Übernahme gesondert berechneter Investitionskosten für ein Pflegeheim durch den Träger der Sozialhilfe; Rechtmäßigkeit eines
Schiedsspruchs der Schiedsstelle Baden-Württemberg
Gründe:
I
Im Streit ist ein Schiedsspruch über die Höhe der Investitionskostenvergütung für die Zeit vom 1.10.2009 bis 31.12.2010.
Die Klägerin, die bis etwa Mitte 2005 unter dem Namen "h c gmbh" firmierte, ist Trägerin des landesrechtlich nicht geförderten
Pflegeheims "Haus F" in G (nachfolgend Pflegeheim) im Landkreis Rastatt, einer nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale
Pflegeversicherung - (
SGB XI) zugelassenen Pflegeeinrichtung. Das Pflegeheim verfügt über 131 vollstationäre Dauerpflegeplätze, davon 6 zur Kurzzeitpflege.
Die "h c gmbh" und der Landeswohlfahrtsverband Baden (als überörtlicher Träger der Sozialhilfe) haben im Jahr 2004 eine Vereinbarung
über die Vergütung der gesondert berechenbaren Aufwendungen für Investitionskosten in Höhe von 15,03 Euro täglich abgeschlossen
(Vereinbarung vom 30.3.2004), und zwar ohne zeitliche Befristung ab 1.5.2004; kündbar sollte sie frühestens zum 30.4.2005
sein. Unter dem 17.7.2009 forderte die Klägerin den Beklagten als nunmehr zuständigen Sozialhilfeträger zur Verhandlung auf
und forderte eine Investitionskostenvergütung in Höhe von täglich 18,58 Euro ab 1.10.2009. Nachdem der Beklagte im September
2009 Verhandlungen über Investitionskosten abgelehnt hatte, rief die Klägerin am 30.9.2009 die Schiedsstelle an.
Die Schiedsstelle setzte die Vergütung ab 1.10.2009 mit weiterhin täglich 15,03 Euro fest (Beschluss vom 18.1.2010). Zur Begründung
wurde ua ausgeführt, die am 30.3.2004 abgeschlossene Investitionskostenvereinbarung sei von der Klägerin wirksam gekündigt
worden. Soweit es sich bei den von der Klägerin als Investitionen bezeichneten Aufwendungen tatsächlich um Ersatzbeschaffungen
gehandelt habe, seien diese schon im Wege der Abschreibung in der Vereinbarung vom 30.3.2004 berücksichtigt. Im Übrigen habe
der Beklagte dem Erhöhungsverlangen zu Recht entgegengehalten, dass er von Investitionen (darlehensweise Anschaffung eines
Klaviers, Miete von zwei Kopierern, Leasingvertrag über eine Kaffee-Spezialitäten-Maschine) nichts gewusst und ihnen auch
nicht zugestimmt habe. Deshalb sei davon auszugehen, dass sich - bei unveränderter Höhe der Pacht - die für den Investitionsbetrag
maßgeblichen Berechnungsgrundlagen seit dem 30.3.2004 nicht verändert hätten. Soweit die Klägerin geltend mache, der Betrag
von 15,03 Euro täglich sei schon 2004 nicht auskömmlich gewesen, könne darauf das Erhöhungsverlangen ebenfalls nicht gestützt
werden. Denn der Betrag sei damals einvernehmlich, ohne Zwang und von der Klägerin im Bewusstsein der Unterdeckung vereinbart
worden; die behauptete Unterdeckung sei zudem nicht plausibel dargelegt. Auf einen Vergleich mit anderen Einrichtungen habe
deshalb verzichtet werden können.
