Fehlerhafte Verteilung des Sprechstundenbedarfs zwischen Primär- und Ersatzkassen
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung verpflichtet sind, Schadensregresse wegen
der vom Vertragsarzt vorgenommenen fehlerhaften Zuordnung von Sprechstundenbedarf (SSB) festzusetzen.
Der Ortsausschuss Weimar des klagenden Ersatzkassenverbandes beantragte im September 1995 beim Prüfungsausschuss, die Wirtschaftlichkeit
der Verordnung von SSB durch den zu 2. beigeladenen Vertragsarzt im Jahr 1994 zu prüfen. Die Prüfung ergab - bezogen auf die
Versicherten der Ersatzkassen - eine Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 185 %. Der Prüfungsausschuss beschloss,
dem Beigeladenen zu 2. einen "Hinweis" auf den Umfang der SSB-Kosten zu geben. Er stellte fest, dass in der Praxis des Arztes
in Relation zur Zahl der Ersatzkassenversicherten zu viel SSB zu Lasten der Ersatzkassen verordnet worden sei. Der auf die
Ersatzkassen entfallende Anteil hätte statt 43 % nur 26 % betragen dürfen. Dieser Zuordnungsfehler des Beigeladenen zu 2.
sei indessen nicht Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, der Prüfungsausschuss sei auf der Grundlage des § 13 Abs 3 der Prüfvereinbarung
verpflichtet festzustellen, ob und in welcher Höhe den Ersatzkassen durch den Zuordnungsfehler des Vertragsarztes ein Schaden
entstanden sei. Der Prüfungsausschuss wertete den Widerspruch als Antrag auf Festsetzung eines "sonstigen Schadens" in Höhe
von 7.763,14 DM und lehnte ihn ab.
Der beklagte Beschwerdeausschuss wies den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers zurück. Aus den maßgeblichen Vorschriften
der Prüfvereinbarung folge, dass die Prüfgremien nicht über jeden vom Arzt verursachten Schaden zu entscheiden hätten, sondern
lediglich über Fälle, in denen im weitesten Sinne das Wirtschaftlichkeitsgebot berührt werde. Nachdem der Kläger seinen Widerspruch
in der Sitzung des Prüfungsausschusses vom 26. August 1996 zurückgenommen habe, stehe die Wirtschaftlichkeit des vom Arzt
1994 verordneten SSB nicht mehr im Streit; der Ausgleich der entstandenen Fehlbelastung der Kostenträger untereinander sei
nicht Aufgabe der Prüfgremien.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben, den Bescheid des Beklagten aufgehoben und diesen verurteilt, über den Antrag des Klägers auf
Festsetzung eines sonstigen Schadens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Auf die Berufung
des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Prüfgremien seien für
die Festsetzung eines sonstigen Schadens, der allein darauf beruhe, dass der Vertragsarzt den SSB seiner Praxis falsch zwischen
Ersatzkassen und Primärkassen aufgeteilt habe, nicht zuständig (Urteil vom 25. Juni 2003).
