Zuerkennung eines Grades der Behinderung von 100
Keine Verpflichtung des Beschwerdegerichts zur Vervollständigung einer unzureichenden Beschwerde
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 100 sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G",
"B", "aG" und "RF" ab Juni 1994 bzw März/Juli 1997. Im vorangegangenen Verfahren verurteilte das Bayerische Landessozialgericht
(LSG) den Beklagten zur erneuten Zuerkennung des Merkzeichens "G" ab 14.12.2007 und verneinte weitergehende Ansprüche (Urteil
vom 8.7.2008 - L 15 SB 30/01). Die anschließende Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG blieb ebenso erfolglos (Beschluss vom 12.5.2009 - B 9 SB 74/08 B -) wie eine Wiederaufnahmeklage vor dem LSG (Urteil vom 19.1.2010 - L 15 SB 109/09 WA).
Mit Urteil vom 2.8.2017 hat das LSG einen weitergehenden Anspruch der Klägerin im Rahmen ihres Überprüfungsantrags verneint,
weil sie kein konkretes Interesse an der weitergehenden und rückwirkenden Feststellung eines GdB oder am Vorliegen der gesundheitlichen
Voraussetzungen insbesondere der Merkzeichen "G" und "B" geltend gemacht habe. Zudem habe die Klägerin keinen Anspruch auf
Rücknahme der von dem Beklagten erlassenen Bescheide, weil sich die darin erfolgte Feststellung der Behinderung und des GdB
sowie zu den Voraussetzungen der streitigen Merkzeichen als rechtmäßig erwiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie rügt das Vorliegen von Verfahrensmängeln.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die geltend gemachten Verfahrensmängel sind nicht ordnungsgemäß
bezeichnet worden (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie vorliegend - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die
angefochtene Entscheidung beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargelegt
werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG, ausgehend von dessen materieller
Rechtsansicht, auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 §
160a Nr 14, 36). Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
a) Soweit von der Klägerin ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung hierzu im Hinblick auf §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt
aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer
bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten
Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen
Beweiserhebung und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme
beruhen könne, dass LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt
aus zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45; SozR 1500 § 160a Nr 24, 34). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Zunächst fehlt es der Beschwerde bereits an einer kurzen Darstellung des Sachverhalts, aus der sich das Klagebegehren und
die wesentlichen Streitpunkte ergeben können. Es ist nicht Aufgabe des BSG, aus einer gewissen Gemengelage unklarer und unübersichtlicher Ausführungen das heraus zu suchen, was möglicherweise bei
wohlwollender Auslegung zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte. Ebenso wenig ist es die Aufgabe des Beschwerdegerichts,
die vorliegenden Akten daraufhin durchzuarbeiten, ob und aus welchen Gründen eine Nichtzulassungsbeschwerde begründet sein
kann (vgl zB BSG Beschluss vom 13.10.2004 - B 9 V 12/04 B - Juris RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 34). Die Beschwerdebegründung befasst sich im Wesentlichen mit einer umfangreichen Kritik an den vorangegangenen Entscheidungen
und der Würdigung der vorliegenden Gutachten durch das LSG, ohne Tatsachen vorzutragen, aus denen zu folgern ist, dass die
von der Klägerin ggf beantragte Beweiserhebung aus der rechtlichen Sicht des LSG erforderlich war. Die Klägerin bezieht sich
insoweit lediglich auf die von ihr dem LSG geschilderten weiteren Leiden ohne darzulegen, dass sie hier dem LSG objektive
Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Erkrankungen genannt hat (vgl insoweit bereits Senatsbeschluss vom 12.5.2009 - B 9 SB 74/08 B - RdNr 5). Damit hat die Klägerin auch nicht aufgezeigt, dass sie einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt und
bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 2.8.2017 aufrechterhalten habe. Auch muss zur Darlegung eines prozessordnungsgemäßen
Beweisantrags nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im einzelnen bezeichneten Punkte
Beweis erhoben werden sollte. Denn Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels
für diese Tatsache (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Auch diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
b) Soweit die Klägerin sinngemäß auch eine Verletzung ihres Rechts auf Befragung von Sachverständigen (§
116 SGG, §
402, §
397 ZPO) als Ausfluss ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§
62 SGG; hierzu BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1 S 4 f) erneut geltend machen sollte, so hat sie auch insoweit nicht hinreichend dargetan, inwieweit sie objektiv sachdienliche
Fragen geklärt haben wollte (s hierzu ebenfalls bereits Senatsbeschluss vom 12.5.2009, aaO, RdNr 6).
c) Soweit die Klägerin rügt, der "Befangenheitsantrag Dr. A. wurde nicht bearbeitet seit 2014", so hat sie auch insoweit einen
Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß dargetan, da sie - wie gesagt - keinerlei Ausführungen zum Sachverhalt macht und keine
Gründe für einen solchen Antrag benennt. Schließlich führt sie in der Beschwerde selbst aus, den entsprechenden Antrag zurückgenommen
zu haben. Zwar sei sie insoweit "überrumpelt" worden. Ein verfahrensfehlerhaftes Verhalten, insbesondere des LSG, wird hierzu
jedoch nicht näher bezeichnet. Gleiches gilt im Ergebnis für ein gerügtes "Verwertungsverbot der Gutachten im 1. Verfahren
bis Urteil vom 08.07.2008", auch insoweit benennt die Klägerin weder den zugrunde liegenden Sachverhalt, um welche Gutachten
es sich handeln soll und welche Gründe zu dem behaupteten Verbot führen sollten. Soweit die Klägerin ggf sinngemäß eine Verletzung
ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§
62 SGG) darin sehen sollte, dass die "Niederschrift" zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 8.7.2008 geändert worden
sei, hat sie nicht im Einzelnen dargetan, inwiefern dies das Ergebnis der Entscheidung des LSG zu ihren Gunsten hätte beeinflussen
können.
d) Die gegen die Beweiswürdigung des LSG gerichtete, also auf eine Verletzung des §
128 Abs
1 S 1
SGG gestützte Rüge, kann nach der ausdrücklichen Regelung des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG nicht zur Revisionszulassung führen. Ein ggf gerügter Verstoß gegen §
128 Abs
2 SGG lässt sich ihrem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen, auch insoweit fehlt es an einer Darstellung des maßgeblichen Sachverhalts.
Soweit die Klägerin eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG rügt, so kann sie hiermit von vornherein keine Revisionszulassung
erreichen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2, §
169 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.