Gründe:
A. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, inwieweit Zivilgerichte von Verfassungs wegen verpflichtet sind, Eheverträge
einer Inhaltskontrolle zu unterziehen, soweit darin für den Fall der Scheidung auf gesetzliche Unterhaltsansprüche verzichtet
und ein Ehegatte von der Unterhaltsleistung für gemeinsame Kinder freigestellt wird.
I. 1. Eheverträge können schon vor der Heirat geschlossen werden, also von Bedeutung für die Eheschließung sein. Für sie gelten
das allgemeine Vertragsrecht und einzelne familienrechtliche Regelungen, die Formerfordernisse aufstellen und Grenzen setzen.
So kann nach §
1614 Abs.
1
BGB auf zukünftigen Verwandtenunterhalt nicht verzichtet werden. Diese Regelung gilt gemäß §
1360 a Abs.
3 und §
1361 Abs.
4 Satz 4
BGB für Eheleute entsprechend, die allerdings nach §
1585 c
BGB für die Zeit nach der Scheidung Vereinbarungen über ihre gegenseitigen Unterhaltsansprüche treffen und dabei sogar gänzlich
auf Unterhalt verzichten können. Güterrechtliche Vereinbarungen sind gemäß §
1408 Abs.
1
BGB ebenfalls zulässig. Sie unterliegen jedoch dem Formerfordernis des §
1410
BGB, müssen also bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Ehegatten zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden. Vertragliche
Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich, die ebenfalls der Form des §
1410
BGB bedürfen, werden unwirksam, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragsabschluss die Ehescheidung beantragt wird (§
1408 Abs.
2 Satz 2
BGB). Sie bedürfen, soweit sie im Zusammenhang mit der Scheidung getroffen werden, nicht nur der notariellen Beurkundung, sondern
darüber hinaus der Genehmigung durch das Familiengericht (§
1587 o Abs.
2 Satz 1 und
3
BGB). Die vertragliche Verpflichtung eines Ehegatten, den anderen von Unterhaltsansprüchen des Kindes freizustellen, wird von
der Rechtsprechung als zulässige Erfüllungsübernahme im Sinn von §
329
BGB angesehen, die den Unterhaltsanspruch des Kindes unberührt lässt (BGH, FamRZ 1987, S. 934 [935]).
2. Eheverträge wurden laut einer Veröffentlichung aus dem Jahre 1988 in der Bundesrepublik Deutschland von etwa 10 % aller
Ehepaare geschlossen. Rund 90 % dieser Verträge regelten den Güterstand, in der Hälfte der Verträge fanden sich Absprachen
zum Versorgungsausgleich und in einem knappen Viertel Vereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt, wobei hier wiederum
meistens gegenseitig auf Unterhalt verzichtet wurde. Gerade Unterhaltsverzichtsverträge wurden überdurchschnittlich häufig
bereits vor der Heirat oder in ihrem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang geschlossen. In ungefähr 2 % der Ehen wurde im
Zusammenhang mit der Eheschließung auf jegliche nacheheliche Unterhaltsansprüche verzichtet (s. Stach, Eheverträge - Gesetz
und Rechtstatsachen -, 1988, S. 16 ff.). Über die Häufigkeit von Freistellungsvereinbarungen hinsichtlich des Kindesunterhalts
sind keine Erhebungen bekannt.
3. a) Die zivilgerichtliche Rechtsprechung setzt der Freiheit von Ehegatten zur privatautonomen Gestaltung ihrer unterhaltsrechtlichen
Beziehungen im Scheidungsfall durch Eheverträge unter Berufung auf §
138 Abs.
1
BGB dort Grenzen, wo die Vereinbarung objektiv zwangsläufig zur Sozialhilfebedürftigkeit eines Ehegatten führt (vgl. BGH, FamRZ
1983, S. 137; NJW 1991, S. 913 [914]; NJW 1992, S. 3164 [3165]; OLG Hamm, FamRZ 1989, S. 398; OLG Köln, FamRZ 1990, S. 634; OLG Celle, NdsRpfl 1990, S. 250; OLG Hamm, NJW-RR 1999, S. 950). Einen Verzicht auf nachehelichen Betreuungsunterhalt gemäß §
1570
BGB hält der Bundesgerichtshof grundsätzlich nicht für sittenwidrig (vgl. BGH, FamRZ 1985, S. 788). Dies gelte auch dann, wenn ein Ehegatte wegen des Verzichts nach der Scheidung erwerbstätig sein müsse, obwohl er ein Kind
zu betreuen habe. Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer ehevertraglichen Vereinbarung komme es auf deren Gesamtcharakter
an. Auch die Verknüpfung von Unterhaltsverzichten mit güterrechtlichen Vereinbarungen führe allein nicht zur Unwirksamkeit
der Vertragsabrede, da zum Wesen der Ehe eine wirtschaftliche Lebensgemeinschaft nicht gehöre. Unter Berücksichtigung des
Kindeswohls könne es allerdings im Einzelfall einem Ehegatten verwehrt sein, sich auf den vereinbarten Verzicht zu berufen,
wenn dies etwa auf Grund der späteren Entwicklung mit dem auch im Unterhaltsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben
gemäß §
242
BGB unvereinbar sei (vgl. BGH, FamRZ 1985, S. 788 [789]; FamRZ 1987, S. 46; FamRZ 1991, S. 306 f.). Auch in diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof die Auffassung vertreten, dass es dabei nicht auf subjektive Momente,
also ein pflichtwidriges oder zu missbilligendes Verhalten des Unterhaltspflichtigen, ankomme, sondern alleiniger Anknüpfungspunkt
für einen Unterhaltsanspruch trotz wirksamer Verzichtsvereinbarung die Bedürfnisse und schutzwürdigen Interessen der gemeinschaftlichen
Kinder seien (vgl. BGH, FamRZ 1987, S. 46; FamRZ 1991, S. 306 f.).
