Anspruch Strafgefangener auf rechtliches Gehör im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Aufrechnung.
Mit Bescheiden vom 7. August 2001 setzte die Beklagte die Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 2. Oktober 1998 bis 11.
November 1998 sowie vom 4. März 1999 bis 25. Februar 2001 neu fest. Den Nachzahlungsbetrag in Höhe von 4.697,44 DM rechnete
sie mit einer bestandskräftigen Erstattungsforderung in Höhe von 9.864,30 DM auf. Das Landessozialgericht (LSG) hat in Abänderung
des erstinstanzlichen Urteils die Bescheide der Beklagten insoweit aufgehoben, als die Beklagte gegen den Anspruch auf Nachzahlung
der Alhi in Höhe eines Betrages von mehr als 2.348,72 DM (1.200,88 Euro) aufgerechnet hatte, und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger, der sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung
im Berufungsverfahren in Strafhaft befand, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie der Amtsermittlungspflicht. Das LSG
habe sein persönliches Erscheinen zur mündlichen Verhandlung verhindert, da es seinem Antrag, ein entsprechendes Vorführungsersuchen
an die Justizvollzugsanstalt zu richten, nicht nachgekommen sei. Zudem sei das LSG seinem Beweisantrag, ihn wegen des Doppelbezugs
von Leistungen, der daraus resultierenden Mitwirkungs- und Anzeigepflichten sowie wegen der unzureichenden Aufklärung durch
die Beklagte zu hören, nicht nachgekommen.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers nicht in der
erforderlichen Weise bezeichnet ist (§
160 Abs
2 Nr
3 Sozialgerichtsgesetz >SGG<). Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 SGG entscheiden.
Soweit der Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs rügt (§
62 SGG, Art
103 Grundgesetz >GG<), hat er die den Verfahrensmangel vermeintlich begründenden Tatsachen nicht hinreichend dargelegt. Zwar steht auch einem
der Strafvollstreckung unterliegenden Prozessbeteiligten das Recht zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu; der in
Art
103 GG verfassungsrechtlich verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör wird durch den Strafvollzug nicht ausgeschlossen (vgl BSGE
12, 9, 12); doch hätte der Beschwerdeführer darlegen müssen, dass er seinerseits durch entsprechende Anträge bei der Strafvollzugsbehörde
alles Zumutbare getan hat, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können. Denn nach § 36 des Strafvollzugsgesetzes und
den hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften ist es Sache des Gefangenen, die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin zu
beantragen (vgl BSG, Urteil vom 21. Juni 1983 - 4 RJ 3/83).
Soweit der Kläger der Ansicht ist, vorliegend habe sich das LSG nicht darauf beschränken dürfen, ihn nach §
110 SGG zum Termin zu laden, sondern sein persönliches Erscheinen anordnen müssen, hätte er darzulegen gehabt, warum das LSG insoweit
von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (>BSG< aaO) hätte abweichen müssen, nach der das LSG zur Anordnung des persönlichen
Erscheinens nicht verpflichtet ist.
Soweit der Kläger eine fehlerhafte Sachaufklärung rügt, sind seine Darlegungen ebenfalls unzureichend. Es ist schon zweifelhaft,
ob er einen bestimmten Beweisantrag iS von §§
373,
403 Zivilprozessordnung iVm §
118 SGG bezeichnet hat oder ob sich sein Vortrag nicht nur auf eine in diesem Zusammenhang unerhebliche Anregung zu weiterer Beweiserhebung
bezieht (vgl zu den Unterschieden BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9). Erforderlich ist jedenfalls weiter die Darlegung, dass ein
solcher Beweisantrag auch noch bei den Schlussanträgen in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens aufrechterhalten,
dh zumindest hilfsweise gestellt worden ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 29). Zu solchem genaueren
Vorbringen bestand hier Anlass, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG durch einen anwaltlichen Prozessbevollmächtigten
vertreten war; dieser hat trotz seiner noch kurz zuvor bei Gericht eingereichten schriftlichen Unterlagen in der mündlichen
Verhandlung lediglich einen Sachantrag gestellt. Eine besondere Hinweispflicht des Gerichts besteht bei klar gefassten Anträgen
rechtskundig vertretener Beteiligter regelmäßig nicht (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl 2005, §
106, RdNr
5a mwN). Denn nach Sinn und Zweck des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG soll das Übergehen von Beweisanträgen die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung
durch den Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass der Beteiligte die Sachaufklärungspflicht des Gerichts
(§
103 SGG) nicht als erfüllt ansieht (BSG SozR 3-1500 §
160 Nr 9; SozR 3-1500 § 160 Nr 31).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.