Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen einer nahestehenden Person bei Gewährung von Arbeitslosenhilfe
Gründe:
A. Die Vorlage betrifft die Frage, ob es mit dem
Grundgesetz vereinbar ist, daß nach § 137 Abs. 2a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) bei der Prüfung der Bedürftigkeit eines Arbeitslosen als Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe Einkommen
und Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, ebenso wie Einkommen und Vermögen eines
nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen sind.
I. Die Arbeitslosenhilfe ist dazu bestimmt, die Lücken zu füllen, die sich aus der Begrenzung des Rechts auf Leistungen der
Arbeitslosenversicherung ergeben; Arbeitslose, die Arbeitslosengeld entweder gar nicht oder infolge Zeitablaufs nicht mehr
beanspruchen können, sollen nicht ohne weiteres der Sozialhilfe anheimfallen. Die Leistungen der Arbeitslosenhilfe bestimmen
sich in der Höhe nach dem früheren Arbeitseinkommen des Arbeitslosen, werden aber nur gewährt, wenn und soweit er bedürftig
ist. Die Kosten der Arbeitslosenhilfe trägt der Bund.
1. Nach der für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung des Arbeitsförderungsgesetzes betrug die Arbeitslosenhilfe im Jahre
1986 für Arbeitslose, die mindestens ein Kind im Sinne des §
32 Abs.
1, 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes (
EStG) hatten, sowie für Arbeitslose, deren Ehegatte mindestens ein Kind im Sinne des §
32 Abs.
1, 4 und 5
EStG hatte, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren und nicht dauernd getrennt lebten, 58 vom Hundert,
für die übrigen Arbeitslosen 56 vom Hundert des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten
Arbeitsentgelts (§ 136 Abs. 1 AFG in der Fassung des Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985, BGBl. I S. 2484 - 7.
AFG-ÄndG -).
Die sich aus der gesetzlichen Regelung ergebenden Leistungssätze bestimmt der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung
jeweils für ein Kalenderjahr durch Rechtsverordnung, wobei er Lohnsteuer, Kirchensteuer und Sozialversicherungsbeiträge pauschaliert
zu berücksichtigen hat (§ 136 Abs. 3 AFG in Verbindung mit § 111 Abs. 2 AFG). Dabei werden entsprechend der unterschiedlichen Belastung durch die Lohnsteuer (§
38b EStG) verschiedene Leistungsgruppen gebildet (§ 111 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 AFG). Arbeitnehmer mit Lohnsteuerklasse I oder IV sind in Leistungsgruppe A, mit Lohnsteuerklasse II in Leistungsgruppe B, mit
Lohnsteuerklasse III in Leistungsgruppe C, mit Lohnsteuerklasse V in Leistungsgruppe D und mit Lohnsteuerklasse VI in Leistungsgruppe
E eingeordnet. Die höchsten Beträge an Arbeitslosenhilfe ergeben sich in der Leistungsgruppe C (Steuerklasse III: Arbeitnehmer,
die verheiratet sind). Niedriger ist die Arbeitslosenhilfe in der Leistungsgruppe B (Steuerklasse II: Alleinstehende mit mindestens
einem Kind), wiederum niedriger sind die Beträge in der Leistungsgruppe A (Steuerklasse I oder IV: Alleinstehende oder Verheiratete,
deren Ehegatte ebenfalls Arbeitslohn bezieht). In den Leistungsgruppen D und E ist die Arbeitslosenhilfe weiter gemindert.
2. a) Über den Begriff und die Voraussetzungen der Bedürftigkeit trifft das Arbeitsförderungsgesetz in der hier maßgeblichen Fassung folgende Regelung:
§ 137
(1) Der Arbeitslose ist bedürftig im Sinne des § 134 Abs. 1 Nr. 3, soweit er seinen Lebensunterhalt und den seines Ehegatten
sowie seiner Kinder, für die er Anspruch auf Kindergeld nach dem
Bundeskindergeldgesetz oder auf eine das Kindergeld ausschließende Leistung für Kinder hat, nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet
oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 138 zu berücksichtigen ist, die Arbeitslosenhilfe nach § 136 nicht erreicht.
(2) Der Arbeitslose ist nicht bedürftig im Sinne des § 134 Abs. 1 Nr. 3, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen
seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen der Eltern eines minderjährigen unverheirateten Arbeitslosen
die Gewährung von Arbeitslosenhilfe offenbar nicht gerechtfertigt ist.
(2 a) Einkommen und Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, sind wie das Einkommen
und Vermögen eines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen.
(3) ...
§ 138
(1) Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung sind als Einkommen zu berücksichtigen
1. Einkommen des Arbeitslosen einschließlich der Leistungen, die er von Dritten erhält oder beanspruchen kann, soweit es nicht
nach § 115 anzurechnen ist; Unterhaltsansprüche gegen Verwandte zweiten oder entfernteren Grades sind nicht zu berücksichtigen,
2. Einkommen des von dem Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten und der Eltern eines minderjährigen unverheirateten
Arbeitslosen, soweit es jeweils 150 Deutsche Mark in der Woche übersteigt; dieser Betrag erhöht sich um 70 Deutsche Mark für
jede Person, der der Angehörige aufgrund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht nicht nur geringfügig Unterhalt gewährt;
hierbei wird der Arbeitslose nicht mitgerechnet.
(2) ...
(3) Nicht als Einkommen gelten
1. - 8. ...
9. die niedrigere Arbeitslosenhilfe, wenn Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben, zugleich die Voraussetzungen des Anspruchs
auf Arbeitslosenhilfe erfüllen.
(4) ...
b) Aufgrund der Übergangsregelung des Art. 1 Nr. 52 7. AFG-ÄndG galten in dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Jahr 1986 niedrigere Freibeträge für die Einkommensanrechnung nach
§ 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG:
§ 242 f AFG
(1) bis (10) ...
(11) In § 138 Abs. 1 Nr. 2 treten für das Jahr 1986 an die Stelle des Betrages von "150 Deutsche Mark" der Betrag von "115
Deutsche Mark" und an die Stelle des Betrages von "70 Deutsche Mark" der Betrag von "55 Deutsche Mark". § 138 Abs. 1 Nr. 2
in der Fassung des Satzes 1 ist auch auf Zeiten mit Anspruch auf Arbeitslosenhilfe vor dem 1. Januar 1986 anzuwenden, wenn
die Entscheidung über den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe am 1. Januar 1986 noch nicht unanfechtbar war.
c) Die Vorschrift des § 138 Abs. 3 Nr. 9 AFG hat zur Folge, daß bei gleichzeitiger Berechtigung von Ehegatten zum Bezug von Arbeitslosenhilfe der höhere Anspruch auf
den geringeren angerechnet wird. Danach verbleibt bei der geringeren Arbeitslosenhilfe nur dann ein auszahlbarer Restanspruch,
wenn der Abstand beider Arbeitslosenhilfeansprüche kleiner ist als der Freibetrag des § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG. In der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (BTDrucks.
10/4211, S. 27) heißt es hierzu:
Die Vorschrift bestimmt, daß die niedrigere Arbeitslosenhilfe nicht als Einkommen gilt, wenn Ehegatten, die nicht dauernd
getrennt leben, zugleich die Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe erfüllen. Damit wird eine doppelte Berücksichtigung
der Arbeitslosenhilfe als Einkommen vermieden. Die Vorschrift beruht auf der Erwägung, daß der Bezieher der höheren Arbeitslosenhilfe
eher zum gemeinsamen Unterhalt beitragen wird als der Bezieher der niedrigeren Arbeitslosenhilfe. Sie ist notwendig geworden,
weil das Bundesverfassungsgericht § 139 S. 1 und 2, wonach bei Arbeitslosigkeit beider Ehegatten nur ein Ehegatte Anspruch
auf Arbeitslosenhilfe hat, wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes für nichtig erklärt
hat.
3. Die Bedürftigkeitsprüfung wird danach von dem Grundsatz beherrscht, daß mit Ausnahme einiger in § 138 Abs. 3 AFG aufgeführter besonderer Einkünfte alles, was der Arbeitslose zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes tatsächlich erhält,
seine Bedürftigkeit und damit seine Berechtigung zum Bezug von Arbeitslosenhilfe vermindert. Das Gesetz läßt offen, auf welche
"andere Weise" (§ 137 Abs. 1 1. Halbsatz AFG) der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt bestreitet oder bestreiten kann. Es ist unerheblich, von welchem Dritten der Arbeitslose
Leistungen erhält.
Gemäß §§ 137, 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG müssen in der Regel die individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen zur Prüfung seiner Bedürftigkeit festgestellt
werden, und zwar auch dann, wenn er etwa mit Geschwistern oder mit befreundeten Personen gleichen Geschlechts zusammenlebt.
Solche Haushaltsgemeinschaften werden bei der Ermittlung der Bedürftigkeit nicht unberücksichtigt gelassen; es muß jedoch
in jedem Einzelfall festgestellt werden, ob und wieweit der Arbeitslose von den anderen Mitgliedern der Haushaltsgemeinschaft
Leistungen empfängt, die der Deckung seines Unterhalts dienen und damit die Bedürftigkeit ausschließen oder mindern. Nach
§ 138 Abs. 3 Nr. 7 AFG werden allerdings beim Einkommen solche Zuwendungen nicht berücksichtigt, die ein Dritter zur Ergänzung der Arbeitslosenhilfe
gewährt, ohne dazu rechtlich öder sittlich verpflichtet zu sein.
Nach §§ 137 Abs. 2, 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG muß sich der verheiratete, von seinem Ehegatten nicht dauernd getrennt lebende Arbeitslose hingegen das bestimmte Freibeträge
überschreitende Einkommen seines Ehegatten zurechnen lassen, ohne daß zu prüfen ist, ob der Arbeitslose auch tat sächlich
von seinem Ehegatten ausreichende Leistungen erhält (sogenannte verschärfte Bedürftigkeitsprüfung). Diese Regelung wird durch
§ 137 Abs. 2 a AFG auf die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft erstreckt. Die Vorschrift erübrigt damit eine individuelle Prüfung der Bedürftigkeit,
wie sie sonst nach §§ 137 Abs. 1, 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG vorzunehmen wäre.
