Pflegeversicherung
Kosten für stationäre Pflege
Grundsatzrüge
Gründe:
I
Im Streit ist ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme weiterer Kosten für die stationäre Pflege der Hilfeempfängerin C. K.
(C.K.) in Höhe von 9752,91 Euro für die Zeit vom 3.6.2011 bis zum 6.8.2013.
Die Beklagte bewilligte der gesetzlich nicht pflegeversicherten C.K. ab dem 3.6.2011 Leistungen der Hilfe zur Pflege in einer
vollstationären Einrichtung unter Berücksichtigung der Pflegestufe I (bestandskräftiger Bescheid vom 4.10.2011). Das Sozialgericht
(SG) hat die Klage auf Zahlung höherer Beträge abgewiesen (Urteil des SG Dortmund vom 29.4.2014). Das Landessozialgericht (LSG)
hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 21.4.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat
das LSG ausgeführt, der Leistungserbringer könne aus eigenem Recht nicht mehr als das dem Hilfeempfänger im Grundverhältnis
Bewilligte verlangen. Er erwerbe einen Zahlungsanspruch nur auf der Grundlage und in dem Umfang des im Grundverhältnis des
Sozialhilfeträgers zum Leistungsberechtigten erklärten Schuldbeitritts.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
geltend. Es stellten sich die Rechtsfragen,
ob im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung der § 61 Abs 6 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) iVm §
75 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (
SGB XI) einem Einrichtungsträger gegenüber einem Sozialhilfeträger ein Anspruch auf Zahlung der angemessenen Vergütung für die grundpflegerische
Versorgung eines nicht pflegeversicherten Sozialhilfeempfängers zustehe,
ob der Gesetzgeber unbewusst im Rahmen der Schaffung des SGB XII einen generellen Übergang zum Sachleistungsprinzip, das im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung
- (
SGB V) und im
SGB XI geregelt sei, bezüglich der Fallkonstellation, wenn der Sozialhilfeempfänger nicht pflegeversichert sei und ausschließlich
Leistungen nach dem SGB XII beziehe, vergessen habe, sodass eine planwidrige Gesetzeslücke vorliege,
ob durch das normative Konzept des SGB XII mit der Bezugnahme auf Verträge iS des §
72 SGB XI sich ausnahmsweise für Träger einer vollstationären Pflegeeinrichtung als Leistungserbringer - wie im
SGB XI - automatisch ein Zahlungsanspruch gegenüber dem Sozialhilfeträger entstehe,
ob in § 61 Abs 6 SGB XII nur deswegen eine Bezugnahme auf §
75 SGB XI erfolge, weil Fragen der Feststellung der Pflegebedürftigkeit - also des Bedarfs - und die Bezugnahme auf sie die Zugrundelegung
gleicher Maßstäbe wie für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit bei Leistungen nach dem
SGB XI und dem SGB XII gewährleisten sollten,
ob einem Einrichtungsträger ein Anspruch gegenüber dem Sozialhilfeträger im Sinne eines subjektiv-öffentlichen Rechts analog
§ 75 Abs 5 SGB XII insbesondere dann einzuräumen sei, wenn der Sozialhilfeträger ihm gegenüber per Widerspruchsbescheid den geltend gemachten
Vergütungsanspruch abgelehnt habe.
Diese Fragen habe das Bundessozialgericht bislang noch nicht für die Fallkonstellation des reinen Sozialhilfebezugs geklärt,
in dem der Sozialhilfeträger - wie eine Pflegekasse - den konkreten Pflegeaufwand selbst feststelle. In einem solchen Fall
bestehe kein Unterschied in der Struktur des Leistungserbringungsrechts zwischen dem Sozialhilfe- und dem Pflegeversicherungsrecht.
Zur Schließung einer planwidrigen Regelungslücke müsse dem Leistungserbringer daher ein originärer Vergütungsanspruch gegen
den Sozialhilfeträger eingeräumt werden. Anderenfalls läge ein Verstoß gegen Art
19 Abs
4 Grundgesetz vor. Jedenfalls aber seien die dargelegten Rechtsfragen auf der Grundlage des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Stärkung
der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (PSG III) wieder klärungsbedürftig geworden. Durch die
Neuregelungen der §§ 7b Abs 2a und 7c Abs 1a
SGB XI würden die Leistungssysteme des Sozialhilferechts und des Pflegerechts miteinander verbunden.
