjahr getroffenen Vereinbarungen zulässig sind. Im Gegensatz dazu werden
beim RSA die den Zuweisungen (§
266 SGB V) aus dem Gesundheitsfonds (§
271 SGB V) zugrunde liegenden Werte für jedes Jahr neu ermittelt (für die standardisierten Leistungsausgaben und die auf dieser Grundlage
ermittelten Zuweisungen an die Krankenkassen vgl ua §
266 Abs
2 Satz 2, Abs
5 Satz 2, Abs
6 SGB V, §
268 Abs
1 und
2 SGB V, §§
35 ff Verordnung über das Verfahren zum Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung - RSAV). Der RSA verfolgt
zudem eine grundsätzlich andere Zielrichtung als die Anpassung der Gesamtvergütung. Zutreffend weisen die Kläger darauf hin,
dass mit dem RSA allein über die Verteilung von Mitteln und nicht über deren absolute Höhe entschieden wird, während die Erhöhung
des Behandlungsbedarfs Auswirkungen auf die Höhe der Gesamtvergütung im jeweiligen KÄV-Bezirk hat. Eine Umverteilung in der
Weise, dass gleichzeitig die Gesamtvergütung in KÄV-Bezirken mit niedrigerer Morbidität gesenkt würde, findet nicht statt.
Für eine Einschränkung des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung bei der Vereinbarung des Behandlungsbedarfs nach §
87a Abs
3 Satz 2, Abs
4 SGB V mit Blick auf die davon abweichenden Regelungen zum RSA gibt es danach keine Grundlage. Damit kann die im angefochtenen Schiedsspruch
festgelegte Erhöhung des Behandlungsbedarfs um 12 %, die in keinem Zusammenhang mit Änderungen des Behandlungsbedarfs gegenüber
dem Vorjahr steht, auch nicht unter Hinweis auf Regelungen zum RSA gerechtfertigt werden.
(7) Gegen die Zulässigkeit einer Erhöhung der Basis, auf deren Grundlage die Anpassung des Behandlungsbedarfs vorzunehmen
ist, sprechen im Übrigen systematische Gesichtspunkte: Die Anpassung des Behandlungsbedarfs und die dabei zu beachtenden Kriterien
werden in §
87a Abs
4 SGB V detailliert geregelt. Außerdem sind gemäß §
87a Abs
4 Satz 1 letzter Teilsatz
SGB V die Empfehlungen und Vorgaben des BewA nach §
87a Abs
5 SGB V zu berücksichtigen. Dagegen existiert für das Jahr 2013 keine Regelung, die eine Neubestimmung des Behandlungsbedarfs auf
der Grundlage von Daten zur Morbidität zum Inhalt hat. Auch eine Angleichung unterschiedlich hoher Gesamtvergütungen in unterschiedlichen
KÄV-Bezirken ist nicht Gegenstand einer das Jahr 2013 betreffenden gesetzlichen Bestimmung. Der von der Beigeladenen erhobene
Einwand, dass die Basis keineswegs vollständig frei vereinbart worden sei, sondern dass lediglich der tatsächlich bestehenden,
bisher nicht berücksichtigten Morbidität Rechnung getragen werde, überzeugt nicht. Ausschlaggebend ist, dass keine gesetzliche
Regelung zur Ermittlung einer solchen "morbiditätsgerechten" Basis existiert. Die Vertragspartner würden also keinen gesetzlichen
Beschränkungen bei Vereinbarung des Behandlungsbedarfs unterliegen, wenn sie tatsächlich berechtigt wären, diesen neu zu definieren.