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des §
106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) sowie des §
44 Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassen (Arzt-/Ersatzkassenvertrag >EKV-Ä<). Nach § 13 Abs 1 der im Bezirk der zu 1. beigeladenen
Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) geltenden Prüfvereinbarung könnten die Verbände der Krankenkassen die Feststellung eines
"sonstigen Schadens" beantragen, den der Vertragsarzt infolge schuldhafter Verletzung vertragsärztlicher Pflichten verursacht
habe. Nach § 13 Abs 3 der Prüfvereinbarung entscheide der Prüfungsausschuss darüber, ob und in welcher Höhe einer Krankenkasse
durch Verschulden des Vertragsarztes ein zu ersetzender Schaden entstanden sei. Diese Vorschriften seien von der gesetzlichen
Ermächtigungsgrundlage des §
106 Abs
3 SGB V gedeckt, denn auch die fehlerhafte Zuordnung von SSB mache sich zunächst bei der statistischen Überprüfung der SSB-Verordnungen
bemerkbar. Insoweit bestehe ein enger Zusammenhang zur Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die Überprüfung der richtigen Verteilung
des SSB auf die Kostenträger lasse sich nie trennscharf von der Überschreitung auf Grund unwirtschaftlicher Verordnung von
SSB unterscheiden. Auch unter Einbeziehung der SSB-Kosten der Primärkassen betrage die Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts
beim SSB seitens des Beigeladenen zu 2. über alle Kassenarten hinweg immer noch 86 %. Ihm - dem Kläger - sei infolge der fehlerhaften
Verordnungsweise des Beigeladenen zu 2. ein Schaden entstanden, für den er einen Ausgleich von der AOK Thüringen auch nicht
über einen Erstattungsanspruch gemäß § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erlangen könne. - Zumindest hätte das LSG dem Hilfsantrag stattgeben müssen, auf der Grundlage des § 44 Abs 4 EKV-Ä die
Beigeladene zu 1. zu verpflichten, den den Ersatzkassen entstandenen Schaden festzustellen. Entgegen der Auffassung des LSG
sei nämlich der "zuständige Kostenträger" nicht durch eigene Ermittlungen feststellbar. Die Vorschrift sei auf die unzutreffende
Angabe des Kostenträgers bei einzelnen, namentlich benannten Versicherten zugeschnitten und könne in der Konstellation der
falschen Verteilung der SSB-Kosten auf Primär- und Ersatzkassen nicht angewandt werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 25. Juni 2003 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil
des Sozialgerichts Gotha vom 11. Juli 2001 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 25. Juni 2003 aufzuheben und unter teilweiser Abänderung des Urteils des
Sozialgerichts Gotha vom 11. Juli 2001 die Beigeladene zu 1. zu verpflichten, über seinen - des Klägers - Antrag auf Feststellung
eines sonstigen Schadens zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verweist auf Schwierigkeiten, die sich bei einer Festsetzung von Regressen wegen fehlerhafter Zuordnung von SSB zu Primär-
und Ersatzkassen ergäben. Vor allem könnte dann ein Regress festzusetzen sein, obwohl der Arzt bei einer alle Kassenarten
einbeziehenden Betrachtungsweise wirtschaftlich verordnet habe. Das sei nicht zu akzeptieren. Es sei nach wie vor Sache der
Ersatzkassen, in den Fällen, in denen sie sich durch eine falsche Zuordnung von SSB belastet sähen, bei der AOK Thüringen
Regress zu nehmen. Diese sei zuständig, weil 1994 alle SSB-Verordnungen für den Primärkassenbereich zu ihren Lasten hätten
erfolgen müssen.
Die Beigeladene zu 1. beantragt ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Sachverhalte, in denen das Bundessozialgericht (BSG) bislang die Zuständigkeit der Prüfgremien
gemäß §
106 SGB V zur Feststellung eines "sonstigen Schadens" bejaht habe, unterschieden sich von dem hier vorliegenden. Der Beigeladene zu
2. dürfe nicht verpflichtet werden, denjenigen Krankenkassen, zu deren Lasten er zu viel SSB verordnet habe, die Kosten zu
erstatten, während die an sich zuständige Krankenkasse Kosten einsparen würde, die sie auf Grund der gesetzlichen Regelungen
hätte tragen müssen. Es sei nicht Aufgabe der Vertragsärzte, aus ihrem Honorar Kosten des SSB zu finanzieren. - Auch ein Anspruch
des Klägers auf der Grundlage des § 44 Abs 4 EKV-Ä bestehe nicht. Danach müsse die antragstellende Ersatzkasse versichern,
dass der zuständige Kostenträger durch Eigenermittlungen nicht festgestellt werden könne. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt,
weil feststehe, dass insoweit nur die AOK Thüringen zuständig sein könne, der im streitbefangenen Zeitraum 1994 der gesamte
SSB für Versicherte der Primärkassen zugeordnet und zu deren Lasten er auch tatsächlich verordnet worden sei.