4. Bereits das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) enthielt in § 149 Abs. 5 die Regelung,
daß bei der Bedürftigkeitsprüfung im Bereich der Arbeitslosenhilfe Einkommen und Vermögen einer Person, mit der der Arbeitslose
in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, in gleicher Weise zu berücksichtigen sind wie das Einkommen und das Vermögen des Ehegatten.
Diese Vorschrift war mit dem
Grundgesetz vereinbar (BVerfGE 9, 20). Eine dem § 149 Abs. 5 AVAVG entsprechende Vorschrift über die Behandlung eheähnlicher Gemeinschaften war in das Arbeitsförderungsgesetz von 1969 ursprünglich nicht aufgenommen worden. Die Vorschrift des § 138 Abs. 1 AFG, die regelt, inwieweit Einkommen des Ehegatten bei der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist, wurde jedoch im Verwaltungswege
- wenn auch nicht lückenlos - auf Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft lebten, erstreckt. Für die im gemeinsamen Haushalt
lebenden Ehegatten - nicht aber für die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft - enthielt das Arbeitsförderungsgesetz eine besondere Bestimmung, die in der Fassung des Einführungsgesetzes zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974
(BGBl. I S. 3656) folgenden Wortlaut hatte:
§ 139
Erfüllen Ehegatten, die im gemeinsamen Haushalt leben, zugleich die Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe, so
wird Arbeitslosenhilfe nur dem Ehegatten gewährt, der von beiden Ehegatten als anspruchsberechtigt bestimmt worden ist. Solange
die Ehegatten diese Bestimmung nicht getroffen haben, wird die Arbeitslosenhilfe dem Ehegatten gewährt, dem der höhere Betrag
zusteht.
Diese Vorschrift ist vom Bundesverfassungsgericht für mit Art.
3 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
6 Abs.
1 GG unvereinbar und nichtig erklärt worden (BVerfGE 67, 186). Mit der hier zur Prüfung gestellten Norm des § 137 Abs. 2 a AFG, die durch Art. 1 Nr. 35 des 7. AFG-ÄndG mit Wirkung vom 1. Januar 1986 in das Arbeitsförderungsgesetz eingefügt wurde, wollte der Gesetzgeber dieser Entscheidung Rechnung tragen (vgl. die Begründung der Bundesregierung zum
Entwurf des Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes, BTDrucks. 10/4211, S. 26 f., zu Nr. 31).
5. Für den Bezug von Sozialhilfeleistungen enthält § 122 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) eine dem § 137 Abs. 2 a AFG vergleichbare Vorschrift. Sozialhilfeleistungen werden nur bei Bedürftigkeit gewährt. Bei nicht dauernd getrennt lebenden
Ehegatten sind das Einkommen und das Vermögen beider Ehegatten zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 S. 2, § 28, § 79 Abs. 1 BSHG). Diese Regelung wird durch § 122 S. 1 BSHG auf die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft erstreckt. Sozialhilfe ist danach auch dann zu versagen, wenn das Einkommen
des einen Partners der eheähnlichen Gemeinschaft geeignet ist, die Bedürftigkeit des anderen zu beseitigen.
II. 1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war mit einer kurzen Unterbrechung vom 1. Oktober 1983 bis zum 8. Februar 1985
als Justizangestellte tätig. Im Januar 1985 betrug ihr Bruttomonatsentgelt 2.486,47 DM. Vom 9. Februar bis 5. Juni 1985 bezog
sie Arbeitslosengeld. Für die Folgezeit beantragte sie die Gewährung von Arbeitslosenhilfe. Aus ihrem Antrag ergaben sich
für den hier maßgeblichen Zeitraum folgende persönliche Verhältnisse:
Die Klägerin ist seit 1978 geschieden. Sie lebte in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit einem Programmierer zusammen. Dieser
Beziehung entstammt ein 1980 geborener Sohn, dem gegen seinen Vater aufgrund eines Anerkenntnisses ein monatlicher Unterhaltsbetrag
von 228 DM bis zum vollendeten 6. Lebensjahr zustand. Der Partner der Klägerin ist ebenfalls geschieden. Aus seiner früheren
Ehe stammen zwei Kinder. Eine 1969 geborene Tochter lebte im gemeinsamen Haushalt ihres Vaters und der Klägerin. Einem 1973
geborenen Sohn, der bei seiner Mutter lebte, schuldete der Vater monatlichen Unterhalt in Höhe von 295 DM. Nach der von der
Klägerin mit ihrem Antrag eingereichten Verdienstbescheinigung ihres Partners bezog dieser ein monatliches Nettoeinkommen
von 2.302,18 DM.
Die Bundesanstalt für Arbeit (im folgenden: Bundesanstalt) lehnte zunächst die Zahlung von Arbeitslosenhilfe ab, weil das
Einkommen des Partners der Klägerin und das ihres Vaters auf ihre Arbeitslosenhilfe anzurechnen seien und diese Beträge den
Arbeitslosenhilfeanspruch der Klägerin überstiegen. Später gewährte sie Arbeitslosenhilfe, rechnete aber vom Einkommen des
Partners einen Betrag von 90,36 DM wöchentlich auf die Arbeitslosenhilfe der Klägerin an.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung von Arbeitslosenhilfe ohne die Anrechnung des Einkommens ihres Partners begehrt.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie erhalte von ihrem Partner keine Leistungen; ein Unterhaltsanspruch gegen ihn bestehe
nicht. Ihr Partner habe zudem Unterhaltsverpflichtungen aus seiner früheren Ehe, die höher seien als die eingeräumten Freibeträge.
2. Das Sozialgericht hat durch Teilurteil über die Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe entschieden, soweit sie sich auf das Jahr
1985 bezogen. Für die Ansprüche ab 1. Januar 1986 hat es den Rechtsstreit ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die
Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 137 Abs. 2 a AFG mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar ist.
Die durch diese Vorschrift angeordnete Einbeziehung der Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft in die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung
sei mit Art.
3 Abs.
1 GG und Art.
2 Abs.
1 in Verbindung mit Art.
20 Abs.
3 GG unvereinbar. Andere Wirtschaftsgemeinschaften würden von den §§ 137 Abs. 2, 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG nicht erfaßt. Lebe ein volljähriger Arbeitsloser mit ihm grundsätzlich unterhaltspflichtigen Personen, zum Beispiel mit seinen
Eltern (§§
1601 ff.
BGB), in einem gemeinsamen Haushalt, führe dies nicht zur verschärften Bedürftigkeitsprüfung. Ein Unterhaltsanspruch gegen Großeltern,
der nach bürgerlichem Recht bestehen könne (§
1601 BGB), werde bei der Bedürftigkeitsprüfung überhaupt nicht berücksichtigt (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 AFG). Nur tatsächlich erbrachte Leistungen der Großeltern seien wie anderes Einkommen des Arbeitslosen berücksichtigungsfähig.
Auch andere Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften, etwa zwischen gleichgeschlechtlichen - Partnern oder Geschwistern, lösten
die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung nicht aus. Für diese Vorschriften seien demnach weder die Bedarfslage des Arbeitslosen,
die durch das Zusammen leben mit anderen Personen in einem Haushalt beeinflußt werde, noch die tatsächliche Unterstützung
durch Mitglieder einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft wesentlich. Allein die gesteigerte Unterhaltspflicht grenze den durch
§§ 137 Abs. 2, 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG erfaßten Personenkreis von anderen ab. Durch die Festlegung bestimmter Freibeträge konkretisiere der Gesetzgeber die gesteigerte
Unterhaltspflicht des bürgerlichen Rechts für den Fall der Arbeitslosigkeit eines Ehepartners, einer Ehepartnerin oder des
minderjährigen unverheirateten Kindes. Angerechnet werde nicht notwendig nur der Teil des Einkommens und des Vermögens, den
der Ehepartner oder die Eltern tatsächlich für den Arbeitslosen aufwendeten oder aufzuwenden freiwillig bereit seien, sondern
der Betrag, den sie zur Abwendung der Bedürftigkeit des Arbeitslosen aufwenden sollten.
Die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, die § 137 Abs. 2 a AFG seit dem 1. Januar 1986 den Partnern einer intakten Ehe gleichstelle, seien einander nicht unterhaltspflichtig. Die Erstreckung
der §§ 137 Abs. 2 und 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG, die an die bürgerlichrechtliche Unterhaltspflicht anknüpften, auf Arbeitslose, die als Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft
überhaupt keinen Unterhaltsanspruch geltend machen könnten, verstoße schon deshalb gegen Art.
3 Abs.
1 GG.
Die Anrechnung von Einkommen und Vermögen des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft unter Abzug eines Freibetrags in Höhe
von wöchentlich 115 DM/150 DM für sich selbst und 55 DM/70 DM für unterhaltsberechtigte Dritte entspreche erkennbar nicht
den tatsächlichen Verhältnissen. Die unscharfe Beschreibung der eheähnlichen Gemeinschaft als "Wirtschaften aus einem Topf"
verdecke, daß die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht notwendigerweise in der vom Gesetz vorausgesetzten Weise einander
Unterhalt leisteten. § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG lasse eine Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse nicht zu; der vom Gesetzgeber vermutete Umfang der Unterhaltsleistung
könne nicht widerlegt werden. Da aber der unverheiratete Partner eines Arbeitslosen diesem zum Unterhalt nicht verpflichtet
sei, dürfe er trotz des Wirtschaftens aus einem Topf sein Einkommen ausschließlich zur Befriedigung eigener Bedürfnisse oder
zur Erfüllung seiner Verpflichtungen insbesondere gegenüber unterhaltsberechtigten Personen verwenden. Die Unterhaltsansprüche
Dritter gegen den Partner könnten weit höher sein als die ihm von § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG eingeräumten Freibeträge.