Die detaillierten Regelungen zur Anpassung des Behandlungsbedarfs in §
87a Abs
4, Abs
5 SGB V würden damit ihren Sinn verlieren.
(8) Die an Wortlaut und Systematik orientierte Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt: Bereits
das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) sah vor, dass sich die
Gesamtvergütung ab dem Jahr 2007 an der Morbidität der Versicherten orientieren sollte. Ziel war es bereits damals, das finanzielle
Risiko einer morbiditätsbedingten Mengenausweitung der abgerechneten ärztlichen Leistungen von den Ärzten auf die Krankenkassen
zu verlagern (BT-Drucks 15/1525, S 102, zu §§ 85a bis 85d). Dazu sollte der BewA bis zum 30.6.2005 nicht nur gemäß § 85a Abs 5 Satz 1 Nr 3
SGB V aF ein Verfahren "zur Bestimmung von Veränderungen der Morbiditätsstruktur", sondern gemäß § 85a Abs 5 Satz 1 Nr 1 und 2
SGB V auch ein Verfahren "zur Bestimmung der Morbiditätsstruktur und des damit verbundenen Behandlungsbedarfs" sowie zur Aufteilung
dieses Behandlungsbedarfs auf die Versichertengruppen beschließen. Auf dieser Grundlage sollten die Gesamtvertragspartner
nach § 85a Abs 2 Satz 2 Nr 1 und Nr 2
SGB V die entsprechenden Vereinbarungen treffen. Diese Regelungen wurden jedoch nicht umgesetzt, weil die erforderlichen Beschlüsse
des BewA nicht zustande kamen. Der Gesetzgeber reagierte darauf mit einer Neufassung des §
87a SGB V durch das GKV-WSG (vgl BT-Drucks 16/3100, S 118 f), die keinen Auftrag an den BewA "zur Bestimmung der Morbiditätsstruktur und des damit verbundenen
Behandlungsbedarfs" mehr vorsah. Statt dessen bestimmte §
87c Abs
4 SGB V im Grundsatz die im Jahr 2008 tatsächlich erbrachten Leistungen zur Grundlage der erstmaligen Vereinbarung der morbiditätsbedingten
Gesamtvergütung für das Jahr 2009. Nach §
87a Abs
5 Satz 1 Nr
2 SGB V hatte der BewA nur noch das Verfahren zur Bestimmung von Veränderungen der Morbiditätsstruktur zu beschließen. Daran hat
sich durch die Neufassung mit dem GKV-VStG nur insofern etwas geändert, als die Veränderung des Behandlungsbedarfs seitdem nicht mehr unmittelbar durch den BewA zu
bestimmen, sondern nach §
87a Abs
4 Satz 1 letzter Teilsatz
SGB V durch die Gesamtvertragspartner unter Beachtung von Empfehlungen und Vorgaben des BewA nach Abs 5 zu vereinbaren ist.
Diese Entwicklung zeigt, dass die Orientierung an der Veränderung des Beitragsaufkommens nicht ersatzlos aufgegeben, sondern
nur zugunsten einer Orientierung an der Veränderung der Morbidität eingeschränkt werden sollte (vgl Knieps/Leber, VSSR 2008,
177, 181, 185). Die Geltung des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung wurde dabei vorausgesetzt. Dies folgt auch aus dem Umstand, dass die
- nicht umgesetzten - Ansätze zur Neubestimmung des Behandlungsbedarfs aus dem GMG nicht weiterverfolgt und statt dessen die
zum 1.1.2009 eingeführte MGV auf der Basis des Jahres 2008 festgesetzt wurden. An der Fortgeltung des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung hat sich auch
bis in das Jahr 2013 nichts geändert. Dass die Regionalisierung des Vergütungsgeschehens mit dem GKV-VStG zum 1.1.2012 keine Einschränkung des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung bewirken sollte, wird ua daran deutlich, dass nach
den Vorstellungen des Gesetzgebers aufgrund dieser Änderung nicht mit Mehrausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung zu
rechnen war (BT-Drucks 17/6906, S 5). Die Kosten, die durch eine Anhebung niedrigerer Gesamtvergütungen auf den Bundesdurchschnittswert
entstehen würden, wurden dagegen von der Bundesregierung auf mindestens 500 Mio Euro geschätzt (vgl die Antwort auf eine Kleine
Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 17/7735, S 4).
