Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Kehlkopfkarzinoms nach Einwirkung ionisierender Strahlen als Berufskrankheit
(BK).
Der im Dezember 1929 geborene und am 7. Dezember 2003 verstorbene Ehemann der Klägerin, (A.) (= bisheriger
Kläger), war ab September 1951 bei der SAG/SDAG Wismut beschäftigt. Er arbeitete dort bis Ende 1977 unter Tage, und zwar bis
August 1952 als Zechenarbeiter im Objekt , anschließend bis August 1958 als Lokbegleiter im Objekt Schacht und ab
Oktober 1958 als Hauer im Objekt in den Schächten und . Im August 1988 wurde bei ihm ein Plattenepithelkarzinom am
Kehlkopf (Larynx) nachgewiesen, das im September 1988 operativ entfernt wurde; anschließend erfolgte eine Strahlenbehandlung.
Zu Rezidiven kam es nicht; infolge der Operation war A. sprachbehindert.
Im Oktober 1998 beantragte A. bei der Beklagten die Anerkennung der Stimmbanderkrankung als BK. Der Technische Aufsichtsdienst
(TAD) der Beklagten errechnete daraufhin unter Berücksichtigung der Berufsanamnese eine kumulative Strahlenbelastung von 263,17
WLM (= working level months) hinsichtlich der Radonfolgeprodukte und eine kumulative Äquivalentdosis (= Dosis in Körpergeweben,
summiert über alle Komponenten der Exposition) von 22,07 Sievert (Sv); daraus folgte auf der Grundlage des im Auftrag des
Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) erstellten Gutachtens des Instituts für Strahlenschutz von März 1995 (W. Jacobi und P. Roth, Risiko und Verursachungswahrscheinlichkeit
von extrapulmonalen Krebserkrankungen durch berufliche Strahlenexposition von Beschäftigten der ehemaligen Wismut AG >Jacobi
II-Gutachten<) eine Verursachungswahrscheinlichkeit von 52,3 %. Nachdem der beratende Arzt der Beklagten die Auffassung vertreten
hatte, in Auswertung aller vorliegenden epidemiologischen Untersuchungen und der zurzeit verfügbaren medizinisch-wissenschaftlichen
Kenntnisse lasse sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen beruflicher Exposition und der Erkrankung des A. nicht wahrscheinlich
machen, beauftragte die Beklagte Professor Dr. A , mit einem strahlenmedizinischen
Gutachten nach Aktenlage. Der Gutachter führte in seinem Gutachten vom 29. November 1998 aus, zwar hätten internationale epidemiologische
Studien an großen Uranbergarbeiter-Kollektiven bislang keine signifikante Häufung von extrapulmonalen Krebsen im Vergleich
zu deren Auftreten in der Normalbevölkerung erbracht, jedoch sei davon auszugehen, dass ionisierende Strahlen im Stande seien,
nahezu alle bösartigen Neoplasien hervorzurufen. Gesicherte Dosis-Risiko-Beziehungen bestünden im Sinne der so genannten Verdoppelungsrate
gegenüber der Spontanrate in der Normalbevölkerung im Allgemeinen nach Überschreiten einer Ganzkörperdosis von etwa 1 bis
2 Sv. Dabei stelle vor allem das Lebensalter zum Zeitpunkt der Strahleneinwirkung eine variierende Größe dar; jugendliche
Personen seien besonders strahlenempfindlich. Den im Jacobi II-Gutachten vorgeschlagenen dosimetrisch begründeten Kausalitätskriterien,
die auf strahlenbiologisch-epidemiologischen Ergebnissen der Life-span-study an ca 95.000 Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki
beruhten, habe eine Gruppe strahlen- und arbeitsmedizinischer Experten im Januar 1995, im Dezember 1997 und im Juni 1998 zugestimmt
und dem HVBG nachdrücklich empfohlen, dieser wissenschaftlich abgesicherten dosimetrischen Vorgehensweise bei der Begründung der haftungsausfüllenden
Kausalität bei extrapulmonalen Tumoren nach Wismut-Expositionen zu folgen. Unter Verwendung dieses Modells sei die Verursachung
der Erkrankung des A. durch die ionisierenden Strahlen während seiner Wismut-Tätigkeit überwiegend wahrscheinlich; die Minderung
der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 40 vH. Dr. N , Fachärztin für Arbeitsmedizin des Sächsischen Landesinstituts für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, empfahl daraufhin die Anerkennung der BK, welche die Beklagte jedoch mit Bescheid vom 12.
Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 1999 ablehnte. Zur Begründung führte sie aus, die Anerkennung
der Erkrankung als BK nach Listen-Nr 92 der Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten
der DDR (BKVO-DDR) sei unabhängig von der erlittenen Strahlenbelastung abzulehnen, da für extrapulmonale Krebserkrankungen nach gegenwärtigem
Erkenntnisstand ein ursächlicher Zusammenhang nicht wahrscheinlich zu machen sei.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Prof. Dr. A erneut mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt und ein weiteres Gutachten von Prof. Dr. H
vom 18. Januar 2001 eingeholt, nachdem die Wismut AG ein neue Expositionsberechnung vorgenommen hatte, welche eine
erhöhte Exposition, nämlich 302 WLM, erbrachte. Prof. Dr. A hat seine zuvor abgegebene Einschätzung bestätigt und sich
darüber hinaus mit den von der Beklagten vorgetragenen Argumenten auseinander gesetzt, welche sich auf das beim HVBG durchgeführte Fachgespräch "Extrapulmonale Krebserkrankungen Wismut" am 12. Februar 1998 bezogen. Dort sei empfohlen worden,
dem dosimetrischen Modell des Jacobi II-Gutachtens auf Grund der fehlenden Signifikanz (absolut geringe Zahl der an Kehlkopfkarzinom
Erkrankten bei Wismutbeschäftigten) nicht zu folgen. Wie zuletzt bei dem Symposion "Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse
zur Induktion maligner Erkrankungen durch ionisierende Strahlung" am 25. Juni 1998 in Bad Münstereifel klar geworden sei,
entspreche dies jedoch nicht der Mehrheitsauffassung in der Wissenschaft. Im Übrigen seien auch in letzter Zeit wissenschaftliche
Arbeiten erschienen (Tirmarche ua 1993, Zemla 1996), die nachdrücklich auf einen ursächlichen Zusammenhang hinwiesen. Prof.
Dr. H hat ausgeführt, das Jacobi II-Gutachten werde von der medizinischen Fachwelt favorisiert; auch er schließe sich
dieser Sichtweise an und halte eine haftungsausfüllende Kausalität für gegeben; allerdings betrage die MdE im vorliegenden
Fall nur 20 vH. Das SG hat daraufhin mit Urteil vom 30. Juli 2001 die Beklagte verurteilt, eine BK nach Listen-Nr 92 der BKVO-DDR anzuerkennen und ab dem 22. Januar 1994 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen nach einer MdE von 20 vH zu entschädigen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Sächsische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 27. März 2003 das Urteil des
SG insoweit aufgehoben, als es Verletztenrente für die Zeit vor dem 1. Januar 1998 zugesprochen hat, und im Übrigen die Berufung
zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Die Anerkennung der Krebserkrankung
des A. als BK richte sich nach dem zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls im August 1988 geltenden Recht der DDR. Es sei durch
den Einigungsvertrag (EinigVtr) als bis zum 31. Dezember 1991 geltendes Bundesrecht bestätigt und erst nach diesem Zeitpunkt durch das Recht der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) abgelöst worden; jedoch habe § 1150 Abs 2
RVO die - den Regeln des intertemporalen Rechts entsprechende - weitere Anwendung des früheren Rechts hinsichtlich Entstehung
und Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche nicht ausgeschlossen. Dass - wie von der Beklagten geltend gemacht - zu DDR-Zeiten
Larynxkarzinome nach der Listen-Nr 92 der BKVO-DDR nicht anerkannt worden seien, stehe der Anwendung des DDR-Rechts nicht entgegen. Zum einen sei dieser Umstand keine Verwaltungspraxis,
die sich - wie von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gefordert - zweifelsfrei feststellen lasse; zum anderen
sei nicht völlig unumstritten, ob es bei fortgeltendem DDR-Recht auf die Auslegung dieses Rechts durch die Staatsorgane der
DDR ankomme. Der Gedanke der Mitübernahme einer die geschützte Rechtsposition umgrenzenden Verwaltungspraxis dürfe jedenfalls
keine Bedeutung haben, wenn es - wie im vorliegenden Fall - nicht um Vertrauensschutz und Besitzstandswahrung, sondern lediglich
um die Anwendung des zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls geltenden Rechts gehe. Die Anerkennung einer BK nach Listen-Nr 92
der BKVO-DDR erfordere nicht den epidemiologischen Nachweis, dass die betroffene spezielle Krebserkrankung in einem bestimmten Kollektiv,
dem der Erkrankte angehörte, gehäuft auftrete. Solche, für die Anerkennung einer Quasi-BK bedeutsame Überlegungen könnten
keine Rolle spielen, wenn - wie in der Listen-Nr 92 der BKVO-DDR - durch die Begriffe "bösartige Neubildungen" und "durch ionisierende Strahlung" der Verordnungsgeber bereits festgesetzt
habe, dass allgemein bösartige Neubildungen durch ionisierende Strahlen verursacht werden könnten. Für Verwaltung und Gericht
bleibe dann nur noch die Prüfung der Kausalität im Einzelfall. Ob dies auch für die BK gemäß Anlage 1 Nr 2402 ("Erkrankungen
durch ionisierende Strahlen") der bundesdeutschen
Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) gelte, könne dahinstehen; jedenfalls sei die von der Beklagten dazu gezogene Parallele zur Anlage 1 Nr 1310 ("Erkrankungen
durch halogenierte Acryl-, Aryl oder Alkylaryloxide") und der dazu ergangenen Rechtsprechung nicht auf die Listen-Nr 92 der
BKVO-DDR übertragbar. Die generelle Geeignetheit ionisierender Strahlen, auch Larynxkarzinome auszulösen, werde nach herrschender
medizinischer Lehrmeinung bejaht; dies habe sich beispielsweise in Anhang 2 zum Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zu
Nr 2402 der Anlage 1 zur BKVO niedergeschlagen. Hinsichtlich der konkreten Verursachungswahrscheinlichkeit folge der Senat ebenso wie das SG den überzeugenden Auffassungen der Professoren Dr. A und Dr. H , die sich insoweit die Methodik des Jacobi II-Gutachtens
zu Eigen machten, das die gegenwärtig herrschende medizinisch-wissenschaftliche Lehrmeinung widerspiegele. Das im Jacobi II-Gutachten
aufgezeigte Berechungsmodell garantiere eine Gleichbehandlung und ermögliche die Einbeziehung aller Arten von Krebserkrankungen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des §
9 Abs
1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) iVm Nr 92 der BK-Liste zur BKVO-DDR. Der Wortlaut des BK-Tatbestands bezeichne als BK "bösartige Neubildungen oder ihre Vorstufen durch ionisierende Strahlung"
und sei damit ebenso wie bei der nahezu inhaltsgleichen bundesdeutschen BK Nr 2402 der Anlage zur BKVO (
BKV) allgemein formuliert. Er lasse offen, ob alle bösartigen Neubildungen oder nur ganz bestimmte Erkrankungen von der BK umfasst
seien, so dass diese Frage durch Auslegung zu klären sei. Wegen der Transformation in Bundesrecht komme dabei der historischen
Auslegung besonderes Gewicht zu; Ausgangspunkt dafür sei die Konkretisierung der Norm durch die Rechts- und Verwaltungspraxis
