Beschädigtenrente nach dem OEG
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Verletzung des rechtlichen Gehörs
Gründe
I
Die Klägerin begehrt in der Hauptsache eine Beschädigtenversorgung in Form einer Beschädigtenrente nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG). Sie beruft sich auf einen Vorfall am 24.8.2014, bei dem sie in einem Waldstück an einen Baum gefesselt aufgefunden worden
war. Wie zuvor bereits der Beklagte und das SG hat auch das LSG den geltend gemachten Anspruch verneint. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin an diesem
Tag Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des §
1 Abs
1 OEG geworden sei (Urteil vom 26.11.2020).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt A aus O beantragt. Sie
rügt als Verfahrensmangel die unzureichende Sachaufklärung des LSG.
II
1. Der Antrag der Klägerin auf PKH ist abzulehnen.
Gemäß §
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Abs
1 Satz 1
ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier
nicht der Fall (s dazu unter 2.). Aus diesem Grund kommt die Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten nicht in Betracht (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
2. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn sie
hat den von ihr geltend gemachten Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) der unzureichenden Sachaufklärung (§
103 SGG) nicht hinreichend bezeichnet (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
Die Klägerin trägt vor, das Urteil des LSG beruhe auf einer Verletzung des §
103 SGG. Das LSG habe "den Sachverhalt falsch ermittelt". Es sei zu Unrecht ihren in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen
nicht nachgegangen. Sie habe beantragt, "zum Beweis der Tatsache, dass sich in der Auffindesituation der Klägerin … die Fesselung
im Bereich der Hände so dargestellt hat, dass die Handgelenke mit der Form einer 8, von oben auf die Fingerspitzen betrachtet
gebunden waren und die aneinander gelegten Finger, Daumen ausgenommen, in der Weise miteinander verknotet waren, dass außer
den Daumen kein Finger bewegt werden konnte", 1. Frau F sowie 2. Frau S als Zeugen zu laden und zu vernehmen, und "zum Beweis
der Tatsache, dass die Fesselung … an den Handgelenken (mit der Form einer 8, von oben auf die Fingerspitzen betrachtet) sowie
einer Verknotung der aneinander gelegten Finger, Daumen ausgenommen, so dass außer den Daumen kein Finger bewegt werden konnte,
nicht von der Klägerin herrühren kann, ein Sachverständigengutachten einzuholen".
Die Klägerin hat jedoch einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht nicht hinreichend dargetan. Eine Verletzung
des §
103 SGG führt nur dann zur Zulassung der Revision, wenn der geltend gemachte Verfahrensmangel sich auf einen Beweisantrag bezieht,
dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Jeden anderen Verfahrensmangel, der einen Verstoß gegen §
103 SGG zum Inhalt hat, schließt das Gesetz als Grund für eine Zulassung der Revision aus (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG). Eine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung des §
103 SGG setzt daher zunächst voraus, dass der bis zur mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, aufrechterhaltene und angeblich
übergangene ordnungsgemäß gestellte Beweisantrag genau bezeichnet wird. Weiter muss der Beschwerdeführer angeben, weshalb
das LSG seine Amtsermittlungspflicht verletzt hat, wenn es den angebotenen Beweis nicht erhoben hat, weshalb sich das LSG
also nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung und dem bisherigen Sachstand hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten
Beweis zu erheben. Denn nur in einem solchen Fall ist das LSG einem Beweisantrag "ohne hinreichende Begründung" nicht gefolgt
(vgl stRspr; zB Senatsbeschluss vom 1.4.2021 - B 9 V 60/20 B - juris RdNr 17 mwN). Ob sich das LSG - ausgehend von seiner zur Beurteilung des behaupteten Verfahrensmangels allein maßgeblichen Rechtsauffassung
- zu einer weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen, hängt hier entscheidend davon ab, welche rechtlichen Anforderungen
es an die Feststellung eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des §
1 Abs
1 OEG, wie es diese Rechtsbegriffe im Einzelnen auslegt und von welchen Beweismaßstäben es ausgeht. Hierauf geht die Beschwerdebegründung
jedoch nicht ein.
Es fehlt schon an einer substantiierten Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der beantragten Beweiserhebung. Die Klägerin
hat nicht aufgezeigt, weshalb sich das LSG ausgehend von seiner Rechtsauffassung und den bisherigen aktenkundigen Ermittlungsergebnissen
veranlasst sehen musste, weiteren Beweis zur Auffindesituation der Klägerin am 24.8.2014 zu erheben. Denn das LSG hat in seinen
Entscheidungsgründen tragend auch ausgeführt, dass selbst bei Unterstellung der von der Klägerin unter Beweis gestellten Tatsachen
- also Fesselung auch der Finger sowie Unmöglichkeit der Selbstfesselung - unter Würdigung des Akteninhalts nicht auf einen
tätlichen Angriff iS des §
1 Abs
1 OEG geschlossen werden könne. Ein plausibler Tatablauf sei nämlich selbst bei unterstellter Fremdfesselung nicht ersichtlich.
In Ermangelung objektiver Belege für eine gewaltsame Fremdeinwirkung auf die Klägerin könne nicht einmal eine einvernehmliche
Fremdfesselung ausgeschlossen werden.
Hierzu verhält sich die Beschwerdebegründung jedoch nicht. Die Klägerin legt nicht dar, aus welchen Gründen sich das LSG ausgehend
von seiner hier allein maßgeblichen Rechtsauffassung sowie den von ihm festgestellten und gewürdigten aktenkundigen polizeilichen,
staatsanwaltlichen und medizinischen Ermittlungsergebnissen dennoch zu der von ihr beantragten (weiteren) Beweiserhebung zu
der Auffindesituation vom 24.8.2014 hätte gedrängt fühlen müssen. Sofern die Klägerin im Kern ihres Vorbringens mit der Würdigung
der aktenkundigen Ermittlungsergebnisse durch das LSG nicht einverstanden ist, wendet sie sich gegen dessen Beweiswürdigung.
Eine solche Rüge kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn eine Rüge der fehlerhaften Beweiswürdigung nach §
128 Abs
1 Satz 1
SGG ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG ausdrücklich ausgeschlossen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.