Entgegen der Auffassung der Beigeladenen kann weder aus den Übergangsregelungen, die mit dem GKV-WSG in §
87c Abs
4 SGB V für die Jahre 2009 und 2010 getroffen worden sind, noch aus der pauschalen Anhebung um 1,25 % nach §
87d Abs
2 Satz 2
SGB V idF des GKV-FinG für die Jahre 2011 und 2012 auf eine Einschränkung des Grundsatzes der Vorjahresanknüpfung für das Jahr
2013 geschlossen werden. Der Gesetzgeber hat mit dem GKV-FinG lediglich Vorgaben zur Höhe der Anpassung des Behandlungsbedarfs
gemacht, ohne damit die Anknüpfung an das Vorjahr in Frage zu stellen. Genauso wie der Gesetzgeber grundsätzlich entscheiden
kann, ob sich die Änderung der Gesamtvergütung, die wiederum Grundlage der Anpassung im Folgejahr wird, an der Entwicklung
der Beitragseinnahmen oder an der Entwicklung der Morbidität der Versicherten orientieren soll, so kann er Vorgaben für die
morbiditätsbedingte Anpassung der Vergütung regeln, die die Partner der Gesamtverträge zu beachten haben. Wie der Senat in
ständiger Rechtsprechung entschieden hat, werden die verfassungsrechtlichen Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit grundsätzlich
erst überschritten, wenn in einem - fachlichen oder örtlichen - Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht,
vertragsärztlich tätig zu werden (vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 140 mwN; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 22). Anhaltspunkte dafür sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Ferner kommt es nicht darauf an, ob die gesetzlichen Vorgaben für die Anpassung des Behandlungsbedarfs in den Jahren von 2009
bis 2012 - wie die Beigeladene zum Ausdruck bringt - eine hinter der tatsächlichen Morbiditätsentwicklung zurückbleibende
Erhöhung der Gesamtvergütung zur Folge hatten oder ob - entsprechend der Auffassung der Kläger - eine die Morbiditätsentwicklung
überschreitende Anpassung stattgefunden hat. Die Vergütung des Vorjahres ist als Basis für die Anpassung ganz unabhängig von
deren Bewertung durch die Partner des Gesamtvertrages zugrunde zu legen. Maßgebend für die Anpassung des Behandlungsbedarfs
können nach den gesetzlichen Vorgaben - wie oben dargelegt - nur die seitdem eingetretenen Veränderungen sein.
Die Entstehungsgeschichte des §
87a SGB V idF des GKV-VStG bestätigt ferner, dass die Angleichung der Gesamtvergütung an die anderer KÄV-Bezirke oder an einen bundesweiten Durchschnitt
kein zulässiges Kriterium für eine Anpassung des Behandlungsbedarfs nach §
87a Abs
4 SGB V ist. Das Ziel der Angleichung der Gesamtvergütungen vor dem Hintergrund unterschiedlichen Strukturen und Ausgangsbedingungen
in den alten und den neuen Bundesländern war bereits Gegenstand des Einigungsvertrages und nachfolgend verschiedener Gesetzesänderungen (vgl dazu bereits BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 26). Auch bei der erstmaligen Bestimmung einer MGV für das Jahr 2009 hat der Erweiterte Bewertungsausschuss für die vertragsärztliche Versorgung (EBewA) Spielräume im Interesse
einer Angleichung der Gesamtvergütungen in den verschiedenen KÄV-Bezirken - nicht nur bezogen auf Unterschiede zwischen alten
und neuen Bundesländern - in rechtmäßiger Weise genutzt (vgl im Einzelnen BSGE 110, 258 = SozR 4-2500 § 87a Nr 1, RdNr 38 ff; BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 5 RdNr 21 ff). Schließlich hat der Gesetzgeber mit §
87d Abs
2 Satz 4
SGB V idF des GKV-FinG Vorgaben für eine asymetrische Anpassung der Gesamtvergütung mit dem Ziel einer gerechteren Verteilung zwischen
den KÄV-Bezirken für das Jahr 2011 geregelt, die gemäß §
87d Abs
2 Satz 7
SGB V vom BewA umzusetzen waren (vgl dazu die Beschlüsse des EBewA vom 5./11.10.2010, DÄ 2010, A 2193 f, vom 24.11.2010, DÄ 2010,
A 2576 und DÄ 2010, A 2587 ff) und dem BewA zudem in einem neuen §
87 Abs
9 SGB V aufgegeben, vor dem Hintergrund einer geplanten Überprüfung und Korrektur der gesamten Honorarreform (vgl BT-Drucks 17/3040,
S 24, zu § 87 Nr 7) bis zum 30.4.2011 ein Konzept für eine schrittweise Konvergenz der Vergütungen vorzulegen. Mit dem GKV-VStG sind die genannten Regelungen zur asymetrischen Anpassung der Gesamtvergütung jedoch nicht fortgeführt worden. Vielmehr hat
der Gesetzgeber den Umstand, dass §
87 Abs
9 SGB V idF des GKV-FinG nicht fristgerecht umgesetzt wurde, weil im BewA keine Einigung über ein Konzept zur schrittweisen Konvergenz
erzielt werden konnte, zum Anlass genommen, diese Vorschrift ersatzlos zu streichen. Unter diesen Umständen kann das Fehlen
von Regelungen zur Konvergenz im GKV-VStG nur als Ausdruck einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine weitere systematische Angleichung der Gesamtvergütungen
für die Zeit ab 2012 angesehen werden. Dass dem Entwurf eines GKV-VStG nicht das Konzept einer Anpassung der Gesamtvergütungen auf der Basis bundesdurchschnittlicher Normwerte zugrunde liegt und
dass aufgrund der Regionalisierung der Vergütungsregelungen regionale Unterschiede nicht ausgeschlossen werden können, wird
auch in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hervorgehoben (BT-Drucks
17/7735, S 2). Danach kann es zwar unter Geltung des §
87a Abs
4 SGB V idF des GKV-VStG in den verschiedenen KÄV-Bezirken in Abhängigkeit von den Verhandlungsergebnissen zu einer Annäherung der Höhe der Gesamtvergütung
je Versichertem kommen. Es gibt jedoch keine gesetzlichen Regelungen mehr, die auf eine solche Angleichung zielen würden,
und eine Angleichung der Gesamtvergütungen in unterschiedlichen KÄV-Bezirken ist - wie oben dargelegt - nach dem Wortlaut
der Regelung auch kein zulässiges Kriterium für eine Anhebung des vereinbarten Behandlungsbedarfs in einem KÄV-Bezirk oder
für eine Absenkung des Behandlungsbedarfs in einem anderen.
(9) Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit diesem Konzept bezogen auf den hier maßgebenden Zeitraum (Jahr 2013) seinen
Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte, sind nicht ersichtlich und auch von den Beteiligten nicht geltend gemacht
worden (zu den Maßstäben vgl BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 27). Ob eine weitere Angleichung unterschiedlich hoher Gesamtvergütungen im Bundesgebiet sinnvoll
ist (vgl das im Verfahren vor dem LSG eingeführte, im Auftrag der Beigeladenen erstattete Gutachten der Prof D, ua, Möglichkeiten
und Notwendigkeit der Morbiditätsmessung im Rahmen der vertragsärztlichen Vergütung unter besonderer Berücksichtigung des
Klassifikationsmodells des Bewertungsausschusses, September 2013) oder ob die "Ist-Leistungsmenge" des Jahres 2012 als Anknüpfungspunkt
für die Fortschreibung in das Jahr 2013 besser geeignet ist, sind gesundheitspolitische Fragen, deren Beantwortung dem Gesetzgeber
im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums obliegt. Dass dazu unterschiedliche Positionen vertreten werden können,
wird ua daran deutlich, dass einerseits die Gesamtvergütung des Jahres 2011 je Versichertem nach den Angaben der Beigeladenen
mit 323 Euro in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu 342 Euro im Bundesgebiet unterdurchschnittlich war, dass jedoch andererseits
nach den Darlegungen der Kläger die Vergütung je Arzt in Sachsen-Anhalt im hausärztlichen Versorgungsbereich über dem Bundesdurchschnitt
lag (vgl dazu auch Ärztezeitung vom 23.7.2014, S 5 unter Hinweis auf das im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes durch das IGES
Institut erstattete Gutachten "Zur Frage der Sachgerechtigkeit einer Basisanpassung der regionalen Gesamtvergütungen [Konvergenz
der Vergütungen]" vom 23.6.2014). Die Vergleichbarkeit der Gesamtvergütung je Versichertem würde zudem voraussetzen, dass
vergleichbare Strukturen ua bezogen auf den Anteil stationärer und ambulanter Behandlungen in den unterschiedlichen KÄV-Bezirken
bestehen. Daran haben die Kläger mit Blick auf fortbestehende Unterschiede ua zwischen den alten und den neuen Bundesländern
Zweifel geäußert, die unter Berücksichtigung der ganz unterschiedlichen Ausgangsbedingungen nach der Wiedervereinigung jedenfalls
nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen sind. Zudem hat der Anteil der Leistungen, die auf der Grundlage von Selektivverträgen
erbracht werden, Einfluss auf die Höhe der Gesamtvergütung. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Vereinbarung eines
höheren Behandlungsbedarfs und die dadurch bedingte Erhöhung der Gesamtvergütung in einem KÄV-Bezirk zwar zu einer Erhöhung
der ärztlichen Vergütung, aber nicht unmittelbar zu einem verbesserten Versorgungsangebot führt, das diesem höheren Behandlungsbedarf
Rechnung trägt. Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber zunächst die Auswirkungen
der Neugestaltungen der Vergütungsregelungen mit dem GKV-VStG insbesondere in Gestalt der Regionalisierung beobachtet. Nach dem Inhalt des am 16.12.2013 unterzeichneten Koalitionsvertrags
der Regierungsparteien soll in der 18. Legislaturperiode geprüft werden, "ob sich die Unterschiede in der ärztlichen Vergütung
durch Besonderheiten in der Versorgungs- und Kostenstruktur begründen lassen und wie unbegründete Unterschiede aufgehoben
werden können".
bb) Im Ergebnis folgt der Senat der Auffassung des LSG auch dahingehend, dass die weitere Erhöhung des Behandlungsbedarfs
für das Jahr 2013 in Höhe der Veränderungsrate von 2,6931 % nicht rechtmäßig war.
Gemäß §
87a Abs
4 Satz 3
SGB V ist die jeweils jahresbezogene Veränderung der Morbiditätsstruktur im Bezirk einer KÄV auf der Grundlage der vertragsärztlichen
Behandlungsdiagnosen gemäß §
295 Abs
1 Satz 2
SGB V einerseits sowie auf der Grundlage demographischer Kriterien (Alter und Geschlecht) andererseits durch eine gewichtete Zusammenfassung
der vom BewA als Empfehlungen nach §
87a Abs
5 Satz 2 bis
4 SGB V mitgeteilten Raten zu vereinbaren. Der BewA hat mit Beschluss vom 22.10.2012 (DÄ 2012, A 2322) die Veränderungsrate auf der
Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen für den Bezirk der Beigeladenen auf 2,6931 % und die Veränderungsrate
auf der Grundlage demographischer Kriterien auf 0,7247 % festgelegt.
Der Beklagte hat diese Vorgaben in der Weise umgesetzt, dass er der Anpassung allein den höheren der beiden Werte zugrunde
gelegt hat. Dabei handelt es sich nicht um das Ergebnis der gesetzlich geforderten "gewichteten Zusammenfassung". Eine Zusammenfassung
setzt nach dem Wortsinn voraus, dass beide Werte in die Veränderungsrate einfließen. Die vollständige Übernahme einer der
beiden zu berücksichtigenden Komponenten stellt demnach keine "Zusammenfassung" mehr dar. Bereits aus diesem Grunde ist die
Festsetzung der Veränderungsrate in Höhe des auf der Grundlage der vertragsärztlichen Behandlungsdiagnosen ermittelten Wertes
nicht mit §
87a Abs
4 Satz 3
SGB V vereinbar und damit rechtswidrig.
