Vertragsärztlicher Honorarbescheid, Teilanfechtung oder teilweise Klagerücknahme
Gründe:
I. Das Verfahren betrifft vorrangig die Frage, unter welchen Voraussetzungen nur eine Teilanfechtung eines Honorarbescheides
anzunehmen ist.
Der Kläger, ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Gynäkologe, betreibt im Rahmen seiner Praxis ein zytologisches
Einsendelabor. Er erhält von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) jeweils gesonderte Honorarbescheide für seine
allgemeine gynäkologische Praxis sowie für die zytologischen Leistungen. Ursprünglich hatte die Beklagte in ihren Honorarbescheiden
für die Leistungen des zytologischen Einsendelabors den Punktwert des Fachgruppentopfs der Pathologen zu Grunde gelegt, während
für zytologische Leistungen von Gynäkologen im Eigenlabor der um ca 20 % höhere Punktwert der Gynäkologen zur Anwendung kam.
Später vergütete die Beklagte in Umsetzung einer in einem Musterverfahren ergangenen Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Kiel vom 25. April 2001 auch dem Kläger seine zytologischen Leistungen in den Quartalen I/1998 und III/1998 mit dem höheren
Punktwert der Gynäkologen. Für das hier streitige Quartal III/1997 lehnte sie eine Nachvergütung in Höhe von ca 18.500 DM
unter Hinweis auf die insoweit eingetretene Bestandskraft des Honorarbescheids über die zytologischen Leistungen ab.
Der Kläger hatte bereits im März 1998 über seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch gegen den Honorarbescheid für das Quartal
III/1997 bezüglich der zytologischen Leistungen eingelegt. Die Beklagte wies den Rechtsbehelf, der keine Begründung und keinen
Antrag enthielt, zurück (Widerspruchsbescheid vom 4. November 1998).
In seiner Klage hatte der Kläger zunächst nur beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine neue Honorarabrechnung für
das Quartal III/1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen. Nachfolgend hatte er zur Begründung seines
Klagebegehrens ausgeführt, er greife die Honorarkürzungen wegen der Überschreitung des Praxisbudgets an. Diese seien rechtswidrig
und damit aufzuheben. Die Regelungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) ab 1. Juli
1997 zu den Praxisbudgets hätten keine tragfähige Rechtsgrundlage. Zudem sei der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit
verletzt, weil die besonders aufwändigen und kostenintensiven Leistungen des zytologischen Einsendelabors nur mit dem üblichen
Punktwert vergütet würden. Der angegriffene Honorarbescheid könne auch nicht auf den Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten
gestützt werden, denn auch dieser sei rechtswidrig und verstoße gegen das Gebot der Verteilungsgerechtigkeit.
Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) die Einführung von Praxisbudgets im EBM-Ä zum 1. Juli 1997 für rechtmäßig erachtet hatte
(BSGE 86, 16 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23), hat der Kläger das zunächst ruhend gestellte Verfahren vor dem SG "unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt" fortgesetzt. Er hat nunmehr ausschließlich die Anwendung des Punktwerts der
Pathologen auf die Leistungen des zytologischen Einsendelabors gerügt (Schriftsatz vom 30. Januar 2001). Die Beklagte hat
darin eine Änderung des Klagegrundes gesehen, zu der sie ihre Einwilligung nicht erteilt hat. Das SG hat jedoch die Beklagte antragsgemäß zu einer erneuten Entscheidung über die Honoraransprüche des Klägers unter Beachtung
seiner Rechtsauffassung verurteilt, dass der Kläger auch für dieses Quartal eine Nachvergütung für die zytologischen Leistungen
unter Anwendung des Punktwerts für Gynäkologen fordern könne. Die Umstellung bzw Ergänzung der rechtlichen Ausführungen durch