Der Beigeladene zu 2. ist im Revisionsverfahren nicht durch einen zur Vertretung beim BSG berechtigten Bevollmächtigten vertreten
und äußert sich nicht.
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Das LSG hat das sozialgerichtliche Urteil zu Unrecht aufgehoben. Das SG hat zutreffend erkannt, dass der angefochtene Bescheid des Beklagten rechtswidrig ist. Dieser ist verpflichtet, über den
Widerspruch des Klägers gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses erneut zu entscheiden. Die Prüfgremien sind für die
Entscheidung darüber zuständig, ob der Vertragsarzt bei der Verordnung von SSB die maßgeblichen gesetzlichen und untergesetzlichen
Vorschriften beachtet hat.
Soweit der Antrag auf Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise von SSB gerichtet ist, beruht die Zuständigkeit
der Prüfgremien auf § 9 Abs 1 der im Bezirk der zu 1. beigeladenen KÄV geltenden Prüfvereinbarung vom 16. August 1993. Dort
ist normiert, was sich bereits unmittelbar aus §
106 Abs
2 Satz 1 Nr
1 SGB V in der ab dem 1. Januar 1993 bis zur Neufassung des §
106 SGB V durch Art 1 Nr 82 des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003 (BGBl I 2190) zum 1. Januar 2004 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes
(GSG) ergibt. Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird danach durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter
Leistungen nach Durchschnittswerten geprüft. Dazu vereinbaren die in §
106 Abs
2 Satz 3
SGB V genannten Vertragspartner die Verfahren der Prüfung der Wirtschaftlichkeit gemeinsam und einheitlich. Der SSB zählt zu den
"ärztlich verordneten Leistungen", deren Verordnung nach Durchschnittswerten geprüft werden kann.
Bezogen auf die Versicherten der Ersatzkassen und die Kostentragungsverpflichtung der Mitgliedskassen des Klägers steht nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts (§
163 Sozialgerichtsgesetz >SGG<) außer Streit, dass der Beigeladene zu 2. in den vier Quartalen des Jahres 1994 bei der Verordnung von SSB das Wirtschaftlichkeitsgebot
verletzt hat. Für eine Überschreitung der Durchschnittswerte um 185 % sind rechtfertigende Gründe weder geltend gemacht worden
noch ersichtlich. Entgegen der Auffassung des LSG entfällt die Zuständigkeit der Prüfgremien nicht deshalb, weil - wie im
Verwaltungsverfahren festgestellt worden ist - der hohe Überschreitungswert bezogen auf die Ersatzkassen insbesondere darauf
zurückzuführen ist, dass der beigeladene Arzt den SSB seiner Praxis falsch auf Ersatz- und Primärkassen verteilt hat.
Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, daher den Senat bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beigeladene zu 2. in Relation zur Zahl seiner Patienten und deren Verteilung
auf Primär- und Ersatzkassen im Jahre 1994 zu viel SSB zu Lasten der Ersatzkassen und dementsprechend zu wenig SSB zu Lasten
der für die Primärkassen insoweit zuständigen AOK Thüringen verordnet. Nach Abschnitt II Nr 2 der "Regelung über die Verordnung
von SSB" zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Verbänden der Ersatzkassen vom 7. Februar 1991, die in Thüringen
bis zum Inkrafttreten der Kassenarten übergreifenden SSB-Vereinbarung am 1. Januar 1995 gegolten hat und die revisibles Recht
darstellt (vgl §
162 SGG), muss der Umfang des nach Abschnitt I Nr 1 zu Lasten der Ersatzkassen zu verordnende SSB "zur Zahl der Ersatzkassenfälle
in angemessenem Verhältnis stehen". Dagegen hat der Beigeladene zu 2. verstoßen, was er selbst eingeräumt hat.
Ob der beigeladene Arzt unter Berücksichtigung des sachlich richtigen Schlüssels der Verteilung der Versicherten seiner Praxis
den SSB insgesamt wirtschaftlich verordnet hat, steht noch nicht fest. Die Wertung des LSG, der Kläger habe seinen Widerspruch
gegen den ersten Bescheid des Prüfungsausschusses "zurückgenommen" und nur noch einen Antrag auf Festsetzung eines "sonstigen
Schadens" weiterverfolgt, stellt keine den Senat nach §
163 SGG bindende Tatsachenfeststellung dar. Der Kläger musste auf den Umstand reagieren, dass der Prüfungsausschuss und der Beklagte
zu Unrecht angenommen haben, das einheitliche Verfahren zur Prüfung der Verordnungsweise des zu 2. beigeladenen Arztes könne
bzw müsse aufgespalten werden in ein die Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne und ein die Zuordnung des SSB auf die Kostenträger
betreffendes Verfahren. Der Kläger wollte ersichtlich diese Rechtsauffassung zur gerichtlichen Überprüfung stellen und insoweit
eine klagefähige Entscheidung erreichen. Deshalb hat er den Antrag auf Schadensfeststellung gestellt. Für einen von diesem
verfahrensmäßigen Interesse unabhängigen Verzicht des Klägers auf eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bestand bei einer Überschreitung
des Fachgruppendurchschnitts um (bereinigte) 86 % kein Anlass.
Die Prüfgremien im Bereich der Beigeladenen zu 1. sind gemäß § 13 Abs 3 der gemeinsamen Prüfvereinbarung auch befugt, die
Folgen einer fehlerhaften Zuordnung von SSB auf die betroffenen Kassenbereiche durch einen Vertragsarzt festzustellen. Dort
ist im Einklang mit § 48 Abs 1 BMV-Ä und § 44 Abs 1 EKV-Ä bestimmt, dass die Prüfgremien auf Antrag einer Krankenkasse den
sonstigen, von einem Vertragsarzt verursachten Schaden festzustellen berechtigt bzw verpflichtet sind. Die falsche Verteilung
von SSB auf die Primär- und Ersatzkassen stellt sich als Verursachung eines "sonstigen Schadens" dar, der mit dem Gebot der
Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise des Vertragsarztes in engem Zusammenhang steht. Zutreffend weist
die Revision darauf hin, dass sich in zahlreichen Fällen nicht trennscharf abgrenzen lässt, welcher Anteil der Überschreitung
der Durchschnittswerte beim SSB auf einer fehlerhaften Kostenverteilung zwischen Primärkassen und Ersatzkassen beruht, und
welcher Anteil auf ein insgesamt unwirtschaftliches Verordnungsverhalten des Vertragsarztes zurückgeht (zur vergleichbaren
Schwierigkeit "randscharfer" Abgrenzung zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfung und Honorarberichtigung vgl BSG SozR 3-2500 §
106 Nr 29 S 163). Es würde zu einer unzumutbaren verfahrensmäßigen Komplizierung führen, insoweit die Verfahren zu trennen.
Das Prüfungsverfahren hinsichtlich der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes im engsten Sinne, dh unabhängig von der Zuordnung
der SSB-Verordnungen zu den in Frage kommenden Kostenträgern, müsste regelmäßig ausgesetzt werden, um zunächst eine genaue
Kostenverteilung auf die beiden betroffenen Kassenbereiche vorzunehmen, weil erst dann die für das weitere Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren
unverzichtbare Kenntnis von den jeweiligen Überschreitungswerten vorliegt.