So hat der Bundesgerichtshof auch Eheverträge für wirksam gehalten, in denen Schwangere vor Eingehen der Ehe ihrem zukünftigen
Ehemann gegenüber für den Fall der Scheidung auf Unterhalt verzichtet hatten (vgl. BGH, FamRZ 1992, S. 1403). Der Ehemann habe keine Zwangslage ausgenutzt, da er unter Berufung auf seine Eheschließungsfreiheit von der Ehe hätte absehen
und sich auf die rechtlichen Verpflichtungen eines nichtehelichen Vaters zurückziehen können (vgl. BGH, FamRZ 1996, S. 1536; FamRZ 1997, S. 156 [157 f.]). Vielmehr habe sich die wirtschaftliche Situation der Frau trotz des Verzichts durch die Eheschließung verbessert,
da sie anderenfalls als ledige Mutter nur einen auf ein Jahr begrenzten Unterhaltsanspruch gemäß §
1615 l
BGB gehabt hätte. In einem anderen Fall hat der Bundesgerichtshof einer Kinder betreuenden Mutter allerdings unter Berufung auf
§
242
BGB aus Gründen des Kindeswohls entgegen der ehevertraglichen Vereinbarung einen Unterhaltsanspruch zuerkannt, ihn jedoch auf
den notwendigen Unterhalt begrenzt. Dieser sei ausreichend, da das Kindeswohl lediglich verlange, dem sorgeberechtigten Elternteil
zu ermöglichen, sich der Pflege und Erziehung des Kindes zu widmen. Insofern ist der Bundesgerichtshof der Auffassung des
Oberlandesgerichts Frankfurt entgegengetreten, das in einem solchen Fall der Unterhaltsberechtigten einen Unterhaltsanspruch
nach dem Maßstab der Angemessenheit zugesprochen hatte (vgl. OLG Frankfurt, OLG Report Frankfurt 1994, S. 117; BGH, FamRZ
1995, S. 291; FamRZ 1997, S. 873).
b) Die Freistellung eines Ehegatten von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem gemeinsamen Kind durch den anderen Ehegatten
hat der Bundesgerichtshof dann für sittenwidrig erachtet, wenn sie als Gegenleistung für die Nichtausübung seines Umgangsrechts
vereinbart wird, da eine solche Koppelung eine unzulässige Kommerzialisierung des elterlichen Sorgerechts sei (vgl. BGH, FamRZ
1984, S. 778). Allerdings hat er die Sittenwidrigkeit einer Freistellung bei gleichzeitiger Übertragung der elterlichen Sorge auf den
Freistellenden verneint, wenn sich die Sorgeregelung im Einklang mit dem Kindeswohl befindet (vgl. BGH, FamRZ 1986, S. 444).
c) Im wissenschaftlichen Schrifttum hat diese Rechtsprechung überwiegend Zustimmung gefunden (s. dazu Meder, FuR 1993, S.
12 [19]; Langenfeld, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 3. Aufl., 1996, Rn. 633 ff., jeweils m.w.N.). Allerdings
wird von etlichen Autoren eine Neubestimmung der Ehevertragsfreiheit und ihrer Grenzen gefordert. Ökonomische Abhängigkeit
durch Hausarbeit und Kindererziehung rechtfertige einen Übervorteilungsschutz als Begrenzung der Vertragsfreiheit, zumal der
Gesetzgeber den Schutz gegenüber einzelnen ehevertraglichen Abreden durch unterschiedliche Formerfordernisse nicht sachgerecht
ausgestaltet habe. Eheverträge mit ungewöhnlicher Belastung eines Vertragsteils könnten aus dessen struktureller Unterlegenheit
gegenüber dem anderen Vertragspartner herrühren. Dies gelte zum Beispiel in den Fällen, in denen ein Ehegatte unter Verzicht
auf eine Berufstätigkeit die gemeinsamen Kinder betreut und deshalb weder Einkommen bezogen noch eine eigenständige soziale
Sicherung erworben habe. Hier müssten zum Ausgleich die Gerichte korrigierend eingreifen (vgl. Schwenzer, AcP 1996, S. 88 [109 f.]; Dethloff, JZ 1997, S. 414 f.; Büttner, FamRZ 1998, S. 1).
II. 1. Im Frühsommer 1976 stellte die damals 26-jährige Beschwerdeführerin, die aus erster Ehe ein fünfjähriges Kind zu versorgen
hatte und seit zwei Jahren mit einem neuen Partner, ihrem späteren Ehemann, zusammenlebte, fest, dass sie schwanger war. Als
sie dies ihrem Partner mitteilte, erinnerte dieser sie an seine Erklärung zu Beginn ihrer Beziehung, keine Kinder haben und
auch nicht heiraten zu wollen. Ob er sie dabei drängte, das Kind abzutreiben, blieb im Ausgangsverfahren streitig. Die Beschwerdeführerin
reagierte nach seinem Bekunden "hysterisch" und drängte auf eine Heirat noch vor der Geburt des Kindes, damit es ehelich geboren
würde. Seine Bedenken gegen eine Heirat rührten aus der damals bevorstehenden Reform des Scheidungsrechts und der Furcht vor
Unterhaltsansprüchen der Frau im Falle einer Scheidung her.
Die Beschwerdeführerin ließ daraufhin einen Ehevertragsentwurf ausarbeiten, den beide Anfang Juli unterzeichneten. Die Vereinbarung
hat folgenden Wortlaut:
Die Vertragsschließenden beabsichtigen spätestens im August 1976 zu heiraten.
Frau F. erwartet ein Kind, das nach ärztlichem Urteil im November 1976 geboren werden wird.
Sollte die zu schließende Ehe geschieden werden aus jetzt noch nicht ersichtlichen Gründen, so haben die Vertragsschließenden
für den Fall der Scheidung folgende Vereinbarung getroffen:
1. Frau B. F. und Herr W. S. verzichten gegenseitig für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf jeglichen Unterhalt ab Rechtskraft
der Scheidung gerechnet, auch für den Fall der Not.
2. Herr S. verpflichtet sich auch für den Fall der Scheidung, ab Rechtskraft der Scheidung gerechnet, an das zu erwartende
Kind einen mtl. Unterhalt von 150,-- DM ... im Voraus bis spätestens zum 05. Werktag eines jeden Monats zahlbar zu Händen
von Frau F. zu leisten.
Von allen weitergehenden Unterhaltsansprüchen des zu erwartenden Kindes gegen Herrn S. stellt Frau F. Herrn S. frei.
Stuttgart, den 9.7.1976.
Noch im selben Monat schlossen die Parteien die Ehe. Im November 1976 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Nach dem Ende des
Mutterschutzes nahm die Beschwerdeführerin ihre vorherige Berufstätigkeit als Bürokraft mit deutlich niedrigerem Entgelt,
als es ihr Ehemann bezog, wieder auf.
Die Ehe wurde im Dezember 1989 geschieden und das Sorgerecht für den Sohn der Beschwerdeführerin übertragen, die später wieder
heiratete.
2. 1990 nahm der Sohn seinen Vater im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Kindesunterhalt in Anspruch. Nachdem das Amtsgericht
den Vater durch Teilurteil zur Auskunftserteilung über seine Einkünfte mit der Begründung verurteilt hatte, die Vereinbarung
aus dem Jahr 1976 sei sittenwidrig, klagte dieser gegen die Beschwerdeführerin auf Freistellung von einem über 150 DM monatlich
hinausgehenden Unterhaltsanspruch des Kindes gegen ihn. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Der vereinbarte Freistellungsanspruch
umgehe das gesetzliche Verbot eines Unterhaltsverzichts zwischen Verwandten.
Auf die Berufung des geschiedenen Ehemannes hin verurteilte das Oberlandesgericht die Beschwerdeführerin in Abänderung der
erstinstanzlichen Entscheidung antragsgemäß. Die ehevertragliche Vereinbarung sei wirksam. Das Kind behalte ungeachtet dieser
Vereinbarung seinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen den Vater. Ehegatten könnten im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit auch
schon vor der Eheschließung die Last des Kindesunterhalts zwischen sich nach Belieben aufteilen. Die Berufung auf die getroffene
Vereinbarung sei nicht rechtsmissbräuchlich. Der Ehemann habe die Heirat von einer solchen Vereinbarung abhängig machen können,
da jedem die Eheschließung frei stehe. Die Vereinbarung sei nach Inhalt, Beweggründen und Vertragszweck auch nicht sittenwidrig.
Insoweit sei die Beschwerdeführerin beweisfällig geblieben. Es liege weder eine Verknüpfung der Freistellung mit einer Sorgerechtsregelung
noch eine anstößige Koppelung mit einem erheblichen wirtschaftlichen Vorteil vor. Für eine Vereinbarung aus dem Zwang wirtschaftlicher
Abhängigkeit der Beschwerdeführerin spreche angesichts ihrer Berufstätigkeit nichts. Die Revision wurde nicht zugelassen.
III. Gegen diese Entscheidung des Oberlandesgerichts richtet sich die Verfassungsbeschwerde, mit der die Beschwerdeführerin
die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 6 Abs. 1, 2 und 4 sowie aus Art.
103 Abs.
1
GG rügt.
Das Oberlandesgericht habe bei Prüfung der Sittenwidrigkeit der Freistellungsvereinbarung den grundrechtlichen Schutzauftrag
aus Art.
6
GG verkannt. Als Konkretisierung der den Eltern in Art.
6 Abs.
2
GG auferlegten Verpflichtung zur Pflege und Erziehung ihres Kindes sei der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen seine Eltern
unverzichtbar. Mit Art.
6 Abs.
2
GG und seinem Schutz des Kindeswohls sei es deshalb unvereinbar, wenn diese Verpflichtung einseitig auf nur einen Elternteil
abgewälzt werde, der zudem noch allein die Sorge für das Kind zu tragen habe. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, eine
solche Vereinbarung sei als Bedingung für eine Eheschließung zulässig, da es dem Vater frei gestanden habe, gänzlich von der
Eheschließung Abstand zu nehmen, gehe fehl. Das Gericht berücksichtige dabei nicht, dass die Freistellung, zumal gekoppelt
mit einem Verzicht der Mutter auf nachehelichen Unterhalt, den Vater für den Fall der Scheidung von allen Ehe- und Elternpflichten
entbinde. Zur Kindesunterhaltszahlung sei er jedoch unabhängig von einer Eheschließung mit der Mutter verpflichtet.
Auch wenn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Vereinbarung einer Freistellung vom Kindesunterhalt grundsätzlich
möglich sei, hätte das Oberlandesgericht die besonderen Umstände bei Vertragsschluss und das Zusammenspiel der einzelnen Vertragsabreden
berücksichtigen müssen. Die Beschwerdeführerin habe in dem Ehevertrag für den Scheidungsfall nicht nur auf eigenen Unterhalt
verzichtet, sondern ohne jegliche Gegenleistung auch noch die lebenslange unübersehbare Unterhaltsverpflichtung des Vaters
gegenüber dem noch nicht geborenen Kind übernommen. Damit habe sich der Vater zu Lasten der Mutter faktisch von seiner natürlichen
Bindung und Beziehung zum Kinde losgesagt. Dies stehe nicht im Einklang mit dem in Art.
6 Abs.
1 und
2
GG verankerten Schutz von Ehe und Familie und der Elternpflicht gegenüber dem Kind.
Darüber hinaus verletze die angegriffene Entscheidung die Beschwerdeführerin als Mutter in ihrem verfassungsrechtlichen Anspruch
auf Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft. Dieser verbiete es, eine Vereinbarung rechtlich anzuerkennen, mit der eine Schwangere
aus einer psychisch labilen und stark belasteten persönlichen Situation heraus leichtfertig eine Verpflichtung zu einer lebenslänglichen
weitgehenden Freistellung des Vaters von Unterhaltspflichten gegenüber dem noch ungeborenen Kind übernehme und sich diese
Verpflichtung noch zusätzlich zu ihrer Verantwortung für Erziehung und Pflege des Kindes aufbürde. Es sei Aufgabe des Staates,
der werdenden Mutter besonderen Schutz zukommen zu lassen, um ihr zu helfen und sie zu ermutigen, die Verantwortung für das
werdende Leben zu übernehmen. Eine Rechtsprechung, die eine schwangere Frau nicht vor einem Vertrag schütze, durch den sie
die Gesamtverantwortung für Erziehung, Pflege und Unterhalt des Kindes allein übernimmt, werde diesem Schutzgebot nicht gerecht.
Gerade die werdende Mutter bedürfe in besonderem Maße des Schutzes vor unbedachten und einseitig ohne jegliche materielle
Gegenleistung eingegangenen Verpflichtungen. Dass die Beschwerdeführerin mit der Vertragsabrede ihrem Wunsch gemäß erreicht
habe, das Kind ehelich auf die Welt zu bringen, ihm einen Vater zu geben und damit eine bürgerliche Zukunft zu sichern, könne
nicht als rechtlich anerkennenswerte Gegenleistung für die von ihr vertraglich eingegangenen Belastungen angesehen werden.
Dies habe das Oberlandesgericht verkannt, wenn es der Beschwerdeführerin zur Begründung der Sittenwidrigkeit die Beweislast
dafür auferlegt habe, ob ihr eine Abtreibung nahegelegt worden sei. Auch die Verneinung einer wirtschaftlichen Abhängigkeit
der Beschwerdeführerin bei Vertragsschluss als Indiz für die Sittenwidrigkeit der Abrede berücksichtige nicht, dass sich die
Abhängigkeit in der einseitig belastenden Vereinbarung selbst zeige.