Die Klage, gerichtet auf Aufhebung des Schiedsspruchs, "soweit ein Investitionskostensatz von weniger als 18,58 Euro pro Berechnungstag
festgesetzt worden" war, und auf "Zurückverweisung des Verfahrens an die Schiedsstelle", hat das Landessozialgericht (LSG)
Berlin-Brandenburg abgewiesen (Urteil vom 5.12.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Schiedsstelle
sei ordnungsgemäß besetzt gewesen. Auch wenn ein Mitglied der Schiedsstelle auf Seiten des Beklagten an den Vergütungsverhandlungen
beteiligt gewesen sei, führe dies nicht zu seinem Ausschluss. Der Schiedsspruch sei jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Beteiligten hätten am 30.3.2004 wirksam eine Vereinbarung über die Investitionskostenvergütung geschlossen, die weder
durch Zeitablauf wirkungslos noch wirksam gekündigt worden sei. Die Klägerin habe weder durch die Aufforderung zu Neuverhandlungen
noch ansonsten eine Kündigung ausgesprochen oder erklären wollen; der Beklagte habe dies auch so verstanden. Dass die Schiedsstelle
zu Unrecht von einer Kündigung ausgegangen sei, sei aber unbeachtlich, weil die Voraussetzungen - unvorhersehbare wesentliche
Veränderungen - für ein Anpassungsverlangen nach dem allein anwendbaren § 77 Abs 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) nicht vorlägen. Bei den Investitionen handele es sich vielmehr um solche, die schon 2004 der Kalkulation zugrunde gelegt
worden seien. Ob es einer Zustimmung des Sozialhilfeträgers zu den Investitionen bedurft hätte, könne deshalb offen bleiben.
Ansonsten realisiere sich in der behaupteten Unterdeckung nur ein allgemeines Vertragsrisiko.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, sie habe die Vereinbarung vom 30.3.2004 nicht
kündigen wollen; insoweit habe das LSG bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze verstoßen. Die Aufforderung zu Verhandlungen
vom 17.7.2009 könne nicht als bloßes Anpassungsverlangen verstanden werden. Der Schiedsspruch selbst verstoße gegen § 75 Abs 5 Satz 3 SGB XII iVm §
82 Abs
4 SGB XI. Die Refinanzierbarkeit von Investitionen nicht nur bei Neuverhandlungen, sondern auch im Falle von Unterdeckungen im Rahmen
der bisherigen Kalkulation, werde vom Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art
12 Grundgesetz [GG]) gedeckt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG und die Entscheidung der Schiedsstelle aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
II
Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist - neben der Aufhebung des LSG-Urteils - nur noch die Aufhebung des Schiedsspruchs,
gegen den sich die Klägerin zulässigerweise mit einer Anfechtungsklage gegen den Beklagten - den Vertragspartner (§ 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII, in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - BGBl I 2670) - wehrt (vgl hierzu nur BSGE 116, 227 ff RdNr 11 mwN = SozR 4-3500 § 77 Nr 1). Auch wenn sie ihren Anfechtungsantrag vor dem LSG noch dahin formuliert hat, den
Schiedsspruch aufzuheben, "soweit ein Investitionskostensatz von weniger als 18,58 Euro pro Berechnungstag festgesetzt worden
ist", ging ihr Interesse, wovon das LSG selbst ausgegangen ist, von Anfang an auf die vollständige Aufhebung des Schiedsspruchs;
denn nur so kann die Klägerin ihr Prozessziel, eine erneute Entscheidung der Schiedsstelle über den von ihr gestellten Antrag,
erreichen. Dies hat sie mit dem im Revisionsverfahren formulierten Antrag klargestellt. Den Antrag auf Zurückverweisung des
Verfahrens an die Schiedsstelle (zur Unzulässigkeit einer derartigen Verurteilung vgl nur: BSGE 116, 233 ff RdNr 25 = SozR 4-3500 § 76 Nr 1; BSGE 116, 227 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 77 Nr 1) hat die Klägerin vor dem Bundessozialgericht (BSG) nicht mehr aufrechterhalten.
Prozessuale Verfahrensfehler stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es