der ehemaligen DDR. Leiterkrankung sei die bereits seit 1925 in der BK-Liste verzeichnete "Schneeberger Lungenkrankheit" gewesen
und demzufolge habe es sich in der Anerkennungspraxis unter der Zuständigkeit der IG Wismut bei den anerkannten bösartigen
Neubildungen durch ionisierende Strahlung ausschließlich um Bronchialkarzinome gehandelt; extrapulmonale Krebserkrankungen
als Folge ionisierender Strahlung seien in keinem einzigen Fall anerkannt worden; hinsichtlich dieser Erkrankungen sei der
Erkenntnisprozess noch nicht abgeschlossen gewesen. Vor diesem Hintergrund spiegele der Umstand, dass extrapulmonale Krebse
nicht als BK nach Listen-Nr 92 der BKVO-DDR gemeldet worden seien, die in der ehemaligen DDR bestehende Rechtslage. Aber auch, wenn es nicht auf die Rechts- und
Verwaltungspraxis in der ehemaligen DDR, sondern allein auf die objektive Auslegung der als Bundesrecht fortgeltenden Vorschriften
ankomme, könne der Auslegung des LSG nicht gefolgt werden. Dessen Auffassung, durch die Verknüpfung der Begriffe "bösartige
Neubildungen" und "durch ionisierende Strahlung" sei der Kausalitätsnachweis auf der allgemeinen Ebene iS der für die haftungsbegründende
Kausalität erforderlichen generellen Geeignetheit als erbracht anzusehen, messe dem Wortlaut des BK-Tatbestands eine Bedeutung
bei, die mit dem unfallversicherungsrechtlichen Kausalprinzip nicht zu vereinbaren sei und ihm nach dem Wortlaut gerade nicht
zukomme. Bei - wie hier - offen formulierten BK-Tatbeständen bestehe der Vorteil für den Versicherten allein darin, dass zu
seinen Gunsten unterstellt werden könne, dass eine möglichst weitgehende Entschädigung aller durch die berufliche Einwirkung
verursachten Krankheiten unter Einschluss der jeweils neuesten Erkenntnisse gewollt sei. Dies entbinde den Rechtsanwender
nicht davon, im Einzelfall zur Prüfung und Beurteilung der generellen Kausalität auf die allgemeinen Beurteilungskriterien
des §
9 Abs
1 Satz 2
SGB VII zurückzugreifen. Der Verordnungsgeber habe bei den offen formulierten BKen den ihm zur Verfügung stehenden Spielraum nur
in begrenztem Maß genutzt, indem er die Entschädigungsfähigkeit davon abhängig mache, ob die Erkrankung nach den fortschreitenden
Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die genannten Einwirkungen zurückzuführen sei. Daher sei der sich
unabhängig vom Willen des Verordnungsgebers vollziehende Erkenntnisprozess vollumfänglich überprüfbar; es gehe mithin nicht
darum, Entscheidungen des Verordnungsgebers zu korrigieren, sondern für den Rechtsanwender zu konkretisieren. Dies sei auch
erforderlich, da es sonst zu Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung kommen könne, obwohl eine Zuordnung der Erkrankung
zum vom Unternehmer zu tragenden Risiko fragwürdig sei. Die generelle Kausalität sei daher bei offenen BKen für jede Erkrankung
gesondert zu prüfen, wobei der Beweismaßstab der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit gelte. Erkenntnisse, dass ein
spezifisches, bisher vom Verordnungsgeber nicht erkanntes und gewertetes Krankheitsbild unter eine "offen" formulierte BK
subsumierbar sei, lägen vor, wenn die überwiegende Mehrheit der einschlägig kompetenten medizinischen Sachverständigen zu
derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelange und die Erkenntnisse gesichert, dh durch Forschung und praktische Erfahrung
gewonnen seien. Das LSG habe dazu keine Feststellungen getroffen, sondern sich insoweit auf das Merkblatt des BMA zur BK Nr
2402 der Anlage zur BKVO bezogen. Das Merkblatt bringe aber lediglich zum Ausdruck, dass ein Risiko für maligne Erkrankungen an verschiedenen Organen
und Geweben bestünde; es lasse sich nicht in dem Sinn interpretieren, dass dazu auch die für das Entschädigungsrecht relevanten
medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Gruppentypik vorlägen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27. März 2003 sowie das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 30. Juli
2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend und führt ergänzend aus, für die Auslegung der Beklagten finde sich weder im Wortlaut
noch im Willen des Verordnungsgebers der BKVO-DDR eine Grundlage. Sonst wäre keine Aufnahme aller Tumoren durch ionisierende Strahlen erfolgt. Die einschränkende Auslegung
sei auch nicht im Hinblick auf die nahezu identische Formulierung der BK Nr 2402 in der Anlage 1 zur bundesdeutschen BKVO geboten. Denn diese erfasse ebenfalls alle Tumoren durch ionisierende Strahlen. Die generelle Geeignetheit ionisierender
Strahlen zur Auslösung von Tumoren am Kehlkopf werde von der herrschenden Lehrmeinung bejaht und finde ihren Niederschlag
beispielsweise im Anhang 2 zum Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr 2402 der Anlage 1 zur BKVO. Es bestünden keine Anhaltspunkte für anderweitige Erkenntnisse; dies gelte auch hinsichtlich der vom LSG festgestellten
konkreten Verursachungswahrscheinlichkeit.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.