Eheähnliche Gemeinschaften würden durch ihre Gleichstellung mit Ehen noch in anderen Beziehungen benachteiligt:
Arbeitslose Ehegatten könnten Arbeitslosenhilfe nach einer höheren Leistungsgruppe erhalten. Bei der regelmäßig sehr niedrigen
Arbeitslosenhilfe könne die Differenz zwischen der Leistungsgruppe A und der Leistungsgruppe C über die Sozialhilfebedürftigkeit
entscheiden. So betrage die Arbeitslosenhilfe 1986 bei einem Bemessungsentgelt von 400 DM wöchentlich für einen kinderlosen
Arbeitslosen in der Leistungsgruppe A 154,80 DM (= 665,64 DM monatlich) und in der Leistungsgruppe C 168,60 DM (= 724,98 DM
monatlich); die Differenz betrage knapp 9 vom Hundert.
Bei der Bemessung von Unterhaltsansprüchen Dritter gegen den Partner des Arbeitslosen (zum Beispiel von Unterhaltsansprüchen
seiner Kinder, seines Ehepartners oder seines früheren Ehepartners) werde die Unterhaltsleistung gegenüber dem Arbeitslosen
nicht berücksichtigt. Auch bei der Zwangsvollstreckung führe der als Unterhaltsleistung gegenüber dem arbeitslosen Partner
angerechnete Betrag nicht zu einer Erhöhung der Pfändungsgrenzen nach §§
850 c ff.
ZPO. Bei einem Schuldner ohne Unterhaltspflichten liege die Pfändungsgrenze bei 790 DM, während ein Schuldner mit Unterhaltspflicht
gegenüber einer Person auch bei höherem Einkommen noch keiner Pfändung unterliege.
Auch gegenüber anderen Wirtschaftsgemeinschaften, die nicht in die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung einbezogen seien, würden
Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft benachteiligt, ohne daß hierfür sachliche, am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Gründe
erkennbar seien. Erzieherische Aufgaben oder verdeckte Pönalisierungen von rechtlich erlaubten Lebensformen gehörten nicht
zu den Aufgaben der Arbeitslosenversicherung. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß die Arbeitslosenhilfe - anders als die Sozialhilfe
- eine in aller Regel durch Beiträge erworbene Leistung sei. Die Beitragsbezogenheit der Arbeitslosenhilfe schränke den Gestaltungsraum
des Gesetzgebers ein. Die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 67, 186) verlangte Gleichbehandlung von Ehen und eheähnlichen Gemeinschaften rechtfertige keine Schlechterstellung der arbeitslosen
Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft gegenüber den Eheleuten und gegenüber den übrigen unverheirateten Arbeitslosen.
Das Gesetz enthalte keine Definition der eheähnlichen Gemeinschaft; die Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks. 10/3923,
S. 26) verweise lediglich auf § 122 BSHG, der eine vergleichbare Regelung enthalte. Die Bundesanstalt habe in ihrem Runderlaß 19/86 vom 28. Januar 1986 unter Berufung
auf das Bundesverwaltungsgericht die eheähnliche Gemeinschaft als das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen
einem Mann und einer Frau beschrieben und im übrigen nur negativ abgegrenzt. Danach solle es auf innere Bindungen oder Verpflichtungen
zur Unterhaltsgewährung oder zur gemeinsamen Lebensführung oder auf geschlechtliche Beziehungen nicht ankommen; eine gemeinsame
Kasse, eine gleichmäßige, gemeinsam geplante Befriedigung der Lebensbedürfnisse beider Partner und die Gestaltung des Mietverhältnisses
seien danach zur Feststellung einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht erforderlich. Diese Umschreibung würde aber dem Gesetzeswortlaut
und der vom Gesetz gemeinten gesellschaftlichen Erscheinung nicht gerecht. Sie reiche auch nicht aus, um festzustellen, ob
die eheähnlichen Partner in wirtschaftlicher Hinsicht wie Eheleute zusammenleben.
Das Gesetz spreche nicht von Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften, sondern von eheähnlichen Gemeinschaften. Eheähnlich könne
eine Gemeinschaft nur sein, wenn sie wesentliche Merkmale einer Ehe aufweise, ohne eine solche zu sein. Richtig sei deshalb,
daß eine eheähnliche Gemeinschaft nur zwischen einem Mann und einer Frau bestehen könne. Jedoch sei das Zusammenleben von
geschlechtsverschiedenen Personen nicht in jedem Fall eine eheähnliche Gemeinschaft. Lebten Vater und Tochter, Mutter und
Sohn oder Bruder und Schwester zusammen, liege, auch wenn sie aus einem Topf wirtschafteten, eine eheähnliche Gemeinschaft
zweifelsfrei nicht vor. Wohngemeinschaften mit geschlechtsverschiedenen Beteiligten, die in der Regel reine Zweckgemeinschaften
auf Zeit seien, erfüllten gleichfalls nicht den Begriff einer eheähnlichen Gemeinschaft. Was eheähnliche Gemeinschaften im
Unterschied zu allen anderen Gemeinschaften mit Ehen verbinde, sei die heterosexuelle Beziehung. Diese Einsicht stehe auch
hinter der tatsächlichen Anwendung des § 137 Abs. 2 a AFG. Seien aber die besonderen persönlichen Bindungen einschließlich der sexuellen Beziehungen das entscheidende Wesensmerkmal
der eheähnlichen Gemeinschaft, so müßten diese Beziehungen zur Anwendung des § 137 Abs. 2 a AFG festgestellt werden. Die Ermittlung der über die wirtschaftlichen Beziehungen hinausgehenden persönlichen Bindungen habe
jedoch nicht nur der Gesetzgeber des § 149 Abs. 5 AVAVG für problematisch gehalten und sich deshalb auf die wirtschaftlichen
Verbindungen beschränken wollen. Auch das Bundesverfassungsgericht habe ausgeführt, die Feststellung geschlechtlicher Beziehungen
im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung gebe dieser einen mit der Bedürftigkeitsprüfung bei ehelichen Haushaltsgemeinschaften
unvergleichbaren Charakter (BVerfGE 9, 20 [32 f.]). Eine solche Überprüfung würde nicht nur die Intimsphäre des Arbeitslosen,
sondern auch die des Partners verletzen. Tatsächlich gingen die von einzelnen Arbeitsämtern verwendeten Fragebögen zur Überprüfung
der eheähnlichen Gemeinschaft jedoch über die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus. Schon die Ermittlung
des Tatbestandes des § 137 Abs. 2 a AFG verletze danach den Gleichheitsgrundsatz, aber auch die durch Art.
2 Abs.
1 GG geschützte Intimsphäre des Arbeitslosen und seines Partners.
Die Entscheidung, in einer eheähnlichen Gemeinschaft zu leben, sei Ausdruck der durch Art.
2 Abs.
1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit und verstoße auch nicht gegen das Sittengesetz. Durch § 137 Abs. 2 a AFG werde der Partner des Arbeitslosen faktisch gezwungen, diesen wie einen Ehepartner zu unterhalten - obwohl er hierzu rechtlich
nicht verpflichtet sei - oder die Gemeinschaft aufzugeben. Der Arbeitslose könne die Arbeitslosenhilfe nur dann ungekürzt
erhalten, wenn er die Gemeinschaft auflöse. Halte der Partner des Arbeitslosen an der eheähnlichen Gemeinschaft fest und könne
er wegen der Unterstützung seines Partners seine Unterhaltsverpflichtungen nicht erfüllen, sei er nicht nur Pfändungen ohne
Rücksicht auf die tatsächliche Unterhaltsleistung, sondern auch einer Kriminalstrafe nach § 170 b
StGB wegen Verletzung der Unterhaltspflicht ausgesetzt. Insoweit verstoße § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG auch gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (Art.
20 Abs.
3 GG).
Das Bundesverfassungsgericht habe zwar im Hinblick auf Art.
6 Abs.
1 GG eine Gleichbehandlung von Ehen und eheähnlichen Gemeinschaften im Rahmen des Arbeitslosenhilferechts für erforderlich gehalten
(BVerfGE 67, 186). Zur Erreichung dieses Ziels habe der Gesetzgeber aber einen mit anderen Verfassungsgrundsätzen unvereinbaren Weg gewählt.
Art.
6 Abs.
1 GG rechtfertige nicht die Verletzung anderer Grundrechte. Die Erschwerung der Unterhaltsleistung mit dem faktischen Vorrang
des Partners der eheähnlichen Gemeinschaft könne außerdem auch eine Beeinträchtigung von Familien nach sich ziehen. Der Gesetzgeber
hätte sich um eine Lösung bemühen müssen, die Ehepartnern und Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft in gleicher Weise gerecht
werde. Die Benachteiligung der Ehepartner ergebe sich nicht aus der Existenz eheähnlicher Gemeinschaften, die mit der Unterlassung
der Eheschließung auf zahlreiche gesetzlich begründete Vorteile verzichteten, sondern aus der von §§ 137 Abs. 2, 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG verursachten Überforderung der Familien und der Mißachtung des gewachsenen Bedürfnisses nach Eigenständigkeit und Unabhängigkeit
auch innerhalb des Familienverbandes. Die Anknüpfung an § 149 Abs. 5 AVAVG sei auch deshalb verfehlt, weil heute - anders
als in den 50er Jahren, als für das Unterbleiben der Eheschließung im wesentlichen wirtschaftliche Motive (Erhalt von Witwenrenten)
vermutet worden seien - die Motive für das Eingehen einer eheähnlichen Gemeinschaft unterschiedlich und in aller Regel nicht
wirtschaftlicher Natur seien.