Bundesrecht steht einer Übertragung der Zuständigkeit auf die Prüfgremien, die fehlerhafte Zuordnung von SSB auf einen Kostenträger
festzustellen und zu sanktionieren, nicht entgegen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 9. September 1998 (BSG SozR 3-5533
Allg Nr 2 S 10, mwN) im Einzelnen dargelegt, dass §
106 SGB V die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausschließlich den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Vertragsärzten
und Krankenkassen zuweist. Die Vorschrift schließt aber nicht aus, dass den Wirtschaftlichkeitsprüfungsgremien durch gesamtvertragliche
Vereinbarung gemäß §§
82,
83 SGB V andere Zuständigkeiten, insbesondere zur sachlich-rechnerischen Honorarberichtigung und zur Festsetzung von Schadensersatzansprüchen
wegen unzulässiger Arzneiverordnungen übertragen werden können. Die Zuweisung von Entscheidungskompetenzen, die zwar nicht
der eigentlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung zuzurechnen sind, sich aber im weitesten Sinne noch innerhalb des Rechtszwecks
der Gewährleistung einer wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten halten, steht mit Bundesrecht in Einklang. Demgemäß
hat es der Senat gebilligt, dass durch gesamtvertragliche Regelungen den Prüfgremien die Befugnisse zur sachlich-rechnerischen
Honorarberichtigung und zur Festsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen unzulässiger Arzneiverordnungen übertragen werden
(BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 29 S 162 f; SozR 3-5533 Allg Nr 2 S 10). Auch die Festsetzung von Regressen gegen einen Vertragsarzt
wegen der Verordnung solcher Mittel als SSB, deren Kosten bereits mit dem Honorar abgegolten sind, darf den Prüfgremien zugewiesen
werden (SozR aaO § 106 Nr 29 für den zahnärztlichen und SozR aaO 5533 Allg Nr 2 für den ärztlichen Bereich). Der Senat hat
bisher offen gelassen, ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn keinerlei Bezug zwischen dem Verordnungsverhalten des Arztes
und der Wirtschaftlichkeit und Ordnungsgemäßheit der vertragsärztlichen Versorgung gegeben ist. Dies bedarf auch hier keiner
Entscheidung, denn zwischen einer unwirtschaftlichen Verordnung von SSB und der falschen Verteilung des SSB auf verschiedene
Kassenbereiche besteht vielfach - wie gerade dieses Verfahren zeigt - ein enger Zusammenhang.
Der Zuständigkeit der Prüfgremien steht gleichfalls nicht entgegen, dass Regressansprüche wegen der fehlerhaften Verordnung
von SSB nur festgesetzt werden könnten, wenn der Vertragsarzt insoweit schuldhaft gehandelt hat. In der Rechtsprechung des
Senats ist geklärt, dass der Schadensregress gegen den Vertragsarzt wegen fehlerhafter Arzneiverordnungen, wegen der Verordnung
von Arzneimitteln, für die keine Leistungspflicht der Krankenkassen besteht, und wegen der Verordnung von SSB, dessen Kosten
bereits mit dem Honorar abgegolten sind, nicht voraussetzt, dass den Vertragsarzt insoweit ein Verschulden trifft (BSG SozR
3-2500 § 106 Nr 52 S 283 ff). Der Senat hat im Einzelnen dargelegt, dass sich der durch fehlerhaftes Verordnungsverhalten
des Arztes einer Krankenkasse entstandene Schaden von anderen "sonstigen Schäden" grundlegend unterscheidet. Bei Verordnungsregressen
besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkasse darin, dass sie an Apotheken Geldbeträge für Arzneien gezahlt hat, welche
dem Versicherten gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung ausgehändigt wurden und ausgehändigt werden durften. Der
"Schaden", der durch einen Verordnungsregress auszugleichen ist, entspricht dagegen demjenigen, der durch eine unwirtschaftliche
Verordnungsweise iS von §
106 Abs
2 Satz 1 Nr
1 SGB V aF verursacht worden ist. Der typische Schadensregress außerhalb des Verordnungsverhaltens ist hingegen dadurch gekennzeichnet,
dass das Verhalten des Arztes (zB ein Behandlungsfehler oder eine falsche Bescheinigung) Folgekosten der Krankenkasse ausgelöst
hat (zB notwendige Nachbehandlung, Leistungen wegen Mutterschaft). Der dann zu ersetzende Schaden ist der Struktur nach einem
Mangelfolgeschaden nach bürgerlichem Recht vergleichbar; insoweit ist dann auch ein Verschulden erforderlich (vgl zur Abgrenzung
BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 18). Für den SSB gilt nichts anderes als für die versichertenbezogene Verordnung von Arzneimitteln.
