Verfassungsmäßigkeit der Grundsicherung für Arbeitssuchende
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Grundsicherung für Arbeitsuchende.
I. 1. Durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954) sind die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende an die Stelle der Arbeitslosenhilfe und in weiten Teilen auch
an die Stelle der Sozialhilfe des vorher geltenden Rechts getreten.
2. Die Regelleistung nach § 20 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ist Bestandteil
des Arbeitslosengeldes II, das nach § 19 Satz 1 SGB II daneben auch Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) sowie
weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst. Darüber hinaus ist sie auch Bestandteil des Sozialgeldes, das
nach Maßgabe von § 28 SGB II an nicht erwerbsfähige Angehörige der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen erbracht wird.
Die Regelleistung umfasste hierbei nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung (sowie Abs.
1 der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung) insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen
Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben.
Ihre Höhe richtete sich bis zum 30. Juni 2006 nach § 20 Abs. 2 und 3 SGB II. Sie betrug für Alleinstehende bis zum 30. Juni
2007 345 EUR monatlich, seit dem 1. Juli 2007 sind es - gemäß der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
vom 18. Juni 2007 - 347 EUR. Hatten zwei Angehörige der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, betrug die Regelleistung
jeweils 90% der Regelleistung für Alleinstehende, § 20 Abs. 3 SGB II.
§ 20 Abs. 4 Satz 1 SGB II schreibt vor, dass die Regelleistung jeweils zum 1. Juli eines Jahres um den Prozentsatz angepasst
wird, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert. Die Regelleistung wird überprüft
und gegebenenfalls weiterentwickelt, sobald die Ergebnisse einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorliegen, § 20
Abs. 4 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 28 Abs. 3 Satz 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII).
3. Neben die Regelleistung und die Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) treten zunächst Leistungen wegen unterschiedlicher
Mehrbedarfe nach Maßgabe von § 21 SGB II, Leistungen für verschiedene Erstausstattungen (§ 23 Abs. 3 SGB II), ein befristeter
Zuschlag nach Maßgabe von § 24 SGB II und ein Zuschuss zu Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen nach Maßgabe
von § 26 SGB II. Weiterhin sind nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - (JURIS, Rn. 22), in atypischen Bedarfslagen, die eine gewisse Nähe zu den in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen
aufweisen, auch Hilfen in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB XII möglich. Hinzu kommen schließlich verschiedene Leistungen
zur Eingliederung nach Maßgabe der §§ 16, 29 SGB II.
II. 1. Der 1946 geborene Beschwerdeführer bezog zunächst Arbeitslosengeld und anschließend bis Ende des Jahres 2004 Arbeitslosenhilfe.
Seit dem 1. Januar 2005 bezieht er Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, zunächst zuzüglich eines Zuschlags nach
§ 24 SGB II. Seine Klage auf eine höhere Regelleistung blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Das Bundessozialgericht verwies
zur Begründung auf sein Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R -.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art.
1 Abs.
1 GG und Art.
2 Abs.
1 GG - beide jeweils in Verbindung mit Art.
20 Abs.
1,
2 und
3 GG - sowie Art.
3 Abs.
1 GG und Art.
14 Abs.
1 GG. Er führt insbesondere aus, das Gesetzgebungsverfahren habe gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen, da der Gesetzgeber die
Berechnung der Regelleistung nicht hinreichend dargelegt habe und weiterhin von unzutreffendem Datenmaterial ausgegangen sei.
Die Festlegung der Regelleistung in § 20 SGB II verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip, da der Gesetzgeber dem individuellen
Bedarf der Hilfebedürftigen nicht hinreichend Rechnung getragen habe. Gegen Art.
3 Abs.
1 GG verstoße § 20 SGB II deswegen, weil Sozialhilfeempfänger angesichts der in § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zugelassenen abweichenden Festlegung der Bedarfe gegenüber den Beziehern von Leistungen nach dem SGB
II begünstigt würden. Weiterhin habe die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe gegen Art.
14 Abs.
1 GG verstoßen.
III. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Es fehlt an einer § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden Begründung. Die Verfassungsbeschwerde muss sich mit dem zugrunde liegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen
Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 101, 331 [345 f.]) und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 89, 155 [171]).
1. Soweit der Beschwerdeführer unter Berufung auf das Rechtsstaatsprinzip sinngemäß eine optimale Methodik der Gesetzgebung
und hierauf gestützt die inhaltliche Richtigkeit des Gesetzes einfordert, fehlt es bereits an einer Darlegung der entsprechenden
verfassungsrechtlichen Vorgaben.
Gegenstand verfassungsgerichtlicher Überprüfung sind grundsätzlich das Gesetz und seine Wirkung; auf die Motive des Gesetzgebers
kommt es nicht an (vgl. BVerfGE 85, 238 [245]). Der Vortrag zur behaupteten Darlegungslast des Gesetzgebers genügt nicht im Mindesten den Anforderungen an eine substantiierte
Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Schrifttum.
2. Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art.
1 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
20 Abs.
1 GG (Sozialstaatsprinzip) rügt, ist die Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht hinreichend substantiiert.
Angesichts der Schwierigkeiten bei der Bestimmung der von Verfassungs wegen unerlässlichen Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen
Daseins muss eine Verfassungsbeschwerde, die eine Unterschreitung des Existenzminimums rügt, substantiiert darlegen, dass
die staatlicherseits zur Verfügung gestellten Leistungen nicht ausreichen, um das Existenzminimum zu gewährleisten.