den Kläger beinhalte keine Klageänderung iS von §
99 Abs
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage
abgewiesen (Urteil vom 21. Januar 2003). Der Honorarbescheid für das Quartal III/1997 sei hinsichtlich der Zuordnung des Honorars
für die zytologischen Leistungen zum niedrigeren Punktwert der Pathologen bestandskräftig geworden, weil die Klage ausdrücklich
auf den Teil des Honorars, der im Zusammenhang mit den Praxisbudgets stehe, beschränkt worden sei. Den Regelungen des EBM-Ä
zum Praxisbudget und des HVM zur Zuordnung des zytologischen Einsendelabors zum Honorarkontingent der Pathologen lägen jeweils
eigenständige Sachverhalte und unabhängig voneinander bestehende Rechtsvorschriften zu Grunde, deren Auswirkungen auf den
Honoraranspruch sich genau abgrenzen ließen. Es widerspreche dem Befriedungsgebot und den Grundsätzen der Rechtssicherheit,
wenn in teilbaren Bescheiden ursprünglich nicht beanstandete Teile zu einem späteren Zeitpunkt aufgegriffen und gegebenenfalls
aufgehoben würden. Eine Billigung dieser Vorgehensweise führe zu nicht hinnehmbaren Folgen. Da die Beklagte für die erst später
angegriffenen Teile keine Honorarrückstellungen habe treffen können, müssten die Nachzahlungen allein von den aktuell tätigen
Ärzten getragen werden. Die Entscheidung des SG, dass keine Klageänderung vorliege, könne trotz der in §
99 Abs
4 SGG angeordneten Bindungswirkung zu keinem anderen Ergebnis führen.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger, das LSG sei von tragenden Rechtssätzen der Entscheidung des Großen
Senats des BSG vom 19. Februar 1992 (BSGE 70, 133, 135 = SozR 3-1300 § 24 Nr 6 S 17) abgewichen und habe seine Pflicht zur Amtsermittlung verletzt. Zwar könne sich das Klagebegehren
bei Verwaltungsakten mit teilbarem Inhalt auf die Teile beschränken, welche die Rechtsverletzung für den Kläger beinhalteten.
Jedoch müsse eine solche Einschränkung aus dem Klageantrag deutlich werden. Er habe ersichtlich die vollständige Honorarabrechnung
angegriffen mit dem Begehren, Honorarkürzungen gleich aus welchem Grund abzuwehren. Zudem treffe die Feststellung des Berufungsgerichts,
die Klagebegründung sei allein auf die Kürzung wegen Überschreitung des Praxis-Zusatzbudgets bezogen gewesen, nicht zu, weil
sie auch Ausführungen zur Ungleichbehandlung der zytologischen Leistungen enthalte.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 21. Januar 2003 aufzuheben und die Berufung der Beklagten
gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. Januar 2002 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Berufungsurteil für zutreffend. Eine Beschränkung des Streitgegenstands müsse nicht unbedingt im Klageantrag
zum Ausdruck kommen, sondern könne sich auch aus der Klagebegründung ergeben. Der Kläger habe vor dem SG seine Klage auf eine Aufhebung des Honorarbescheids wegen der Anwendung der Praxisbudgets beschränkt. Der später eingeführte
Gesichtspunkt des Punktwerts für die Leistungen des zytologischen Einsendelabors bilde einen neuen Streitgegenstand. Dieser
sei nicht fristgerecht geltend gemacht worden. Deshalb unterscheide sich der Sachverhalt maßgeblich von der Fallgestaltung,
über die der Große Senat des BSG in seinem Beschluss vom 19. Februar 1992 befunden habe.
II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das LSG hat zu Unrecht angenommen, der Honorarbescheid für das Quartal III/1997
sei hinsichtlich der Anwendung des Punktwertes bestandskräftig geworden, weil der Kläger seinen Rechtsbehelf auf die Kürzung
seiner Leistungsanforderungen wegen Überschreitung des Praxisbudgets beschränkt habe. Das SG hat vielmehr zutreffend die Beklagte zur Vergütung der zytologischen Leistungen mit dem Punktwert der Gynäkologen verurteilt.
