Gründe
I
Die Klägerin begehrt Leistungen nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen seelischer Schäden im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Prostituierte.
Die Klägerin wurde als Prostituierte von einem bewaffneten Besucher bedroht. Dieser hatte in der Wohnung der Klägerin mit
ihr und ihrer Freundin eine Flasche Champagner getrunken und für das Beisammensein 200 Euro bezahlt. Beim Verlassen der Wohnung
konnte er seine Geldbörse nicht finden und wähnte sich - zu Unrecht - von der Klägerin und ihrer Freundin bestohlen. Der stark
alkoholisierte Besucher klingelte daraufhin an der Wohnungstür. Er zückte einen geladenen und schussbereiten Revolver, schlug
damit heftig gegen die Tür und verlangte immer wieder lautstark Einlass. Die Klägerin und ihre Freundin flüchteten in Panik
auf den Balkon der Wohnung. Die Klägerin konnte sich unverletzt auf den Balkon der Nachbarwohnung retten, ihre Freundin sprang
vom Balkon und verletzte sich dabei erheblich. Die von der Klägerin verständigte Polizei legte dem Täter Handfesseln an und
brachte ihn aufs Polizeirevier. Das Amtsgericht Stendal hat ihn später wegen fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit
versuchter Nötigung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe zu einer Geldstrafe verurteilt.
Das LSG hat einen Anspruch der Klägerin auf Beschädigtenversorgung wegen der seelischen Folgen der Tat ebenso verneint wie
vor ihm der Beklagte und das SG. Die bloße Drohung mit einer Gewaltanwendung reiche für einen tätlichen Angriff iS von §
1 Abs
1 Satz 1
OEG nicht aus, unabhängig von den Folgen für das Opfer. Dahinstehen könne, ob mit der älteren Rechtsprechung des BSG eine erhebliche Drohung für einen tätlichen Angriff genüge, wenn sie mit einer unmittelbaren Gewaltanwendung gegen eine Sache
einhergehe, die als letztes Hindernis dem unmittelbaren körperlichen Zugriff des Täters auf das Opfer entgegenstehe (Hinweis auf Senatsurteil vom 10.9.1997 - 9 RVg 1/96 - BSGE 81, 42 = SozR 3-3800 § 1 Nr 11). Allein das lautstarke Einlassbegehren an der Wohnungstür mit Klingeln und Klopfen wie im Fall der Klägerin reiche insoweit
jedenfalls nicht aus (Urteil vom 16.7.2020).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt, mit der sie geltend macht, das LSG habe ua die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil
sie die behauptete grundsätzliche Bedeutung und auch eine Divergenz nicht ordnungsgemäß dargetan hat (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
1. Grundsätzliche Bedeutung iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG hat eine Rechtssache nur dann nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der
Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer
muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche
Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt.
Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (Senatsbeschluss vom 27.8.2020 - B 9 V 5/20 B - juris RdNr 6 mwN). Als klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und
die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem
Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit der einschlägigen
Rechtsprechung auseinandersetzen (Senatsbeschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 11/17 B - juris RdNr 8 mwN). Hat diese Rechtsprechung die aufgeworfene Rechtsfrage in der Vergangenheit bereits beantwortet, so kommt es darauf an, ob
die Frage erneut klärungsbedürftig geworden ist. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn im neueren Schrifttum bislang
noch nicht berücksichtigte Argumente angeführt oder sonst erhebliche Einwände vorgebracht werden. Zur Darlegung der (erneuten)
Klärungsbedürftigkeit reicht es dagegen nicht aus, lediglich die eigene Rechtsmeinung auszubreiten. Vielmehr ist eine substantielle
Auseinandersetzung mit den einschlägigen höchstrichterlichen Entscheidungen erforderlich (BSG Beschluss vom 30.10.2017 - B 10 EG 9/17 B - juris RdNr 5 mwN).
Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerdebegründung. Sie hält es sinngemäß für klärungsbedürftig, ob auch bereits rein physisch
(gemeint: psychisch) vermittelter Zwang als tätlicher Angriff iS des §
1 Abs
1 Satz 1
OEG anzusehen ist.
Indes versäumt es die Beschwerde, sich ausreichend mit der dazu ergangenen, aktuellen Senatsrechtsprechung auseinanderzusetzen,
die sie lediglich zitiert und pauschal kritisiert. Wie der Senat entschieden hat (Urteil vom 16.12.2014 - B 9 V 1/13 R - BSGE 118, 63 = SozR 4-3800 § 1 Nr 2), setzt ein tätlicher Angriff iS des Opferentschädigungsrechts eine unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende, gewaltsame
physische (körperliche) Einwirkung voraus. Die bloße Drohung mit einer Gewaltanwendung oder Schädigung reicht dagegen nicht
aus. Ebenso wenig genügt eine objektive Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ohne physische Einwirkung.
Mit dieser Rechtsprechung hätte die Beschwerde sich substantiiert auseinandersetzen und etwaige Einwände und Argumente des
Schrifttums dagegen darlegen müssen, um erneuten Klärungsbedarf zu belegen. Die Beschwerde behauptet aber lediglich in wenigen
Sätzen, die Urteilsbegründung des Senats überzeuge nicht und stelle bloße "Begriffsjurisprudenz" dar, weshalb es bei der früheren
Rechtsprechung verbleiben müsse. Damit setzt sie der genannten Senatsentscheidung lediglich die eigene, nicht näher begründete
Rechtsmeinung entgegen. Soweit sie darüber hinaus meint, aus Sicht des Opfers mache es keinen Unterschied, ob der Täter ihm
die Waffe auf die Brust setze oder auf die Tür als letztes Hindernis einschlage, hätte sie sich näher mit dem vom Senat aus
der Gesetzgebungsgeschichte und Gesetzessystematik abgeleiteten, zentralen Erfordernis der körperlichen Einwirkung als Voraussetzung
eines tätlichen Angriffs iS von §
1 OEG auseinandersetzen müssen (vgl Senatsurteil vom 16.12.2014 - B 9 V 1/13 R - BSGE 118, 63 = SozR 4-3800 § 1 Nr 21, RdNr 18 ff mwN).
2. Die weiter lediglich behauptete Divergenz ist nicht näher dargelegt (hierzu zB BSG Beschluss vom 13.12.2017 - B 5 R 256/17 B - juris RdNr 6).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2, §
169 Satz 2 und
3 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.