Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Darlegungslast für positive und negative Tatbestandsvoraussetzungen
Gründe:
I
Im Streit ist ein Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) über den 31.5.2018 hinaus.
Der Kläger ist 1979 geboren und bezieht Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Leistungen wurden zuletzt mit Änderungsbescheid vom
22.2.2017 ab 1.1.2017 bis auf Weiteres bewilligt, die Bewilligung aber neben einem Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 1.1.2017
bis 28.2.2017 (164 Euro) auf den Monat März 2017 beschränkt und mit dem Zusatz "Die bewilligte Hilfe wird jeweils für einen
Monat gewährt" versehen. Im Dezember 2017 wurde dem Beklagten bekannt, dass der Kläger Erbe seiner im März 2017 verstorbenen
Mutter geworden ist und das Erbe angenommen hat. Das Erbe umfasst neben einem von ihm und seiner Schwester bewohnten Hausgrundstück,
für das im Grundbuch ein Wohnrecht der Schwester eingetragen ist, mehrere weitere Grundstücke (landwirtschaftliche und Waldgrundstücke,
Acker- und Grünflächen). Nachdem der Beklagte Anfragen beim Finanzamt H., dem Landkreis H. sowie dem Nachlassgericht zum Umfang
der Bewirtschaftung der ererbten Flächen und deren Wert vorgenommen hatte, hob er nach Anhörung des Klägers, der eine darlehensweise
Leistungsgewährung ablehnte, den Bescheid vom 22.2.2017 mit Wirkung vom 1.1.2018 auf, bewilligte - weil die Ermittlungen zur
Höhe des Einkommens bzw Vermögens erst im Mai abgeschlossen waren - vom 1.1.2018 bis 31.5.2018 zuschussweise Leistungen in
Höhe von monatlich 613,69 Euro, stellte ab 1.6.2018 die zuschussweise Leistungsgewährung ein und ordnete die sofortige Vollziehung
dieser Verfügung an (Bescheid vom 14.5.2018; Widerspruchsbescheid vom 17.9.2018).
Die Klage, gerichtet auf zuschussweise Leistungen ab 1.6.2018, ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid
des Sozialgerichts <SG> Bayreuth vom 12.12.2018; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts <LSG> vom 10.7.2019). Zur Begründung
seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, das Erbe habe einen Wert von etwa 33 000 Euro, vorläufig ermittelt anhand von
Bodenrichtwerten und Informationen aus dem Geo-Informationssystem. Da der Kläger die Grundstücke nicht verwertet habe, seien
diese als Vermögen einzusetzen. Sie seien auch verwertbar; insbesondere dienten die Grundstücke weder der Erwerbstätigkeit
noch stellten sie geschütztes Altersvorsorgevermögen dar. Auch bedeutete die Verwertung keine besondere Härte.
Der Kläger beantragt für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil die Gewährung von
Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Rechtsanwalts.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn der Antragsteller nach seinen persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen und die beabsichtigte
Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm §
114 Zivilprozessordnung <ZPO>). Angesichts der Grundstücke, die der Kläger von seiner im März 2017 verstorbenen Mutter geerbt hat, bestehen bereits
erhebliche Zweifel an der für die Bewilligung von PKH erforderlichen Bedürftigkeit des Klägers. Das von ihm zu dem PKH-Antrag
vorgelegte Formular ist unvollständig ausgefüllt und erlaubt keine hinreichende Prüfung dieser Frage. So wird bei der Frage
G 2. (Grundeigentum) nur "Landwirtschaftlich" und ein Verkehrswert von 3067 Euro angegeben. Hierzu legt der Kläger lediglich
einen Einheitswertbescheid vor, der aber nicht den Verkehrswert wiedergibt, zumal nach wie vor die Einheitswerte der Hauptfeststellung
vom 1.1.1964 gelten (§
125 Abs
5 Bewertungsgesetz). Angaben zur Größe sowie zur Anschrift/Grundbuchbezeichnung sowie zu weiteren Grundstücken, die zum Nachlass gehören, fehlen
ebenso wie sonstige Belege, sodass dem Senat die Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers verwehrt bleibt. Dies
kann im Ergebnis aber offenbleiben, weil es jedenfalls an der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt. Deshalb konnte der Senat
von weiteren Ermittlungen zum Vermögen des Klägers absehen.
Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§
73 Abs
4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf
danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht
und auf dieser Abweichung beruht (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen kann nach Aktenlage unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers keiner mit Erfolg im Beschwerdeverfahren,
verbunden auch mit einem möglichen Erfolg in der Hauptsache (vgl dazu nur BSG vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - SozR 4-1500 § 73a Nr 2 mwN) geltend gemacht werden.
Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ist nicht erkennbar. Hinsichtlich des Einsatzes und der Verwertung von (Grund-)Vermögen
nach § 90 SGB XII zur Sicherung des Lebensunterhalts stellen sich vorliegend keine Fragen grundsätzlicher Bedeutung, die nicht bereits durch
die Rechtsprechung des Senats geklärt wären (vgl grundlegend BSG vom 19.5.2009 - B 8 SO 7/08 R - SozR 4-5910 § 88 Nr 3; zur Verwertbarkeit eines selbst bewohnten Hausgrundstücks: BSG vom 24.3.2015 - B 8 SO 12/14 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 7; BSG vom 9.12.2016 - B 8 SO 15/15 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 8; BSG vom 27.2.2019 - B 8 SO 15/17 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Da der Beklagte für die Frage des Vermögenseinsatzes
von der Unverwertbarkeit des vom Kläger und seiner Schwester bewohnten Hausgrundstücks samt angrenzender Flächen ausgegangen
ist, stellen sich auch im Hinblick auf das Wohnrecht der Schwester keine Fragen, die einer grundsätzlichen Klärung durch das
Gericht bedürften.
Auch soweit der Kläger zumindest sinngemäß geltend macht, der Beklagte (und das LSG) hätten im Rahmen ihrer Amtsermittlung
(§
103 SGG) gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstoßen, gilt im Ergebnis nichts anderes. Denn selbst grundsätzlich bedeutsame
Rechtsfragen zur Reichweite und den Grenzen der Amtsermittlung unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Vorgaben (§§
67 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - <SGB X>, § 35 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - <SGB I> oder § 118 SGB XII) unterstellt, wären diese hier nicht klärungsfähig. Um den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung solcher Fragen mit
Erfolg geltend machen zu können, müsste ein Rechtsanwalt nämlich darlegen können, dass sie für den zu entscheidenden Fall
rechtserheblich sind (BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31), das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit - über die aufgeworfenen Fragen konkretindividuell
sachlich entscheiden muss (BSG vom 25.6.1980 - 1 BA 23/80 - SozR 1500 § 160 Nr 39 und vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Daran fehlt es hier, weil es auf die Ergebnisse der Ermittlungen des Beklagten zur Höhe des Vermögens
bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht entscheidungserheblich ankommt.
Mit Bescheid vom 22.2.2017 hatte der Beklagte Hilfe zum Lebensunterhalt nicht in Gestalt eines Dauerverwaltungsakts nach §
48 SGB X bewilligt. Vielmehr hat er einen sog Grundlagenbescheid über die Höhe der monatlichen Leistungen ab 1.1.2017 erlassen mit
der Folge, dass in den jeweiligen Auszahlungen Monat für Monat konkludente Leistungsverfügungen lagen (§ 31 SGB X; vgl dazu nur BSG vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 11; BSG vom 30.10.2013 - B 7 AY 7/12 R - BSGE 114, 302 = SozR 4-3520 § 1a Nr 1). Damit oblag es auch dem Kläger, Monat für Monat seine Hilfebedürftigkeit als anspruchsbegründende
Tatsache nachzuweisen (vgl auch die entsprechenden Hinweise im Bescheid vom 22.2.2017). Denn nach den allgemeinen Regeln für
die Darlegungs- und Beweislast gilt, dass derjenige die objektiven Tatsachen darlegen muss, die den von ihm geltend gemachten
Anspruch begründen. Dies betrifft sowohl das Vorhandensein von positiven, als auch das Fehlen von negativen Tatbestandsvoraussetzungen
(vgl allgemein bereits BSG vom 24.10.1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70; zur Grundsicherung für Arbeitsuchende: BSG vom 25.6.2015 - B 14 AS 30/14 R - SozR 4-4200 § 60 Nr 3).
Den Nachweis dafür, dass trotz der Erbschaft ab 1.6.2018 Einkommen oder Vermögen nicht zur Deckung seines Bedarfs zur Verfügung
stehen, hat der Kläger aber nicht erbracht, sondern sich - rechtlich unzutreffend - auf den Standpunkt gestellt, die Grundstücke
seien von ihm nicht zur Deckung seines Lebensunterhalts einzusetzen, sodass er auch zu deren Wert bzw Verwertbarkeit keine
weiteren Angaben gegenüber dem Beklagten zu machen habe. Schon deshalb war der Beklagte berechtigt, die Gewährung von Leistungen
spätestens ab 1.6.2018 abzulehnen, ohne dass es auf den von ihm ermittelten Wert des Vermögens entscheidungserheblich ankommt.
Deshalb wird ein Rechtsanwalt auch einen Verfahrensfehler des LSG, das ebenfalls zum Wert des Vermögens ermittelt hat, nicht
mit Erfolg rügen können, da auf einem - insoweit unterstellten - Verstoß die Entscheidung des LSG ebenfalls nicht beruhen
kann. Für eine Divergenz der Entscheidung des LSG zu einer Entscheidung des BSG liegen schon keine Anhaltspunkte vor.
Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§
73a Abs
1 SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
Die vom Kläger ohne zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden
gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß §
73 Abs
4 SGG durch einen zugelassenen Bevollmächtigten vertreten lassen. Er kann eine Prozesshandlung rechtswirksam nicht vornehmen, folglich
auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach §
73 Abs
4 SGG zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf hat das LSG den Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des
Urteils hingewiesen. Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist schon deshalb nach §
160a Abs
4 Satz 1
SGG iVm §
169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.