Bei der Antwort auf die Frage, welche Anforderungen an die vorzunehmende Zusammenfassung zu stellen sind, ist zu berücksichtigen,
dass der Gesetzgeber die Absicht hatte, den Partnern des Gesamtvertrages eine höhere Flexibilität und Kompetenz als unter
Geltung der Vorgängerregelung des §
87a Abs
5 Satz 1 Nr
2, Satz 2
SGB V idF des GKV-WSG einzuräumen, nach der der BewA das Verfahren zur Bestimmung von Veränderungen der Morbiditätsstruktur zu beschließen hatte
(vgl BT-Drucks 17/6906, S 63, zu § 87a Abs 4 Satz 3). Dies spricht dafür, den Vertragspartnern oder dem an ihrer Stelle entscheidenden
Schiedsamt einen erheblichen Gestaltungsspielraum bei der Bewertung der beiden nach §
87a Abs
4 Satz 3
SGB V vorgegebenen Kriterien - und ggf nach §
87a Abs
4 Satz 4
SGB V herangezogener weiterer relevanter Morbiditätskriterien (aa 5) - einzuräumen. Hohe Anforderungen an die Begründung der Abwägungsentscheidung
können grundsätzlich nicht gestellt werden. Die Gründe für das Entscheidungsergebnis müssen aber wenigstens andeutungsweise
erkennbar sein (BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 §
83 Nr 3 RdNr 18; s auch Wenner in Eichenhofer/Wenner,
SGB V, 2013, §
89 RdNr 24). Dies setzt voraus, dass tragfähige Tatsachenfeststellungen getroffen werden, auf deren Grundlage die Abwägung vorgenommen
wurde. Anderenfalls wäre eine Art
19 Abs
4 GG entsprechende gerichtliche Überprüfung, ob das Schiedsamt seinen Beurteilungsspielraum eingehalten hat, nicht möglich (vgl
BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 21).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe erweist sich der angefochtene Schiedsspruch auch deshalb als rechtswidrig, weil keine
tragfähigen Gründe für die vorgenommene Bewertung angegeben werden. Nach §
87a Abs
4 Satz 3
SGB V dient die gewichtete Zusammenfassung der beiden vom BewA mitgeteilten Werte der Festlegung der jahresbezogenen Veränderung
der Morbiditätsstruktur im Bezirk der KÄV. Danach geht es allein um Veränderungen, die gegenüber dem Vorjahr eingetreten sind
(vgl oben 2. c) aa). Aus diesem Grund kommen als sachgerechte Kriterien für die vorzunehmende Abwägung insbesondere Gesichtspunkte
in Betracht, die sich auf die Aussagekraft der beiden Werte gerade für die gegenüber dem Vorjahr eingetretene Veränderung
beziehen. Abweichend davon hat der Beklagte die Zugrundelegung des höheren der beiden Werte mit einer hohen Morbidität der
Versicherten in Sachsen-Anhalt und einer vergleichsweise niedrigen Gesamtvergütung begründet. Für beide Faktoren wird ein
Bezug zu Veränderungen gegenüber dem Vorjahr nicht hergestellt. Daher sind die mitgeteilten Gründe auch nicht geeignet, die
vorzunehmende Abwägung zwischen den zu berücksichtigenden Veränderungsraten sachgerecht zu begründen. Soweit die Beigeladene
in der mündlichen Verhandlung eine aus ihrer Sicht besonders hohe Aussagekraft der Behandlungsdiagnosen zur Bemessung der
gegenüber dem Vorjahr eingetretenen Veränderungen gerade im Bundesland Sachsen-Anhalt geltend macht, wäre dieser Gesichtspunkt
zwar grundsätzlich geeignet, eine höhere Bewertung der Behandlungsdiagnosen im Vergleich zu demographischen Kriterien zu begründen.
Allerdings finden sich dazu keine Ausführungen in den angefochtenen Schiedssprüchen, sodass nicht erkennbar ist, dass diese
Frage tatsächlich in die Beurteilung durch den Beklagten eingeflossen ist. Im Übrigen wäre Voraussetzung, dass sich der Beklagte
mit der Annahme, nach der die ärztlichen Behandlungsdiagnosen die Veränderung der Morbidität besser abbilden als die demographischen
Kriterien, auf eine tragfähige Grundlage beziehen kann.
Der Senat geht davon aus, dass die Umsetzung dieser Anforderungen in der Praxis besonders deshalb auf Schwierigkeiten stößt,
weil sachgerechte Kriterien für die vorzunehmende Gewichtung nur schwer zu finden sind. Mit Beschluss des EBewA vom 2.9.2009
(DÄ 2009, A 1907, A 1910, zu Teil B 2.3.3), waren der bundeseinheitlichen Veränderungsrate für das Jahr 2010 zu 61 % die Veränderungen
des Behandlungsbedarfs und zu 39 % die Veränderung demographischer Daten (Alter, Geschlecht) zugrunde gelegt worden. Bei der
Anpassung des Behandlungsbedarfs für die Jahre 2010 und 2011 nach §
87d Abs
4 SGB V idF des GKV-FinG hat der Gesetzgeber die Diagnosen und die Demographie dagegen jeweils hälftig gewichtet und davon noch einen
Abschlag vorgenommen (Ursprünglich war eine Halbierung des auf der Grundlage von Diagnosen und Demographie ermittelten Durchschnittswerts
auf 0,75 % vorgesehen, vgl BT-Drucks 17/3040, S 24; im Gesetzgebungsverfahren wurde der Satz auf 1,25 % erhöht, vgl BT-Drucks
17/3696, S 46). Zur Begründung der Mittelung mit Abschlägen wird in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/3040, S 24) darauf
hingewiesen, dass die Qualität der Diagnosedokumentation in den vertragsärztlichen Abrechnungen "noch verbesserungsfähig"
sei. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass einheitliche verbindliche Vorgaben für die Diagnosedokumentation
in Form der Kodierrichtlinien nicht, wie gesetzlich vorgesehen (vgl §
295 Abs
3 Satz 2
SGB V idF des GKV-WSG), bis zum 30.6.2009 vereinbart worden seien, sondern erst zum 1.1.2011 eingeführt würden. Tatsächlich wurden jedoch für die
ambulante vertragsärztliche Versorgung auch weiterhin keine Kodierrichtlinien als verbindliche Vorgabe vereinbart. Vielmehr
wurde die entsprechende gesetzliche Grundlage in §
295 Abs
3 Satz 2
SGB V mit dem GKV-VStG gestrichen. Gleichzeitig wurden die demographischen Kriterien (Alter und Geschlecht) gleichberechtigt neben den vertragsärztlichen
Behandlungsdiagnosen als Faktoren, die bei der Vereinbarung des Behandlungsbedarfs zu berücksichtigen sind, in §
87a Abs
4 SGB V aufgenommen. Die Qualität einer Kodierung, die ohne die detaillierten und verbindlichen Vorgaben einer Kodierrichtlinie durchgeführt
wird, ist umstritten (zur Position der Krankenkassen vgl Staffeldt, G+S 2011, 34, 37, sowie die im Auftrag des GKV-Spitzenverbands
in Kooperation mit der BARMER GEK von der IGES Institut GmbH herausgegebene Studie "Bewertung der Kodierqualität von vertragsärztlichen
Diagnosen" vom 3.12.2012), sodass die Veränderung des Behandlungsbedarfs auf dieser Grundlage zumindest konfliktträchtig ist.
Andererseits hat der Gesetzgeber mit dem GKV-VStG trotz fehlender Kodierrichtlinien daran festgehalten, dass die ärztlichen Behandlungsdiagnosen neben demographischen Faktoren
in die Vereinbarung nach §
87a Abs
4 Satz 3
SGB V einfließen. Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass entsprechend der gesetzgeberischen Wertung, die der Anpassung
mit dem GKV-FinG für die Jahre 2011 und 2012 zugrunde lag, für den Regelfall weiterhin von einer hälftigen Gewichtung beider
Faktoren ausgegangen werden kann. Für einen Abschlag von dem so ermittelten Wert gibt es allerdings nach Auslaufen der Übergangsregelung
des §
87d Abs
2 SGB V idF des GKV-FinG keine Grundlage mehr. Eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende "zusammenfassende Gewichtung" erfolgt
danach, wenn die Veränderungsrate so festgesetzt wird, dass sie von der niedrigeren Rate (hier: Demographie) gleich weit entfernt
ist wie von der höheren Rate (hier: Diagnosen). Soweit die Veränderungsrate durch das Schiedsamt in dieser Weise festgesetzt
wird, erübrigen sich nähere Ausführungen zu den Tatsachengrundlagen und der auf dieser Basis vorgenommenen Bewertung. Von
dieser Mittelung der beiden Raten abweichende Festsetzungen sind zulässig, müssen dann aber nachvollziehbar und unter Angabe
der berücksichtigten Tatsachen begründet werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO. Die Kostenpflicht der Beigeladenen als erfolglose Rechtsmittelführerin beruht auf §
154 Abs
2 VwGO. Diese Regelung ist im Falle eines erfolglosen Rechtsmittels die allein maßgebliche Kostenvorschrift. Dementsprechend ist
in einem solchen Fall kein Raum für eine Kostenpflicht auch des Beklagten, der selbst kein Rechtsmittel eingelegt hat, unabhängig
davon, ob sein Bescheid aufgehoben wird. In einer solchen Konstellation ist der unterlegene Hauptbeteiligte (Beklagte), der
keinen Antrag gestellt hat, vielmehr sogar grundsätzlich kostenerstattungsberechtigt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 25, mwN).