Der Kläger hat seine auf ein höheres vertragsärztliches Honorar gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (hier
in der Sonderform der Bescheidungsklage, s BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, jeweils RdNr 4) nicht auf den Streitpunkt der Rechtmäßigkeit der Praxisbudgets begrenzt. Eine solche
Beschränkung des Rechtsbehelfs auf abtrennbare Regelungsteile eines einheitlichen Verwaltungsaktes ist allerdings grundsätzlich
möglich (BSGE 59, 137, 143 = SozR 2200 § 368a Nr 13 S 38). Sie kann bereits bei Klageerhebung erklärt, aber auch im Verlauf des Prozesses entweder
durch eine entsprechende Klarstellung des zunächst nicht näher bestimmten Streitgegenstands oder durch eine teilweise Klagerücknahme
(§
102 SGG) herbeigeführt werden. Die - ursprüngliche oder nachträgliche - Beschränkung des Klagegegenstandes führt dazu, dass die nicht
(mehr) angegriffenen Teilregelungen in Bestandskraft erwachsen (§
77 SGG), sodass eine später hierauf erneut erstreckte Klage unzulässig ist (vgl BSGE 21, 13, 17 = SozR Nr 5 zu §
156 SGG; ebenso BFHE 159, 4, 9; 189, 252, 255; BVerwGE 40, 25, 32).
Ob der Kläger nur eine Teilanfechtung oder eine teilweise Klagerücknahme vorgenommen hat, ist durch Auslegung seiner prozessualen
Erklärungen zu ermitteln. Nach §
123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Allein
der Kläger bestimmt mit seinem Rechtsschutzbegehren den Streitgegenstand des Klageverfahrens und damit zugleich den Prüfungsumfang
des Gerichts (stRspr, zuletzt BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004, B 6 KA 44/03 R [unter 1.], zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen). Dies ist Ausdruck der Dispositionsmaxime, die auch im sozialgerichtlichen
Verfahren Anwendung findet (BSGE 88, 262, 264 = SozR 3-3300 §
23 Nr 5 S 15; Meyer-Ladewig,
SGG, 7. Auflage 2002, §
123 RdNr 1; vgl auch BFHE 159, 4, 10 sowie BVerwGE 104, 27, 28). Bei Zweifeln hinsichtlich des Streitgegenstandes hat das Gericht darauf hinzuwirken, dass unklare Anträge erläutert
und sachdienliche Anträge gestellt werden (§
106 Abs
1 SGG). Ist dies nicht mehr rechtzeitig vor Ablauf der Klagefrist möglich, ist der wirkliche Wille des Klägers bei Erhebung der
Klage durch Auslegung seines bisherigen Vorbringens zu erforschen; Entsprechendes gilt für die Beurteilung von Erklärungen,
deren Deutung als teilweise Klagerücknahme in Frage kommt. Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert, dh wie das Gericht
und die übrigen Prozessbeteiligten bei Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände das Rechtsschutzbegehren verstehen müssen
(BSGE 63, 93, 94 = SozR 2200 § 205 Nr 65 S 180; BFHE 189, 252, 254). Allein aus fehlenden Äußerungen des Klägers zu abtrennbaren Aspekten eines Verwaltungsakts kann regelmäßig nicht geschlossen
werden, dass die betreffende Teilregelung nicht angefochten sein, sondern in Bestandskraft erwachsen soll. Nur wenn der Wille
des Klägers zur Begrenzung des Streitgegenstands klar und eindeutig zum Ausdruck gekommen ist, kann eine Teilanfechtung oder
eine teilweise Klagerücknahme angenommen werden (BSGE 74, 77, 79 = SozR 3-4100 § 104 Nr 11 S 47; ebenso BFHE 159, 4, 11; BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 1997, 1 B 209/96 - juris).
Der Grundsatz, dass im Zweifel von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren des Klägers ausgegangen werden muss, ist Ausfluss
des verfassungsrechtlichen Auftrags der Gerichte zur Gewährung effektiven und möglichst lückenlosen Rechtsschutzes gegen Akte
der öffentlichen Gewalt (Art
19 Abs
4 Grundgesetz, vgl BVerfGE 107, 395, 401 ff = SozR 4-1100 Art
103 Nr 1 RdNr 5 ff; 110, 77, 85; BVerfG [Kammer] SozR 4-2500 § 87 Nr 6 RdNr 10). Dementsprechend hat das BSG für den Bereich
der Sozialleistungen stets betont, dass die Auslegung von Anträgen sich danach richtet, was als Leistung möglich ist, wenn
jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur
Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen; im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Kläger alles zugesprochen haben
möchte, was ihm auf Grund des Sachverhalts zusteht (stRspr, zuletzt BSG, Urteil vom 17. Februar 2005, - B 13 RJ 31/04 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Dieser Auslegungsgrundsatz dient zugleich einer möglichst weitgehenden Verwirklichung
sozialer Rechte, zu der die Sozialleistungsträger bereits nach materiellem Recht verpflichtet sind (§ 2 Abs 2 und § 17 Abs
1 Nr 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch).
Im Vertragsarztrecht gilt zur Gewährleistung effektiven und möglichst umfassenden Rechtsschutzes nichts anderes. Auch hier
ist davon auszugehen, dass Klagebegehren auf höchstmögliche Leistungsgewährung gerichtet und Beschränkungen nur anzunehmen
sind, wenn diese klar zum Ausdruck gekommen sind. Bei vertragsärztlichen Honorarklagen bestehen jedoch gewisse Besonderheiten,
die dem klagenden Vertragsarzt Anlass zur Beschränkung seines Klagebegehrens geben können. Bescheide über vertragsärztliches
Honorar betreffen keine Sozialleistung (BSGE 82, 50, 51 = SozR 3-1300 § 44 Nr 23 S 49). Auch deshalb gilt für Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit vertragsärztlicher Honorarbescheide
seit dem 2. Januar 2002 die Freistellung der Vertragsärzte von den Gerichtskosten (§
183 SGG aF) nicht mehr. Die Kläger haben vielmehr streitwertabhängige Gebühren und Auslagen nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes
(GKG) zu entrichten (§
197a Abs
1 SGG idF des 6.
SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001, BGBl I 2144). Nach der Neufassung des GKG durch Art 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (vom 5. Mai 2004, BGBl I 718) wird bei den ab dem 1. Juli 2004 erhobenen Klagen die
gesamte Verfahrensgebühr für die erste Instanz in Höhe von 3,0 Gebührensätzen bereits mit Einreichung der Klageschrift fällig
(§ 6 Abs 1 Nr 4 GKG nF). Im Falle einer Klagerücknahme tritt nicht mehr - wie bisher bei rechtzeitiger Erklärung - eine Gebührenbefreiung, sondern
lediglich eine Ermäßigung auf 1,0 Gebühren ein (Nr 7110, 7111 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zum GKG). Der Kläger ist verpflichtet, bereits bei Einleitung eines Klageverfahrens den Wert des gesamten von ihm geltend gemachten
Streitgegenstandes gegenüber dem Gericht anzugeben, sofern nicht ohnehin eine bestimmte Geldsumme, die dann den Streitwert
bildet, eingeklagt wird (§ 61 Satz 1 GKG nF). Mit dieser Information setzt das Gericht sogleich den Streitwert des Verfahrens als vorläufige Grundlage für die Einziehung
der Gerichtsgebühren fest (§ 63 Abs 1 Satz 1 GKG nF). Diese Regelungen bewirken, dass bereits die Klageerhebung spürbare Kostenfolgen nach sich zieht, deren Höhe vom Umfang
des geltend gemachten Streitgegenstandes abhängt. Dies kann Auswirkungen auf die Interessenlage der Kläger im Zusammenhang
mit der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen auf höheres vertragsärztliches Honorar haben.
