Sozialhilferecht - Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers des "Anstaltsortes", tatbestandliche Rückanknüpfung an einen
gewöhnlichen Aufenthalt vor Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes in den neuen Bundesländern; Sozialhilferecht, Erstattungsansprüche
zwischen Sozialhilfeträgern der neuen Bundesländer
Gründe:
I. Die Klägerin, örtlicher Träger der Sozialhilfe im Freistaat Thüringen, streitet mit dem Beklagten, überörtlicher Träger
der Sozialhilfe im Freistaat Sachsen, darüber, ob ein Erstattungsanspruch nach § 103 BSHG F. 1991 auch auf einen vor dem 1. Januar 1991 (dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundessozialhilfegesetzes in den neuen
Bundesländern) im Bereich der früheren DDR begründeten gewöhnlichen Aufenthalt gestützt werden kann. Streitgegenstand ist
seit dem Berufungsverfahren nur noch ein Erstattungsanspruch in Höhe von 8 020,54 DM für den Zeitraum vom 8. Januar 1992 bis
zum 31. Dezember 1992.
Die Klägerin hatte einem Hilfeempfänger, der seit 1986 in dem in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich gelegenen Feierabend-
und Pflegeheim Döllberg lebte, vom 1. März 1991 bis zum 31. Dezember 1992 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in Form der Übernahme
der ungedeckten Kosten der Heimunterbringung einschließlich eines Barbetrags gewährt (Bewilligungsbescheid vom 27. Mai 1991).
Der 1904 geborene Hilfeempfänger hatte bis 1986 in einer eigenen Wohnung in Waldheim (heutiges Gebiet des Freistaates Sachsen)
gelebt. Seit 8. November 1991 ist der Hilfeempfänger in die "Pflegestufe 2" (Heimbewohner mit Pflegebedarf) eingestuft. Anfang
1993 verzog der Hilfeempfänger in ein Altenheim im Zuständigkeitsbereich eines anderen Sozialhilfeträgers.
Erstmals am 8. Juli 1991 machte die Klägerin, gestützt auf § 103 BSHG F. 1991, beim überörtlichen Träger der Sozialhilfe des Freistaates Sachsen Kostenerstattungsansprüche ab 1. November 1991
geltend. Dies lehnte der Beklagte unter dem 11. März 1993 ab: Eine Kostenerstattung nach § 103 BSHG F. 1991 setze voraus, daß auf einen gewöhnlichen Aufenthalt zurückgegriffen werden könne, den der Hilfeempfänger im Geltungsbereich
des Bundessozialhilfegesetzes begründet habe. Dies sei vor dem 1. Januar 1991 im Gebiet der neuen Bundesländer nicht möglich
gewesen. Dieser Mangel sei auch nicht durch den Beitritt geheilt worden.
Der daraufhin erhobenen Klage auf Zahlung der seit November 1991 bis einschließlich Dezember 1992 aufgewendeten Kosten in
Höhe von insgesamt 9 224,12 DM hat das Verwaltungsgericht in Höhe von 8 020,54 DM stattgegeben. Die Teilabweisung hat es damit
begründet, daß eine Kostenerstattung für den Zeitraum vom 1. November 1991 bis zum 7. Januar 1992 an § 112 Satz 2 BSHG scheitere.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils die Klage
in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt (SächsVBI 1998, 136): Für Hilfeempfänger aus
dem Beitrittsgebiet, die vor dem 1. Januar 1991 in ein Heim aufgenommen worden seien, könne auch für Leistungen, die für diese
nach dem 1. Januar 1991 aufgewandt worden seien, von dem Sozialhilfeträger, zu dessen heutigem Zuständigkeitsbereich der gewöhnliche
Aufenthaltsort im Zeitpunkt der Aufnahme in das Heim zu rechnen sei, keine Erstattung nach § 103 BSHG F. 1991 begehrt werden. Entgegen der vom Thüringischen Oberverwaltungsgericht vertretenen Auffassung ergebe sich aus einer
Gesamtschau der Kostenerstattungsregelungen nach §§ 103 ff. BSHG unter Einbeziehung des § 106 BSHG F. 1991, daß es für den Regelfall der Erstattungsansprüche auf einen Aufenthalt im Geltungsbereich des Bundessozialhilfegesetzes
ankomme. Es sei demgemäß vor der Wiedervereinigung auch völlig unstreitig gewesen, daß ein Aufenthaltsort in der DDR als nicht
vorhanden im Sinne von § 106 BSHG F. 1991 anzusehen gewesen sei. Im Zeitpunkt der Aufnahme des Hilfebedürftigen in das Feierabend- und Pflegeheim Döllberg
habe jedoch das Bundessozialhilfegesetz weder im jetzigen Zuständigkeitsbereich des Beklagten gegolten noch sei der Beklagte als Öffentlich-rechtliche Körperschaft
in diesem Zeitpunkt Überhaupt geschaffen gewesen. An dieser Sachlage ändere sich auch nichts dadurch, daß gemäß Art. 8 i.V.m.