Das Oberlandesgericht habe darüber hinaus gegen Art.
103 Abs.
1
GG verstoßen, indem es nur den Vater, nicht aber die Beschwerdeführerin zu den Umständen des Zustandekommens der Vereinbarung
vernommen und die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen habe.
IV. Zu der Verfassungsbeschwerde haben der Bundesgerichtshof, das Justizministerium Baden-Württemberg, das Deutsche Institut
für Vormundschaftswesen e.V., der Verband alleinstehender Mütter und Väter e.V., der Deutsche Juristinnenbund e.V., der Interessenverband
Unterhalt und Familienrecht e.V., die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht e.V. und der Kläger des Ausgangsverfahrens
schriftlich Stellung genommen. Der Deutsche Juristinnenbund e.V., die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht e.V.
und der Kläger des Ausgangsverfahrens haben ihre Auffassungen in der mündlichen Verhandlung vertieft. Nur in der mündlichen
Verhandlung geäußert hat sich das Bundesministerium der Justiz.
Der Bundesgerichtshof hat auf seine Rechtsprechung Bezug genommen und darauf hingewiesen, mit der vorliegenden Fallkonstellation
zur Freistellungsvereinbarung bisher noch nicht befasst worden zu sein.
Das Justizministerium Baden-Württemberg, der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht e.V. und der Kläger des Ausgangsverfahrens
halten die angegriffene Entscheidung für mit dem
Grundgesetz vereinbar. Die vertragliche Abrede der Freistellung vom Kindesunterhalt sei weder sittenwidrig noch sei eine Berufung auf
sie rechtsmissbräuchlich. Sie beruhe auf der Privatautonomie der Eltern und der Eheschließungsfreiheit der Vertragspartner.
Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin bei Vertragsabschluss schwanger gewesen sei, könne die Unwirksamkeit des Vertrages
nicht begründen, da dies letztlich eine Entmündigung schwangerer Frauen bedeute. Auch seien durch die Freistellungsvereinbarung
die Interessen und Rechte des Kindes nicht beeinträchtigt. Sein Unterhaltsanspruch werde hierdurch nicht berührt, da es weiterhin
seinen Vater auf Zahlung in Anspruch nehmen könne, der nur von der Mutter die Freistellung verlangen könne.
Demgegenüber vertreten das Bundesministerium der Justiz, das Deutsche Institut für Vormundschaftswesen e.V., der Verband alleinstehender
Mütter und Väter e.V., der Deutsche Juristinnenbund e.V. und die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht e.V. die
Auffassung, das angegriffene Urteil verletze die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art.
6 Abs.
2 und
4
GG. Es verkenne, dass der Privatautonomie dort Grenzen zu setzen seien, wo ein Vertrag eine einseitige und ungewöhnliche Belastung
eines Vertragspartners enthalte, dessen strukturelle Unterlegenheit der Grund für diesen Vertragsinhalt sei. Die Vertragsfreiheit
gewähre nicht das Recht des Stärkeren, allein seine Interessen durchzusetzen, sondern müsse zur Wahrung der Rechte beider
Vertragsparteien und zum Schutze vor Fremdbestimmung Kontrolle und Begrenzung erfahren. Die zwischen der Beschwerdeführerin
und ihrem späteren Ehemann getroffene Abrede, in der die Beschwerdeführerin sowohl auf ihren nachehelichen Unterhalt verzichtet
als auch den Vater ihres werdenden Kindes weitgehend vom Kindesunterhalt freigestellt, also nicht nur Rechte aufgegeben, sondern
zugleich Pflichten übernommen habe, gründe sich auf ihre durch die Schwangerschaft hervorgerufene Unterlegenheit bei Vertragsabschluss.
Gerade in einer solchen Situation aber bedürfe sie des Schutzes der Gemeinschaft, der ihr auch wegen Art.
6 Abs.
4
GG zu gewähren sei. Darüber hinaus habe sich der Vater mit seiner fast völligen unterhaltsrechtlichen Freizeichnung insbesondere
auch gegenüber dem Kind zu dessen Lasten seiner Elternverantwortung entzogen und schon vor der Geburt des Kindes seine Ablehnung
ihm gegenüber zum Ausdruck gebracht. Das Kind sei damit - so der Verband alleinstehender Mütter und Väter e.V. - wie eine
nicht bestellte Ware behandelt worden, für die nicht zu zahlen sei. Hier gebiete es die Schutzpflicht der staatlichen Gemeinschaft
gegenüber dem Kind gemäß Art.
6 Abs.
2
GG, eine solche Vereinbarung zur Wahrung des Kindeswohls zu korrigieren.
B. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht aus
Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.
6 Abs.
4
GG. Darüber hinaus verstößt sie gegen Art.
6 Abs.
2
GG.
I. Das Oberlandesgericht hat das Recht der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.
6 Abs.
4
GG auf Schutz vor unangemessener Benachteiligung durch den Ehevertrag verkannt.
1. a) Im Privatrechtsverkehr entfalten die Grundrechte ihre Wirkkraft als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen durch das
Medium der Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen, damit vor allem auch durch die zivilrechtlichen
Generalklauseln (vgl. BVerfGE 7, 198 [205 f.]; 42, 143 [148]). Der Staat hat auch insoweit die Grundrechte des Einzelnen zu
schützen und vor Verletzung durch andere zu bewahren (vgl. BVerfGE 46, 160; 49, 89; 53, 30; 56, 54; 88, 203). Den Gerichten obliegt es, diesen grundrechtlichen Schutz durch Auslegung und Anwendung
des Rechts zu gewähren und im Einzelfall zu konkretisieren. Ihrer Beurteilung und Abwägung von Grundrechtspositionen im Verhältnis
zueinander kann das Bundesverfassungsgericht nur dann entgegentreten, wenn eine angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler
erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang
seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE
18, 85 [93]; 42, 143 [149]; stRspr). Diese Voraussetzungen für eine Korrektur durch das Bundesverfassungsgericht liegen hier vor.
b) Die durch Art.
