Parallelentscheidung zu BSG - B 7 AY 12/14 B - v. 14.04.2015
Gründe:
I
Im Streit ist im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) die rückwirkende Gewährung sog Analog-Leistungen nach §
2 Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG) für die Zeit vom 1.1.2005 bis 31.8.2007 nebst Zinsen.
Die Klägerin zu 2 und der Kläger zu 1 sind miteinander verheiratet; die Kläger zu 3 bis 6 sind ihre gemeinsamen Kinder; die
Kläger sind serbische Staatsangehörige. Sie erhielten seit 1999 bis zum 31.7.2007 Grundleistungen nach §
3 AsylbLG. Die Überprüfungsanträge vom 6.10.2009, gerichtet auf die rückwirkende Erbringung höherer Leistungen und Verzinsung des Nachzahlungsbetrags,
lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 15.4.2010; Widerspruchsbescheid vom 4.4.2012). Die Klage blieb erst- und zweitinstanzlich
ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 3.12.2012; Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Baden-Württemberg
vom 6.11.2014). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Nachzahlung von Leistungen stehe der zwischenzeitlich
eingetretene Wegfall der Bedürftigkeit entgegen; die Kläger hätten seit dem Ende des Leistungsbezuges jedenfalls länger als
einen Monat ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestritten.
Dagegen wenden sich die Kläger mit ihren Beschwerden; sie machen die grundsätzliche Bedeutung folgender Rechtsfrage geltend:
"Kann bei rechtswidrig verweigerten Pauschalleistungen des
AsylbLG (und der Sozialhilfe bzw. der Grundsicherung) durch eine Bezugnahme auf Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts, hier
des Asylbewerberleistungsrechts (bzw. des Sozialhilferechts), der Nachgewährungsanspruch des § 44 SGB X in seinen dort festgelegten zeitlichen Grenzen für den Personenkreis ausgeschlossen werden, der nach der ersten Beendigung
des Leistungsbezuges gem. §
3 AsylbLG bis ggf. dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz länger als einen Monat nicht sozialhilfebedürftig
gewesen ist?"
Zudem liege eine Divergenz der Entscheidung des LSG zur Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.6.2008 (B 8 AY 5/07 R) vor, worin die Anwendung des § 44 SGB X im
AsylbLG bejaht worden sei. Damit setze sich das LSG in Widerspruch, wenn es das "Strukturprinzip" "keine Hilfe für die Vergangenheit"
wieder zur Anwendung bringe.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung
(§
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerden ohne Zuziehung der ehrenamtlichen
Richter nach §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG entscheiden.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache haben die Kläger nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Grundsätzliche
Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der
Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete)
Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung
(sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Dem Vortrag der Kläger mangelt es bereits an ausreichenden Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage.
Es ist nicht dargelegt, weshalb sich diese Rechtsfrage noch stellt. Die Kläger nehmen in ihrem Vortrag vielmehr selbst ausführlich
Bezug auf Senatsentscheidungen (ua BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22), in der die aufgeworfene Rechtsfrage bereits bejaht worden ist. Worin eine weiter gehende Klärungsbedürftigkeit begründet
oder wodurch sie erneut entstanden sein soll, stellen die Kläger hingegen nicht dar. Soweit der im Übrigen sehr breit angelegte
Vortrag als inhaltliche Kritik an der Senatsrechtsprechung zur Anwendung des § 44 SGB X im Asylbewerberleistungsrecht zu verstehen ist, vermag dies die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen.
Gleiches gilt im Hinblick auf die Ausführungen zur Höhe der Leistungen nach dem
AsylbLG im Zusammenhang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -, BGBl I 1715 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2). Da sich der Senat in seinem Urteil vom 20.12.2012 (B 7 AY 4/11 R - SozR 4-3520 §
3 Nr 3) bereits mit der angesprochenen Problematik auseinandergesetzt hat, hätte es zur ordnungsgemäßen Begründung der Beschwerden
auch insoweit einer Darlegung verlangt, weshalb noch immer oder erneut Klärungsbedarf bestehen soll.
Auch soweit die Kläger eine Divergenz zu einer Entscheidung des BSG behaupten, genügt ihr Vorbringen nicht den gesetzlichen Anforderungen. Eine Divergenz liegt nur vor, wenn das LSG einen tragenden
abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BSG aufgestellt hätte; eine Abweichung ist dabei erst dann zu bejahen, wenn das LSG diesen Kriterien - wenn auch unter Umständen
unbewusst - widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Die Kläger haben jedoch weder einen tragenden abstrakten Rechtssatz des LSG noch einen solchen des BSG formuliert, die voneinander abweichen. Die Beschwerdebegründung kann vielmehr nur so verstanden werden, dass eine "Divergenz"
in den Entscheidungen des BSG selbst gerügt wird, wenn vorgetragen wird, das LSG habe die Entscheidungen des BSG zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 44 SGB X im
AsylbLG beachtet und die weitere Entscheidung berücksichtigt, wonach beim zwischenzeitlichen Wegfall der Bedürftigkeit ein Zahlungsanspruch
nicht bestehe. Wenn aber das LSG nach dem eigenen Vortrag der Kläger die Entscheidungen des BSG beachtet hat, wird im eigentlichen Sinn keine Divergenz gerügt, sondern wiederum im Ergebnis nur Kritik an der Richtigkeit
der Entscheidung des LSG wie des BSG geübt, was für eine Revisionszulassung gerade nicht genügt.
Zum Zinsanspruch fehlt im Übrigen jeder Vortrag.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.