Gründe:
I.
Am 4. Mai 1992 verstarb der Ehemann der Klägerin, der - wie die Klägerin selbst - in D. im Zuständigkeitsbereich des beklagten
Trägers der Sozialhilfe gelebt und bereits seit Jahren Sozialhilfe bezogen hatte. Am 8. Mai wurde er in der - ebenfalls im
Zuständigkeitsbereich des Beklagten liegenden - Stadt S. beigesetzt. Am 11. Mai beantragte die Tochter der Klägerin bei der
Stadt D. die Übernahme der Bestattungskosten. Am 18. Mai reichte sie die unter dem 14. Mai erstellte Rechnung des Bestattungsunternehmens
in Höhe von 4474,50 DM ein, welche bereits durch Angehörige beglichen worden sei. Nach den späteren Angaben der Klägerin war
die Rechnung noch am gleichen Tage aus einem ihr darlehensweise von einem in den Niederlanden lebenden Onkel überlassenen
Betrag beglichen worden.
Der Antrag wurde von der Stadt D. mit Bescheid vom 2. Juni 1992 namens und im Auftrage des Beklagten abgelehnt. Da die Beisetzung
in der Stadt S. erfolgt sei, sei der Antrag dort zu stellen. Die Stadt S. lehnte den dort am 10. Juni gestellten Antrag durch
Bescheid vom gleichen Tage mit der Begründung ab, Sozialhilfe werde für die Vergangenheit nicht gewährt. Das Verwaltungsgericht
hat die nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren (Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 26. Oktober 1992) erhobene Klage,
mit der die Klägerin ihr Begehren - zuletzt noch in Höhe eines Betrages von 2996,50 DM - weiterverfolgte, abgewiesen. Auf
die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten unter teilweiser Änderung des erstinstanzlichen Urteils
und entsprechender Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, der Klägerin für die Bestattung ihres Ehemannes eine
einmalige Leistung in Höhe von 2814,50 DM zu gewähren, und dies im wesentlichen folgendermaßen begründet:
Der Klägerin stehe gemäß § 15
BSHG ein Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten für ihren Ehemann in Höhe der zuletzt geltend gemachten Aufwendungen zu.
Weder der Klägerin noch anderen nahen Angehörigen könne die Tragung der Kosten der Beisetzung zugemutet werden, da sie durchweg
auf den laufenden Bezug von Sozialhilfe angewiesen seien oder nicht über eigene Einkünfte verfügten. Die von der Klägerin
zuletzt noch geltend gemachten Kosten seien auch als erforderlich anzusehen. Dem Anspruch auf Übernahme der Kosten stehe nicht
entgegen, daß diese Aufwendungen als vergangener Bedarf nicht aus Sozialhilfemitteln übernommen werden könnten, vielmehr sei
§ 5
BSHG auf die Vorschrift des § 15
BSHG nicht anzuwenden. § 15
BSHG setze die Hilfebedürftigkeit des Verpflichteten nicht voraus, regele also nicht einen typischen Sozialhilfeanspruch. Auch
wäre es mit dem Wesen des Sterbefalles nicht zu vereinbaren, von den nächsten Angehörigen des Verstorbenen als den "Verpflichteten"
zu verlangen, sich noch vor der Beerdigung wegen der Kosten an das Sozialamt zu wenden. Das in § 5
BSHG ausgedrückte Strukturprinzip des Sozialhilferechts, wonach es keine Hilfe für die Vergangenheit gebe, sei deshalb auf § 15
BSHG nicht anzuwenden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten. Er rügt Verletzung von § 15
BSHG.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision.
II.
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil steht mit Bundesrecht im Einklang, so daß die Revision zurückzuweisen ist
(§
144 Abs.
2
VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat der Klägerin zu Recht eine Leistung gemäß § 15
BSHG für die Bestattung ihres Ehemannes zuerkannt; dem Anspruch stehen weder eine vorzeitige Bedarfsdeckung noch fehlende Kenntnis
gemäß § 5
BSHG entgegen.