Anlage I Kap. X Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 3 des Einigungsvertrages das Bundessozialhilfegesetz in den neuen Bundesländern und damit auch im Freistaat Sachsen ab 1. Januar 1991 in Kraft getreten sei. Dies könne sich auf
die Entstehung des Erstattungsanspruchs deshalb nicht mehr auswirken, weil der den Anspruch auslösende Sachverhalt, nämlich
die Aufnahme in das Pflegeheim, bereits vor der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes im Beitrittsgebiet abgeschlossen gewesen
sei. Es bestehe auch keine Notwendigkeit, den § 103 BSHG F. 1991 entsprechend anzuwenden, denn es fehle bereits an einer Regelungslücke, weil Fälle dieser Art von § 106 BSHG F. 1991 erfaßt würden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils
erstrebt. Sie rügt Verletzung des § 103 BSHG F. 1991.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Ansicht des Berufungsgerichts.
Die Beteiligten haben Übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs haben die Vorinstanzen trotz des zwischenzeitlich aufgehobenen § 113 a BSHG (vgl. Art. 1 Nr. 35 des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996, BGBl I S. 1088) zu Recht bejaht (vgl. BVerwGE 100, 305, 307).
Die Ansicht des Berufungsgerichts, Erstattung nach § 103 BSHG F. 1991 könne auch für Leistungen, die nach dem Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes im Beitrittsgebiet aufgewandt
worden seien, nicht begehrt werden, wenn der Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung vor dem Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes
im Beitrittsgebiet liege, verletzt jedoch Bundesrecht (§
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO). Da eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits noch tatsächliche Feststellungen erfordert, die zu treffen dem Revisionsgericht
verwehrt ist (§
137 Abs.
2 VwGO), muß die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen werden (§
144 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 VwGO).
Nach § 103 Abs. 1 Satz 1 des Bundessozialhilfegesetzes in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 10. Januar
1991 (BGBl I S. 94 ber. S. 808) - BSHG F. 1991 - sind Kosten, die ein Träger der Sozialhilfe für den Aufenthalt eines Hilfeempfängers in einer Anstalt, einem Heim
oder- einer gleichartigen Einrichtung oder im Zusammenhang hiermit aufgewendet hat, von dem sachlich zuständigen Träger zu
erstatten, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung
hat oder in den 2 Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat.