nicht (§ 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII, §
78 Abs
1 Satz 2 Nr
1 SGG). Es bedurfte auch keiner Beiladung der Schiedsstelle (BSGE 116, 227 ff RdNr 13 = SozR 4-3500 § 77 Nr 1).
Zu Recht hat das LSG den Schiedsspruch - wenn auch mit teilweise unzutreffender Begründung - im Ergebnis bestätigt. Die Entscheidung
der Schiedsstelle, die eine Schlichtungsmaßnahme eines sachnahen, weisungsfreien, mit Vertretern der Interessen der betroffenen
Gruppen paritätisch zusammengesetzten Gremiums darstellt (BSGE 116, 227 ff RdNr 9 mwN = SozR 4-3500 § 77 Nr 1) und deren Entscheidungsspielraum sich am Vereinbarungsspielraum der Vertragsparteien
messen muss, ist gerichtlich im Rahmen der normativen Vorgaben der §§ 75 ff SGB XII zwar regelmäßig nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob der Sachverhalt ermittelt ist, die verfahrensrechtlichen Regelungen
eingehalten sind und die Schiedsstelle bei der Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange ihren Gestaltungsspielraum
nicht verkannt hat (vgl dazu: BSGE 116, 233 ff RdNr 14 mwN = SozR 4-3500 § 76 Nr 1; Jaritz/Eicher in juris PraxisKommentar [jurisPK] SGB XII, 2. Aufl 2014, § 77 SGB XII RdNr 92 mit umfassenden weiteren Nachweisen; Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 77 RdNr 38 ff, Stand März 2012; Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 80 SGB XII RdNr 5 ff; Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 80 SGB XII RdNr 31). Überprüfbar bleibt verfahrensrechtlich damit aber die Ordnungsgemäßheit des vorliegend erst nach Ablauf der sechswöchigen
Verhandlungsfrist (§ 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII) eingeleiteten Schiedsverfahrens.
Hier ist das Schiedsverfahren als Verwaltungsverfahren nicht deshalb fehlerhaft durchgeführt worden, weil der Beklagte für
den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen nicht zuständig gewesen wäre. Hierzu stellt § 77 Abs 1 Satz 2 SGB XII für die örtliche Zuständigkeit auf den Sitz des für die Einrichtung (Pflegeheim) zuständigen Trägers der Sozialhilfe ab (BSGE
116, 233 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 76 Nr 1), also darauf, wo die Einrichtung selbst gelegen ist. Auf den Sitz des Trägers der Einrichtung
kommt es nach Sinn und Zweck der Regelung nicht an. Nur die Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit an den Sitz des Pflegeheims
selbst stellt sicher, dass auf Seiten des Sozialhilfeträgers derjenige verhandelt, der mit den örtlichen Verhältnissen vertraut
ist und damit die erforderlichen Kenntnisse zur Beurteilung der Angemessenheit der geforderten Vergütungen am ehesten besitzt
(vgl BVerwGE 126, 295 ff). Die Regelungen zur Zusammensetzung der Schiedsstelle in § 80 Abs 2 Satz 1 SGB XII (in der Normfassung des Gesetzes vom 2.12.2006, aaO), wonach die Schiedsstelle neben Vertretern der Einrichtungen aus Vertretern
der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe besteht, knüpft an ein derartiges Normverständnis an. Die sachliche
Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich hier aus § 97 Abs 1 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003 - BGBl I 3022), der für die "Sozialhilfe"
allgemein die Zuständigkeit des örtlichen Trägers der Sozialhilfe bestimmt, solange keine abweichenden landesrechtlichen Regelungen
getroffen sind. Dies hat das LSG nach Prüfung des Landesrechts für den Senat bindend (§
163 SGG) verneint.
Der Schiedsspruch ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil an seiner Beschlussfassung eine Person beteiligt war, die als
Beschäftigte des Beklagten bereits bei den Vergütungsverhandlungen mitgewirkt hat; dies stellt keinen Ausschlussgrund für
das Schiedsverfahren dar. Da die §§ 75 ff SGB XII keine Regelungen zum Ausschluss oder der Befangenheit von Schiedsstellenmitgliedern enthalten, ist insoweit zwar auf die
allgemeinen Bestimmungen der §§ 16 und 17 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zurückzugreifen (§ 37 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - [SGB I]), die auch für Ausschussmitglieder gelten (§§ 16 Abs 4, 17 Abs 2 SGB X). Der Anwendungsbereich der Regelungen ist jedoch teleologisch zu reduzieren, soweit die Besonderheiten des Schiedsstellenverfahrens
