Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren
Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
Klärungsbedürftigkeit von Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht in der vertragsärztlichen Versorgung
Gründe:
I
Im Streit steht die Höhe der Vergütung nephrologischer Leistungen.
Die Klägerin ist Fachärztin für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie und im Bezirk der beklagten KÄV zur vertragsärztlichen
Versorgung zugelassen. Die Beklagte vergütete die das Regelleistungsvolumen (RLV) und das qualifikationsgebundene Zusatzvolumen (QZV) übersteigenden Honorarforderungen der Klägerin in den Quartalen III/2010
bis I/2011 nur abgestaffelt mit einer Quote in Höhe von etwa 7 %. Die gegen die jeweiligen Honorarbescheide erhobenen Widersprüche
der Klägerin blieben ebenso erfolglos wie die nachfolgende Klage (Widerspruchsbescheid vom 1.9.2011, Urteil des SG vom 6.11.2013). Mit Urteil vom 8.6.2016 hat das LSG auch die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die von
der Klägerin erbrachten nephrologischen Leistungen innerhalb der RLV-Systematik vergütet. Sie habe damit den Vorgaben des Bewertungsausschusses (BewA) entsprochen, die ihrerseits mit höherrangigem
Recht in Einklang stünden. Es seien keine Gründe ersichtlich, die eine Vergütung nephrologischer Leistungen außerhalb der
RLV-Systematik erforderlich machten. Die Zielsetzung der RLV-Systematik sei nicht auf die Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der ärztlichen Tätigkeit beschränkt. Auch sei die
Einbeziehung der nephrologischen Leistungen vom Gestaltungsspielraum des BewA gedeckt. Schließlich könne die Klägerin nicht
mit Erfolg beanstanden, dass die Gesamtvertragspartner davon abgesehen hätten, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen, nephrologische
Leistungen außerhalb der RLV zu vergüten, weil dies keiner gerichtlichen Überprüfung unterliege.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG) sowie Rechtsprechungsabweichungen (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
2 SGG) geltend.
II
Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg, denn sie ist unzulässig.
1. Soweit die Klägerin geltend macht, das Urteil des Berufungsgerichts weiche von der Rechtsprechung des SG Marburg ab, ergibt
sich die Unzulässigkeit der Beschwerde bereits daraus, dass eine Zulassung der Revision nach §
160 Abs
2 Nr
2 SGG nur dann in Betracht kommt, wenn das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Andere Entscheidungen ermöglichen keine Zulassung wegen Divergenz (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160 RdNr 11).
2. Soweit die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage,
"ob § 87 b Abs. 2 in der geltenden Fassung den Bewertungsausschuss berechtigen konnte, in seinen Beschlüssen vom 26.03.2010
die besonderen Leistungen der nephrologischen Betreuung gemäß GOP 13601 EBM sowie 13602 bis 13612 undifferenziert über den gesamten Abschnitt 13.3.6 EBM in die Budgetierungssystematik der
RLV bzw. QZV aufzunehmen",
geltend macht, ist ihre Beschwerde unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Darlegungsanforderungen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG entspricht.
Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage
in klarer Formulierung bezeichnet (vgl BVerfGE 91, 93, 107 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren
entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Es muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht
ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Bei einer Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde ist es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten,
die einschlägige Rechtsprechung aufzuführen und sich damit zu befassen; eine Beschwerdebegründung, die es dem Gericht überlässt,
die relevanten Entscheidungen zusammenzusuchen, wird den Darlegungserfordernissen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG nicht gerecht. Lediglich kursorische Hinweise ohne Durchdringung des Prozessstoffs reichen nicht aus (vgl BVerfG [Kammer],
DVBl 1995, 35). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s zB BVerfG [Kammer], SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14).
Besondere Darlegungsanforderungen bestehen dann, wenn - wie im vorliegenden Fall bezüglich der Ermächtigungsgrundlage des
§
87b Abs
2 SGB V in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung - ausgelaufenes Recht betroffen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine Rechtsnorm, bei der es sich um ausgelaufenes Recht handelt, regelmäßig nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil
die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage daraus erwächst, dass ihre Klärung nicht nur für den Einzelfall, sondern im
Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung erforderlich ist (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 10 mwN). Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht kann eine Klärungsbedürftigkeit nur anerkannt
werden, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage dieses ausgelaufenen Rechts zu entscheiden ist oder wenn
die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 19; BSG Beschluss vom 7.2.2007 - B 6 KA 56/06 B - Juris RdNr 6; Beschluss vom 11.3.2009 - B 6 KA 31/08 B - Juris RdNr 20; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 10 mwN). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist, wenn dies nicht offensichtlich ist, gemäß §
160a Abs
2 Satz 3
SGG in der Beschwerdebegründung darzulegen (BSG aaO). Die bloße Behauptung, es sei noch eine erhebliche Anzahl von Altfällen nicht bestandskräftig abgeschlossen, genügt
nicht (BSG Beschluss vom 24.9.2003 - B 6 KA 57/03 B - Juris RdNr 10).
Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin trägt selbst vor, dass die streitgegenständlichen Leistungen
seit dem Quartal III/2013 außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung extrabudgetär und ungekürzt vergütet werden.
Ihr Vorbringen, dass die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage gleichwohl klärungsbedürftig sei, begründet sie demgegenüber nicht
den Anforderungen entsprechend. Die bloße Behauptung, "es könnte sehr kurzfristig wieder eine Situation entstehen, die der
Rechtsfrage erneute praktische und versorgerische Aktualität gibt", genügt dazu nicht.
Im Übrigen wäre die von der Klägerin formulierte Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig, sodass die Beschwerde - ihre Zulässigkeit
unterstellt - insoweit auch nicht begründet wäre. Zur Frage der (Nicht-)Einbeziehung von Arztgruppen in die RLV hat der Senat in seinem - in der Beschwerdebegründung erwähnten - Urteil vom 3.2.2010 (B 6 KA 31/09 R - BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53) auf die dem BewA zustehende Gestaltungsfreiheit verwiesen, die ihn berechtigt, innerhalb der hierfür
maßgeblichen Grenzen - insbesondere dem Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art
3 Abs
1 GG - zu entscheiden, für welche Arztgruppen er RLV vorsieht und für welche nicht (BSG aaO RdNr 26 f; bestätigt durch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 27 ff; BSG SozR 4-2500 § 87b Nr 8 RdNr 24 sowie durch BSG Urteil vom 15.6.2016 - B 6 KA 18/15 R - RdNr 44, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Speziell in Bezug auf die Fachgruppe der Nephrologen und die von diesen
erbrachten Leistungen nach Nr 13600 bis 13621 Einheitlicher Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) - und damit
des gesamten Abschnitts 13.3.6 EBM-Ä - hat der Senat ausgeführt, dass die im Dialysebereich bestehenden Besonderheiten den
BewA zwar berechtigten, aber nicht verpflichteten, die Nephrologen und die Dialyseleistungen von der Einbeziehung in RLV freizustellen (BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 27); zudem hat er ausdrücklich klargestellt, dass diese Besonderheiten - auch zusammengenommen - nicht von so
großem Gewicht sind, dass der BewA trotz der ihm insoweit zustehenden Gestaltungsfreiheit verpflichtet ist, von einer Einbeziehung
der Nephrologen und/oder der Dialyseleistungen in die RLV abzusehen (aaO RdNr 29). Auch aus dem recht allgemein gehaltenen Hinweis der Klägerin auf eine "sich möglicherweise anbahnende
abweichende Rechtsprechung" kann nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Sache geschlossen werden. Gründe, die dafür sprechen
könnten, dass bezogen auf die Leistungen nach der Nr 13601, 13602 und 13610 bis 13612 EBM-Ä eine andere Betrachtung geboten
sein könnte als für andere Leistungen des Abschnitts 13.3.6 EBM-Ä, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass "diese
Leistungen für sich allein genommen einer Leistungs- und Mengenausweitung nur zugänglich sein würden, wenn diese Leistungen
ohne ärztliche Indikation, mithin nur im Rahmen einer strafbaren Handlung durch die behandelnden Ärzte außerhalb des gebotenen
medizinischen Maßes erbracht würden", gilt regelmäßig für Leistungs- und Mengenausweitungen, stellt also gerade keine Besonderheit
der von der Klägerin angeführten Leistungen dar und berücksichtigt im Übrigen nicht, dass es sinnvoll sein kann, die ärztliche
Vergütung so zu gestalten, dass finanzielle Anreize auch für strafbare Handlungen nach Möglichkeit vermieden werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §§
154 ff
VwGO. Danach hat die Klägerin auch die Kosten des von ihr ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§
154 Abs
2 VwGO).
4. Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung der Vorinstanz vom 8.6.2016, die von keinem der Beteiligten
in Frage gestellt worden ist (§
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm §
63 Abs
2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG).