Gründe:
I
Nach seinem späteren Vorbringen wurde der 1978 im Kosovo geborene Kläger am 18.12.2006 bei einer Auseinandersetzung in einem
kosovo-albanischen Vereinsheim durch den Vereinsvorsitzenden B. erheblich verletzt. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren
gegen B. wurde nach längeren Ermittlungen eingestellt, weil der Kläger keine Erinnerungen an den Vorfall und lediglich einer
der vernommenen Zeugen den Vorfall bestätigt habe.
Daraufhin lehnte der Beklagte den vom Kläger gestellten Antrag ab, wegen der bei dem Vorfall erlittenen Verletzungen Schädigungsfolgen
nach dem
OEG festzustellen und eine Rente zu gewähren (Bescheid vom 16.4.2010, Widerspruchsbescheid vom 1.9.2010).
Das vom Kläger angerufene SG hat den Kläger angehört, mehrere Zeugen vernommen und sodann den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide dem
Grunde nach verurteilt, dem Kläger eine Rente nach dem
OEG zu gewähren (Urteil vom 5.8.2015).
Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, nachdem es unter anderem
den angeblichen Schädiger als Zeugen vernommen hatte. Der Erlass eines Grundurteils durch das SG dürfte verfahrensfehlerhaft gewesen sein. Trotzdem sehe das Gericht im Rahmen seines Ermessens nach selbst durchgeführter
Beweisaufnahme von einer Zurückverweisung ab, um eine weitere Verfahrensverzögerung zu vermeiden. Die Voraussetzungen eines
Versorgungsanspruchs nach dem
OEG lägen nicht vor. Es stehe nicht fest, dass der Kläger bei der angeschuldigten Auseinandersetzung durch einen vorsätzlichen
rechtswidrigen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten habe (Urteil vom 23.6.2016).
Mit seiner Beschwerde, für die er zugleich PKH beantragt, wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im
Urteil des LSG, weil dieses Verfahrensrecht verletzt habe und von der Rechtsprechung des BSG abgewichen sei.
II
Der Antrag des Klägers, ihm PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision
zu gewähren, ist abzulehnen. Nach §
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §§
114,
121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn ua die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet. Daran fehlt es. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den
gesetzlichen Anforderungen, weil weder die behaupteten Verfahrensfehler (1.) noch eine Divergenz (2.) ordnungsgemäß dargetan
worden sind (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. a) Den behaupteten Verstoß gegen §
159 Abs
1 Nr
2 SGG hat die Beschwerde nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung dieses Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst substantiiert die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargetan werden. Die Schilderung der maßgeblichen Tatsachen
muss so detailliert und vollständig sein, dass das BSG bereits anhand der Beschwerdebegründung beurteilen kann, ob dem LSG der gerügte Verfahrensmangel unterlaufen ist, wenn der
bezeichnete Sachverhalt zuträfe (BSG Beschluss vom 28.8.1991 - 7 BAr 50/91 - BeckRS 1991, 30419674 und vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 = BeckRS 1975, 00524 RdNr 3).
An diesen Darlegungen fehlt es hier. Nach §
159 Abs
1 Nr
2 SGG kann das LSG die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und
aufwendige Beweiserhebung notwendig ist.
Die Beschwerde hat bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass und warum das Verfahren des SG an einem wesentlichen Mangel leiden sollte. Weder hat sie den Gang des Verwaltungsverfahrens noch den Verfahrensgang beim
SG nachvollziehbar und vollständig geschildert. Insbesondere fehlt es an der genauen Wiedergabe der jeweils vom Kläger gestellten
Anträge. Damit lässt sich allein anhand der Beschwerdebegründung schon nicht beurteilen, ob die Voraussetzungen für den Erlass
eines Grundurteils entgegen der Ansicht des SG fehlten, wie das LSG angenommen hat.
Selbst unterstellt, das SG hätte zu Unrecht durch Grundurteil entschieden, fehlt es an der Darlegung, warum darin ein wesentlicher Mangel des Verfahrens
liegen könnte, der eine umfangreiche und aufwendige Beweiserhebung notwendig gemacht hätte. Zu der streitentscheidenden Frage,
ob ein Angriff iS von §
1 OEG auf den Kläger erfolgt ist, hat das SG umfangreich Beweis durch Zeugenvernehmung erhoben. Warum seine möglicherweise fehlerhafte Entscheidung für ein Grundurteil
gleichwohl eine weitere umfangreiche und aufwendige Beweiserhebung verursacht hat, hat die Beschwerde nicht ausgeführt. Die
Entscheidung des LSG, die Beweiserhebung durch das SG zu wiederholen bzw zu vervollständigen, stand nicht in erkennbarem ursächlichen Zusammenhang gerade mit dem Erlass eines
Grundurteils durch das SG.
Unabhängig davon hat die Beschwerde nicht dargelegt, warum das von §
159 Abs
1 Nr
2 SGG eröffnete Ermessen des LSG auf Null reduziert gewesen und alles andere als eine Zurückverweisung an das SG ermessensfehlerhaft gewesen sein sollte.
Zum einen fehlt es bereits an Vortrag, dass der Kläger in der Berufungsinstanz die Zurückverweisung der Sache an das SG beantragt habe (vgl zu diesem Erfordernis BSG vom 21.12.1987 - 7 BAr 61/84 - Juris RdNr 4; vom 9.9.1998 - B 6 KA 34/98 B - Juris RdNr 6; vom 14.2.2006 - B 9a SB 22/05 B - Juris RdNr 6 mwN). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang eine Gehörsverletzung
in Form einer Überraschungsentscheidung rügt, fehlt es, wie ausgeführt, bereits an der vollständigen Darlegung des Verfahrensgangs
in der Verwaltung, vor dem SG und dem LSG, die es erlauben würde zu beurteilen, ob auch ein gewissenhafter und informierter Prozessbeteiligter in dieser
Prozesslage nicht mit den Erwägungen des LSG zur Zurückverweisung zu rechnen brauchte.
Unabhängig davon steht es im Ermessen des Gerichts, ob es von der Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch machen will, wenn
die Voraussetzungen von §
159 Abs
1 SGG gegeben sind. Dabei ist es nicht ermessensfehlerhaft, eine Zurückverweisung als Ausnahme anzusehen und bei Entscheidungsreife
hiervon Abstand zu nehmen (vgl BSG Beschluss vom 16.12.2003 - B 13 RJ 194/03 B - Juris RdNr 9; BSG SozR 3-1300 § 16 Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57; BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1; BSG Beschluss vom 14.2.2006 - B 9a SB 22/05 B - Juris RdNr 7 mwN). Denn der Gesetzgeber des §
159 SGG hat durch die dort gewählte Formulierung den Grundsatz normiert, dass die Entscheidung in der Sache durch das Berufungsgericht
selbst erfolgen soll, weil die Zurückverweisung regelmäßig den Abschluss des Verfahrens verzögert (Fichte, SGb 1987, S 271,
274). Warum von diesem Grundsatz im Fall des Klägers eine Ausnahme geboten sein sollte, hat die Beschwerde mit ihrem knappen
Hinweis auf die Ortsnähe des SG nicht substantiiert dargelegt.
b) Ebenso wenig hinreichend substantiiert dargelegt hat die Beschwerde die behaupteten Verfahrensmängel bei der Zeugenvernehmung,
§
118 Abs
1 S 1
SGG iVm §§
394 ff
ZPO.
Die Beschwerde rügt, der Zeuge S. sei trotz der Gegenwart zweier Polizeibeamter durch die zeitweise Anwesenheit des Zeugen
B., von dem er angeblich Repressalien befürchtete, im Wartebereich vor dem Sitzungssaal erheblich verunsichert gewesen. Dadurch
habe das Gericht seine prozessuale Fürsorgepflicht verletzt. Insoweit fehlt es aber zum einen bereits an den hinreichend substantiierten
Angaben nachvollziehbarer Tatsachen, welche die geäußerten Befürchtungen rechtfertigen könnten. Das LSG hat die Angaben des
Zeugen S. zu einer angeblichen Bedrohungssituation und seine deutlich dargestellte Angst als nicht ganz nachvollziehbar bezeichnet.
Schon angesichts dessen hätte die Beschwerde stichhaltig und mit nachvollziehbaren Gründen darlegen müssen, woraus sich gleichwohl
eine Gefahr für den Zeugen ergeben und weshalb er deshalb weniger detailgenau und ausführlich hätte aussagen sollen. Allein
der Hinweis auf im Berufungsverfahren übersandte Schriftsätze und eine gerichtliche Verfügung genügt insoweit nicht, zumal
die Beschwerde deren Inhalt nicht mitteilt.
Die unterbliebenen Darlegungen wären umso mehr erforderlich gewesen, weil das LSG glaubhafte eigene Erinnerungen des Zeugen
gerade wegen eines von ihm - trotz der angeblichen Bedrohungssituation - geschilderten Details verneint hat. Nach seinen Feststellungen
hat es das LSG als fernliegend und als Indiz gegen glaubhafte Eigenerinnerungen angesehen, dass der Zeuge S. angesichts der
vorherrschenden Lichtverhältnisse aus einer Entfernung von 10 m Tatspuren an einem Finger eines anderen Zeugen wahrnehmen
konnte. Damit und mit den zahlreichen weiteren Argumenten des LSG gegen die fehlende Überzeugungskraft der Aussage des Zeugen
S. - etwa zum Zustandekommen des Kontakts mit dem Kläger - hat sich die Beschwerdebegründung ebenso wenig auseinandergesetzt
wie mit den weiteren Zweifeln, zu denen die Angaben aller Zeugen dem LSG Anlass gegeben haben, unabhängig von den Aussagen
vor dem Senat.