2 Abs.
1
GG gewährleistete Privatautonomie setzt voraus, dass die Bedingungen der Selbstbestimmung des Einzelnen auch tatsächlich gegeben
sind (vgl. BVerfGE 81, 242 [254 f.]). Maßgebliches Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen Handelns in Beziehung zu anderen ist
der Vertrag, mit dem die Vertragspartner selbst bestimmen, wie ihre individuellen Interessen zueinander in einen angemessenen
Ausgleich gebracht werden. Wechselseitige Bindung und Freiheitsausübung finden so ihre Konkretisierung. Der zum Ausdruck gebrachte
übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt deshalb in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten
Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren hat (vgl. BVerfGE 81, 242 [254]). Ist jedoch auf Grund einer besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblich ungleichen
Verhandlungsposition der Vertragspartner ersichtlich, dass in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein solches Gewicht hat,
dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen
beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung
verkehrt (vgl. BVerfGE 89, 214 [232]).
c) Dies gilt auch für Eheverträge, mit denen Eheleute ihre höchstpersönlichen Beziehungen für die Zeit ihrer Ehe oder danach
regeln. Art.
6 Abs.
1
GG gibt ihnen hierbei das Recht, ihre jeweilige Gemeinschaft nach innen in ehelicher und familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht
frei zu gestalten (vgl. BVerfGE 80, 81 [92]). Allerdings setzt der Schutz der staatlichen Ordnung, der für Ehe und Familie in Art.
6 Abs.
1
GG ausdrücklich verbürgt ist, eine gesetzliche Ausgestaltung der Ehe voraus (vgl. BVerfGE 31, 58 [69]). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die eheliche und familiäre Freiheitssphäre ihre verfassungsrechtliche Prägung auch
durch Art.
3 Abs.
2
GG erfährt. Verfassungsrechtlich geschützt ist deshalb eine Ehe, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander
stehen (vgl. BVerfGE 37, 217 [249 ff.]). Der Staat hat infolgedessen der Freiheit der Ehegatten, mit Hilfe von Verträgen die ehelichen Beziehungen und
wechselseitigen Rechte und Pflichten zu gestalten, dort Grenzen zu setzen, wo der Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter
Lebenspartnerschaft ist, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners
widerspiegelt. Es ist Aufgabe der Gerichte, in solchen Fällen gestörter Vertragsparität über die zivilrechtlichen Generalklauseln
zur Wahrung beeinträchtigter Grundrechtspositionen eines Ehevertragspartners den Inhalt des Vertrages einer Kontrolle zu unterziehen
und gegebenenfalls zu korrigieren (vgl. BVerfGE 89, 214 [234]).
Zu Unrecht ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, die Eheschließungsfreiheit stehe einer solchen Inhaltskontrolle entgegen.
Aus dem Recht des Einzelnen, die Ehe mit einem selbst gewählten Partner einzugehen oder dies zu unterlassen und hierbei staatlicherseits
keine ungerechtfertigte Behinderung zu erfahren (vgl. BVerfGE 31, 58 [67]), folgt nicht, dass sich der Staat der Kontrolle jedweder ehevertraglicher Vereinbarung zu enthalten hat, wenn in dieser
ein Eheversprechen abgegeben wird. Die Eheschließungsfreiheit rechtfertigt nicht die Freiheit zu unbegrenzter Ehevertragsgestaltung
und insbesondere nicht eine einseitige ehevertragliche Lastenverteilung. Dementsprechend ist ein Teil des Eherechts herkömmlich
zwingendes Recht.
2. a) Enthält ein Ehevertrag eine erkennbar einseitige Lastenverteilung zu Ungunsten der Frau und ist er vor der Ehe und im
Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft geschlossen worden, gebietet es auch der Anspruch auf Schutz und Fürsorge der werdenden
Mutter aus Art.
6 Abs.
4
GG, die ehevertragliche Vereinbarung einer besonderen richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen. Dies gilt umso mehr, als
der Gesetzgeber davon abgesehen hat, bei ehevertraglichen Abreden über Unterhaltslasten, anders als bei Vereinbarungen über
den ehelichen Zugewinn oder den Versorgungsausgleich, durch Formerfordernisse oder Verfahrensregelungen einen gewissen Schutz
vor Übervorteilung eines Vertragsteils zu bieten. In diesem Fall obliegt es vornehmlich den Gerichten, bei der Inhaltskontrolle
den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag umzusetzen und der Schwangeren Schutz vor Druck und Bedrängung aus ihrem sozialen
Umfeld oder seitens des Kindesvaters zu gewähren (vgl. BVerfGE 88, 203 [296 f.]), insbesondere wenn sie dadurch zu Vertragsvereinbarungen gedrängt wird, die ihren Interessen massiv zuwiderlaufen.
b) Eine Situation von Unterlegenheit ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine nicht verheiratete schwangere Frau sich vor die
Alternative gestellt sieht, in Zukunft entweder allein für das erwartete Kind Verantwortung und Sorge zu tragen oder durch
Eheschließung den Kindesvater in die Verantwortung einzubinden, wenn auch um den Preis eines mit ihm zu schließenden, sie
aber stark belastenden Ehevertrages. Ihre Verhandlungsposition wird hier geschwächt sein durch die tatsächliche Lage, in der
sie sich befindet, durch ihre Rechtsstellung als ledige Mutter und insbesondere durch das Bemühen um die Sicherung der eigenen
Existenz und der des erwarteten Kindes.
Schwangerschaft bedeutet für jede Frau einen existenziellen Umbruch in ihrem Leben. Die Schwangere durchläuft einen Entwicklungsprozess,
der sie körperlich Veränderungen erfahren lässt und für ihre eigene Gesundheit sowie die des Kindes Risiken in sich birgt.
Unweigerlich kommt auf sie mit dem Kind eine Umstellung ihrer Lebensführung und Lebensplanung zu. Neue Aufgaben, Pflichten
und Verantwortlichkeiten entstehen. Dies geht gerade bei unverheirateten Müttern häufig einher mit dem Scheitern der Beziehung
zum Vater des Kindes (vgl. Vaskovics/Rost/Rupp, Lebenslage nichtehelicher Kinder, 1997, S. 59 ff.). Darüber hinaus bestehen
auch heute noch gesellschaftliche und soziale Zwänge, auf Grund derer sich eine werdende Mutter - nicht zuletzt auch gegenüber
dem Kind - für ihre Nichtheirat unter Rechtfertigungsdruck fühlen kann. Für den Zeitpunkt des Abschlusses des hier strittigen
Ehevertrages sprechen wissenschaftliche Untersuchungen sogar noch vom Stigma der ledig bleibenden Mutter und ihrer deutlich
höheren psychischen Belastung gegenüber verheirateten Müttern, mit der auch das Phänomen der höheren Sterblichkeit nichtehelicher
Säuglinge erklärt wird (vgl. Anthes, Vorurteile gegenüber ledigen Müttern, in: Neumann, Sozialforschung und soziale Demokratie,
Festschrift für Blume, 1979, S. 157 [162 ff.]).