Die Ansprüche ihres Ehemanns auf Anerkennung und Entschädigung seiner Erkrankung als BK stehen nach dessen Tod der Klägerin
gemäß § 56 Abs 1 Nr 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch als Sonderrechtsnachfolgerin zu, da sie mit diesem zur Zeit seines Todes
in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat.
Streitig ist im Revisionsverfahren, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kehlkopfkrebserkrankung des A. als BK anzuerkennen
und deren Folgen ab 1. Januar 1998 zu entschädigen. Diesen Anspruch hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht
verneint; insoweit hat das LSG ihre Berufung gegen das Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
Der erhobene Anspruch auf Anerkennung einer BK richtet sich allerdings entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht ausschließlich
nach dem im August 1988 am Wohnsitz des A. damals geltenden Recht der DDR. Vielmehr ist der Anspruch auch nach dem bis zum
Inkrafttreten des
SGB VII geltenden bundesdeutschen Recht der
RVO zu beurteilen. Dies ergibt sich aus § 1150 Abs 2 Satz 2
RVO, der nach §§
212,
215 Abs
1 SGB VII in der am Tag vor Inkrafttreten des
SGB VII (1. Januar 1997) geltenden Fassung für die Übernahme der vor dem 1. Januar 1992 eingetretenen Krankheiten als BKen nach dem
Recht der gesetzlichen Unfallversicherung weiter anzuwenden ist.
Nach § 1150 Abs 2 Satz 1
RVO gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden
Recht Arbeitsunfälle und BKen der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle und BKen im Sinne des Dritten Buches der
RVO. Nach § 1150 Abs 2 Satz 2 Nr 1
RVO gilt dies jedoch nicht für Krankheiten, die einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung
erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden sind und die nach dem Dritten Buch der
RVO nicht zu entschädigen wären. Diese Vorschrift ist hier zu beachten, weil A. nach den bindenden Feststellungen des LSG zwar
vor dem 1. Januar 1992, nämlich bereits im August 1988, an dem Kehlkopfkrebs erkrankt ist, aber erst im Oktober 1998 bei der
Beklagten einen Antrag auf Anerkennung der Erkrankung als BK gestellt hat und weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass
die Erkrankung bereits vor der Antragstellung einem für das Beitrittsgebiet ab 1. Januar 1991 zuständigen Träger der Unfallversicherung
bekannt geworden wäre. Die Erkrankung kann daher nur dann als BK anerkannt werden, wenn die Voraussetzungen dafür sowohl nach
dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht als auch nach der
RVO erfüllt sind (vgl Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und
Unfallversicherung, BT-Drucks 12/405 S 116 Buchst b sowie S 154 zu § 1150
RVO; BSG Urteil vom 4. Dezember 2001 - B 2 U 35/00 R - SozR 3-8440 Nr 50 Nr 1 S 2 f). Indes ist beim Kläger auch diese doppelte Anspruchsvoraussetzung gegeben.
1. Nach § 221 Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. Juni 1977 (GBl DDR I, 185) und § 2 Abs 1 BKVO-DDR vom 26. Februar 1981 (GBl DDR I, 137) ist eine BK eine Erkrankung, die durch arbeitsbedingte Einflüsse bei der Ausübung
bestimmter beruflicher Tätigkeiten bzw Arbeitsaufgaben hervorgerufen wird und die in der vom Minister für Gesundheitswesen
in Übereinstimmung mit dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes herausgegebenen Liste der BKen (Anlage
zur Ersten Durchführungsbestimmung zur BKVO-DDR - Liste der BKen - vom 21. April 1981 >GBl DDR I, 139<) genannt ist. Diese Rechtsvorschriften sind im Beitrittsgebiet
bis zum 31. Dezember 1991 in Kraft geblieben (Anl II Kap VIII Sachgeb I Abschn III Nr 4 und 5 EinigVtr) und gemäß §
162 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) revisibel (vgl Senatsurteil vom 29. April 1997 - 8 RKnU 1/96 - SozR 3-8440 Nr 70 Nr 1 S 2).
In der Liste der BKen nach der BKVO-DDR sind Erkrankungen durch ionisierende Strahlung an zwei Stellen erfasst. Zum einen unter Abschnitt III "Krankheiten durch
physikalische Einwirkungen" in Nr 51: "Alle Krankheiten, Ausnahme: Bösartige Neubildungen werden unter Nr 92 erfasst", zum
anderen unter Abschnitt VII "Beruflich verursachte bösartige Neubildungen" in Nr 92: "Bösartige Neubildungen oder ihre Vorstufen
durch ionisierende Strahlung". Unter die bösartigen Neubildungen iS dieser BK fällt, wie der Senat in seinem heutigen Urteil
in dem Rechtsstreit B 8 KN 2/03 U R entschieden hat, auch das hier in Rede stehende Kehlkopfkarzinom: Der Verordnungsgeber
der DDR hat mit der Nr 92 die Ursächlichkeit einer beruflichen Strahlenschädigung für bösartige Neubildungen generell anerkannt
und damit alle Krebserkrankungen, auch die extrapulmonalen, als solche für entschädigungswürdig befunden. Der Rechtssetzungsakt
des Verordnungsgebers der DDR kann nicht an den Voraussetzungen des § 551 Abs 1 Satz 2, §
9 Abs
1 Satz 2
SGB VII für eine Entscheidung des bundesdeutschen Verordnungsgebers über die so genannte BK-Reife gemessen werden. Der Versicherungsträger
unterliegt bei Anwendung der Listen-Nr 92 der BKVO-DDR nicht den Beschränkungen, denen er nach § 551 Abs 2