II
Die Beschwerde ist unzulässig, weil der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung
(§
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise dargelegt ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach
§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 Satz 3
SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus
- aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und
fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Alle fünf formulierten Rechtsfragen lassen sich zusammenfassen in der Frage, ob ein eigener öffentlich-rechtlicher Anspruch
des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger auf (höhere) Leistungen besteht, wenn der Leistungsberechtigte nicht pflegeversichert
ist. Die Klägerin legt aber nicht hinreichend dar, warum insoweit insgesamt weiterhin bzw erneut Klärungsbedarf bestehen soll.
Sie verweist selbst auf die Entscheidungen des Senats vom 20.9.2012 (SozR 4-3500 § 19 Nr 4), vom 18.3.2014 (SozR 4-3500 §
75 Nr 3) und vom 2.2.2010 (B 8 SO 20/08 R), wonach das sozialhilferechtliche Leistungserbringungsrecht das System des pflegeversicherungsrechtlichen
Leistungserbringungsrechts nicht übernommen hat und im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis weder ein gesetzlicher noch
ein aus den zwischen Leistungserbringer und Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der §§ 75 ff SGB XII geschlossenen Normverträgen resultierender eigener öffentlich-rechtlicher Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen
den Sozialhilfeträger besteht. Dabei geht sie selbst davon aus, dass diese Rechtsprechung, der sich der Bundesgerichtshof
mittlerweile angeschlossen hat (vgl BGHZ 205, 260 ff), zwischen einer Sachverhaltskonstellation des reinen Bezugs von Hilfe zur Pflege und der Konstellation mit einem aufstockenden
Hilfebezug (nach ihrem Petitum: bislang) nicht unterscheidet.
Mit ihrer Beschwerde zeigt die Klägerin ausgehend davon nicht schlüssig auf, dass für ihre Fallkonstellation weiterhin Klärungsbedarf
zum Inhalt des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses besteht. Sie macht nicht geltend, dass die Rechtsprechung des
Senats zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis den reinen Sozialhilfebezug nicht erfasse. Ihre Argumentation, dass in
der streitgegenständlichen Fallkonstellation eine planwidrige Regelungslücke bestehe, die eine abweichende rechtliche Beurteilung
gebiete, weil anderenfalls dem Sozialhilfeträger eine zu starke Machtposition zukomme, stellt der Sache nach vielmehr allein
Kritik an der Rechtsprechung des Senats dar.
Soweit die Klägerin mit Blick auf die zitierte Rechtsprechung des Senats eine grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Fragestellungen
anhand eines erneut entstandenen Klärungsbedarfs begründet, genügt auch dies nicht der Darlegungspflicht. Ihren Ausführungen
lässt sich nicht entnehmen, warum die sich - erst im Entwurfsstadium befindlichen - Regelungen des PSG III zu den §§ 7a, 7b
des Gesetzesentwurfs eine Neuinterpretation der §§ 75 ff SGB XII bedingen sollten. Der Hinweis, dass Kommunen - durch Begründung insbesondere von Pflegestützpunkten - "zukünftig" offenbar
stärker in die Strukturen der Pflege verantwortlich eingebunden werden sollen, erläutert nicht, weshalb sich daraus eine abweichende
Interpretation der dogmatischen Grundlagen des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses ergeben, also die Dogmatik der
§§ 75 ff SGB XII neu gestaltet werden soll, und wieso dies Auswirkungen auf die Zeit vor Inkrafttreten der geplanten Regelung haben soll.
Ohnedies ist auch die Entscheidungserheblichkeit nicht dargelegt. Es fehlt jeglicher Vortrag dazu, dass die Klägerin von C.K.
im streitbefangenen Zeitraum zivilrechtlich eine höhere Vergütung verlangen kann, bzw dass es darauf nicht ankommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG iVm §
154 Abs
2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz.