Gründe:
I. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Inhaltskontrolle eines Ehevertrages durch die Gerichte.
Die Beschwerdeführerin, die schon ein schwerbehindertes Kind zu versorgen hatte und deshalb keiner Erwerbstätigkeit nachging,
lernte 1984 ihren späteren Ehemann, einen Diplom-Wirtschaftsingenieur mit einem Monatseinkommen von 7.000 DM kennen, von dem
sie erneut schwanger wurde. Vor der Eheschließung vereinbarte sie mit ihm in notariellem Ehevertrag die Gütertrennung, schloss
den Versorgungsausgleich aus und verzichtete ebenso wie er auf Ehegattenunterhalt für den Fall der Scheidung. Im Dezember
1985 wurde die Ehe geschlossen, im Mai 1986 der gemeinsame Sohn geboren. 1988 trennten sich die Eheleute. Die Ehe wurde 1992
geschieden. Die Beschwerdeführerin erhielt dabei die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind, wobei der Ehemann zur Zahlung
von Kindesunterhalt verpflichtet wurde. Weitergehende Anträge der Beschwerdeführerin auf Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhalts,
Durchführung des Versorgungsausgleichs und eines Zugewinnausgleichs wies das Familiengericht unter Hinweis auf den geschlossenen
Ehevertrag zurück. Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil vom 12. November 1992 verurteilte das Oberlandesgericht
den Ehemann zur Zahlung von nachehelichem monatlichen Unterhalt in Höhe von 300 DM. Die weitergehenden Anträge der Beschwerdeführerin
wies es zurück. Der Ehevertrag sei nicht sittenwidrig. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Beschwerdeführerin bei
Vertragsabschluss schwanger gewesen sei und möglicherweise der Sozialhilfe zur Last fallen könne. Dennoch sei dem Ehemann
gemäß §
242
BGB die Berufung auf den Unterhaltsverzicht in Höhe eines notwendigen Unterhalts versagt. Das Kindeswohl verlange, dass der Beschwerdeführerin
durch ihren Ehemann ermöglicht werde, sich der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes zu widmen. Darüber hinausgehende
Ansprüche seien zurückzuweisen, da sie letztlich eine Verpflichtung des Ehemannes zur Eheschließung auch ohne die Vereinbarung
der Gütertrennung, den Ausschluss des Versorgungsausgleichs und ohne Unterhaltsverzicht implizierten, was einen verfassungsrechtlich
nicht vertretbaren Eingriff in die Lebensplanung des Ehemannes bedeutete.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Verfassungsbeschwerde, mit der die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer
Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 und Art.
6 Abs.
1 und
2
GG rügt. Das Gericht habe bei seiner Entscheidung in verfassungswidriger Weise unberücksichtigt gelassen, in welcher Situation
sie sich bei Vertragsabschluss befunden habe, in der ihr zukünftiger Ehemann wegen ihrer schwächeren Position den Vertragsinhalt
einseitig habe durchsetzen können. Die Nichtberücksichtigung dieser Zwangslage diskriminiere sie zudem als Frau, da ein Mann
durch derartige Eheverträge nie in gleicher Weise betroffen sein könne. Weder mit dem Elternrecht aus Art.
6 Abs.
2
GG noch der Wertentscheidung aus Art.
6 Abs.
1
GG sei es vereinbar, einen in der Schwangerschaft erklärten Verzicht auf alle vermögensrechtlichen nachehelichen Ansprüche für
wirksam zu erachten. Nur aus Angst vor einem Scheitern der Eheschließung und vor dessen Folgen für sie und die Kinder habe
sie auf alle ihre Rechte verzichtet. Mit dem ihr zugebilligten Notunterhalt werde nur ein kleiner Teil des strukturellen Ungleichgewichts
korrigiert und dies allein aus Gründen des Kindeswohls, nicht unter Berücksichtigung ihrer Interessen, was zur Wahrung ihrer
grundrechtlichen Schutzposition nicht ausreiche.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben der Bundesgerichtshof, das Deutsche Institut für Vormundschaftswesen e.V., der Deutsche
Juristinnenbund e.V., der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht e.V. sowie die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht
e.V. Stellung genommen.
II. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin
angezeigt ist (§ 93 b in Verbindung mit § 93 a Abs. 1 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne des § 93 c
BVerfGG auch begründet. Die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits
entschieden (§ 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht aus Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art.
6 Abs.
4
GG. Das Oberlandesgericht hat das Recht der Beschwerdeführerin auf Schutz vor unangemessener Benachteiligung durch den Ehevertrag
verkannt.
1. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 6. Februar 2001 - 1 BvR 12/92 - ausgeführt hat (FamRZ 2001, S. 343 ff.), gilt auch für Eheverträge, dass bei einer besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblich
ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner es zur Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragsparteien aus Art.
2 Abs.
1
GG Aufgabe der Gerichte ist, durch vertragliche Inhaltskontrolle und gegebenenfalls durch Korrektur mit Hilfe der zivilrechtlichen
Generalklauseln zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt. Eheverträgen
sind dort Grenzen zu setzen, wo jene nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft sind, sondern eine
auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners wiederspiegeln. Die Eheschließungsfreiheit
rechtfertigt keine einseitige ehevertragliche Lastenverteilung. Ist ein Ehevertrag vor der Ehe und im Zusammenhang mit einer
Schwangerschaft geschlossen worden, gebietet es auch Art.
6 Abs.
4
GG, die Schwangere davor zu schützen, dass sie durch ihre Situation zu Vereinbarungen gedrängt wird, die ihren Interessen massiv
zuwiderlaufen.
Schwangerschaft bei Abschluss eines Ehevertrages ist allerdings nur ein Indiz für eine mögliche vertragliche Disparität, das
Anlass für eine stärkere richterliche Inhaltskontrolle des Ehevertrages gibt. Die Vermögenslage der Schwangeren sowie ihre
berufliche Qualifikation und Perspektive sind weitere maßgebliche Faktoren, die ihre Situation bestimmen und bei der gerichtlichen
Prüfung, ob sich die Schwangere bei Abschluss des Vertrages in einer unterlegenen Situation befunden hat, zu berücksichtigen
sind.
Bringt jedoch der Inhalt des Ehevertrages ebenfalls eine Unterlegenheitsposition der nicht verheirateten Schwangeren durch
ihre einseitige vertragliche Belastung und eine unangemessene Berücksichtigung ihrer Interessen zum Ausdruck, wird ihre Schutzbedürftigkeit
offenkundig. Für die Beurteilung, ob die vertraglichen Vereinbarungen die Frau deutlich mehr belasten als den Mann, ist auch
die familiäre Konstellation maßgeblich, die die Vertragspartner anstreben und ihrem Vertrag zu Grunde legen. Ein Verzicht
auf gesetzliche Ansprüche bedeutet insbesondere für den Ehegatten eine Benachteiligung, der sich unter Aufgabe einer Berufstätigkeit
der Betreuung des Kindes und der Arbeit im Hause widmen soll. Je mehr im Ehevertrag gesetzliche Rechte abbedungen werden,
desto mehr kann sich der Effekt einseitiger Benachteiligung verstärken.
2. Dies hat das Oberlandesgericht in der angegriffenen Entscheidung verkannt. Es hat zwar hinsichtlich des im Ehevertrag enthaltenen
Unterhaltsverzichts eine auf §
242
BGB gestützte Korrektur vorgenommen und der Beschwerdeführerin einen Anspruch gegen ihren Ehemann auf den notwendigen Unterhalt
zuerkannt. Dabei hat sich das Gericht allerdings allein am Kindeswohl orientiert und damit daran, was notwendig ist, um die
Pflege und Erziehung des Kindes durch die Mutter sicherzustellen. Die besondere Situation, in der sich die Beschwerdeführerin
als Schwangere mit schon einem, noch dazu schwerbehinderten und besonders betreuungsbedürftigen Kind bei Vertragsabschluss
befunden hat und die allein schon deutliches Indiz für ihre Unterlegenheit als Vertragspartnerin gewesen ist, hat das Gericht
dagegen nicht zum Anlass genommen, der Frage nachzugehen, ob der Ehevertrag die Beschwerdeführerin in unangemessener Weise
belastet. So hat es auch nicht in seine Prüfung mit einbezogen, dass die Beschwerdeführerin auf sämtliche gesetzliche Ansprüche
aus der Ehe verzichtet hat und dies in ihrer familiären und wirtschaftlich beengten Situation, obwohl eine einseitige vertragliche
Benachteiligung der Beschwerdeführerin und damit ihre Schutzbedürftigkeit deutlich erkennbar war. Das Gericht hat diese Vertragskonstellation
unter Hinweis auf die Freiheit der Lebensplanung des Ehemannes nicht zum Anlass genommen, den gesamten Vertragsinhalt einer
Kontrolle zu unterziehen, und damit verkannt, dass diese Freiheit nicht die Freiheit zu einer unangemessenen einseitigen vertraglichen
Interessendurchsetzung eröffnet. Das Gericht ist somit seiner aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.
6 Abs.
4
GG folgenden Schutzpflicht gegenüber der Beschwerdeführerin nicht gerecht geworden.
Die angegriffene Entscheidung ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin beruht auf § 34 a Abs. 2
BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.