Der Unterschied zwischen beiden besteht allein darin, dass die über den SSB verordneten Arzneimittel und Medizinprodukte wegen
der Art ihrer Verwendung nicht für den einzelnen Versicherten, sondern pauschal zu Lasten bestimmter Kostenträger und Versichertengruppen
verordnet werden. An dem Charakter des der Krankenkasse als Kostenträger entstehenden Schadens durch fehlerhafte Verordnung
von SSB als einem unmittelbaren Schaden und nicht als mittelbarem Mangelfolgeschaden ändert sich dadurch nichts. Das bedeutet,
dass es für die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen fehlerhafter oder unwirtschaftlicher Verordnung von SSB auf ein Verschulden
des Vertragsarztes nicht ankommt. Die in § 13 Abs 1 und 3 der Prüfvereinbarung enthaltene Begrenzung der Feststellung von
Schadensersatzansprüchen gegenüber Vertragsärzten auf schuldhaftes Verhalten greift deshalb bei geltend gemachten Verstößen
gegen die SSB-Vereinbarung genauso wenig ein wie bei generell unzulässigen Arznei- und SSB-Verordnungen.
Für die Zuständigkeit der Prüfgremien zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Sprechstundenverordnungen des zu 2. beigeladenen
Vertragsarztes im Jahre 1994 ist weiterhin ohne Bedeutung, ob und ggf in welcher Höhe dem Kläger durch die falsche Verteilung
der SSB-Kosten auf die Ersatzkassen einerseits und die Primärkassen andererseits tatsächlich ein Schaden entstanden ist. Dies
zu prüfen und ggf die Höhe des Schadens zu schätzen, ist gerade Aufgabe der Prüfgremien und insbesondere des beklagten Beschwerdeausschusses.
Die Auffassung des Berufungsgerichts und der Beigeladenen zu 1., der Beigeladene zu 2. könne dann, wenn sich seine Verordnungsweise
insgesamt als wirtschaftlich herausstellen und ihm lediglich ein Fehler bei der Verteilung des SSB auf Primär- und Ersatzkassen
zur Last fallen sollte, für die fehlerhafte Belastung des Klägers nicht in Anspruch genommen werden, trifft nicht zu. Die
Ursache für die zu starke Belastung des Klägers mit SSB-Kosten für die Behandlung von Patienten des Beigeladenen zu 2. im
Jahre 1994 liegt in dessen fehlerhaftem Verordnungsverhalten. Es ist deshalb in erster Linie seine Verpflichtung, den dem
Kläger entstandenen Schaden auszugleichen. Dem LSG kann insoweit schon im Ausgangspunkt nicht gefolgt werden, als es in Frage
gestellt hat, ob dem Kläger überhaupt ein Schaden entstanden ist, weil dieser in der Lage sei, Ausgleichs- bzw Erstattungsansprüche
gegen die AOK Thüringen geltend zu machen, zu deren Lasten der Beigeladene zu 2. "zu wenig" SSB verordnet habe. Wenn der Vertragsarzt
den Kostenträgern SSB falsch zugeordnet hat, ist das Verfahren vor dem Prüfungs- ggf Beschwerdeausschuss der geeignete Weg,
die insoweit entstandenen Probleme zu lösen.
Die Prüfgremien werden in einer solchen Konstellation die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Krankenkassen bzw
zumindest die für den SSB für die Primärkassen vorrangig zuständige AOK auf der Grundlage des § 12 Abs 2 SGB X am Verfahren beteiligen. In diesem Verfahren kann dann ggf im Vergleichswege geklärt werden, wie die Kosten zwischen den
Primärkassen und den Ersatzkassen richtig verteilt werden und ob Beträge offen bleiben, die nicht mehr rückabgewickelt werden
können. Für diese Beträge hat dann der Vertragsarzt einzustehen, dessen fehlerhaftes Verordnungsverhalten für die entstandenen
Komplikationen ursächlich gewesen ist. Es spricht nichts dafür, das von den Gesamtvertragspartnern für die Überprüfung von
SSB-Verordnungen geschaffene, in § 9 Abs 9 der gemeinsamen Prüfvereinbarung näher geregelte Verfahren vor den Gremien der
vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung auszuschalten und das Problem fehlerhafter Zuordnung von SSB einem Streitverfahren
zwischen dem Kläger und der AOK zu überantworten. Das widerspräche vor allem auch den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung,
wie sie etwa in §
255 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) niedergelegt sind. Danach hat derjenige, der für den Verlust einer Sache oder eines Rechts Schadensersatz zu leisten hat,
Anspruch auf Abtretung der Ansprüche, die dem Ersatzberechtigten gegen Dritte zustehen. Aus §
255 BGB ergibt sich, dass der Geschädigte grundsätzlich auch dann vollen Schadensersatz verlangen kann, wenn ihm zugleich ein Anspruch
gegen einen Dritten zusteht. Die Abtretungsverpflichtung von Ersatzansprüchen ist Ausdruck des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbotes.
Sie soll verhindern, dass der Geschädigte sowohl den Schädiger als auch den Dritten in Anspruch nimmt und so einen doppelten
Ausgleich erhält (Palandt/Heinrichs,
BGB, 63. Auflage 2004, §
255 RdNr 1). Darin kommt ein allgemeiner Rechtsgrundsatz zum Ausdruck, der auf das hier zu beurteilende Dreiecksverhältnis Anwendung
findet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schließt der Umstand, dass dem Kläger möglicherweise Ersatzansprüche
gegen Dritte (zB gegen die AOK Thüringen oder die Primärkassen insgesamt) insbesondere unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten
Bereicherung dieser Kassen zustehen, keineswegs aus, dass er vorrangig einen Schadensersatzanspruch gegen denjenigen hat,
der für die eingetretene Situation und damit die ungerechtfertigte Belastung des Klägers verantwortlich ist. In erster Linie
ist es Sache des Schädigers, den Schaden auszugleichen und dann ggf auf der Grundlage der ihm abgetretenen Ausgleichsansprüche
Ersatz bei Dritten zu suchen. Im Hinblick auf die Besonderheiten der vertragsärztlichen Versorgung ist es nicht nur gerechtfertigt,
sondern in besonderer Weise sachgerecht, die Klärung der bestehenden Ausgleichsverpflichtungen im Rahmen des Verfahrens vor
den Gremien der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung zu suchen. Dazu hat das SG der Sache nach den Beklagten verpflichtet.
Entgegen der Darstellung der Beigeladenen zu 1. hat das SG den Beklagten nicht verpflichtet, gegen den Beigeladenen zu 2. einen Schadensersatzanspruch in einer bestimmten bezifferbaren
Höhe festzusetzen, sondern ihm lediglich aufgegeben, in der Sache zu entscheiden. Dies schließt gerade eine Einbeziehung der
AOK Thüringen und die Suche nach einer vergleichsweisen Regelung ein. Klarzustellen ist lediglich, dass das SG zu Unrecht auch den Bescheid des Prüfungsausschusses aufgehoben hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in vertragsärztlichen
Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren allein Streitgegenstand nach §
95 SGG der Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses (BSGE 74, 59 = SozR 3-2500 §
106 Nr 22). Dieser wird über den Widerspruch des Klägers gegen die beiden in dieser Sache ergangenen Bescheide des Prüfungsausschusses
erneut zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Absatz
1 und 4
SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).