Hinzu kommt für die nicht verheiratete Schwangere die Gewissheit, die alleinige Verantwortung und Sorge für das Kind tragen
zu müssen. Auch nach inzwischen geltendem Recht bleibt sie allein für das Kind verantwortlich, wenn der Vater zur gemeinsamen
Sorge nicht bereit ist. Zudem stand und steht ihr auch heute noch ein nur eingeschränkter Unterhaltsanspruch gegenüber dem
Vater zu. Während dieser Anspruch in dem hier maßgeblichen Zeitraum noch beschränkt war auf die Dauer eines Jahres nach der
Geburt des Kindes und nur bei mangelnder Erwerbsfähigkeit der Mutter oder fehlender anderweitiger Versorgung des Kindes gewährt
wurde, entsteht er nunmehr gemäß §
1615 l Abs.
2 Satz 3
BGB zwar in der Regel für drei Jahre, ist aber nicht vergleichbar mit der unterhaltsrechtlichen Absicherung verheirateter Frauen,
die den ehelichen Kindern zugute kommt. Eine nicht verheiratete Mutter sieht sich insofern schon im frühen Alter des Kindes
generell vor das Problem gestellt, Kinderbetreuung und eigene Existenzsicherung gleichermaßen sicherzustellen.
Besonders gravierend ist in der Regel die ökonomische Perspektive für Mütter nichtehelicher Kinder. Nach der Geburt des Kindes
sinkt ihr Einkommen wegen der alleinigen Verantwortung für das Kind meist auf weniger als die Hälfte ihres vorherigen Einkommens.
Dies führt dazu, dass etwa ein Drittel von ihnen für sich und ihre Kinder nur eine finanzielle Absicherung hat, die unter
oder auf Sozialhilfeniveau liegt, während lediglich 15 % der ehelichen Kinder in ebenso beengten Verhältnissen leben (Vaskovics/Rost/Rupp,
aaO., S. 126). Zusätzlich belastet wird diese Situation durch eine deutlich schlechtere Zahlungsmoral von Vätern gegenüber
nichtehelichen Kindern. In der Folge sind nichteheliche Kinder unter den Berechtigten nach dem Unterhaltsvorschussgesetz weit überrepräsentiert (s. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend [Hrsg.], Die wirtschaftlichen Folgen
von Trennung und Scheidung, 2000, S. 139 f.). Die besondere und schwierige Situation nicht verheirateter Schwangerer, die
nicht vergleichbar ist mit der verheirateter Schwangerer oder der nicht verheirateter Frauen ohne Kinder, wirkt sich auch
auf die Gegebenheiten bei Abschluss eines Ehevertrages aus, der die Voraussetzung für eine Eheschließung bilden soll. Gerade
wegen ihrer Sorge auch um die Zukunft des Kindes und unter dem Druck der bevorstehenden Geburt befindet sich die Schwangere
typischerweise in einer dem Vertragspartner gegenüber weit unterlegenen Position.
c) Allerdings ist die Schwangerschaft bei Abschluss eines Ehevertrages nur ein Indiz für eine vertragliche Disparität, das
Anlass gibt, den Vertrag einer stärkeren richterlichen Kontrolle zu unterziehen. Die Vermögenslage, die berufliche Qualifikation
und Perspektive sowie die von den Ehevertragsparteien ins Auge gefasste Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit in der
Ehe sind weitere maßgebliche Faktoren, die die Situation der Schwangeren bestimmen. Im Einzelfall können sie dazu führen,
ihre Unterlegenheit auszugleichen, auch wenn im Ehevertrag gesetzliche Rechtspositionen abbedungen werden.
d) Wenn aber auch der Inhalt des Ehevertrages eine solche Unterlegenheitsposition der nicht verheirateten Schwangeren zum
Ausdruck bringt, wird die Schutzbedürftigkeit offenkundig. Dies ist der Fall, wenn der Vertrag die Schwangere einseitig belastet
und ihre Interessen keine angemessene Berücksichtigung finden (vgl. BVerfGE 89, 214 [234]).
Ob die vertraglichen Vereinbarungen die Frau deutlich mehr belasten als den Mann, hängt wesentlich auch davon ab, welche familiäre
Konstellation die Vertragspartner anstreben und ihrem Vertrag zugrunde legen. Verzichten die Ehepartner etwa gegenseitig auf
nacheheliche gesetzliche Unterhaltsansprüche, liegt darin bei Ehen, in denen beide Partner einer etwa gleichwertigen Berufstätigkeit
nachgehen und sich Haus- und Familienarbeit teilen, keine ungleiche Belastung. Sieht die Lebensplanung der Partner jedoch
vor, dass sich in der Ehe einer der beiden unter Aufgabe einer Berufstätigkeit im Wesentlichen der Kinderbetreuung und Haushaltsführung
widmet, bedeutet der Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt eine Benachteiligung der Person, die sich der Betreuung des
Kindes und der Arbeit im Hause gewidmet hat. Je mehr im Ehevertrag gesetzliche Rechte abbedungen oder zusätzliche Pflichten
übernommen werden, desto mehr kann sich dieser Effekt einseitiger Benachteiligung verstärken.
Das in dem Ehevertrag enthaltene Eheversprechen wiegt die einseitige Belastung eines Vertragspartners nicht auf. In ihrer
Entscheidung, ob sie eine Ehe eingehen wollen, sind die Vertragspartner frei. Entschließen sie sich dafür, bringt die Ehe
beiden Rechte wie auch Pflichten und verteilt sie gleichermaßen auf Mann und Frau, deren Leistungen, die sie füreinander erbringen,
gleichrangig sind (vgl. BVerfGE 37, 217 [251]). Das Eheversprechen als solches begründet keine einseitige Belastung eines der Versprechenden. Zwar übernehmen Ehepartner
damit gegenüber ihrem bisherigen Stand als Ledige neue Pflichten, und sie werden hierdurch in den eigenen Dispositionen eingeschränkt.
Dies gilt jedoch für beide Ehepartner gleichermaßen.
3. Die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.
6 Abs.
4
GG folgende Schutzpflicht hat das Oberlandesgericht in der angegriffenen Entscheidung verkannt. Es hat weder die besondere Situation
beachtet, in der sich die Beschwerdeführerin als Schwangere mit schon einem Kind bei Vertragsabschluss befunden hat, noch
ist es der Frage nachgegangen, ob der Ehevertrag die Beschwerdeführerin in unangemessener Weise belastet, obwohl der Inhalt
des Vertrages hierfür Anlass geboten hat.