RVO, §
9 Abs
2 SGB VII bei der Entscheidung über die Anerkennung einer Krankheit wie eine BK (so genannte Quasi-BK) unterworfen wäre.
Wie der Senat in dem oben genannten Urteil weiter dargelegt hat, ist ferner unerheblich, dass - worauf sich die Beklagte berufen
hat - in der Verwaltungspraxis der DDR extrapulmonale Krebserkrankungen von Wismut-Beschäftigten nicht als BK anerkannt wurden,
und es besteht insoweit auch kein Widerspruch zu dem von der Beklagten angeführten Urteil des 2. Senats des BSG vom 4. Dezember
2001 (B 2 U 35/00 R - SozR 3-8440 Nr 50 Nr 1 - zur Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als BK nach Listen-Nr 50 BKVO-DDR >"Lärm, der Schwerhörigkeit mit sozialer Bedeutung verursacht"<) und der darin herangezogenen Rechtsprechung. Vielmehr
stellt sich allein die Frage, ob die Beklagte, die insoweit an die Stelle der DDR-Behörden getreten ist, auf der Grundlage
der Listen-Nr 92 der BKVO-DDR die Kehlkopferkrankung des Klägers nach dem Erkenntnisstand zur Zeit der Verwaltungsentscheidung bzw im Fall der sozialgerichtlichen
Kontrolle - wie hier - nach dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG hätte anerkennen
müssen. Das LSG ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass in Anwendung der Nr 92 der BK-Liste zur BKVO-DDR lediglich zu prüfen ist, ob bei A. auch die individuellen Voraussetzungen für die Anerkennung des Kehlkopfkarzinoms als
BK vorlagen.
2. Nach § 581 Abs 1 Nr 2 iVm § 548
RVO wird Verletztenrente in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge
des Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens ein Fünftel gemindert ist. Als Arbeitsunfall gilt nach § 551 Abs 1 Satz 1
RVO auch eine BK. BKen sind diejenigen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats
bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545
RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs 1 Satz 2
RVO). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen
der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit
in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 551 Abs 1 Satz 3
RVO). Hiervon hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht und in der BKVO seit deren Änderung durch die Verordnung zur Änderung der Siebenten
Berufskrankheiten-Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl I 3329) unter der Nr 2402 der Anlage 1 der BKVO als BK bezeichnet: "Erkrankungen durch ionisierende Strahlen".
Im bundesdeutschen Recht hat die Liste der BKen eine andere Systematik als die BK-Liste der BKVO-DDR. Die Obergliederung der Nr 2 "Durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten" führt zur Untergliederung der
Nr 24 "Strahlen" und zu den weiteren Untergliederungen Nr 2401 "Grauer Star durch Wärmestrahlung" und Nr 2402 "Erkrankungen
durch ionisierende Strahlen". Im Gegensatz zur Liste der BKVO-DDR sind die beruflich bedingten Krebserkrankungen durch ionisierende Strahlung also nicht eigens aufgeführt (anders als
zB bei der BK Nr 5102 "Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthracen,
Pech oder ähnliche Stoffe).
Bei der notwendigen Konkretisierung des Begriffs "Erkrankungen" genügt es nicht, auf diejenigen Erkenntnisse zurückzugreifen,
die den Verordnungsgeber zur Aufnahme der Krankheit in die BK-Liste bewogen haben. Mit der unbestimmten Fassung "Erkrankungen
durch ..." will der Verordnungsgeber alle denkbaren Krankheiten zu BKen erklären, die nach dem (fortschreitenden) Erkenntnisstand
der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die genannten Einwirkungen zurückzuführen sind, ohne dass insoweit weitere Einschränkungen
gemacht werden. Voraussetzung für die Anerkennung und ggf Entschädigung einer Erkrankung als BK ist in diesen Fällen zum einen,
dass die schädigende Einwirkung generell geeignet ist, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern.
Zum anderen muss die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch entsprechende Einwirkungen wesentlich verursacht bzw
verschlimmert worden und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein (vgl
BSG Urteile vom 27. März 1958 - 5 RKn 32/56 - BSGE 7, 89, 97 und vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-INFO 2000, 2811, 2815 mwN).
Die generelle Eignung ionisierender Strahlen, das hier in Rede stehende Larynxkarzinom hervorzurufen, ist gegeben (nachfolgend
unter a). Insoweit bedarf es auch bei Anwendung der Nr 2402 der bundesdeutschen BK-Liste für den hier maßgeblichen Zeitpunkt
keines Nachweises, dass diese Erkrankung in einem bestimmten Kollektiv gehäuft auftritt bzw aufgetreten ist (nachfolgend unter
b). Die Anerkennung und ggf Entschädigung des Larynxkarzinoms im Einzelfall setzt (lediglich) voraus, dass es auch konkret-individuell
durch die entsprechenden Einwirkungen wesentlich verursacht und diese Einwirkungen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit
verursacht worden sind. Auch diese Voraussetzung ist hier gegeben (nachfolgend unter 3.).