c) Soweit der Kläger sinngemäß eine Verletzung des §
61 Abs
1 SGG iVm §
185 GVG rügt, weil das LSG den Zeugen B. ohne Dolmetscher vernommen hat, hat die Beschwerde nicht hinreichend substantiiert dargelegt,
warum die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt gewesen sein sollten. Nach §
185 Abs
1 S 1
GVG ist ein Dolmetscher heranzuziehen, wenn unter Beteiligung von Personen verhandelt wird, die der deutschen Sprache nicht mächtig
sind. An die rechtsfehlerfreie Feststellung des Tatrichters, dass der ausländische Betroffene ausreichend Deutsch kann, ist
das Revisionsgericht gebunden (Zimmermann in Münchener Kommentar zur
ZPO, 4. Aufl 2013, §
185 GVG RdNr 13 mwN; vgl auch BSG Urteil vom 26.8.1965 - 9 RV 734/62 - SozR Nr 2 zu § 19 BVG). Das LSG hat sich erkennbar davon überzeugt, dass eine für die Vernehmung ausreichende Verständigung mit dem Zeugen möglich
war. Es hat im angefochtenen Urteil dazu ausgeführt, einige der Aussageschwierigkeiten könnten womöglich auf sprachliche Probleme
zurückgeführt werden, aber im Ganzen hätten die Deutschkenntnisse des nicht ungebildeten Zeugen für die Vernehmung ausgereicht.
Warum das LSG gleichwohl zu Unrecht von ausreichenden Sprachkenntnissen des Zeugen ausgegangen sein sollte, hat die Beschwerde
nicht substantiiert dargelegt. Ihre Behauptung, offenkundig habe das Gericht die Angaben des Zeugen als zu weitschweifig angesehen,
was wiederum auf sprachliche Verständnisschwierigkeiten zurückzuführen sei, erscheint spekulativ.
2. Ebenso wenig hinreichend substantiiert dargelegt hat die Beschwerde die behauptete Divergenz.
Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen.
Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten
Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen
darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in
der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein
sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa
lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN).
Diese Darlegungen enthält die Beschwerde nicht. Sie will dem Urteil des LSG den abstrakten Rechtssatz entnehmen, konkrete
Leistungsansprüche nach dem
OEG könnten erst dann formal geltend gemacht werden, wenn das Verwaltungsverfahren über die Anerkennung der Opferfolgen dem Grunde
nach rechtskräftig abgeschlossen sei. Antragsteller nach dem
OEG müssten daher zunächst immer eine bloße Feststellungsklage erheben, selbst wenn sie von vornherein nur einen bestimmten Leistungsanspruch
begehrten.
Diese Ausführungen lassen bereits die Angabe des genauen Tatbestandsmerkmals einer verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorschrift
vermissen, die das LSG anders als das BSG ausgelegt haben soll. Zudem gibt die Beschwerde nicht an, aus welcher Passage des Urteils sich ein abstrakter, über den Einzelfall
hinaus weisender Rechtssatz des LSG ergeben sollte. Das LSG hat auf S 12 f seines Urteils ersichtlich auf den Einzelfall des
Klägers abgestellt und ist davon ausgegangen, dieser habe im Verwaltungsverfahren keine konkreten Leistungsansprüche geltend
gemacht. Aus diesem Umstand des Einzelfalls hat das LSG auf die Unzulässigkeit einer Leistungsklage geschlossen. Ob die Rechtsansicht
des LSG hier zutrifft, kann der Senat schon wegen der - wie unter 1. a) ausgeführt - unvollständigen Wiedergabe des entscheidungsrelevanten
Sachverhalts durch die Beschwerde nicht entscheiden. Ohnehin ist die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall
nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Unabhängig davon hat die Beschwerde nicht dargelegt, warum es auf die von ihr behauptete Divergenz hinsichtlich der Frage,
mit welcher Klageart der Kläger seinen behaupteten Anspruch auf Opferentschädigung zulässigerweise geltend machen konnte,
überhaupt entscheidungserheblich ankommen und diese deshalb in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Denn das LSG
hat lediglich die Voraussetzungen für ein Grundurteil in Frage gestellt und im Übrigen bereits die Voraussetzungen eines Anspruchs
des Klägers aus §
1 OEG verneint, weil es sich nicht vom Vorliegen eines rechtswidrigen, tätlichen Angriffs im Sinne dieser Vorschrift überzeugen
konnte. Daran ist der Senat mangels durchgreifender Verfahrensrügen des Klägers nach §
163 SGG gebunden.
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2, §
169 SGG).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.