Beschädigtenrente wegen der seelischen Folgen der Nachricht von der Ermordung eines leiblichen Kindes
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Der Kläger begehrt eine Beschädigtenrente wegen der seelischen Folgen der Nachricht von der Ermordung seines Sohnes.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das LSG wie vor ihm der Beklagte und das SG den Anspruch des Klägers verneint. Die Folgen des erlittenen Schockschadens seien nach den übereinstimmenden Einschätzungen
der Sachverständigen nur mit einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 20 einzuschätzen (Urteil vom 22.6.2020).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und seine Pflicht zur Amtsermittlung verkannt.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil
sie weder die behauptete grundsätzliche Bedeutung (1.) noch einen Verfahrensmangel (2.) ordnungsgemäß dargelegt hat (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich
sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist(BSG Beschluss vom 15.4.2015 - B 10 LW 8/14 B - juris RdNr 4 mwN).
Diese Darlegungsanforderungen verfehlt die Beschwerde. Der Kläger hält es für klärungsbedürftig, wann Gerichte in Bezug auf
medizinische Sachverhalte im sozialen Entschädigungsrecht auf Grundlage eigener Sachkenntnis einen Sachverhalt bewerten dürfen
und wann die Einholung eines Sachverständigenrats erforderlich ist sowie ob und inwiefern sich Gerichte hinsichtlich ihrer
Entscheidung am Einzelfall orientieren und jedes Verfahren für sich bewerten müssen.
Der Kläger legt allerdings nicht dar, warum der damit angesprochene Umfang der Amtsermittlungspflicht im Sozialgerichtsprozess
über den Wortlaut von §
103 SGG und die dazu ergangene, von ihm teilweise sogar zitierte Rechtsprechung hinaus noch grundsätzlicher Klärung bedürfte (vgl Senatsbeschluss vom 16.9.2020 - B 9 SB 6/20 B - juris RdNr 8 mwN). Dies gilt umso mehr, als das LSG seine Beurteilung des GdS des Klägers unter anderem auf zwei Sachverständigengutachten
gestützt hat.
Soweit der Kläger diese Beurteilung für fehlerhaft hält, wendet er sich gegen die Beweiswürdigung des LSG, die §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG indes der Beurteilung durch das Revisionsgericht vollständig entzieht. Wie die Vorschrift ausdrücklich anordnet, kann die
Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden
(Senatsbeschluss vom 8.5.2017 - B 9 V 78/16 B - juris RdNr 15 mwN).
2. Schließlich hält es der Kläger für klärungsbedürftig, ob das LSG ohne Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens
davon ausgehen durfte, die Schädigungsfolgen hätten sich nicht wesentlich geändert. Damit legt er ebenfalls keine fallübergreifende
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar; vielmehr rügt er mit diesem Vortrag der Sache nach die Verletzung der Amtsermittlungspflicht
aus §
103 SGG gerade in seinem Einzelfall und damit einen Verfahrensmangel, mag er ihn auch als "Divergenzgrund" bezeichnen. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann ein solcher Verfahrensmangel auf eine Verletzung des §
103 SGG aber nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Will die Beschwerde deshalb einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§
103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt
ist. Ein solchen Beweisantrag zeigt der Kläger nicht auf; allein sein vager Hinweis, er könne nicht nachvollziehen, warum
das Gericht "trotz Aufforderung" von Amts nicht weiter ermittelt habe, genügt dafür nicht.
Der Senat war nicht verpflichtet, den Prozessbevollmächtigten des Klägers entsprechend seiner Bitte in der Beschwerdebegründung
um einen rechtlichen Hinweis "soweit weitere Ausführungen als nötig erachtet werden", vorab auf die Unzulänglichkeit des Beschwerdevortrags
aufmerksam zu machen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, Formerfordernisse einzuhalten; gerade
dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß §
73 Abs
4 SGG. §
106 Abs
1 SGG gilt insoweit nicht. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde
ordnungsgemäß zu begründen (Senatsbeschluss vom 27.8.2020 - B 9 V 9/20 B - juris RdNr 11 mwN). Hierauf ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch bereits mehrfach hingewiesen worden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2, §
169 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.