eine abweichende Beurteilung rechtfertigen (so Jaritz/Eicher, jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 80 SGB XII RdNr 63 ff; für eine "zurückhaltende" Anwendung der §§ 16 und 17 SGB X auch Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 80 SGB XII RdNr 10). Dies ist insbesondere hinsichtlich der Ausschlussgründe des § 16 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und Nr 5 SGB X der Fall, wonach in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig werden darf, wer ua einen Beteiligten kraft Gesetzes
oder Vollmacht allgemein oder in diesem Verwaltungsverfahren vertritt, bzw wer bei einem Beteiligten gegen Entgelt beschäftigt
ist. Denn diese Ausschlussgründe berücksichtigen nicht die gesetzliche Zusammensetzung der Schiedsstelle, die ua aus Vertretern
der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe in gleicher Zahl besteht (§ 80 Abs 2 Satz 1 SGB XII), also gerade denjenigen, die nach den allgemeinen Regelungen des § 16 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und Nr 5 SGB X von der Mitwirkung ausgeschlossen wären. Für eine vergleichbare Situation bestimmt § 16 Abs 2 Satz 2 SGB X, dass § 16 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und Nr 5 SGB X nicht für das Verwaltungsverfahren aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenhäusern gelten, also ua
auch nicht für das Verfahren der Schiedsämter nach §
89 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
SGB V). Auch in diesen Gremien wirken, wie bei den Schiedsstellen nach § 80 SGB XII, regelmäßig Personen mit, die zB bei den Krankenkassen arbeiten und deren Mitwirkung am Verwaltungsverfahren in der Praxis
unverzichtbar ist (vgl BSG SozR 3-1300 § 16 Nr 1). Zudem sind, worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat, die Mitglieder der Schiedsstelle nach § 80 Abs 3 Satz 2 SGB XII an Weisungen nicht gebunden. Gründe, die in der Person des Schiedsstellenmitglieds die Besorgnis der Befangenheit (§ 17 SGB X) begründen könnten, können aus den genannten Erwägungen heraus ebenfalls nicht an seine Stellung als Behördenmitarbeiter
angeknüpft werden (so im Ergebnis auch Jaritz/Eicher, aaO, RdNr 66). Andere, besondere Umstände, die eine Besorgnis der Befangenheit
begründen könnten, sind nicht vorgetragen.
Der Entscheidung der Schiedsstelle standen auch keine Verfahrenshindernisse entgegen. Für die Zulässigkeit der Anrufung der
Schiedsstelle genügt es bereits nach dem Gesetzeswortlaut, dass zwischen den Beteiligten eine angestrebte Vereinbarung über
die Höhe der Investitionskostenvergütung ab 1.10.2009 nicht zustande gekommen ist. Ob die Voraussetzungen für eine Neuvereinbarung
der Vergütung tatsächlich vorgelegen haben oder die Beteiligen insoweit von falschen rechtlichen Vorstellungen ausgegangen
sind, ist für die Zulässigkeit der Anrufung der Schiedsstelle ohne Belang, sondern von dieser erst bei der Prüfung der für
ihre Entscheidung maßgeblichen normativen Vorgaben zu beachten.
Unschädlich ist auch, dass es vorliegend an einer Prüfungs- und Leistungsvereinbarung für die gesondert berechenbaren Investitionskosten
fehlt, wobei die Formulierung in § 75 Abs 5 Satz 3 SGB XII (in der Normfassung des Gesetzes vom 27.12.2003, aaO) - "entsprechende Vereinbarungen nach dem Zehnten Kapitel" - nicht eindeutig
erkennen lässt, welche der möglichen Vereinbarungen nach § 75 Abs 3 SGB XII überhaupt in Bezug genommen werden sollen. In der Sache ist die Notwendigkeit derartiger Vereinbarungen, bezogen auf die
isolierte Investitionskostenvergütung, schon deshalb zweifelhaft, weil für sie angesichts des Inhalts der Vereinbarungen im
Pflegesatzverfahren nach dem
SGB XI wohl kaum Regelungsbedarf verbleiben würde (die Notwendigkeit eines Abschlusses derartiger Vereinbarungen im Rahmen des §
75 Abs 5 SGB XII deshalb generell ablehnend: Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 75 RdNr 49, Stand September 2009; für die Notwendigkeit solcher Vereinbarungen Münder in Lehr- und Praxiskommentar [LPK] SGB XII, 10. Aufl 2015, § 75 SGB XII RdNr 43; differenzierend Jaritz/Eicher in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 75 SGB XII RdNr 171 - begrenzte Leistungs- und Prüfungsvereinbarung). Jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Beteiligten übereinstimmend
der Ansicht sind, dass es derartiger Vereinbarungen nicht mehr bedarf und der Abschluss deshalb von keiner Seite gefordert
wird, sind derartige Vereinbarungen verzichtbar. Voraussetzung für einen Schiedsspruch in der Sache ist auch entgegen der
Ansicht des LSG nicht, dass der bisherige Vertrag gekündigt oder auf sonstige Weise beendet worden ist (dazu später).