a) Spätestens seit der Bekanntmachung des vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat - Sektion Berufskrankheiten - zur BK Nr 2402
verfassten Merkblatts durch den damals zuständigen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung vom 13. Mai 1991 (BArBl 1991,
Heft 7-8, 72) ist davon auszugehen, dass mit der BK Nr 2402 ua die hier vorliegende Krebserkrankung iS der generellen Geeignetheit
erfasst wird. Das Merkblatt ist zwar kein Bestandteil der BKVO; es stellt aber den vom Sachverständigenbeirat ermittelten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und ärztlichen Erfahrungen
dar und lässt sich insoweit als Interpretationshilfe und Wiedergabe des bei seiner Herausgabe aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen
Erkenntnisstandes heranziehen (vgl dazu BSG Beschluss vom 4. August 1987 - 2 BU 109/87 - veröffentlicht in JURIS; BSG Urteile vom 23. September 1997 - 2 RU 10/96 - SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2401 Nr 1 S 3, vom 22. August 2000 - B 2 U 34/99 R - SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 2 S 5 und vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 16 S 85 f mwN).
Das Merkblatt enthält in seinem Teil II Angaben zur Pathophysiologie ionisierender Strahlen, die besagen, dass alle energiereichen
ionisierenden Strahlen im lebenden Gewebe zu Störungen der Zelltätigkeit, zum Zelluntergang und damit zu funktionellen und
morphologischen Veränderungen führen können und dass das Ausmaß der biologischen Wirkung von physikalischen Komponenten (wie
Strahlenart und Dosis sowie zeitlicher und räumlicher Verteilung der Dosis) und von biologischen Faktoren (wie Alter, Geschlecht
und Strahlenempfindlichkeit des betroffenen Gewebes) abhängig ist. Nach den Ausführungen unter Abschnitt III D und E des Merkblatts
können Krebserkrankungen (Lungenkrebs, Leukämien und "andere maligne Tumoren") als Spätschaden einer Strahleneinwirkung auftreten,
wobei die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Erkrankungen in Bezug auf die Lokalisation von der Empfindlichkeit der betroffenen
Organe und der einwirkenden Strahlendosis abhängt (Abschnitt III E iVm mit Anhang 2 des Merkblatts). Insoweit lässt sich dem
Merkblatt entnehmen, dass grundsätzlich jede ionisierende Strahlung in jedem Körpergewebe maligne Neubildungen hervorrufen
kann, und dass es keine Grenzwerte gibt, dh die Risikoerhöhung eintritt, sobald die natürliche Strahlenbelastung der Umgebung
überschritten ist. Dass in der Anlage 2 zum Merkblatt "Strahlenempfindlichkeit einzelner Organe und Gewebe in Hinsicht auf
die Verursachung maligner Erkrankungen" der Kehlkopfkrebs nicht aufgeführt ist, lässt keinen gegenteiligen, sondern lediglich
den Schluss zu, dass bei Abfassung des Merkblatts für dieses Organ keine Einschätzung seiner Empfindlichkeit gegenüber ionisierenden
Strahlen gemacht werden konnte.
An der Erkenntnis, dass ionisierende Strahlen geeignet sind, Krebserkrankungen hervorzurufen, hat sich seit der Herausgabe
des Merkblatts offensichtlich nichts geändert. Alle in diesem Verfahren - wie auch in den anderen bekannt gewordenen Verfahren
über die Anerkennung von Krebserkrankungen durch ionisierende Strahlen - eingeführten Aussagen medizinischer Sachverständiger
gehen von dieser Wirkung aus (vgl auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 13. Mai 1998 - L 17 U 24/94, Sächsisches LSG Urteil vom 29. Juni 2000 - L 2 KN 28/96 U - HVBG Rdschr VB 91/2001, LSG Berlin Urteil vom 14. Januar 2003 - L 2 U 7/98 - und LSG Baden-Württemberg Urteil vom 17. Februar 2004 - L 13 KN 1768/00 -, alle veröffentlicht in JURIS). Der Verordnungsgeber hat die Fassung der BK Nr 2402 in den nachfolgenden Änderungen bzw
Neufassungen der BK-Liste bislang nicht verändert (vgl Nr 2402 der Anlage zur
Berufskrankheiten-Verordnung -
BKV - vom 31. Oktober 1997 >BGBl I 2623< idF der
BKV-ÄndV vom 5. September 2002 >BGBl I 3541<; zur Aufgabe des Verordnungsgebers, nach Einführung einer neuen BK zu prüfen, ob
nach den gesammelten Erkenntnissen eine Konkretisierung, Einschränkung, Ausweitung oder Klarstellung der Fassung der BK notwendig
oder angezeigt ist, vgl BSG Urteile vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 16 S 82 f und vom 18. März 2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 RdNr 11 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1 RdNr 11). Insofern ist bei den Krebserkrankungen durch Einwirkungen ionisierender Strahlen
eine andere Situation gegeben als zB bei den in Nr 4104 und 4109, 4110 und 4112, 4203 und 5102 der Anlage zur
BKV aufgeführten Krebserkrankungen, bei denen im Hinblick auf die dort genannten Einwirkungen bestimmter Stoffe eine Eingrenzung
auf bestimmte Organe oder Körpergewebe vorgenommen worden ist.
b) Die mit der Revision vorgetragene Auffassung, hinsichtlich der Anerkennung einer Krebserkrankung speziell des Kehlkopfes
als BK gemäß Nr 2402 bedürfe es zusätzlich der Feststellung einer besonderen Gruppentypik durch den epidemiologischen Nachweis
einer signifikanten Häufung dieser Erkrankung bei einer bestimmten Personengruppe, etwa Beschäftigten im Uranerzbergbau, findet
im Gesetz keine Stütze.