So hat die Beschwerdeführerin zum einen darin auf eigenen nachehelichen Unterhalt verzichtet. Angesichts der geringen Höhe
ihres Einkommens und des Umstandes, dass beide Ehegatten davon ausgingen, sie solle für den Fall der Scheidung die Sorge für
das gemeinsame Kind tragen, schwächte sie durch diesen Verzicht ihre wirtschaftliche Lage nachhaltig. Mit zwei Kindern konnte
sie nicht damit rechnen, ihre Einkommenslage aus eigener Kraft wesentlich zu verbessern. Hingegen gab der Ehemann mit seinem
eigenen Verzicht nichts auf; denn er konnte nicht damit rechnen, im Falle der Scheidung Unterhalt gegenüber der Beschwerdeführerin
durchsetzen zu können.
Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin trotz ihrer vergleichsweise schlechten wirtschaftlichen Lage vertraglich die Pflicht
übernommen, den Vater weitgehend von seiner Unterhaltspflicht dem gemeinsamen Kind gegenüber freizustellen. Aus ihrem Einkommen
war der Barunterhalt des Kindes, der sich nach dem höheren Einkommen des Vaters richtet, aufzubringen. Damit ist ihr für den
Fall der Scheidung sowohl die Aufgabe der alleinigen Kinderbetreuung als auch die Sorge für ihren eigenen Unterhalt und gleichzeitig
den des gemeinsamen Kindes zugewiesen worden. Dieser deutlichen Belastung der Beschwerdeführerin hat die Entlastung des Ehemannes
vom etwaigen Unterhaltsanspruch der Beschwerdeführerin wie auch von dem über 150 DM hinausgehenden des Kindes gegenübergestanden.
Dadurch wurde er angesichts der damaligen Regelbetragshöhe sogar besser gestellt als der Vater eines nichtehelichen Kindes.
Das Gericht hat diese Vertragskonstellation unter Hinweis auf die Eheschließungsfreiheit nicht zum Anlass für eine Kontrolle
des Vertragsinhalts genommen und dadurch verkannt, dass diese Freiheit nicht die Freiheit zur unangemessenen einseitigen vertraglichen
Interessendurchsetzung eröffnet.
II. Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht den Schutz aus Art.
6 Abs.
2
GG außer Acht gelassen, der vertraglichen Abreden von Eltern im Interesse des Kindeswohls Grenzen setzt.
1. Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG begründet für die Eltern gleichermaßen das Recht wie die Pflicht zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder (vgl. BVerfGE 24,
119 [143 f.]). Diese den Eltern zuvörderst zugewiesene Verantwortung hat dem Kindeswohl zu dienen, ist also ein Grundrecht im
Interesse des Kindes (vgl. BVerfGE 59, 360 [382]; 75, 201 [218]). Das Recht der Eltern auf freie Gestaltung ihrer Sorge für das Kind verdient deshalb dort keinen Schutz,
wo sich Eltern ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind entziehen und eine Vernachlässigung des Kindes droht (vgl. BVerfGE 24,
119 [143 f.]). Erreicht das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß, dass das Kindeswohl nachhaltig gefährdet ist, ist der
Staat in Wahrnehmung seines Wächteramtes nach Art.
6 Abs.
2 Satz 2
GG nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen, denn das Kind als Grundrechtsträger
hat Anspruch auf staatlichen Schutz vor verantwortungsloser Ausübung des Elternrechts (vgl. BVerfGE 24, 119 [144]; 55, 171 [179]; 72, 122 [134]). Dabei bestimmen sich die Schutzmaßnahmen nach dem Ausmaß des elterlichen Versagens
und danach, was im Interesse des Kindes geboten ist (vgl. BVerfGE 24, 119 [144 f.]; 60, 79 [91, 93]).
Zur Verantwortung der Eltern gehört auch, für einen ihrem eigenen Vermögen gemäßen und zugleich angemessenen Unterhalt des
Kindes zu sorgen und seine Betreuung sicherzustellen (vgl. BVerfGE 68, 256 [267]; 80, 81 [90 f.]). Wie Eltern diese Aufgaben unter sich aufteilen und ob sie dabei personelle Unterstützung durch Dritte
heranziehen, liegt in ihrer Entscheidungsfreiheit (vgl. BVerfGE 47, 46 [70]; 68, 256 [267 f.]; 99, 216 [231 f.]). Dies gilt auch für den Fall der Scheidung. Treffen Eltern für diesen Fall eine
vertragliche Vereinbarung, haben sie aus Verantwortung ihrem Kinde gegenüber Sorge dafür zu tragen, dass die regelmäßig mit
der Trennung der Eltern verbundenen seelischen Belastungen des Kindes nach Möglichkeit gemildert werden und eine vernünftige,
den Interessen des Kindes entsprechende Lösung für seine Pflege und Erziehung gefunden wird (vgl. BVerfGE 31, 194 [205]; 61, 358 [372 f.]).
2. Soll nach dem Willen der Eltern im Falle der Scheidung ein Elternteil die alleinige Sorge für das gemeinsame Kind tragen
sowie dessen Betreuung übernehmen und vereinbaren die Eltern für diesen Fall eine Freistellung des nicht betreuenden Elternteils
vom Kindesunterhalt durch den Betreuenden, werden sie ihrer Verantwortung dem Kinde gegenüber nicht gerecht und gefährden
dessen Wohl, wenn dadurch eine den Interessen des Kindes entsprechende Betreuung und ein den Verhältnissen beider Eltern angemessener
Barunterhalt nicht mehr sichergestellt sind.
a) Unterhaltszahlungen für das Kind haben sich auszurichten an dem Leistungsvermögen des Unterhaltspflichtigen und dem Bedürfnis
des Kindes (s. §
1602 Abs.
2, §§
1603,
1610
BGB). Ihre Höhe wird damit auch durch die soziale Lage der Eltern bestimmt und ist als solche kein Anhaltspunkt für eine Kindeswohlgefährdung.
Auch in finanziell beengten Verhältnissen kann ein Kind eine gedeihliche Entwicklung durch die Pflege und Erziehung seiner
Eltern im Rahmen ihrer Möglichkeiten erfahren, wobei gegebenenfalls staatliche Leistungen die familiäre finanzielle Grundsicherung
gewährleisten.
Wie Eltern ihre Erziehungsverantwortung erfüllen und wie sie dabei die Lebensumstände des Kindes ausgestalten, liegt in ihrer
primären Entscheidungszuständigkeit nach Art.