III. Zu der Vorlage haben der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung namens der Bundesregierung, der 7. Senat des Bundessozialgerichts,
die Bundesanstalt als Beklagte des Ausgangsverfahrens, der Deutsche Juristinnenbund und der Deutsche Verein für öffentliche
und private Fürsorge Stellung genommen. 1. Nach Ansicht des Bundesministers verstoßen die Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes
über die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung und § 137 Abs. 2 a AFG nicht gegen das
Grundgesetz.
a) Die Arbeitslosenhilfe sei eine besondere Fürsorgeleistung für Arbeitslose. Wie die Sozialhilfe werde sie aus Steuermitteln
finanziert und nur gewährt, wenn der Arbeitslose bedürftig sei. Bei der Berücksichtigung des Einkommens des vom Arbeitslosen
nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten gehe das Gesetz von der seit langem bestehenden Erfahrung des täglichen Lebens aus,
daß nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten umfassend aus einem Topf wirtschafteten. Bürgerlichrechtliche Unterhaltsansprüche
seien innerhalb der Kernfamilie faktisch ohne Bedeutung und praktisch kaum feststellbar.
§ 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG begründe daher die unwiderlegbare Vermutung, daß die Bedürftigkeit des Arbeitslosen durch ausreichendes Einkommen eines nicht
dauernd getrennt lebenden Ehegatten ausgeschlossen werde. Dementsprechend knüpften die Freibeträge nicht an die unterhaltsrechtliche
Leistungsfähigkeit des nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten an. Sie sollten viel mehr vermeiden, daß eine zu scharfe
Heranziehung des Einkommens des Ehegatten eine familiensprengende Wirkung auslöse. Das Innenverhältnis der Familie solle grundsätzlich
der Überprüfung der Verwaltung entzogen werden. Darüber hinaus sollten die Freibeträge gewährleisten, daß die Arbeit für den
Ehegatten des Arbeitslosen eine sinnvolle Entscheidung bleibe.
b) Auch § 137 Abs. 2 a AFG verstoße nicht gegen das
Grundgesetz.
aa) Art.
3 Abs.
1 GG sei schon deshalb nicht verletzt, weil die durch § 137 Abs. 2 a AFG angeordnete Gleichbehandlung von Partnern eheähnlicher Gemeinschaften mit nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten bei der
Bedürftigkeitsprüfung verfassungsrechtlich geboten sei. Art.
3 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
6 Abs.
1 GG verbiete, daß die in einer Ehe verbundenen Partner gegenüber unverheiratet zusammenlebenden Partnern benachteiligt würden
(BVerfGE 67, 186 [198]). Ohne die Vorschrift des § 137 Abs. 2 a AFG wären Ehegatten gegenüber Partnern eheähnlicher Gemeinschaften bei der Bedürftigkeitsprüfung jedoch benachteiligt.
bb) Es verstoße auch nicht gegen Art.
3 Abs.
1 GG, wenn die Partner eheähnlicher Gemeinschaften von der Rechtsordnung nicht gleich günstig wie Ehegatten behandelt würden.
Art.
6 Abs.
1 GG verpflichte den Gesetzgeber, zum Schutze der Ehe überall da tätig zu werden, wo die Ehe ungünstiger gestellt sei als die
eheähnliche Gemeinschaft. Daraus folge aber nicht umgekehrt, daß es verfassungsrechtlich geboten wäre, die eheähnliche Gemeinschaft
stets gleich günstig wie die Ehe zu behandeln.
Wer eine Ehe eingehe, erhalte gewisse Rechte und übernehme Pflichten. Partner eheähnlicher Gemeinschaften lehnten dagegen
solche Verpflichtungen ab. Daraus folge, daß sie auch bestimmte Rechte und Vergünstigungen, die für Ehegatten gewährt würden,
nicht in Anspruch nehmen könnten.
cc) Der Ansicht des Sozialgerichts, es sei sachlich nicht gerechtfertigt, daß Ehegatten und Partner eheähnlicher Gemeinschaften
bei der Bedürftigkeitsprüfung der Arbeitslosenhilfe anders behandelt würden als Mitglieder anderer Wirtschaftsgemeinschaften,
könne nicht gefolgt werden. Der sachliche Grund ergebe sich daraus, daß Ehegatten und Partner eheähnlicher Gemeinschaften
nicht nur aus einem Topf wirtschafteten, sondern auch besondere persönliche Beziehungen unterhielten, die sie von Partnern
anderer Gemeinschaften unterschieden. Im Gegensatz zu diesen fühlten sich Ehegatten und Partner eheähnlicher Gemeinschaften
in der Regel in besonderer Weise füreinander verantwortlich und stellten auch zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicher,
bevor sie den Unterhaltsbedarf dritter Personen erfüllten.
Haushaltsgemeinschaften unter Verwandten oder unter Personen gleichen Geschlechts in die Regelung einzubeziehen, sei verfassungsrechtlich
auch deshalb nicht geboten, weil der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen durch typisierende Regelungen einen
weiten Gestaltungsraum habe. Mit § 137 Abs. 2 a AFG habe er eine typische Erscheinung des sozialen Lebens geregelt, die heute eine erheblich größere Rolle spiele als Haushaltsgemeinschaften
unter Verwandten gleichen Geschlechts.
dd) Der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft sei hinreichend bestimmt. Er sei bereits in § 149 Abs. 5 AVAVG enthalten gewesen und werde auch in § 122 BSHG verwendet. Rechtsprechung, Literatur und Verwaltungspraxis hätten Indizien für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft
entwickelt. Entscheidend sei, ob die Partner in wirtschaftlicher Hinsicht wie Eheleute zusammenlebten und aus einem Topf wirtschafteten.
Es komme also insbesondere darauf an, ob der Arbeitslose wie ein Ehegatte Geschäfte zur Bestreitung des gemeinsamen angemessenen
Lebensbedarfs abschließen könne. Diese Möglichkeit könne ausdrücklich in einem Partnerschaftsvertrag oder konkludent auf unterschiedliche
Weise geschaffen sein, etwa durch eine umfassende gemeinsame Kasse, eine Haushaltskasse oder eine Kontovollmacht für den Arbeitslosen.
2. Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hält § 137 Abs. 2 a AFG - im wesentlichen aus den gleichen Gründen - für mit dem
Grundgesetz vereinbar. Zusätzlich wendet er sich gegen die Auffassung des vorlegenden Gerichts, der unverheiratete Partner eines Arbeitslosen
könne trotz des Wirtschaftens aus einem Topf rechtlich sein Einkommen ausschließlich zur Befriedigung eigener Bedürfnisse
oder zur Erfüllung seiner Verpflichtungen verwenden. Sofern festgestellt werde, daß sich der Partner entsprechend verhalte,
liege in Wirklichkeit kein Wirtschaften aus einem Topf vor; eine eheähnliche Gemeinschaft bestehe dann nicht oder nicht mehr.
3. Die Bundesanstalt hält die gesetzlichen Bestimmungen über die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung und ihre Anwendung auf
eheähnliche Gemeinschaften für verfassungsmäßig. In der Verwaltungspraxis orientiere sie sich an den vom Bundessozialgericht
herausgearbeiteten Begriffsmerkmalen der eheähnlichen Gemeinschaft, wobei der Selbsteinschätzung der Betroffenen besonderes
Gewicht zukomme.
4. Der Deutsche Juristinnenbund meint, bei der Beantwortung der Frage, welche Gründe die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung
überhaupt rechtfertigen könnten, sei zu berücksichtigen, daß es sich bei der Arbeitslosenhilfe um eine Lohnersatzleistung
handele. Während die Arbeitslosenhilfe früher nur begrenzt lohnorientiert und stark bedarfsorientiert gewesen sei, könne sie
heute nicht mehr wie die Sozialhilfe oder das Wohngeld als bedarfsabhängige Leistung angesehen werden. Sie knüpfe in ihren
Anspruchsvoraussetzungen an vorangegangene Erwerbstätigkeit und die Bereitschaft zur weiteren Erwerbstätigkeit an und sei
in der Höhe ausschließlich einkommensorientiert, indem ein fester Prozentsatz des früheren Nettoentgelts gezahlt werde.
Die Regelung des § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG, die einen Ehepartner bei langdauernder Arbeitslosigkeit auf den Familienverband verweise, obwohl die Lebensgrundlage dieser
Familie beiderseitige Erwerbstätigkeit sei, verstoße gegen Art.
3 Abs.
1 GG. Sie hebele die vom Gesetzgeber generalisierend und typisierend eingeführte Nettolohnersatzquote der Arbeitslosenhilfe für
eine solche Ehe aus und werfe derartige Gemeinschaften auf einen Alleinverdienerstatus zurück. Die Freibetragsregelung des
§ 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG lasse das gesetzliche Unterhaltsrecht außer acht. Selbst wenn man die Arbeitslosenhilfe als subsidiär zum Unterhalt ansehe,
dürfe der Unterhaltsanspruch nicht das gesamte über 650 DM monatlich hinausgehende Einkommen des Ehegatten erfassen. Mit solchen
Regelungen mißachte der Gesetzgeber das Gebot des Art.
6 Abs.
1 GG. Es könne einem Ehepaar in derartigen Fällen nur empfohlen werden, nunmehr dauernd getrennt zu leben. Denn nach der Trennung
würden für Eheleute die Freibeträge der Düsseldorfer Tabelle gelten und nicht mehr der im Gesetz seit 1986 festgeschriebene
Freibetrag von 650 DM monatlich für den Erwerbstätigen.
Zwar dürfe im Sozialrecht der Zugriff auf das Einkommen des Partners nach Tabellenwerten mit Freibeträgen erfolgen, da der
eheliche Unterhalt bei Paaren, die in Haushaltsgemeinschaft lebten, schwerlich in Geld zu beziffern sei. Die Freibeträge müßten
aber realitätsgerecht sein und mindestens das berücksichtigen, was die Düsseldorfer Tabelle Erwerbstätigen vorbehalte.