Die Entscheidung der Schiedsstelle ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Träger der Sozialhilfe ist zur Übernahme
gesondert berechneter Investitionskosten nach §
82 Abs
4 SGB XI - also bei Pflegeeinrichtungen, die wie hier nicht nach Landesrecht gefördert werden - nur verpflichtet, wenn hierüber entsprechende
Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII getroffen worden sind (§ 75 Abs 3 Satz 1 und 3 SGB XII). Für einen Anspruch auf Übernahme gesondert berechneter Investitionskosten gegenüber dem Sozialhilfeträger bedurfte es einer
besonderen gesetzlichen Regelung, weil sich nur die Vergütung der stationären Pflegeleistungen nach dem
SGB XI richtet (§ 75 Abs 5 Satz 1 SGB XII), dort aber die Investitionskosten, anders als im SGB XII außerhalb der Pflegeleistungen (vgl § 75 Abs 3 Satz 1 Nr 2 iVm § 76 Abs 2 Satz 1 SGB XII), nicht Bestandteil der Vergütungsvereinbarung sind. Dies beruht auf dem Finanzierungsmodell betriebsnotwendiger Investitionskosten
im Bereich der sozialen Pflegeversicherung (§
9 SGB XI, sog duales Modell, vgl dazu nur: Schütze in Udsching,
SGB XI, 4. Aufl 2015, § 82 RdNr 3; Jaritz/Eicher in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 75 SGB XII RdNr 163). Abhängig von der landesrechtlichen Ausgestaltung der Förderung werden derartige Kosten deshalb entweder - bei
vollständiger Förderung der Einrichtung - im Rahmen dieser Förderung getragen, oder können - bei teilweiser öffentlicher Förderung
-, soweit ungedeckt, den Pflegebedürftigen mit Zustimmung der Landesbehörde selbst in Rechnung gestellt (§
82 Abs
3 Satz 1 und
2 SGB XI) oder bei fehlender Förderung ohne deren Zustimmung gesondert berechnet werden (§
82 Abs
4 SGB XI).
Der Schiedsspruch hält sich im Rahmen des der Schiedsstelle zustehenden Entscheidungsspielraums. Dabei ist aufgrund der die
Revisionsinstanz bindenden tatsächlichen Feststellungen (§
163 SGG) des LSG davon auszugehen, dass die Klägerin die Vereinbarung vom 30.3.2004 weder mit ihrer Aufforderung zu Vertragsverhandlungen
kündigen wollte noch sonstige Kündigungserklärungen vorliegen und dass der Beklagte die Aufforderung zu Vertragsverhandlungen
auch nicht als Kündigung verstanden hat (vgl §
133 Bürgerliches Gesetzbuch). Die Einwände der Klägerin gegen die vom LSG getroffene Wertung, wonach das LSG ihr Verhalten anders, nämlich als Kündigung
hätte verstehen müssen, richten sich lediglich gegen die Feststellung von (inneren) Tatsachen, ohne dass dem LSG ein Verstoß
gegen Denkgesetze, allgemeine Auslegungsgrundsätze oder Erfahrungssätze vorgeworfen werden könnte (vgl allgemein: BSGE 75,
92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10 S 47; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 6; BFHE 156, 103, 106 f; 162, 464, 468; 163, 87, 88; 164, 279, 283; BAGE 48, 351, 358; 56, 326, 333; BVerwGE 47, 330, 361). Das LSG hat vielmehr die von der Klägerin abgegebenen Erklärungen und ihr sonstiges Verhalten festgestellt und daraus
zusätzlich den tatsächlichen Schluss im Rahmen einer Beweiswürdigung gezogen, die Klägerin habe keine Kündigung erklären wollen
und der Beklagte das Verhalten der Klägerin auch nicht als Kündigung verstanden. Dass ein anderer Schluss in Betracht gekommen
wäre, wovon jedenfalls die Schiedsstelle ausgegangen ist, macht die Tatsachenfeststellung des LSG nicht verfahrensfehlerhaft.