6 Abs.
2 Satz 1
GG, die auf der Erwägung beruht, dass sie in aller Regel die Interessen ihres Kindes am besten wahrnehmen. Dies gilt auch dann,
wenn dem Kind durch sie nicht die nach objektiven Maßstäben bestmögliche Förderung zuzukommen scheint (vgl. BVerfGE 34, 165 [184]; 60, 79 [94]). Halten Eltern den Lebensstandard ihres Kindes im Verhältnis zu ihrem Einkommen beispielsweise als Ausdruck
ihrer Erziehungsvorstellungen zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes niedrig, so rechtfertigt dies allein
kein staatliches Eingreifen. Werden die finanziellen Mittel für die Lebensbedarfsdeckung des Kindes von den Eltern allerdings
nur deshalb in nachhaltiger Weise eingeschränkt, weil zumindest ein Elternteil sich der Sorge um sein Kind auch finanziell
entziehen will, ist dies nicht mehr eine Form der elterlichen Interessenwahrnehmung für das Kind. Will der Elternteil sich
der Aufgabe, die Interessen des Kindes zu wahren, entledigen, gebietet es Art.
6 Abs.
2 Satz 2
GG, staatlicherseits zum Schutze des Kindeswohls tätig zu werden.
b) Die Freistellung eines Elternteils vom Kindesunterhalt durch den anderen hat rechtlich allerdings keine Auswirkungen auf
den Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern. Tatsächlich verändert sich die wirtschaftliche Lage des Kindes jedoch
wesentlich, wenn der betreuende Elternteil nicht über erhebliche finanzielle Mittel verfügt. Denn trifft diese vertragliche
Verpflichtung den betreuenden Elternteil, erhält dieser nicht nur keine Zahlungen zur Unterhaltsdeckung des Kindes vom anderen
Elternteil, sondern sein ihm selbst zur Verfügung stehendes Einkommen wird gleichzeitig durch diese Verpflichtung zur Abdeckung
des Kindesunterhalts gemindert und wirkt de facto wie ein Unterhaltsverzicht. Das dem gemeinsamen Haushalt von betreuendem
Elternteil und Kind zur Verfügung stehende Einkommen sinkt hierdurch deutlich. Darüber hinaus ist für die Betreuung des Kindes
Sorge zu tragen, sodass die Möglichkeit zu weiterem Erwerb begrenzt ist.
c) Führt die Vereinbarung der Eltern dazu, dass der sorgende Elternteil im Falle der Scheidung wegen der Übernahme der Kindesunterhaltslasten
vom anderen Elternteil seinen Unterhalt und den des Kindes nicht mehr durch Einkünfte decken oder aus Vermögen bestreiten
kann, beeinträchtigt dies die Lebensumstände des Kindes in einer der Elternverantwortung zuwiderlaufenden Weise.
Will der sorgende Elternteil das Kind persönlich betreuen, damit das Kind nach der Trennung von einem Elternteil nicht auch
noch auf die Betreuung durch den anderen verzichten muss, führt dies bei jüngeren Kindern zwangsläufig zur Einschränkung oder
Unmöglichkeit seiner außerhäuslichen Erwerbstätigkeit und damit zur Reduzierung oder zum Wegfall eigenen Einkommens. Nur wenn
das so verbleibende Einkommen noch ausreicht, um auch den Unterhaltsbedarf des Kindes zu decken, oder wenn der Einkommenswegfall
durch Vermögen oder eigene Unterhaltsansprüche ausgeglichen werden kann, bleiben auch bei einer Freistellungsvereinbarung
sowohl die Betreuung als auch die Versorgung des Kindes gesichert. Ist dies jedoch nicht der Fall und verzichtet der sorgende
Elternteil zusätzlich zur Freistellung auch auf eigenen nachehelichen Unterhalt, zwingen ihn die durch die Abrede verursachten
Umstände dazu, entweder die Betreuung des Kindes in fremde Hände zu geben oder mit dem Kind unter Verhältnissen zu leben,
die dessen Entwicklungsmöglichkeiten weit mehr einschränken, als es dem gemeinsamen elterlichen Vermögen entsprechen würde.
Beide Handlungsoptionen beeinträchtigen die Interessen des Kindes nachhaltig und sind Folge mangelnder elterlicher Verantwortung
gegenüber dem Kind.
Auch dann, wenn der sorgende Elternteil einer Erwerbstätigkeit nachgehen und das Kind in Obhut geben will, ist eine durch
die Freistellungsabrede eintretende Beeinträchtigung der Kindesinteressen nur auszuschließen, wenn das zu erzielende Einkommen
ausreicht, um ohne erhebliche Einschränkungen des eigenen Unterhalts auch die Betreuungskosten und den angemessenen Lebensunterhalt
für das Kind sicherstellen zu können. Ist dies bei Vereinbarung der Freistellung erkennbar nicht gewährleistet, gefährdet
auch hier die elterliche Vertragsabrede das Kindeswohl.
3. Dies hat das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, obwohl die Situation der Beschwerdeführerin
bei Ehevertragsabschluss Anlass für eine entsprechende Prüfung geboten hat. Es hat sich damit begnügt, darauf hinzuweisen,
dass der Anspruch des Kindes auf Unterhalt durch eine Freistellungsvereinbarung nicht berührt wird. Dies ist zwar rechtlich
zutreffend, lässt aber schon unberücksichtigt, ob die Mutter den konkreten Anspruch ohne übermäßige Anstrengungen oder erhebliches
Absinken des familiären Lebensstandards erfüllen kann. Es hat letztlich nicht bedacht, dass die Freistellung Einfluss auf
die Realisierung dieses Kindesanspruchs und damit auf die Interessen des Kindes nehmen kann. So hat das Oberlandesgericht
außer Acht gelassen, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schon ein eigenes Kind zu versorgen
hatte und ihr mit der Abrede für den Fall der Scheidung die Sorge für die Kinder sowie die Bestreitung ihres eigenen Lebensunterhalts
und des gesamten Unterhalts beider Kinder aufgebürdet wurde. Angesichts ihrer eher bescheidenen Verdienstmöglichkeit als kaufmännische
Angestellte hätte sich dem Gericht die Frage aufdrängen müssen, ob die Freistellung unter solchen Umständen nicht die Interessen
des gemeinsamen Kindes verletzt und der den Eltern obliegenden Verantwortung zuwiderläuft. Damit hat es Umfang und Bedeutung
des Schutzes durch Art.
6 Abs.
2
GG vor verantwortungsloser Ausübung des Elternrechts zu Lasten des Kindeswohls verkannt.
III. Die angegriffene Entscheidung ist aufzuheben. Die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.