Unabhängig hiervon sei die in § 137 Abs. 2 a AFG normierte Erstreckung dieser Art. der Einkommensanrechnung auf die Partner eheähnlicher Gemeinschaften deshalb verfassungswidrig,
weil sie Ungleiches gleich behandele. Aus dem Wesen der Ehe folge ein Füreinandereinstehen. Soweit es um die Bedürftigkeit
von Ehegatten gehe, führe das zur Anrechnung der entsprechenden Unterhaltsleistungen. Um dieses Einstehen füreinander zu ermöglichen,
kenne die Rechtsordnung vielfältige Normen, die die besondere Belastung von Eheleuten ausgleichen sollten und dazu auch geeignet
seien.
Das geschehe zunächst im Steuerrecht. Die Nettoeinkünfte eines Ehepaares seien schon deshalb höher als die eines eheähnlich
lebenden Paares, weil ein Haushaltsfreibetrag angerechnet werde und bei unterschiedlichen Einkünften steuerliche Splittingvorteile
entstünden. Im Arbeitslosenhilferecht stiegen die Leistungen, wenn der Berechtigte Unterhaltsverpflichtungen erfüllen müsse,
durch die Anknüpfung an die Steuerklasse. Die Gleichbehandlung in der Heranziehung zum Unterhalt über § 137 Abs. 2 a AFG treffe also auf eine nicht nur im unterhaltsrechtlichen Sinne, sondern auch in der finanziellen Ausstattung ungleiche Lage
des Paares. Die finanzielle Ungleichheit werde erheblich verschärft, wenn die Arbeitslosenhilfe des Partners durch Anrechnung
von Erwerbseinkommen des anderen Teiles ganz wegfalle. Dann gebe es vor allem Leistungslücken in der Krankenversicherung.
Der Krankenversicherungsschutz bestehe nur bei Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Falle dieser Schutz
weg, sei der Ehegatte familienversichert. In der eheähnlichen Gemeinschaft bestehe eine solche Mitversicherung nicht. Der
Arbeitslose habe nur ein Weiterversicherungsrecht, für das aber Mindestbeiträge zu entrichten seien. Zur Herstellung von Gleichheit
müßten daher hier die Freibeträge höher als bei Eheleuten festgelegt werden.
5. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge hat sich zu den sozialhilferechtlichen Parallelbestimmungen der
§§ 122, 16 BSHG und zum Verhältnis von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe unter dem Gesichtspunkt der Bedürftigkeitsprüfung geäußert.
Die Vorschrift des § 122 S. 1 BSHG sei jedenfalls in einem bedarfsorientierten subsidiären Basissicherungssystem wie dem der Sozialhilfe geboten. Anders möge
dies bei der Arbeitslosenhilfe sein, der primär eine Lohnersatzfunktion zukomme. Ebenso wie in § 137 Abs. 2 a AFG sei in § 122 BSHG der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift eingeschränkt auf Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft lebten. Eine
solche liege vor, wenn zwischen einem Mann und einer Frau eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehe. Auf den Nachweis
einer sexuellen Beziehung komme es nicht an, sondern auf das Wirtschaften aus einem Topf. Darüber hinaus sei jedoch die Charakterisierung
der Gemeinschaft als Verantwortungs- oder Einstehensgemeinschaft in Notlagen des Lebens begrifflich erforderlich.
B. Die Vorlage ist zulässig.
I. Der Vorlagebeschluß läßt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, daß die Entscheidung des Rechtsstreits, soweit er die
Ansprüche der Klägerin auf Arbeitslosenhilfe seit dem 1. Januar 1986 betrifft, von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten
Norm abhängt.
Dem Vorlagebeschluß liegt allerdings die Auffassung zugrunde, für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft im Sinne des
§ 137 Abs. 2 a AFG seien "die besonderen persönlichen Bindungen einschließlich der sexuellen Beziehungen das entscheidende Wesensmerkmal". Diese
Auslegung der zur Prüfung gestellten Norm weicht von der allgemein vertretenen Auffassung ab (vgl. schon BVerfGE 9, 20 [32
f.]). Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit der zur Prüfung gestellten Norm ist jedoch die Rechtsauffassung des
vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 79, 245 [249]; st. Rspr.). Letzteres ist hier ersichtlich nicht der Fall.
II. Die zur Prüfung gestellte Norm des § 137 Abs. 2 a AFG wirkt sich auf die im Ausgangsverfahren streitige Höhe der Arbeitslosenhilfe durch die danach gebotene Anwendung des § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG aus. Diese Norm ist daher wegen des inneren Zusammenhangs mit der vorgelegten Vorschrift in die verfassungsrechtliche Prüfung
einzubeziehen (vgl. BVerfGE 12, 151 [163]; st. Rspr.). Gleiches gilt für die Vorschrift des § 138 Abs. 3 Nr. 9 AFG, wonach bei Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben und beide die Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe
erfüllen, die niedrigere Arbeitslosenhilfe nicht als anrechenbares Einkommen gilt. Diese Vorschrift ist Bestandteil des Regelungskomplexes
der verschärften Bedürftigkeitsprüfung. Sie ist daher ebenfalls in die verfassungsrechtliche Prüfung einzubeziehen.
Die verfassungsrechtliche Prüfung des § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG wird durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Juni 1987 (BVerfGE 75, 382) nicht entbehrlich. Dort ist zwar ausgesprochen, daß § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG mit dem
Grundgesetz vereinbar ist, indessen nur nach Maßgabe der Gründe. Aus diesen ergibt sich, daß die Entscheidung lediglich Fälle betrifft,
in denen hinsichtlich der Höhe der Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe und des anzurechnenden Einkommens verheiratete Arbeitslose
nicht schlechter gestellt werden als Alleinstehende und in denen den Eheleuten auch nach der Anrechnung das Existenzminimum
verbleibt (aaO., S. 391 f.). Die anderen Fallkonstellationen, über die in jenem Beschluß ausdrücklich nicht entschieden worden
ist, können hier jedoch nicht außer Betracht bleiben. Wie der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zeigt, ist es nicht unwahrscheinlich,
daß die in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Personen infolge der durch § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG angeordneten verschärften Bedürftigkeitsprüfung hinsichtlich der Arbeitslosenhilfe und des anzurechnenden Einkommens schlechter
gestellt sind als Alleinstehende.
C. Die Vorschriften des § 138 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 9 AFG sind mit Art.
3 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
6 Abs.
1 GG unvereinbar (I). Werden die diesen Vorschriften anhaftenden verfassungsrechtlichen Mängel beseitigt, so ist die vom Sozialgericht
zur Prüfung gestellte Vorschrift des § 137 Abs. 2 a AFG mit dem
Grundgesetz vereinbar, allerdings nur bei verfassungskonformer Auslegung (II).
I. Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Vorschriften des § 138 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 9 AFG, die die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung bei nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten regeln, ist Art.
3 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
6 Abs.
1 GG, der die Ehe unter den besonderen Schutz des Staates stellt.
Der Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 GG verbietet es, daß eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen
beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art. und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen
könnten (BVerfGE 55, 72 [88]). Die rechtliche Unterscheidung muß also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden. Bei der Ordnung
von Massenerscheinungen braucht der Gesetzgeber allerdings nicht um die differenzierende Berücksichtigung aller denkbaren
Fälle besorgt zu sein. Er ist vielmehr berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den ihm vorliegenden Erfahrungen
ergibt (vgl. BVerfGE 11, 245 [254]; 78, 214 [227]). Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden,
ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Die
Typisierung setzt allerdings voraus, daß die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig
kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Wesentlich ist ferner,
ob die Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären; hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von Gewicht
(vgl. BVerfGE 84, 348 [360] m.w.N.; st. Rspr.). Außerdem kann sich eine Einschränkung der dem Gesetzgeber danach zustehenden Gestaltungsfreiheit
aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Differenziert der Gesetzgeber zum Nachteil von Ehe und Familie, so ist der besondere
Schutz zu beachten, den der Staat nach Art.
6 Abs.
1 GG der Ehe und der Familie schuldet (vgl. BVerfGE 18, 257 [269]; 67, 186 [195 f.]).
1. Danach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß die Arbeitslosenhilfe als staatliche Sozialleistung einerseits
am früher bezogenen Arbeitseinkommen des Arbeitslosen ausgerichtet ist, andererseits durch die Bedürftigkeit des Arbeitslosen
begrenzt wird. Der Bund hat insoweit von seiner Gesetzgebungskompetenz aus Art.
74 Nr. 7
GG Gebrauch gemacht (vgl. BVerfGE 81, 156 [186]), ohne verfassungsrechtliche Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit zu überschreiten. Bei der Regelung der verschärften
Bedürftigkeitsprüfung durfte der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen Art.
6 Abs.
1 GG davon ausgehen, daß sich die Bedürftigkeit eines verheirateten Arbeitslosen durch Unterhaltsleistungen seines von ihm nicht
dauernd getrennt lebenden Ehegatten mindert (vgl. BVerfGE 75, 382 [395]). Denn Eheleute unterliegen einer gesteigerten bürgerlichrechtlichen Unterhaltspflicht (vgl. §§
1360,
1360 a und 1360 b
BGB). Leben sie nicht dauernd getrennt, so ist auch die Vermutung erlaubt, daß sie einander in der gebotenen Weise Unterhalt
leisten. Dies rechtfertigt - jedenfalls im Prinzip - die Methode einer pauschalen Einkommensanrechnung, weil die Gewährung
von Arbeitslosenhilfe von der Arbeitsverwaltung als Massenphänomen bewältigt werden muß.
Darüber hinaus darf der Gesetzgeber, ohne damit die Ehe zu diskriminieren, die Konsequenz aus der Erfahrung des täglichen
Lebens ziehen, daß in einer Haushaltsgemeinschaft umfassend aus einem Topf gewirtschaftet wird mit der Folge, daß zusammenlebende
Ehegatten einen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem Doppelten des Bedarfs eines Alleinwirtschaftenden liegt (vgl.
BVerfGE 75, 382 [394]).
2. Die konkrete Ausgestaltung der pauschalen Einkommensanrechnung bei nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, die beide
erwerbstätig sind, in § 138 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 9 AFG verletzt jedoch Art.
3 Abs.
1 GG, teilweise in Verbindung mit Art.
6 Abs.
1 GG, und zwar zunächst durch die in jenen Vorschriften getroffene Freibetragsregelung.
Bei den Freibeträgen ist zu unterscheiden zwischen dem sogenannten Selbstbehalt, das heißt dem anrechnungsfreien Betrag, der
dem Ehegatten des Arbeitslosen verbleibt (a), und den Freibeträgen, die für Unterhaltsleistungen des Ehegatten an Dritte eingeräumt
werden (b).
a) Art.
3 Abs.
1 GG gebietet es, den Selbstbehalt so hoch anzusetzen, daß nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten, die beide erwerbstätig sind,
keine ungerechtfertigten Nachteile gegenüber vergleichbaren Personengruppen erleiden.
Der Selbstbehalt soll dem Ehegatten des Arbeitslosen die persönliche Existenz sichern. Seine Funktion muß aber auch im Zusammenhang
mit den Grundentscheidungen des Gesetzgebers gesehen werden. Die Arbeitslosenhilfe soll als Lohnersatzleistung dem Arbeitslosen
einen prozentualen Anteil seines bisherigen Lebensstandards erhalten (Lebensstandardprinzip); gleichzeitig werden aber die
Einkommen beider Ehegatten als gemeinsames Einkommen betrachtet, aus dem beide Partner ihre Ausgaben bestreiten. Zu diesem
gesetzgeberischen Ansatz steht es in Widerspruch, daß im Rahmen des Lebensstandardprinzips allein auf das frühere Einkommen
des Arbeitslosen abgestellt wird, während das bisherige gemeinsame Einkommen beider Ehegatten, aus dem der "eine Topf" gespeist
wurde, außer Betracht bleibt. Darin liegt nicht nur eine Systemwidrigkeit. Die gesetzliche Regelung, die das Lebensstandardprinzip
bei der Festlegung des Selbstbehalts des Ehepartners nicht berücksichtigt, führt vielmehr auch zu einer ungerechtfertigten
Benachteiligung von Ehepartnern, die beide erwerbstätig waren, gegenüber Ehepaaren, bei denen nur ein Partner erwerbstätig
war (aa), und gegenüber Alleinstehenden (bb). Außerdem hat die gesetzliche Regelung auch eine erhebliche Benachteiligung von
zusammenlebenden Ehepaaren gegenüber solchen Ehepartnern zur Folge, die dauernd getrennt leben (cc).
aa) Die nachteiligen Folgen des § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG treffen nur Ehen, bei denen vor Eintritt der Arbeitslosigkeit Mann und Frau erwerbstätig waren ("Doppelverdienerehen"). War
nur einer der Ehegatten erwerbstätig ("Alleinverdienerehe"), hat die Regelung keine Auswirkungen auf die Höhe der Arbeitslosenhilfe,
sofern der andere Ehegatte kein sonstiges anrechenbares Einkommen (etwa Rentenansprüche) hat. Die Funktion der Arbeitslosenhilfe,
den bisherigen Lebensstandard wenigstens teilweise aufrechtzuerhalten, wird bei dieser Fallgruppe erreicht. Wurde ein gleich
hohes Familieneinkommen dagegen von beiden Ehepartnern erzielt, so stehen ihnen, wenn einer von beiden arbeitslos wird, geringere
Mittel zur Verfügung. Dies gilt schon für den Fall, daß nur einer der Ehegatten Arbeitslosenhilfe bezieht. Noch deutlicher
tritt die Benachteiligung der Doppelverdienerehe hervor, wenn beide Ehegatten Arbeitslosenhilfe beziehen; denn dann bewirkt
§ 138 Abs. 3 Nr. 9 AFG, daß die höhere Arbeitslosenhilfe des einen Ehegatten, soweit sie die Freibeträge des § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG überschreitet, auf die des anderen angerechnet wird. Die Ungleichbehandlung von Alleinverdienerehe und Doppelverdienerehe
liegt darin, daß die Anrechnungsvorschrift des § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG nicht im Hinblick auf das Lebensstandardprinzip den Einkommensbestandteil des Ehegatten des Arbeitslosen schont, der diesem
als Arbeitslosenhilfe zustünde. Nur bei einem Selbstbehalt in Höhe der hypothetischen Arbeitslosenhilfe und bei Wegfall von
§ 138 Abs. 3 Nr. 9 AFG würde die geschilderte Ungleichheit vermieden.
Diese Ungleichbehandlung von Alleinverdiener- und Doppelverdienerehe ist durch sachliche Gründe nicht gerecht fertigt. Sie
ist im Gegenteil geeignet, in der gesellschaftlichen Wirklichkeit die Hausfrauenehe zu begünstigen. Dem steht Art.
3 Abs.
2 GG entgegen, der eine Festschreibung überkommener Rollenverteilungen zum Nachteil von Frauen verbietet (vgl. BVerfGE 85, 191 [207]; BVerfG, Urteil vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 u. a. -, NJW 1992, S. 2213 [2215] = EuGRZ 1992, S. 308 [319]). Außerdem muß der Gesetzgeber, wenn er dem Gebot des Art.
6 Abs.
1 GG gerecht werden will, Regelungen vermeiden, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung
in der Ehe einzugreifen (vgl. BVerfGE 66, 84 [94]).
bb) Durch die Freibetragsregelung des § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG dürfen verheiratete Arbeitslose nicht schlechter gestellt werden als Alleinstehende; ferner muß den Eheleuten nach der Einkommensanrechnung
das Existenzminimum verbleiben (vgl. BVerfGE 75, 382 [391 f.]).
Eine Benachteiligung nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten durch § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG gegenüber Alleinstehenden liegt indessen darin, daß bei dem Ehegatten, dessen Einkommen dem Arbeitslosen zugerechnet wird,
der eigene hypothetische Arbeitslosenhilfeanspruch nicht geschont wird (vgl. oben aa), während bei Alleinstehenden die Arbeitslosenhilfe
nach dem früheren Arbeitseinkommen berechnet und jedenfalls nicht durch eine Anrechnung, wie sie § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG für Ehegatten vorsieht, geschmälert wird. Wenn der Selbstbehalt für den erwerbstätigen Ehegatten des Arbeitslosen unter seinem
hypothetischen Arbeitslosenhilfeanspruch liegt, können hierdurch Nachteile in einer Höhe entstehen, die nicht durch die bei
gemeinschaftlicher Haushalts- und Wirtschaftsführung zu erzielenden Einsparungen ausgeglichen werden.
Daß die Einkommensanrechnung nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG zum Unterschreiten des Existenzminimums der Eheleute führt, konnte in der Entscheidung vom 16. Juni 1987 (BVerfGE 75, 382) in den damaligen Ausgangsfällen nicht festgestellt werden. Auch hier besteht kein Anlaß, einen konkreten Verfassungsverstoß
in dieser Hinsicht anzunehmen. Allerdings bietet die derzeitige gesetzliche Regelung keine Gewähr dafür, daß das Existenzminimum
in jedem Falle unberührt bleibt. Auch darauf hat der Gesetzgeber bei der erforderlichen Neuregelung zu achten.
cc) Während bei nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die pauschale Einkommensanrechnung nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG erfolgt, wird bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Bedürftigkeit des arbeitslosen Ehegatten nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG von der Arbeitsverwaltung individuell ermittelt. Die Arbeitsverwaltung verfährt dabei allerdings auch hier in einer pauschalierenden
Weise, wie in der mündlichen Verhandlung von der Bundesanstalt bestätigt worden ist. Als Selbstbehalt legen die Arbeitsämter
in diesen Fällen nicht den Freibetrag des § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG in Höhe von wöchentlich 150 DM (monatlich 650 DM) zugrunde, sondern einen höheren Selbstbehalt, der sogar über den Beträgen
liegt, die sich aus den Leitlinien der Oberlandesgerichte ergeben. Von den Arbeitsämtern wird der Selbstbehalt noch höher
angesetzt, wenn der Unterhaltspflichtige einen darüber hinausgehenden Bedarf glaubhaft macht. Dagegen verbietet § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG eine Berücksichtigung höherer Belastungen über den dort gesetzlich festgelegten Selbstbehalt hinaus. Am stärksten dürfte
es sich jedoch auswirken, daß die Arbeitsverwaltung von dem den Selbstbehalt übersteigenden Einkommen in den Fällen des §
138 Abs. 1 Nr. 1 AFG, also auch bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten, nur ein Viertel dem Arbeitslosen als Einkommen zurechnet, während bei
nicht dauernd getrennt lebenden Eheleuten nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG der den Selbstbehalt von 650 DM monatlich übersteigende Betrag in voller Höhe angerechnet wird.
Diese Art. des Vollzugs von § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG ist höchstrichterlich als rechtmäßig anerkannt (vgl. BSG SozR 4100 § 138 Nr. 10) und für sich betrachtet verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie bringt indessen Vorteile für dauernd getrennt
lebende Ehegatten und entsprechende Nachteile für Ehegatten mit sich, die nicht dauernd getrennt leben. Die Unterschiede haben
im Regelfall ein solches Ausmaß, daß sie durch die Einsparungen, die ein nicht dauernd getrennt lebendes Ehepaar infolge des
Wirtschaftens aus einem Topf gegenüber getrennt lebenden Ehegatten erzielen kann, bei weitem nicht aufgewogen werden. Eine
derartige Regelung könnte sogar, worauf der Deutsche Juristinnenbund hinweist, Ehepaare zum Getrenntleben veranlassen. Sie
wird daher dem Gebot des Art.