Deshalb kann dahinstehen, ob, wie das LSG meint, eine - wie hier - unbefristet und ohne Kündigungsfrist abgeschlossene Vereinbarung
als Dauerschuldverhältnis tatsächlich nicht ordentlich kündbar ist (vgl dazu nur BVerwG, Beschluss vom 29.12.2000 - 5 B 171/99). Die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung würde gesetzessystematisch jedenfalls weder durch das Recht zur außerordentlichen
Kündigung nach § 78 SGB XII noch durch die daneben bestehende Möglichkeit (vgl § 78 Satz 4 SGB XII) der Vertragsanpassung nach § 59 SGB X ausgeschlossen (so auch: Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 77 SGB XII RdNr 20 mwN, § 78 SGB XII RdNr 2; Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 78 RdNr 10, Stand März 2012).
Die Vereinbarung einer höheren Vergütung ist, im Gegensatz zur Auffassung des LSG, auch bei fortdauernder Wirksamkeit des
Vertrags vom 30.3.2004 nicht ausschließlich an § 77 Abs 3 SGB XII (in der Normfassung des Gesetzes vom 2.12.2006, aaO) zu messen (dazu später); dabei war das LSG, anders als die Klägerin
meint, zur Prüfung und Auslegung des § 77 Abs 3 SGB XII berechtigt, auch wenn die Schiedsstelle von einem anderen normativen Maßstab für ihre Entscheidung ausgegangen ist; denn
die Frage des von der Schiedsstelle anzulegenden rechtlichen Maßstabs unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung.
Nach § 77 Abs 3 SGB XII müssten unvorhersehbare wesentliche Änderungen der Annahmen, die der Vereinbarung aus dem Jahr 2004 zugrunde gelegen haben,
eingetreten sein. Wesentlich sind dabei Änderungen, bei denen davon auszugehen ist, dass die Vertragsparteien in Kenntnis
dieser Umstände die Vergütung nicht oder nicht so vereinbart hätten (Jaritz/Eicher in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 77 SGB XII RdNr 135 mwN; Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 77 SGB XII RdNr 25). Unvorhersehbar ist eine Änderung, wenn sie bei Abschluss der Vereinbarung für die Vertragsparteien nicht erkennbar
war und bei sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung auch nicht hätte erkannt werden können, sich also letztlich in der Änderung
ein Risiko verwirklicht hat, das die jeweilige Vertragspartei nach der Risikoverteilung des § 77 SGB XII nicht zu tragen hat (Flint, aaO, RdNr 26). Daran fehlt es hier. Die Investitionen der Klägerin waren, soweit es die Unterdeckung
betrifft, nicht unvorhersehbar und angesichts der Summe der neuen Investitionen im Vergleich zu den gesamten sonstigen Investitionskosten
insoweit nicht wesentlich. Selbst wenn man dies bzgl der Neuinvestitionen anders sehen wollte, würde es an der Zustimmung
des Beklagten nach § 76 Abs 2 Satz 4 SGB XII fehlen, die auch im Rahmen des § 77 Abs 3 SGB XII erforderlich ist. Nach § 76 Abs 2 Satz 4 SGB XII (in der Normfassung des Gesetzes zur Neuregelung der zivilrechtlichen Vorschriften des
Heimgesetzes nach der Föderalismusreform vom 29.7.2009 - BGBl I 2319), der in Fällen des § 75 Abs 5 Satz 3 SGB XII bei der Vergütung von zugelassenen landesrechtlich nicht geförderten Pflegeeinrichtungen iS des §
72 SGB XI entsprechend gilt (vgl BSGE 116, 233 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 76 Nr 1), braucht der Sozialhilfeträger einer verlangten Erhöhung der Vergütung aufgrund von Investitionsmaßnahmen
nur zuzustimmen, wenn er der Maßnahme zuvor zugestimmt hat. Unvorhersehbare wesentliche Veränderungen iS des § 77 Abs 3 SGB XII können dabei auch mit Investitionen begründet werden, die nicht in die ursprünglich kalkulierte Investitionskostenvergütung
eingerechnet werden konnten (so auch Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 75 SGB XII RdNr 55 mit Beispielen). Denn der Sozialhilfeträger kann bei Neuverhandlungen auf Grundlage des § 77 Abs 3 SGB XII nicht anders gestellt werden als im Rahmen jeder anderen Vergütungsverhandlung: er muss - ggf im Rahmen der Neuverhandlungen
- beabsichtigten Investitionen zustimmen oder bereits getätigte genehmigen, um nicht, auch für weitere Zeiträume, vor vollendete
Tatsachen gestellt zu werden (vgl zu diesem Gesichtspunkt allgemein BSGE 116, 233 ff = SozR 4-3500 § 76 Nr 1). Die geltend gemachte Unterdeckung seit 2004 ist im Anwendungsbereich des § 77 Abs 3 SGB XII jedoch schon deshalb ohne Belang, weil es insoweit an einer Änderung der Verhältnisse seit 2004 fehlt.