Aber auch bei Honorarklagen von Vertragsärzten, die - wie hier - noch vor dem 2. Januar 2002 in erster Instanz erhoben wurden
und für die das Privileg der Gerichtskostenfreiheit weiterhin gilt (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff), ist gegebenenfalls
mit der Klageerhebung ein Kostenrisiko verbunden, dessen Umfang vom Streitwert des geltend gemachten Anspruchs abhängt. Sofern
sich die Kläger solcher Altverfahren durch einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten vertreten lassen, haben sie ebenfalls
eine streitwertabhängige Rechtsanwaltsvergütung zu entrichten (§ 116 Abs 2 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung); die in den
sonstigen sozialrechtlichen Streitsachen erhobenen Rahmengebühren gelten hier nicht. Die Interessenlage jener Kläger unterscheidet
sich deshalb im Wesentlichen nicht von der Situation, die nunmehr bei ab dem 2. Januar 2002 erhobenen - und in verschärfter
Form bei den ab 1. Juli 2004 eingeleiteten - Klagen im Vertragsarztrecht gilt.
Bei der Auslegung der Angaben eines Vertragsarztes zum Streitgegenstand seiner Honorarklage ist zudem zu berücksichtigen,
dass dem Honorarteilhabeanspruch des klagenden Vertragsarztes ein komplexes und ausdifferenziertes System der vertragsärztlichen
Honorarverteilung (§ 85 Abs 4 ff iVm § 87 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]) zu Grunde liegt (vgl hierzu BSG SozR 4-2500
§ 85 Nr 4 RdNr 12). Deshalb entspricht es im Regelfall dem Interesse des Klägers an einem zielgerichteten und effektiven Rechtsschutz,
seinen Rechtsbehelf auf diejenigen Maßnahmen und Regelungen zur Bestimmung des Honorars einzugrenzen, die spezifisch ihn in
seiner konkreten Praxissituation beschweren. Dies gilt besonders, wenn im Klageantrag keine bestimmte Leistung bezeichnet,
sondern lediglich eine erneute Bescheidung des Honoraranspruchs durch die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts begehrt wird. Ein solcher Bescheidungsantrag wird von der Rechtsprechung in entsprechender Anwendung von §
131 Abs
3 SGG und §
113 Abs
5 Satz 2
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) insbesondere für zulässig erachtet, wenn die Rechtswidrigkeit normativer Regelungen der Honorarverteilung geltend gemacht
wird. In einem solchen Falle ist es erforderlich, dass der Kläger spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung verdeutlicht,
welcher Art die Maßgaben sein sollen, die das Gericht der Beklagten zur Beachtung bei der Neubescheidung des Honoraranspruchs
aufgeben soll (vgl Meyer-Ladewig, aaO, §
92 RdNr 5; Kopp/Schenke,
VwGO, 13. Auflage 2003, §
82 RdNr
10; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, Stand September 2004, §
42 Abs
1 RdNr
104).
Erhebt daher ein Vertragsarzt Klage gegen einen Honorarbescheid, mit der er eine höhere Vergütung erstrebt, besteht Anlass
zur Prüfung, ob er die höchstmöglichen Leistungen begehrt oder ob er nicht sinnvollerweise seinen Klageantrag beschränken
und den Honorarbescheid im Übrigen bestandskräftig werden lassen will. Eine Klagebeschränkung kann jedoch nur angenommen werden,
sofern dies eindeutig im Klageantrag oder in der Begründung zum Ausdruck kommt, etwa wenn ausdrücklich Klage nur "insoweit"
erhoben wird, als die Honoraranforderung wegen bestimmter Umstände - zB wegen des Praxisbudgets, auf Grund der sachlich-rechnerischen
Richtigstellung bestimmter Gebührenordnungsnummern, wegen einer Fallzahlbegrenzung usw - reduziert worden ist. Das Gericht
kann aber - etwa im Rahmen der Beschlussfassung über den vorläufigen Streitwert - Nachforschungen zum genauen Klagegegenstand
anstellen und beim Kläger nachfragen, ob der Streitstoff auf die in der Begründung benannten Fragen bzw auf einzelne Teilregelungen
begrenzt wird. Gibt der Kläger eine solche Erklärung deutlich und ohne Vorbehalt ab, wird der angefochtene Honorarbescheid
im Übrigen bestandskräftig. Andernfalls wird der - vorläufige - Streitwert dementsprechend höher festzusetzen und bei der
Kostenentscheidung gegebenenfalls ein teilweises Unterliegen des Klägers zu berücksichtigen sein (§
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 3
SGG iVm §
155 Abs
1 VwGO). Entsprechendes gilt bei bloßen Bescheidungsanträgen im Rahmen der spätestens in der mündlichen Verhandlung erforderlichen