6 Abs.
1 GG nicht gerecht.
b) Für Unterhaltsleistungen, die der Ehegatte des Arbeitslosen Dritten gegenüber zu erbringen hat, sieht § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG für 1986 einen Freibetrag von 55 DM und für die Folgejahre von 70 DM wöchentlich je unterhaltsberechtigter Person vor. Diese
Regelung nimmt keine Rücksicht darauf, daß solche Unterhaltsleistungen, die namentlich auf Unterhaltspflichten aus früheren
Ehen beruhen können, tatsächlich regelmäßig höher sind. Darauf hat das vorlegende Gericht unter Bezugnahme auf die Düsseldorfer
Tabelle zutreffend hingewiesen. Sowohl in der Stellungnahme des Bundesministers als auch in der des Bundessozialgerichts sowie
in dessen einschlägigen Entscheidungen wird demgegenüber darauf abgehoben, daß es sich um eine typisierende Regelung handele,
die hingenommen werden müsse. Die Rechtsordnung darf jedoch einer Person nicht einerseits Unterhaltspflichten gegenüber Dritten
auferlegen und deren Einhaltung sogar strafrechtlich sanktionieren (vgl. § 170 b
StGB), andererseits aber die von dieser Person hierfür aufzuwendenden Teile ihres Einkommens als solche betrachten, die sie ihrem
Ehegatten zukommen lassen könnte. Auch unter Berücksichtigung des Typisierungsinteresses ist es daher mit Art.
3 Abs.
1 GG unvereinbar, für die Berücksichtigung zwingender Unterhaltspflichten realitätsfremde Grenzen zu ziehen (vgl. für das Steuerrecht
BVerfGE 66, 214 [223]). Diesen Anforderungen wird die Freibetragsregelung für Unterhaltsleistungen in § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG ersichtlich nicht gerecht.
Wenn angesichts der in der Praxis anzutreffenden unterschiedlichen Höhe von Unterhaltssätzen eine realitätsgerechte Pauschalierung
nicht oder nur beschränkt erfolgen könnte, müßte den Betroffenen - etwa durch Vorlage eines Unterhaltstitels - der Nachweis
ermöglicht werden, daß und in welcher Höhe der Ehegatte des Arbeitslosen über den festgelegten Freibetrag hinaus Unterhaltsleistungen,
zu denen er verpflichtet ist, an Dritte erbringt. Auch in diesem Umfang dürfte sein Einkommen nicht auf das Einkommen seines
arbeitslosen Ehegatten angerechnet werden.
c) Soweit die Entscheidung vom 16. Juni 1987 (BVerfGE 75, 382) hinsichtlich der Freibetragsregelung des § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG anders verstanden werden könnte, wird daran nicht festgehalten.
3. Die Regelung des § 138 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 9 AFG verletzt darüber hinaus Art.
3 Abs.
1 GG, teilweise in Verbindung mit Art.
6 Abs.
1 GG, durch Folgewirkungen im Bereich des Sozialversicherungsrechts.
a) Führt die Einkommensanrechnung unter nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zum völligen Wegfall der Arbeitslosenhilfe,
so hat das zur Folge, daß auch der gesetzliche Krankenversicherungsschutz entfällt. Ist in diesem Fall der Ehegatte des Arbeitslosen
selbst gesetzlich krankenversichert, so wirkt sich dies nicht erheblich aus, weil der Arbeitslose dann familienversichert
ist (§
10 SGB V). Anders ist es aber, wenn der Ehegatte (etwa als Selbständiger oder Beamter) nicht der gesetzlichen Krankenversicherung
angehört. Dann hat der Arbeitslose nur die Möglichkeit der Weiterversicherung (§
9 Abs.
1 Nr.
1 SGB V), für die er aber Beiträge in beträchtlicher Höhe entrichten muß. Für diese nachteiligen Folgen der Einkommensanrechnung
sind sachliche Gründe nicht ersichtlich. Sie benachteiligt daher in verfassungswidriger Weise nicht dauernd getrennt lebende
Ehegatten gegenüber den Vergleichsgruppen (vgl. oben 2 a), die der Einkommensanrechnung nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 9 AFG nicht unterliegen.
b) Der Wegfall der Arbeitslosenhilfe durch Einkommensanrechnung hat auch nachteilige Folgen in der Rentenversicherung, weil
nur die Zeiten, in denen Arbeitslosenhilfe gezahlt wird, Beitragszeiten sind; Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Bezug von Arbeitslosengeld
oder Arbeitslosenhilfe sind hingegen nur Anrechnungszeiten (vgl. §§
54 Abs.
4,
58 Abs.
1 Nr.
3 SGB VI). Auch für die daraus folgenden Nachteile (vgl. Kohleiss, FamRZ 1991, S. 8 [11]) sind keine rechtfertigenden Gründe ersichtlich.
4. Da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die Verfassungswidrigkeit des § 138 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 9 AFG zu beseitigen, sind diese Vorschriften nicht für nichtig, sondern lediglich für mit Art.
3 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
6 Abs.
1 GG unvereinbar zu erklären (vgl. BVerfGE 82, 126 [154 f.]; 84, 348 [365]; 85, 191 [21l f.]). Die beanstandeten Vorschriften dürfen bis zur Neuregelung weder in anhängigen
Verfahren noch in Neufällen angewandt werden. Die besondere Lage, in der sich die Betroffenen befinden, macht es jedoch erforderlich,
von dem Grundsatz abzuweichen, daß bei einer Unvereinbarerklärung anhängige Verfahren auszusetzen sind. Bis zur Neuregelung
durch den Gesetzgeber muß vielmehr die Einkommensanrechnung unter nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten in Form der individuellen
Bedürftigkeitsprüfung nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG vorgenommen werden.
II. Die Verfassungswidrigkeit des § 138 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 9 AFG wirkt sich aufgrund der Verweisung in § 137 Abs. 2 a AFG auch auf eheähnliche Gemeinschaften aus. Ändert der Gesetzgeber jedoch die Regelung über die Einkommensanrechnung unter Ehegatten
dergestalt ab, daß sie den unter I. dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, so wird damit dieser verfassungsrechtliche
Mangel auch für die eheähnliche Gemeinschaft behoben. Davon abgesehen ist die Vorschrift des § 137 Abs. 2 a AFG, die eine gleichartige Anrechnung unter den Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft vorsieht, nach Maßgabe der nachfolgenden
Ausführungen mit dem
Grundgesetz vereinbar.
1. Die zur Prüfung gestellte Norm des § 137 Abs. 2 a AFG ist, auch wenn hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der eheähnlichen Gemeinschaft eine gesetzliche Definition fehlt, hinreichend
bestimmt.
Das aus Art.
20 Abs.
3 GG folgende Bestimmtheitsgebot zwingt den Gesetzgeber nicht, einen Tatbestand mit genau erfaßbaren Merkmalen zu umschreiben.
Gesetzliche Vorschriften brauchen nur so bestimmt zu sein, wie dies nach der Eigenart der zu regelnden Sachverhalte mit Rücksicht
auf den Normzweck möglich ist. Es genügt, daß die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten
können (BVerfGE 78, 205 [212]; 84, 133 [149]). Will der Gesetzgeber eine typische Erscheinung des sozialen Lebens zum Gegenstand rechtlicher Regelungen
machen, ist er nicht gezwungen, sie im Gesetzestext mit Tatbestandsmerkmalen zu definieren. Es genügt vielmehr, wenn er sie
mit einem unbestimmten Rechtsbegriff kennzeichnet. Die Konkretisierung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist Aufgabe
der Verwaltungsbehörden und der Fachgerichte (vgl. BVerfGE 31, 255 [264]; 56, 1 [12]; 79, 174 [195]).
Die eheähnliche Gemeinschaft ist eine typische Erscheinung des sozialen Lebens (vgl. BVerfGE 82, 6 [13]). Von anderen Gemeinschaften hebt sie sich hinreichend deutlich ab. Mit dem Begriff "eheähnlich" hat der Gesetzgeber
ersichtlich an den Rechtsbegriff der Ehe angeknüpft, unter dem die Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu
verstehen ist (vgl. BVerfGE 10, 59 [66]; 53, 224 [245]; 62, 323 [330]). Gemeint ist also eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf
Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art. zuläßt und sich durch innere Bindungen auszeichnet,
die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und
Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen.
2. Wird der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft in § 137 Abs. 2 a AFG demgemäß im Sinne einer Verantwortungsund Einstehensgemeinschaft ausgelegt, so ist die Vorschrift auch mit Art.
3 Abs.
1 GG vereinbar.
Die Einkommensanrechnung nach der Methode der verschärften Bedürftigkeitsprüfung rechtfertigt sich bei Ehegatten zum einen
aus der gegenseitigen Unterhaltspflicht und zum anderen aus der Vermutung, daß diese Unterhaltspflicht unter nicht dauernd
getrennt lebenden Ehegatten auch tatsächlich erfüllt wird. Für die Partner einer rechtlich nicht geregelten Gemeinschaft bestehen
gegenseitige Unterhaltspflichten nicht. Der mit dem Arbeitslosen nicht verheiratete Partner ist diesem zum Unterhalt nicht
verpflichtet; er kann - auch beim Wirtschaften aus einem Topf - sein Einkommen ganz oder in einem hohen Maße zur Befriedigung
eigener Bedürfnisse verwenden.
Angesichts dieses Unterschiedes zwischen Ehegatten und Partnern eheähnlicher Lebensgemeinschaften war es von Verfassungs wegen
nicht geboten, eine generelle Gleichstellung von eheähnlichen Gemeinschaften und Ehen durch die Vorschrift des § 137 Abs. 2 a AFG vorzunehmen, um der in der Entscheidung vom 10. Juli 1984 (BVerfGE 67, 186) festgestellten Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Partnern eheähnlicher Gemeinschaften abzuhelfen. Verfuhr der Gesetzgeber
jedoch in dieser Weise, durfte er nur solche Gemeinschaften erfassen, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, daß
von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner
einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, daß sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen,
bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd
getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar.
