Anspruch auf Rentenleistungen nach dem OEG
Formgerechte Bezeichnung eines Verfahrensmangels
Darstellung des Ablaufs des Berufungsverfahrens
Zurückweisung einer Berufung durch Beschluss
1. Zur Bezeichnung eines Verfahrensmangels müssen die den Mangel bedingenden Tatsachen substantiiert dargestellt werden.
2. Dazu ist u.a. erforderlich, den Ablauf des Berufungsverfahrens eingehend wiederzugeben.
3. Bruchstückhafte Ausführungen genügen diesem Erfordernis nicht.
4. Bei der Entscheidung, eine Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt Rentenleistungen nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen sexueller Übergriffe durch ihren Vater zwischen 1966 bis einschließlich 1985.
Ein darauf gerichteter Antrag der Klägerin blieb ebenso erfolglos wie ihre Klage und die Berufung. Diese hat das LSG nach
Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 12.9.2017 ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Sämtliche Gutachter verneinten
einen Grad der Schädigung (GdS) von mindestens 50 wegen Missbrauchshandlungen in der Zeit bis 1975, wie er nach §
10a Abs
1 S 1 Nr
1 OEG iVm § 31 Abs 2 BVG nötig wäre.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Das LSG habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt und ihr rechtliches Gehör verletzt, indem es
ohne mündliche Verhandlung entschieden habe.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung vom 21.12.2017 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen,
weil weder der behauptete Verfahrensmangel (1.) noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (2.) ordnungsgemäß dargetan
worden ist (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. Die Klägerin hat die behauptete Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Sie rügt, das LSG habe gegen ihren ausdrücklichen Wunsch durch Beschluss ohne
mündliche Verhandlung entschieden. Mit diesem Vorbringen verfehlt die Klägerin die Darlegungsanforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde.
Denn wer mit einer solchen Beschwerde einen Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) rügen will, muss zu seiner Bezeichnung (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst substantiiert die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegen. Die Klägerin hätte daher den Gang insbesondere
des Berufungsverfahrens schildern und die maßgeblichen Tatsachenfeststellungen und Rechtsausführungen des von ihr angefochtenen
LSG-Beschlusses darlegen müssen. Daran fehlt es. Allein auf der Grundlage der bruchstückhaften Beschwerdebegründung kann der
Senat nicht beurteilen, ob und warum es für die Entscheidung des LSG auf eine mündliche Anhörung der Klägerin hätte ankommen
können. Ebenso wenig kann der Senat allein aus der Lektüre der Beschwerdebegründung ersehen, ob die rechtlichen Erwägungen
des LSG auf der Grundlage der bisherigen Verfahrensergebnisse eine Entscheidung im Beschlusswege erlaubten. Die Entscheidung,
die Berufung durch Beschluss nach §
153 Abs
4 S 1
SGG zurückzuweisen, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Berufungsgerichts. Es hat dabei alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen
Umstände des Einzelfalls abzuwägen, darunter die Bedeutung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Diese Ermessenausübung kann
das Revisionsgericht nur auf fehlerhaften Gebrauch - dh sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzung - überprüfen (stRspr,
zB BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 13 S 38; BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 7 RdNr 27; BSG Beschluss vom 17.2.2016 - B 6 KA 44/15 B - Juris RdNr 11). Schon die erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen dieser Ermessensentscheidung des LSG
teilt die Beschwerde indes ebenso wenig mit wie die Begründung dieser Entscheidung selbst. Sie zitiert nicht einmal die Vorschrift
des §
153 Abs
4 SGG.
Zudem hat ein Beschwerdeführer, den - wie die Klägerin nach ihrem Vortrag - bereits das SG persönlich angehört hat, zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Verfahrensmangels im Einzelnen darzulegen, weshalb das LSG erneut
mündlich verhandeln muss, obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen des §
153 Abs
4 S 1
SGG vorliegen (vgl BSG Beschluss vom 14.4.2010 - B 8 SO 22/09 B - Juris RdNr 6). Hierzu hat die Klägerin nicht hinreichend vorgetragen. Ihre Behauptung,
sie hätte bei einer persönlichen Anhörung das LSG zu einer weiteren Beweiserhebung bewegen können, hat sie nicht näher substantiiert.
Überdies hat sie nicht stichhaltig dargetan, welchen neuen rechtserheblichen Vortrag das LSG übergangen und ihr dadurch rechtliches
Gehör verwehrt haben sollte.
2. Ebenso wenig aufgezeigt hat die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Ihre Beschwerde formuliert bereits keine eindeutig erkennbare, grundsätzlich bedeutsame und klärungsbedürftige Rechtsfrage
zu einer hinreichend präzise bezeichneten Rechtsnorm (vgl zu den Darlegungsanforderungen im Einzelnen BSG SozR 3-1500 §
160a Nr 34 S 70; Karmanski in Roos/Wahrendorf,
SGG, 2014, §
160a RdNr 50, jeweils mwN). Soweit sie der Sache nach geltend machen will, die Entschädigungsregelungen des
OEG für Gewalttaten vor seinem Inkrafttreten verstießen gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art
3 Abs
1 GG, fehlt es ebenfalls an den erforderlichen Darlegungen. Die Begründungsanforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde verringern
sich nicht nur deshalb, weil damit eine Verfassungsverletzung geltend gemacht wird. Die Beschwerdebegründung durfte sich daher
nicht lediglich darauf beschränken, einen Verstoß gegen Art
3 Abs
1 GG zu behaupten. Vielmehr hätte sie in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG im Einzelnen darlegen müssen, woraus sich im Fall der Klägerin die Verfassungswidrigkeit ergibt (vgl stRspr, zB BSG Beschluss vom 18.7.2017 - B 13 R 110/17 B - Juris RdNr 8). Hierzu wäre insbesondere der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufzuzeigen
- hier vor allem §
10a OEG -, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung zu erörtern und eine vor Art
3 Abs
1 GG nicht mehr zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darzulegen gewesen (zur begrenzten Rückwirkung des
OEG vgl BSG Urteil vom 7.12.1983 - 9a RVg 2/83 - BSGE 56, 90 = SozR 3800 § 10 Nr 1; BVerfG Beschluss vom 3.10.1984 - 1 BvR 270/84 - SozR 3800 § 10 Nr 2). Keine dieser Darlegungen enthält die Beschwerde.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Beschwerde ist daher insgesamt ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.