Diese Erwägung liegt auch dem Schiedsspruch zugrunde, in dem darauf abgestellt wurde, dass die Klägerin erst fünf Jahre nach
Abschluss der Investitionskostenvereinbarung eine Erhöhung geltend gemacht habe, die behauptete Unterdeckung nicht plausibel
dargelegt sei und es zudem an Anhaltspunkten dafür fehle, 2004 unter besonderem Druck zum Abschluss einer nicht kostendeckenden
Vereinbarung gezwungen gewesen zu sein, sodass von einer fortbestehenden Leistungsgerechtigkeit der Vergütung auszugehen sei.
Deshalb war die Schiedsstelle im Rahmen des ihr zustehenden Entscheidungsfreiraums auch berechtigt, an dem im Jahr 2004 vereinbarten
Betrag festzuhalten. Selbst wenn sie zu Unrecht von einer Kündigung ausgegangen und eine Kündigung nicht Voraussetzung für
Neuverhandlungen ist - es obliegt insoweit der Autonomie der Vertragsparteien, über die Aufnahme und Durchführung von Verhandlungen
auch bei fortbestehender Vertragsbindung zu entscheiden -, ist im Ergebnis bei tatsächlich nicht erfolgter Kündigung erst
recht nicht zu beanstanden, wenn die Schiedsstelle eine bestehende Unterdeckung nicht zum Anlass nimmt, die Vergütung neu
festzusetzen. Dies gilt in besonderer Weise, wenn und weil sich der Beklagte gerade auf den Inhalt der bestehenden Vereinbarung
beruft.
Eine neue Prüfung wäre nur nach einer Kündigung der Vereinbarung vom März 2004 erforderlich geworden. Denn ist eine Unterdeckung
auf eine von Anfang an fehlerhafte oder bewusst gestaltete Kalkulation zurückzuführen, handelt es sich um Gesichtspunkte,
die nach der gesamten Struktur der §§ 75 ff SGB XII im Verantwortungsbereich des Leistungserbringers liegen und die es rechtfertigen, ihm das Risiko der Unterdeckung jedenfalls
so lange aufzuerlegen, bis die Investitionskostenvereinbarung durch Kündigung oder auf sonstige Weise beendet wird. Konsequenz
des Prinzips der prospektiven Verhandlung von Vergütungen ist es zwar nicht, dass Einrichtungen auf Dauer ihre Leistungen
ggf unterhalb ihrer Gestehungskosten erbringen müssen, wenn die Selbstkosten in der Vergangenheit tatsächlich höher lagen
als ihrer Kalkulation zugrunde gelegt wurde (BVerwGE 108, 47, 53 f). Doch ist die tatsächliche Höhe der in der Vergangenheit entstandenen Kosten dann lediglich einer von mehreren Anhaltspunkten
für die prospektive Entgeltgestaltung (BVerwGE aaO). Ein Grundsatz, dass Investitionskosten refinanzierbar sein müssen, ist,
anders als die Klägerin meint, dem System der §§ 75 ff SGB XII fremd und auch nicht durch die Verweisung des § 75 Abs 5 Satz 3 SGB XII auf §
82 Abs
4 SGB XI begründbar oder durch Art
12 GG geboten. Jede andere Beurteilung würde bereits dem Gebot der prospektiven Vergütungsverhandlung, das gerade das Prinzip der
Selbstkostendeckung mit seinem nachträglichen Ausgleich von Überschüssen und Fehlbeträgen abgelöst hat (vgl § 77 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB XII), ad absurdum führen.