3. Ob eine Gemeinschaft von Mann und Frau diese besonderen Merkmale der eheähnlichen Gemeinschaft aufweist, läßt sich in der
Verwaltungspraxis nur anhand von Indizien feststellen. Als solche Hinweistatsachen, die sich nicht erschöpfend aufzählen lassen,
kommen etwa in Betracht die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt
und die Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen.
Auch wenn im Einzelfall das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft im dargelegten Sinne festgestellt worden ist, muß bei
der Anwendung des § 137 Abs. 2 a AFG berücksichtigt werden, daß eine eheähnliche Gemeinschaft jederzeit ohne ein rechtlich geregeltes Verfahren aufgelöst werden
kann. Ohne rechtlichen Hinderungsgrund kann der mit dem Arbeitslosen nicht verheiratete Partner auch jederzeit sein bisheriges
Verhalten ändern und sein Einkommen ausschließlich zur Befriedigung eigener Bedürfnisse oder zur Erfüllung eigener Verpflichtungen
verwenden. Wenn sich der Partner entsprechend verhält, so besteht, worauf das Bundessozialgericht in seiner Stellungnahme
hinweist, eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne des § 137 Abs. 2 a AFG nicht oder nicht mehr. In der Regel wird dies allerdings mit der Auflösung der Wohngemeinschaft verbunden sein.
4. Weitere verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 137 Abs. 2 a AFG bestehen nicht.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art.
3 Abs.
1 GG ist nicht dadurch verletzt, daß die Arbeitslosenhilfe sich für einen arbeitslosen Ehegatten nach einer höheren Leistungsgruppe
bestimmen kann als für einen Arbeitslosen, der in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt. Diese Regelung rechtfertigt sich durch
die Notwendigkeit, bei der Ordnung von Massenerscheinungen typisierende Regelungen zu treffen. Die Arbeitsverwaltung hat in
jedem Einzelfall die Anspruchsvoraussetzungen für die Arbeitslosenhilfe und deren Höhe festzustellen und muß dabei zahlreiche
Anträge in kurzer Zeit bescheiden. Es ist daher sachdienlich, der Verwaltung in gewissen Grenzen die Möglichkeit zu einer
vereinfachten Bearbeitung zu geben und ihr durch leicht zu handhabende Vorschriften umfangreiche und zeitraubende Prüfungen
von Besonderheiten der Einzelfälle zu ersparen (vgl. schon BVerfGE 9, 20 [32]; ferner: BVerfGE 17, 1 [23]; 77, 308 [338]). Dem entspricht es, wenn sich die Leistungsgruppen für die Arbeitslosenhilfe nach den Steuerklassen
richten, da auf diese Weise die Höhe der Arbeitslosenhilfe von dem zuletzt bezogenen Nettolohn bestimmt wird (vgl. BVerfGE
63, 255 [262 ff.]).
Daß die Leistungsgruppen für die Arbeitslosenhilfe an die Steuerklassen anknüpfen, führt im übrigen keineswegs durchgehend
zu einer Schlechterstellung der in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Arbeitslosen gegenüber verheirateten Arbeitslosen.
Bei erwerbstätigen Eheleuten, welche die Steuerklasse III und V wählen, kann es sogar zu einer Schlechterstellung gegenüber
Partnern eheähnlicher Gemeinschaften kommen, wenn der in Steuerklasse V eingestufte Ehegatte arbeitslos wird und folglich
Arbeitslosenhilfe nur nach der Leistungsgruppe D erhält. Ähnliches läßt sich für das Ausgangsverfahren feststellen: Der Klägerin
ist Arbeitslosenhilfe nach Leistungsgruppe B (Steuerklasse II: Alleinstehende mit Kind) gewährt worden. Wäre sie mit ihrem
Partner verheiratet und hätten die Partner die für sie günstigste Steuerklassenkombination IV/IV gewählt, so hätte die Klägerin
nur Arbeitslosenhilfe nach der Leistungsgruppe A beanspruchen können.
Eine gewisse Schlechterstellung gegenüber einem Verheirateten liegt zwar darin, daß der Arbeitslose, der in einer eheähnlichen
Gemeinschaft lebt, niemals die Leistungsgruppe C (Steuerklasse III) erreichen kann, weil diese nur Verheiratete erfaßt. Diese
Ungleichbehandlung ist aber nur von geringem Gewicht und muß als notwendige Folge der Typisierung hingenommen werden (vgl.
BVerfGE 26, 265 [276]; 42, 176 [185]; 82, 126 [152]).
b) Ein Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 GG liegt auch nicht darin, daß durch § 137 Abs. 2 a AFG nur eheähnliche Gemeinschaften, nicht aber auch andere Lebens-, Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaften - wie etwa Gemeinschaften
zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern oder Verwandten - der verschärften Bedürftigkeitsprüfung unterworfen werden. Der
Gesetzgeber durfte davon ausgehen, daß die eheähnliche Gemeinschaft in weitaus größerer Zahl vorkommt und sich als sozialer
Typus deutlicher herausgebildet hat als die genannten anderen Gemeinschaften.
c) § 137 Abs. 2 a AFG verstößt auch nicht gegen Art.
2 Abs.
1 GG. Die Vorschrift verletzt weder die allgemeine Handlungsfreiheit noch die Intimsphäre der Partner eheähnlicher Gemeinschaften.
aa) Die Freiheit, in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben, ist Bestandteil des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit
aus Art.
2 Abs.
1 GG (vgl. BVerfGE 82, 6 [16]). Ein Gesetz, das an den Gebrauch dieser Freiheit erhebliche Nachteile knüpft, muß daher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
entsprechen (vgl. BVerfGE 17, 306 [314]; 80, 103 [106 f.]; 80, 137 [153]). Dem genügt die Regelung des § 137 Abs. 2 a AFG.
(1) Die zur Prüfung gestellte Norm verfolgt den Zweck, die Benachteiligung von Ehen gegenüber eheähnlichen Gemeinschaften
zu vermeiden. Hierzu ist die Norm ohne weiteres geeignet. Sie ist auch im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich.
Denn ein gleich wirksames, die Partner eheähnlicher Gemeinschaften aber weniger belastendes Mittel ist nicht ersichtlich.
Auch die oben (b) erörterte Einbeziehung anderer Haushaltsgemeinschaften in die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung würde die
Partner eheähnlicher Gemeinschaften nicht entlasten.
(2) Letztlich kommt es darauf an, ob § 137 Abs. 2 a AFG die Partner eheähnlicher Gemeinschaften unangemessen hart trifft, ob also die belastenden Auswirkungen der Norm und die Versagung
von Rechten, die an den Bestand der Ehe geknüpft sind, in ihrem Zusammenwirken die Begründung oder Aufrechterhaltung einer
eheähnlichen Lebensgemeinschaft im Übermaß erschweren oder unmöglich machen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die verschärfte
Bedürftigkeitsprüfung den unter I. genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen angepaßt wird.
Die Einkommensanrechnung im Rahmen der verschärften Bedürftigkeitsprüfung kann sich schon bei zusammenlebenden Ehegatten belastend
auswirken, ist jedoch mit dem
Grundgesetz vereinbar, sofern den unter I. dargelegten Anforderungen entsprochen wird. Allerdings trifft sie bei der bestehenden Rechtslage
eheähnliche Gemeinschaften in folgender Hinsicht schwerer als Ehepaare: Die einem Arbeitslosen von seinem Partner, mit dem
er in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenlebt, geleisteten Unterhaltszahlungen bleiben auch in der Höhe, in der sie nach §§
137 Abs. 2 a, 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG auf die Arbeitslosenhilfe angerechnet werden, bei der Bemessung von Unterhaltsansprüchen Dritter gegen den Partner des Arbeitslosen
und bei der Ermittlung der Pfändungsfreigrenzen nach §§
850 c ff.
ZPO außer Betracht, während sie bei Ehegatten berücksichtigt werden. Dieser Nachteil wird jedoch bei der gebotenen Neuregelung
deutlich abgemildert (vgl. oben I 2 b).
Bei eheähnlichen Gemeinschaften wirken sich ferner die nachteiligen Folgen hinsichtlich der Kranken- und Rentenversicherung
(vgl. oben I 3) wesentlich stärker aus als bei Ehen. Auch insoweit wird die gebotene Neuregelung Abhilfe zu schaffen haben.
bb) Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts setzt die Annahme, es liege eine eheähnliche Gemeinschaft vor, nicht
die Feststellung voraus, daß zwischen den Partnern geschlechtliche Beziehungen bestehen (vgl. schon BVerfGE 9, 20 [32 f.]).
Diese Auslegung des § 137 Abs. 2 a AFG entspricht den Absichten des Gesetzgebers und liegt sowohl den Weisungen der Bundesanstalt als auch der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zugrunde (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes,
BTDrucks. 10/4211, S. 26; den Runderlaß 19/86 der Bundesanstalt vom 28. Januar 1986, Abschnitt 3. 2; ferner BSGE 63, 120 [125 f.]). Wenn es Arbeitsämter an dem gebotenen Respekt vor der Intimsphäre der Partner eheähnlicher Gemeinschaften fehlen
lassen sollten, obliegt es den Fachgerichten, hiergegen Rechtsschutz zu gewähren. Daß es vereinzelt zu Rechtsmißbräuchen kommen
kann, hat nicht die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Bestimmung zur Folge (vgl. BVerfGE 57, 70 [106]; 70, 278 [288]; 77, 308 [336]).
5. Ist demnach die Gleichstellung von eheähnlichen Gemeinschaften mit Ehen in § 137 Abs. 2 a AFG nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen mit dem
Grundgesetz vereinbar, so bedeutet dies doch nicht, daß Partner eheähnlicher Gemeinschaften weiterhin einer Einkommensanrechnung nach
§ 138 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 9 AFG unterzogen werden könnten. Da die letztgenannten Vorschriften mit dem
Grundgesetz unvereinbar sind, dürfen sie auch auf Partner eheähnlicher Gemeinschaften nicht mehr angewandt werden. Insoweit gelten die
oben (I 4) dargelegten Grundsätze entsprechend.