Soweit der Beschwerdeführer hierzu ausführt, der Gesetzgeber habe den individuellen Einmalbedarfen Hilfebedürftiger nicht
hinreichend Rechnung getragen, legt er nicht einmal dar, um welche Einmalbedarfe es sich in seinem Fall handelt. Die bloße
Bezugnahme auf nicht näher bezeichnete Einmalbedarfe genügt den Substantiierungsanforderungen ebenso wenig wie der pauschale
Verweis auf allgemeine sozialpolitische Stellungnahmen.
Weiterhin hebt der Beschwerdeführer einseitig und ausschließlich auf die Regelleistung (§ 20 SGB II) ab und setzt sich trotz
entsprechender Hinweise des Bundessozialgerichts nicht mit den anderen Anspruchsgrundlagen innerhalb und außerhalb des SGB
II auseinander, nach denen in solchen Fällen zumindest ein nicht unerheblicher Teil der Einmalbedarfe auf anderer Rechtsgrundlage
gedeckt werden kann.
Auch die Darlegungen, § 20 SGB II sei an denjenigen Maßstäben zu messen, die das Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung
der durch Rechtsverordnung festgelegten Regelsätze des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Sozialhilferechts entwickelt habe,
sind nicht hinreichend substantiiert. Obwohl dieser Gesichtspunkt im Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. November 2006
- B 11b AS 1/06 R - (JURIS, Rn. 50), auf das der hier angegriffene Beschluss verweist, ausdrücklich angesprochen wird, geht der Beschwerdeführer
nicht näher auf die unterschiedliche Rechtssatzqualität der Leistungsnormen und die daraus folgenden unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe
ein.
3. Ein Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 GG ist ebenfalls nicht hinreichend dargetan.
Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, dass das SGB II keine dem § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII entsprechende Möglichkeit
enthält, von der Regelleistung abzuweichen, fehlt es an Darlegungen zum Vorliegen einer Beschwer im Einzelfall, denn der Beschwerdeführer
macht nicht deutlich, ob er unter Geltung des SGB XII einen Anspruch auf eine abweichende Festsetzung des einschlägigen Regelsatzes
hätte und dass der zugrunde liegende Bedarf nicht auch unter Geltung des SGB II (nach einer anderen Anspruchsgrundlage als
§ 20 SGB II) zu übernehmen wäre.
Vielmehr stellt der Beschwerdeführer unzutreffend darauf ab, das Unterscheidungskriterium zwischen SGB II und SGB XII sei
die Ursache der Hilfebedürftigkeit. Das Gesetz differenziert jedoch nach der Erwerbsfähigkeit, wie sich aus § 7 Abs. 1 und
2 SGB II und § 21 Satz 1 SGB XII ergibt. Da es für die Anwendbarkeit des SGB II auch nicht auf eine vorherige Versicherungspflicht
in der Arbeitslosenversicherung ankommt, ist die vom Beschwerdeführer gerügte Benachteiligung derjenigen, die zuvor gegen
Arbeitslosigkeit versichert gewesen sind, durch die Regeln des SGB II nicht erkennbar.
Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - (JURIS, Rn. 23) auch nicht etwa - wie der Beschwerdeführer meint - im Fehlen einer § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII entsprechenden
Vorschrift im SGB II eine ungerechtfertigte Privilegierung der Sozialhilfeempfänger gesehen. Die vom Beschwerdeführer zitierte
Äußerung des Gerichts bezieht sich vielmehr auf ein die Anwendbarkeit von § 73 SGB XII betreffendes systematisches Argument
in der erstinstanzlichen Entscheidung.
4. Nicht hinreichend begründet ist die Verfassungsbeschwerde auch hinsichtlich der gerügten Verletzung von Art.
14 Abs.
1 GG durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1. Januar 2005. Der Beschwerdeführer legt bereits nicht hinreichend dar,
dass der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe Eigentumsschutz genießen würde.
Anwartschaften auf Sozialleistungen können von vornherein bereits nur dann Eigentumsschutz genießen, wenn es sich um vermögenswerte
Rechtspositionen handelt, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet sind,
auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruhen und seiner Existenzsicherung dienen (vgl. BVerfGE 53, 257 [290 f.]; 69, 272 [300]). Der Hinweis des Beschwerdeführers, die Beteiligung Dritter an der Finanzierung einer Sozialleistung
ändere nichts an deren Eigentumscharakter, wie die Zurechnung der Beitragsleistungen des Arbeitgebers zu den eigentumsrelevanten
Eigenleistungen zeige, greift zu kurz. Hier werden nicht etwa individuelle Dritte, welche für den Leistungsbezieher besondere
Verantwortung tragen, an der Finanzierung der Arbeitslosenhilfe beteiligt, sondern sie wird ausschließlich aus Steuermitteln
finanziert.
5. Wegen der offensichtlichen Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde war es im vorliegenden Fall nicht mehr möglich, zur
bisher verfassungsrechtlich noch nicht entschiedenen, materiellen Frage Stellung zu nehmen, ob die Höhe der Regelleistung
nach § 20 SGB II vom Gesetzgeber hinreichend ermittelt und festgesetzt worden ist.
6. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.