Überprüfungsverfahren über die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG
Voraussetzungen einer Gehörsrüge
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten im Wege eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) über die Gewährung von Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG).
Der Kläger bezog ab 1.10.2005 Analogleistungen nach §
2 AsylbLG. Da aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden konnten, bewilligte der Beklagte ab 1.4.2007 nur noch eingeschränkte
Grundleistungen nach §
3 iVm §
1a Nr 2
AsylbLG (idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des
Asylbewerberleistungsgesetzes vom 25.8.1998 - BGBl I 2505; Bescheid vom 21.2.2007, Widerspruchsbescheid vom 27.9.2007). In dem sich anschließenden Klageverfahren
schlossen die Beteiligten einen Vergleich, wonach für die Zeit bis 31.8.2007 "ungekürzte" Leistungen nach §
2 AsylbLG erbracht werden sollten und es ab dem 1.9.2007 bei der in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Regelung verbleibe (Vergleich
vom 16.6.2009). Seinem im Dezember 2010 gestellten Überprüfungsantrag hat der Beklagte nur für den Zeitraum vom 1.9.2007 bis
31.8.2008 stattgegeben (Bescheid vom 10.8.2011, Widerspruchsbescheid vom 19.1.2012). Die dagegen erhobene Klage ist (im Berufungsverfahren)
wegen der Zeit vom 1.12.2008 bis 17.1.2011 erfolgreich gewesen. Im Übrigen (Zeitraum vom 1.9. bis 30.11.2008) ist die Klage
abgewiesen worden, weil mit dem Abschluss des Vergleichs vom 16.6.2009 eine endgültige Regelung für die Zeit bis 30.11.2008
getroffen werden sollte (Urteil des Sozialgerichts [SG] Fulda vom 12.3.2014, Urteil des Hessischen Landessozialgerichts [LSG]
vom 7.6.2017).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und macht Verfahrensfehler
geltend.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung
nicht.
Der Kläger rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs iS von §
62 SGG, Art
103 Abs
1 Grundgesetz (
GG), weil er nicht mit der vom LSG vorgenommenen Auslegung des Vergleichs habe rechnen müssen. Ein Verstoß gegen §
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen
einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf
Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Zudem müssen die Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich ergibt, dass der Betroffene alles getan hat, um
sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG Beschluss vom 3.8.2017 - B 8 SO 23/17 B - RdNr 12). Der Kläger trägt dazu lediglich vor, er habe ausführlich die Hintergründe
des Vergleichs erläutert und in seiner Berufungsbegründung maßgeblich darauf abgestellt, dass die Bindungswirkung des Vergleichs
einem Zugunstenverfahren nur bei einem Verzicht entgegenstehe. Dies genügt nicht für die Bezeichnung des Gehörsverstoßes.
Allein der Umstand, dass das LSG den Ausführungen des Klägers im Berufungsverfahren nicht gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß.
Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass ein Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört" wird (BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - Juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - Juris RdNr 9). Der Kläger räumt selbst ein, dass bereits das SG die Klage (zum Teil) deshalb abgewiesen habe, weil im Vergleich ausdrücklich erklärt worden sei, "dass es für die Zeit ab
01.09.2007 bei der ... getroffenen Regelung bleibe". Danach ist sein Vortrag, er habe nicht mit der vom LSG vorgenommenen
Auslegung des Vergleichs rechnen müssen, nicht nachvollziehbar.
Sein Vortrag, sein Hörvermögen habe sich verschlechtert, weshalb die vorhandene Hörhilfe nicht einmal mehr ausreiche, lässt
angesichts der unterbliebenen Teilnahme des Klägers an der mündlichen Verhandlung (dazu gleich) und seiner anwaltlichen Vertretung
im Berufungsverfahren keinen Zusammenhang mit einer Gehörsverletzung durch das LSG erkennen.
Auch sein Vortrag, das rechtliche Gehör sei verletzt worden, weil sein persönliches Erscheinen zur mündlichen Verhandlung
nicht angeordnet worden sei, genügt nicht den Anforderungen an die Begründung eines Verfahrensmangels. Er gibt selbst an,
dass er anwaltlich vertreten war. Soweit er in diesem Zusammenhang vorträgt, sein Prozessbevollmächtigter habe (aber) mangels
Vorbefassung keine Erklärung zu dem Vergleich vom 16.6.2009 abgeben können, ist dies nicht nachvollziehbar. Im Zusammenhang
mit dem zuvor behaupteten Verfahrensmangel hat er nämlich selbst behauptet, er (der Prozessbevollmächtigte) habe ausführlich
die Hintergründe des Vergleichs erläutert und in seiner (weiteren) Berufungsbegründung maßgeblich darauf abgestellt, dass
die Bindungswirkung des Vergleichs einem Zugunstenverfahren nur bei einem Verzicht entgegenstehe. Zudem werden keine Umstände
aufgezeigt, aus denen sich ergibt, dass er ohne die Anordnung des persönlichen Erscheinens gehindert war, an der mündlichen
Verhandlung teilzunehmen, er also alles getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Er trägt insbesondere nicht vor,
dass ihm die Fahrt zum Gericht nicht gemeinsam mit seinem Prozessbevollmächtigten möglich gewesen wäre oder ihm die Teilnahme
an der mündlichen Verhandlung auf Kosten der Staatskasse nach dem Runderlass (RdErl) des Hessischen Ministeriums der Justiz,
für Integration und Europa vom 23.12.2011 (5670 - II/B 3 - 2011/7729 - II/A, JMBl 2012, 37; geändert durch RdErl des Hessischen Ministeriums der Justiz vom 8.4.2014 - 5670 - II/B 3 - 2013/6749 - II/A, JMBl 2014,
228; unveränderte Neuinkraftsetzung des RdErl betreffend die Gewährung von Reiseentschädigungen durch RdErl des Hessischen Ministeriums
der Justiz vom 11.10.2016 - 5670 - II/B 2 - 2016/11929 - II/A, JMBl 2016, 413 [HessRdErl-Reiseentschädigung]) über die Gewährung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen und Vorschusszahlungen
für Reiseentschädigungen an Zeuginnen, Zeugen, Sachverständige, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer,
ehrenamtliche Richterinnen, ehrenamtliche Richter und Dritte (vgl auch die Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Reiseentschädigungen
an mittellose Personen und Vorschusszahlungen etc - VwV Reiseentschädigung - idF vom 20.1.2014, BAnz AT 29.1.2014 B1) nicht
ermöglicht wurde.
Soweit der Kläger als Verfahrensmangel einen Verstoß gegen §§
133,
157 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) bei der Auslegung des Vergleichs vom 16.6.2009 geltend macht verkennt er, dass er sich damit nur gegen die Richtigkeit der
Entscheidung des LSG ("error in iudicando") wendet, aber keinen Verfahrensmangel ("error in procedendo") geltend macht. Soweit
er mit seinem Vortrag tatsächlich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) geltend machen will, genügt sein Vortrag allerdings ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen. Grundsätzliche Bedeutung
hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht
zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit
(Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog
Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Der Kläger formuliert schon keine konkrete Rechtsfrage, deren Beantwortung durch den Senat in einem Revisionsverfahren angestrebt
wird. Mit seinem Vortrag zur Auslegung des Vergleichs unter Berücksichtigung der BSG-Rechtsprechung und der Literatur, macht er ausschließlich die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG geltend,
die nicht geeignet ist, die Revisionsinstanz zu eröffnen. Denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das
Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.