gerichtlichen Aufklärung, was genau Klagegegenstand sein soll (§
106 Abs
1 iVm §
92 SGG).
Bei Anwendung dieser Grundsätze kann das Urteil des LSG keinen Bestand haben. Der Kläger rügt mit seiner Revision zu Recht,
das Berufungsgericht habe den Inhalt seiner Klagebegründung vor dem SG nicht zutreffend wiedergegeben, wenn es (auf Seite 11 des Urteils) die Klagebegründung im Schriftsatz vom 3. Februar 1999
"allein auf die Kürzung wegen Überschreitung des Praxis-Zusatzbudgets bezogen" angesehen hat. Zwar deutet sowohl die vom LSG
wörtlich zitierte Einleitung jenes Schriftsatzes als auch dessen Abschluss darauf hin, dass die Kürzungen auf Grund der Überschreitung
des Praxisbudgets der gewichtigste Streitgegenstand sein sollte. Indessen enthält die Klagebegründung bereits auf den Seiten
3 und 4 und dann nochmals auf den Seiten 5 und 6 auch Ausführungen zu den nach Auffassung des Klägers zu niedrigen Punktwerten
für die zytologischen Leistungen und zur Rechtswidrigkeit des HVM, die auch im Tatbestand des Berufungsurteils (dort Seite
3) wiedergegeben sind. Die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegte Feststellung der Praxisbudgets als alleinigem
Klagegegenstand widerspricht daher den Denkgesetzen und überschreitet die Grenzen der freien Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 SGG). Der Senat ist deshalb an jene Feststellung des Berufungsgerichts zum Sachverhalt nicht gebunden (§
163 Halbsatz 2
SGG; vgl BSGE 43, 37, 39 = SozR 2200 § 1265 Nr 24 S 75).
Eine vollständige Würdigung der Klagebegründung vom 3. Februar 1999 ergibt vielmehr, dass der Kläger sein zunächst im Verwaltungsverfahren
und ebenso in der Klageschrift nicht näher konturiertes Begehren auf höhere Vergütung dort auf die beiden Klagegründe "Praxisbudget"
und "HVM-Punktwert für zytologische Leistungen" konkretisiert hat. Eine weitere Präzisierung des zweiten Begehrens ist nachfolgend
vom SG wegen der Anordnung des Ruhens des Verfahrens nicht weiter veranlasst worden. Das SG hat aber nach Fortsetzung des Verfahrens zutreffend erkannt, dass der Kläger mit seiner Forderung im Schriftsatz vom 30.
Januar 2001 auf Anwendung des höheren Punktwertes für Gynäkologen keinen neuen Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt,
sondern lediglich den Vortrag zu einem bereits in der Klagebegründung benannten Gegenstand im Sinne von §
99 Abs
3 Nr
1 SGG ergänzt hat. Der Kläger hatte diesen Teil seines Klagebegehrens auch nicht zwischenzeitlich in eindeutiger Weise zurückgenommen
oder für erledigt erklärt. Die im angefochtenen Honorarbescheid enthaltene Ablehnung dieses Teils des Leistungsbegehrens des
Klägers ist deshalb nicht in Bestandskraft erwachsen.
Die materielle Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger auch die Leistungen seines zytologischen Einsendelabors mit dem für
seine Fachgruppe maßgeblichen Punktwert zu vergüten, folgt nach den Feststellungen des SG aus den landesrechtlichen Bestimmungen des HVM. An dessen Auslegung ist der Senat gebunden (§
162 SGG); sie ist im Übrigen zwischen den Beteiligten auch nicht weiter streitig. Damit erweist sich das entsprechende Bescheidungsurteil
des SG als zutreffend und ist auf die Revision des Klägers wieder herzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).