aa) Die Gruppentypik als Nachweis einer höheren Gefährdung bestimmter Personengruppen wird für die Aufnahme einer Erkrankung
in die BK-Liste nach § 551 Abs 1 Satz 3
RVO, §
9 Abs
1 Satz 2
SGB VII durch den Verordnungsgeber und für die Entschädigung bzw Anerkennung einer nicht durch Rechtsverordnung bezeichneten Erkrankung
wie eine BK nach § 551 Abs 2
RVO, §
9 Abs
2 SGB VII (so genannte Quasi-BK) verlangt (vgl BSG Urteile vom 5. Februar 1980 - 2 RU 63/78 - veröffentlicht in JURIS, vom 29. Oktober 1981 - 8/8a RU 82/80 - BSGE 52, 272 = SozR 2200 § 551 Nr 20, vom 12. Juni 1990 - 2 RU 21/89 - HVBG-INFO 1990, 2085 und vom 14. November 1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250 = SozR 3-2200 § 551 Nr 9; vgl auch Brandenburg in SGb 2004, S 70, 72, zur Relevanz des erhöhten Erkrankungsrisikos der exponierten
Berufsgruppe als methodisches Kriterium zum Nachweis der generellen Eignung). Abgesehen davon, dass der Nachweis einer gegenüber
der übrigen Bevölkerung besonderen Gefährdung bestimmter Personengruppen bereits im Rahmen des § 551 Abs 1 Satz 3 und Abs 2
RVO nicht auf epidemiologische Untersuchungen beschränkt ist (vgl dazu BSG Urteile vom 29. Oktober 1981 - 8/8a RU 82/80 - BSGE 52, 272, 275 = SozR 2200 § 551 Nr 20 und vom 23. März 1999 - B 2 U 12/98 R - BSGE 84, 30, 33 ff = SozR 3-2200 § 551 Nr 12 S 37 ff; zum Beurteilungsspielraum des Verordnungsgebers vgl auch BSG Urteil vom 18. März
2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1), geht es vorliegend nicht um die Anerkennung einer Quasi-BK. Die Beschränkungen, denen der Versicherungsträger
bei der Anerkennung einer Quasi-BK unterliegt, lassen sich nicht ohne weiteres auf den Verordnungsgeber übertragen. Denn dies
würde seinen ihm gesetzlich zuerkannten Beurteilungsspielraum praktisch beseitigen (vgl BSG aaO BSGE 84, 30, 33 ff = SozR 3-2200 § 551 Nr 12 S 37 ff). Der Verordnungsgeber hat die besondere Gefährdung durch ionisierende Strahlen
für beruflich strahlenexponierte Personen ohne Begrenzung auf ein bestimmtes Kollektiv anerkannt. Dies entspricht dem Zweck
der Ermächtigung, solche Krankheiten dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu unterstellen, die wesentlich durch
die versicherte Tätigkeit hervorgerufen werden. Der Hinweis der Beklagten auf die Gesetzesbegründung zum Tatbestand der Quasi-BK
(BT-Drucks 13/2204 S 78 zu §
9 Abs
2 SGB VII) geht daher fehl; im Übrigen findet hier - wie eingangs dargelegt - das
SGB VII für die Anerkennung der BK auch keine Anwendung.
bb) Die in der Revisionsbegründung angeführten Urteile des 2. Senats des BSG vom 31. Januar 1984 (2 RU 67/82 - SozSich 1984, RsprNr 3827), vom 27. Juni 2000 (B 2 U 29/99 R - HVBG-INFO 2000, 2811) und vom 4. Juni 2002 (B 2 U 20/01 R, veröffentlicht in JURIS) geben für die Auffassung der Beklagten nichts her. Von ihnen befasst sich überhaupt nur das Urteil
vom 27. Juni 2000 mit einer Listen-BK, während es in den anderen Entscheidungen lediglich um Anerkennungen nach § 551 Abs 2
RVO ging. In dem Fall, der dem Urteil des 2. Senats vom 27. Juni 2000 (aaO HVBG-INFO 2000, 2811) zu Grunde lag, ging es allerdings nicht - wie hier - um eine BK nach Nr 2402, sondern um die Anerkennung eines Morbus Parkinson
als BK gemäß Nr 1302 der Anlage 1 zur BKVO ("Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe"). Der 2. Senat hat ausgeführt, dass das für die Erkrankung angeschuldigte
Trichlorethylen (Tri) zwar zu den Halogenkohlenwasserstoffen gehöre; es habe sich aber nach den bindenden Feststellungen des
LSG weder die generelle Geeignetheit dieses Stoffs für die Entstehung oder Verschlimmerung einer Parkinson-Erkrankung noch
der konkret-individuelle Zusammenhang zwischen der Tri-Exposition und der vorliegenden Parkinson-Erkrankung mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit feststellen lassen. Wie der 2. Senat ausdrücklich hervorgehoben hat, konnte bei seiner Entscheidung offen
bleiben, wie die vom Kläger aufgeworfene Frage zu beantworten sei, "ob die Rechtsprechung ... des BSG so zu verstehen ist,
dass bei der Zusammenhangsfrage von schädigender Einwirkung und vorhandener Erkrankung nur dann im Sinne einer hinreichenden
Wahrscheinlichkeit gesprochen werden kann, wenn ... anhand 'statistisch relevanter Zahlen' für eine Vielzahl von typischen
Geschehensabläufen dies bestätigt werden kann". Ebenso wurde offen gelassen, ob der für den konkret-individuellen Kausalzusammenhang
zwischen der mit der versicherten Tätigkeit in innerem Zusammenhang stehenden Verrichtung und der schädigenden Einwirkung
und zwischen dieser und dem Eintritt der Erkrankung geltende Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit ebenso für das Vorliegen
der generellen Geeignetheit der bestimmten Einwirkung für das Entstehen oder die Verschlimmerung der Erkrankung - etwa bei
BK-Tatbeständen mit unbestimmter Krankheitsbezeichnung wie der im entschiedenen Fall einschlägigen Nr 1302 der Anlage 1 zur
BKVO - gelte oder hier der strengere Maßstab des vollen Nachweises zu fordern sei. Nach den bindenden Feststellungen des LSG sei
das Vorliegen der generellen Geeignetheit der Einwirkungen des Listenstoffs auch unter Zugrundelegung des geringeren Maßstabs
der Wahrscheinlichkeit nicht gegeben. Dabei habe das LSG nicht allein das Fehlen gesicherter epidemiologischer Erkenntnisse
berücksichtigt, sondern alle nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens für eine positive Beantwortung der sich hier stellenden
Zusammenhangsfragen in Betracht kommenden sonstigen Beweismittel gewürdigt und nicht bereits wegen prinzipieller Ungeeignetheit
von vornherein ausgeschlossen.
Der Senat sieht auch keinen Widerspruch zum Beschluss des 2. Senats des BSG vom 18. Juni 2001 (B 2 U 104/01 B - veröffentlicht in JURIS) über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts
vom 1. Februar 2001 (L 6 KN 59/98 U). Der 2. Senat hat darin zwar ausgeführt, die Nr 92 der BK-Liste der BKVO-DDR setze "- anders als die BK Nr 2402 der Anlage 1 der (bundesdeutschen) BKVO - voraus, dass ionisierende Stoffe bösartige Neubildungen generell auslösen können". Diese Ausführungen können aber nicht
dahin verstanden werden, der 2. Senat habe damit auch entschieden, dass bösartige Neubildungen von der bundesdeutschen BK
Nr 2402 iS der generellen Geeignetheit nicht erfasst seien. Die Auslegung dieses BK-Tatbestands war nicht Gegenstand der Entscheidung.
Der 2. Senat ist auf ihn lediglich eingegangen, um deutlich zu machen, dass sich die Nr 92 der BK-Liste der BKVO-DDR in ihrer Begriffsbestimmung auch wesentlich von den BKen Nr 1302 und 2108 der Anlage 1 zur bundesdeutschen BKVO unterscheide, über die das BSG in den in der Beschwerdebegründung angeführten, angeblich abweichenden Urteilen entschieden
habe, und dass die Beschwerdebegründung diese unterschiedliche Begriffsbestimmung zur hinreichenden Bezeichnung der Divergenz
hätte berücksichtigen müssen.
3. Da es sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft bei einer Krebserkrankung einerseits um ein multifaktorielles
Geschehen handelt, bei dem auch andere Faktoren zur Auslösung (Initiation) und Entwicklung (Promotion) eines Tumors beitragen,
und Körpergewebe bzw -organe nicht von gleicher Strahlenempfindlichkeit sind (vgl Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, 7. Aufl 2003, 1145, 1256), andererseits die Bevölkerung auch außerberuflich einer Strahlenbelastung ausgesetzt
ist (natürliche Strahlung, medizinische Behandlung mit Röntgen- und anderen ionisierenden Strahlen), kommt es für den ursächlichen
Zusammenhang zwischen der bei A. unstreitig gegebenen beruflichen Strahleneinwirkung und dem bei ihm aufgetretenen Larynxkarzinom
darauf an, ob die bei ihm festgestellte berufliche Strahleneinwirkung nach Art und Dosis ausreichte, um nach der im Recht
der Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre als wesentliche Bedingung für diese Erkrankung angesehen zu werden (vgl
BSG Urteil vom 29. Januar 1974 - 8/7 RU 18/72 - SozR 2200 § 551 Nr 1 zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs einer berufsbedingten Strahlenerkrankung mit einer Erkrankung
an Leukämie; Krasney, Die Kausalgrundsätze des geltenden Berufskrankheitenrechts, in Süddeutsche Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft
Mainz, Kolloquium Krebserkrankungen und berufliche Tätigkeit, 1988, S 67, 68 f).
Diese individuellen Voraussetzungen für die Anerkennung und Berentung des Kehlkopfkrebsleidens hat das LSG rechtsfehlerfrei
bejaht. Nach seinen Feststellungen begründete die von der Beklagten selbst ermittelte Strahlenbelastung, der A. bei seiner
beruflichen Tätigkeit ab 1951 ausgesetzt war, eine Verursachungswahrscheinlichkeit von wenigstens 52,3 %. Insoweit konnte
sich das LSG auf die Beurteilung durch die gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. A und Prof. Dr. H stützen,
deren Meinung es zudem nicht kritiklos übernommen, sondern anhand der wissenschaftlichen Äußerungen beim Fachgespräch "Extrapulmonale
Krebserkrankungen Wismut" (HVBG BK-Report 4/99) sowie des Gutachtens Jacobi II überprüft hat. Diese Beweiswürdigung des Gerichts (§
128 Abs
1 Satz 1
SGG) wurde von der Beklagten nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffen, ebenso wenig wurden von der Beklagten sonstige
zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben. Die Feststellungen des LSG sind deshalb für den Senat nach §
163 SGG verbindlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.