Gründe:
I
In der Hauptsache begehrt der Kläger nach einem gegen ihn gerichteten Polizeieinsatz im Februar 2007 Beschädigtenversorgung
nach einem Grad der Schädigung (GdS) von 40 wegen eines rechtsseitigen Kniescheibenbruchs mit anschließender Somatisierungs-
und posttraumatischer Belastungsstörung. Die Polizisten waren zu Hilfe gerufen worden, nachdem der - alkoholisierte - Kläger
einen Gastwirt mit einem Messer bedroht hatte. Nach ihren Angaben kam es zu einem Schlagstockgebrauch gegen Ober- und Unterschenkel,
nachdem der Kläger ihrer Aufforderung, stehen zu bleiben und die rechte Hand aus der Tasche zu nehmen, keine Folge leistete,
sondern sich weiter auf sie zubewegte. Ein gegen einen der Einsatzkräfte eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung
im Amt wurde nach §
170 Abs
2 Strafprozessordnung (
StPO) eingestellt, ein Verfahren gegen den Kläger wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach §
153 Abs
2 StPO.
Der Antrag auf Beschädigtenversorgung war bei dem beklagten Land mangels vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs erfolglos
(Bescheid vom 8.1.2009; Widerspruchsbescheid vom 5.2.2009). Das SG hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ua ausgeführt, selbst unter Zugrundelegung der von den Angaben
des Klägers abweichenden polizeilichen Angaben habe es sich bei dem gegen Ober- und Unterschenkel gerichteten Schlagstockeinsatz
um einen vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff gehandelt. Indem er sich den Polizisten mit der Hand in der Tasche
genähert habe, anstatt sich zu entfernen, habe er keinen Angriff unternommen, sondern seine Festnahme gefördert. Der konkrete
Gebrauch des Schlagstocks sei völlig untauglich gewesen, um den Kläger zur Entfernung seiner rechten Hand aus der Jackentasche
zu bewegen. Aufgrund der eingeholten Sachverständigengutachten stehe zudem fest, dass der Kläger zwar nicht auf orthopädischem,
wohl aber auf psychiatrischem Gebiet an Schädigungsfolgen mit einem GdS von 40 leide, da es zu einer Reaktualisierung und
Fixierung auf früher im Irak erlittene Gewalt gekommen sei (Urteil vom 30.10.2012). Das beklagte Land hat seine Berufung ua
damit begründet, ein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff sei angesichts unterschiedlicher Sachverhaltsdarstellung
nicht nachgewiesen. Insbesondere fehle es an der Rechtswidrigkeit, wenn die Angaben der Polizeibeamten zutreffend seien. Das
LSG hat die Klage nach Befragung des vom SG beauftragten orthopädischen Sachverständigen ua zu den unmittelbaren Auswirkungen eines Kniescheibenbruchs auf das Gehvermögen,
nach Einholung eines weiteren orthopädischen Sachverständigengutachtens zur wahrscheinlichen Verursachung des konkret festgestellten
Kniescheibenbruchs durch Schlagstockgebrauch und nach nochmaliger Befragung des Klägers zum Geschehensablauf zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es ua ausgeführt, die Angaben des Klägers, er habe die zur Fraktur führenden Schläge erhalten als er in
der Annahme eines Überfalls mit erhobenen Händen und gespreizten Beinen mit der Vorderseite an einer Hauswand gelehnt habe,
seien teils durch medizinische Begutachtung widerlegt und im Übrigen nicht glaubhaft. Aus der Schilderung des Tathergangs
durch die Einsatzkräfte ergebe sich hingegen kein vorsätzlicher rechtswidriger tätlicher Angriff, weil die Anwendung unmittelbaren
Verwaltungszwangs zur Abwehr einer tatsächlich oder anscheinend drohenden Gefahrenlage verhältnismäßig gewesen sei (Urteil
vom 12.5.2016).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und erhebt die Gehörsrüge.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung seines Prozessbevollmächtigten genügt nicht den gesetzlichen
Anforderungen, da der aufgeführte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Der Kläger rügt, nach dem Verlauf des Berufungsverfahrens habe er davon ausgehen dürfen, dass ein vorsätzlicher rechtswidriger
tätlicher Angriff gesicherte Rechtsansicht auch des LSG gewesen und es nur noch um Kausalitätsfragen gegangen sei. Damit zeigt
er eine Gehörsverletzung in Gestalt einer Überraschungsentscheidung (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG; Art 47 Abs 2 S 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention) nicht auf.
Ein solcher Verstoß liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und
in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern
können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
62 RdNr 8a, 8b mwN). Der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Prozessgericht aber grundsätzlich nicht,
die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte vorher mit den Beteiligten zu erörtern
(vgl BSG SozR 3-1500 § 112 Nr 2 S 3 mwN). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen (rechtlichen) Gesichtspunkt stützt,
mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen
nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfGE 86, 133, 144 f).
Die Beschwerdebegründung trägt selbst vor, dass das beklagte Land sich mit seiner Berufung auf die Angaben der Einsatzkräfte
gestützt hat und im Übrigen der Rechtsansicht des SG entgegen getreten sei, der Schlagstockeinsatz sei rechtswidrig gewesen. Wieso diese Angriffspunkte im weiteren Verlauf überholt
gewesen sein könnten, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf. Auch nach den Ausführungen des Klägers sind die geschilderten
Ermittlungen des LSG erkennbar darauf ausgerichtet gewesen, aus möglichen medizinischen Erkenntnissen Rückschlüsse auf das
unter den Beteiligten streitige Tatgeschehen herzuleiten, hier also weitere Aufklärung zu betreiben. Die Beschwerdebegründung
merkt insoweit an, die Beweisfragen hätten den Eindruck erweckt, das Gericht sei bemüht gewesen, der Berufung stattzugeben.
Spätestens nach der erneuten Befragung des Klägers hätten deshalb einem gewissenhaften und kundigen Prozessbevollmächtigten
Zweifel kommen müssen, ob das LSG der Linie des erstinstanzlichen Urteils zum Tathergang folgen würde oder stattdessen die
Angaben der Einsatzkräfte für glaubhaft halten würde. Wieso hiernach nicht auch damit gerechnet werden musste, dass sich die
vom beklagten Land angegriffene Rechtsmeinung des SG als nicht haltbar darstellen könnte, erklärt die Beschwerdebegründung nicht, sondern beschränkt sich allein auf die Wiedergabe
des eigenen Rechtsstandpunkts. Dessen unbeschadet legt sie auch nicht substantiiert dar, welches eigene Vorbringen durch die
beanstandete Vorgehensweise des LSG ggf verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen könnte
(BSG SozR 1500 § 160a Nr 36).
2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2, §
169 SGG).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.