Gemäß § 15
BSHG sind die "erforderlichen Kosten einer Bestattung" zu übernehmen, "soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden
kann, die Kosten zu tragen". Dieser Kostenübernahmeanspruch ist ein eigenständiger sozialhilferechtlicher Anspruch, dessen
Bedarfsstruktur sich wesentlich von derjenigen sonstiger Leistungen zum Lebensunterhalt und insbesondere der einmaligen Leistungen
unterscheidet, wie sie der - allerdings erst durch das hier mehr nicht anwendbare Gesetz vom 23. Juni 1993 (BGBl I S. 944) eingefügte - § 21 Abs. 1 a
BSHG anführt; es handelt sich nicht um einen typischen Sozialhilfeanspruch, dem eine vorzeitige Bedarfsdeckung anspruchsverhindernd
entgegengehalten werden könnte.
Die Bestattung und Begleichung der Bestattungsrechnung ohne vorherige Unterrichtung der Sozialhilfebehörde ist den Fällen
einer Beseitigung der sozialhilferechtlichen Notlage vor Kenntnis und Entscheidung der Behörde nicht vergleichbar, so daß
die dafür in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze (vgl. nur Urteil vom 23. Juni 1994 -
BVerwG 5 C 26.92 - [BVerwGE 96, 152, 155, 157 = Buchholz 436. 0 § 5
BSHG Nr. 12 S. 4, 6]) nicht angewandt werden können.
Die Verpflichtung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe zur Übernahme der Kosten einer Bestattung setzt nach § 15
BSHG allein voraus, daß es sich um "erforderliche" Kosten handelt, und daß dem Verpflichteten die Kostentragung nicht "zugemutet"
werden kann. Dieser Anspruch auf Kostenübernahme unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von den typischen Fällen der Hilfe
zum Lebensunterhalt. Hinsichtlich der allgemeinen sozialhilferechtlichen Anspruchsvoraussetzungen stellt das Gesetz nicht
auf die Bedürftigkeit ab, sondern verwendet die eigenständige Leistungsvoraussetzung der Unzumutbarkeit. Im Gegensatz zu anderen
Bedarfsfällen, bei denen der Sozialhilfeträger den Bedarf im Ganzen zu decken hat und sich nicht auf einen bloßen Zuschuß
beschränken darf, faßt § 15
BSHG von vornherein die Möglichkeit eines bloßen Kostenzuschusses ("Soweit") ins Auge. Das Gesetz stellt als maßgeblichen sozialhilferechtlichen
Bedarf auch nicht auf die Durchführung der Bestattung ab, sondern auf die dafür erforderlichen Kosten. Damit trägt es dem
Umstand Rechnung, daß die Person des "Verpflichteten" im Zeitpunkt der Bestattung häufig noch ungeklärt ist und der Veranlasser
bzw. Auftraggeber der Bestattung und der Verpflichtete auseinanderfallen können. Steht im Zeitpunkt der Beisetzung der letztlich
"Verpflichtete" aber noch nicht fest, wäre es nicht sachgerecht, den Kostenübernahmeanspruch davon abhängig zu machen, ob
der Veranlasser der Bestattung das Sozialamt vorher informiert hat. Da § 15
BSHG den Sozialhilfeträger ohnehin nur zur Übernahme der "erforderlichen" Kosten verpflichtet, ist die Unterrichtung auch unter
Sparsamkeitsgesichtspunkten nicht notwendig; allerdings laufen Verpflichtete, welche die Bestattung nicht vorher mit dem Sozialamt
abklären, Gefahr, daß dieses die Erforderlichkeit der Ausgaben in Frage stellt. Schließlich kann auch die Zumutbarkeitsprüfung
eine Berücksichtigung von Umständen erfordern, welche sich nicht schon im Zeitpunkt der Bestattung, sondern erst im Nachhinein
- nach Klärung insbesondere der Erbschaftsfragen - abschließend beurteilen lassen. Als maßgeblicher sozialhilferechtlicher
Bedarf der Sozialleistung des § 15
BSHG ist daher nicht die Bestattung als solche bzw. der damit zusammenhängende Sachbedarf anzusehen, sondern die Entlastung des
Verpflichteten von den Kosten, soweit diese ihm nicht zugemutet werden können. Kraft spezieller Normierung erkennt damit das
Gesetz in § 15
BSHG ausnahmsweise eine Verbindlichkeit als sozialhilferechtlichen Bedarf an.
Diese Sonderstellung des Kostenübernahmeanspruchs nach § 15
BSHG im Rahmen des Systems sozialhilferechtlicher Ansprüche erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Nach der
bis zum Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes geltenden Vorgängerbestimmung in § 6 Abs. 1 Satz 2 der Reichsgrundsätze
über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge (Fassung vom 1. August 1931 [RGBl I S. 441], zuletzt geändert durch
Gesetze vom 20. August 1953 [BGBl I S. 967] und vom 4. Juli 1957 [BGBl I S. 693]) hatte die Fürsorge - neben dem in Satz 1
genannten notwendigen Lebensbedarf des Hilfebedürftigen - "nötigenfalls" auch den Bestattungsaufwand zu bestreiten. Während
diese Vorschrift an die Hilfebedürftigkeit des Verstorbenen anknüpfte und dieser als Empfänger der Fürsorge galt (vgl. BVerwG,
Beschluß vom 28. Mai 1955 - BVerwG 5 B 214.54 - [FEVS 2, S. 21], ist der Träger des Anspruchs nach § 15
BSHG derjenige, der verpflichtet ist, die Bestattungskosten zu tragen (BVerwG, Urteil vom 31. August 1966 - BVerwG 5 C 162.65 - [BVerwGE 25, 23]; vgl. auch Gutachten NDV 1964, S. 562). Der Gesetzgeber wollte an die fürsorgerechtliche Verantwortung für eine würdige Bestattung Hilfebedürftiger anknüpfen (vgl.
die Amtliche Begründung, BTDrucks 3/1799, S. 40 zu § 14: "Wie das geltende Recht ... sieht auch § 14 die Übernahme von Bestattungskosten
vor. Sie ist davon abhängig, daß dem hierzu Verpflichteten, in der Regel dem Erben [§ 1968 BGB], die Übernahme der Kosten
nicht zugemutet werden kann. Ob dies der Fall ist, muß sich nach der Besonderheit des Einzelfalles richten. " Der Ausschußbericht,
BTDrucks 3/2673, S. 4, weist darauf hin, daß der Träger die Kosten einer der Würde des Toten entsprechenden Bestattung zu
übernehmen habe), verwandelte dabei aber den rechtlichen Ansatz von dem einer Fürsorgeleistung an den Verstorbenen zu dem
einer sozialhilferechtlichen Unterstützung des "Verpflichteten" durch Kostenentlastung. Mit dem rechtlichen Kriterium der
Zumutbarkeit der Kostentragung weicht die Regelung dabei sowohl hinsichtlich der Normierung der Voraussetzungen der sozialhilferechtlichen
Bedürftigkeit wie des Bedarfs selbst von der Regelstruktur sozialhilferechtlicher Ansprüche ab. Es widerspräche der besonderen
rechtlichen Qualität dieser Bestimmung als einer eigenständigen und speziellen Kosten- und Schuldenübernahmeanordnung, wenn
die Übernahme davon abhängig wäre, daß die Sozialhilfebehörde vor der anstehenden Bestattung unterrichtet worden ist und die
Bestattungskosten vor der Entscheidung über die Hilfe noch nicht bezahlt worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs.
2
VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf §
188 Satz 2
VwGO.