Dafür, daß als gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Heimaufnahme nur ein solcher im Geltungsbereich des Bundessozialhilfegesetzes
in Betracht komme, 14ßt sich dem Gesetz kein Anhaltspunkt entnehmen. Im Gegenteil ergibt sich aus § 144 BSHG im Gegenschluß, daß für die Anwendbarkeit der Erstattungsvorschriften des 9. Abschnitts auch Aufenthaltsverhältnisse von
Bedeutung sein können, die weit vor dem Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes liegen, mithin § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG F. 1991, der bereits wortgleich in der Ursprungsfassung des Bundessozialhilfegesetzes enthalten war, eine tatbestandliche
Rückanknüpfung an vor dem Inkrafttreten liegende Aufenthaltsverhältnisse erlaubt. Denn § 144 BSHG nimmt nur "in zwei Ausnahmefällen" (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 111/1799, S. 64 zu § 136) die Kostenerstattung
zwischen den Trägern der Sozialhilfe aus dem Anwendungsbereich des neuen Rechts heraus, nämlich (Nr. 1) bei allen Leistungen,
die für eine vor Inkrafttreten des neuen Rechts liegende Zeit gewährt worden sind, und (Nr. 2) in den Fällen, in denen vor
Inkrafttreten des neuen Rechts die Pflicht zur Kostenerstattung durch Anerkennung oder rechtskräftige Entscheidung festgestellt
worden ist (vgl. BVerwGE 28, 361, 362 f.). Ansonsten richtete sich mit dem Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes die Kostenerstattung uneingeschränkt
nach den Bestimmungen des 9. Abschnitts (Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks 111/1799, S. 64 zu § 136). Daraus folgt,
daß Fälle, in denen vor Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes der Wechsel vom Ort des gewöhnlichen Aufenthalts an den
Ort der Einrichtung und die Aufnahme in diese erfolgt waren und Leistungen für eine nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts
liegende Zeit gewährt worden sind, nach § 103 BSHG zu beurteilen sind (vgl. Schellhorn/Reinehr/Schwörer, Die Kostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe, der Jugendhilfe
und der Kriegsopferfürsorge, 1966, S. 189 sowie BayVGH, Urteile vom 20. September 1994 - VGH 12 B 93.974 -, Urteilsabdruck S. 6 f. und vom 28. Oktober 1994 - VGH 12 B 92.1534 - (Urteilsabdruck S. 8). Für das Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes in den neuen Bundesländern kann
nichts anderes gelten (vgl. ThürOVG, Urteil vom 27. August 1996 - 2 KO 310/95 (ThürVBl 1997, 37 = ZfSH/SGB 1997, 33 = ZfS 1997, 56 = FamRZ 1997, 519 = FEVS 47, 398 ; OVG LSA, Urteil vom 24. September 1997 - A 3 S 259/96 -, Urteilsabdruck S. 10 ff. ; ZSpr, Schiedsspruch vom 19. Juni 1997 - B 106/95 -, ZfF 1997, 252 ; Gutachten des Dt. Vereins vom 9. Dezember 1991, NDV 1992, 66 f.; Knopp/Fichtner, BSHG, 7. Aufl. 1992, § 103 Rn. 1 Abs. 2; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl. 1997, § 103 Rn. 42; Mergler/Zink, BSHG, Std.: 24. Lfg. Januar 1998 , § 103 Rn. 4).
Die demgegenüber angeführten systematischen Einwände des Berufungsgerichts Überzeugen nicht. § 103 BSHG F. 1991 ist ebensowenig eine - eng auszulegende - Ausnahmevorschrift zu § 97 BSHG wie die Übrigen Vorschriften des 9. Abschnitts. § 103 BSHG läßt vielmehr als Erstattungsvorschrift die in § 97 BSHG geregelte örtliche Zuständigkeit unberührt und dient als Regulativ eines gerechten Soziallastenausgleichs zwischen Sozialhilfeträgern
anderen Zwecken als die an Gesichtspunkten einer schnellen und effektiven Hilfeleistung für den in Not geratenen Bürger (vgl.
BVerwGE 95, 60 (62 f.) ausgerichtete Zuständigkeitsvorschrift.
Auch aus § 106 BSHG F. 1991 folgt nichts für die Ansicht des Berufungsgerichts. Diese - durch Art. 7 Nr. 25 FKPG (BGBl 1993 1 S. 944) mit Wirkung vom 1. Januar 1994 aufgehobene - Vorschrift hatte eine lückenfüllende Funktion. Sie sollte lediglich die Fälle
erfassen, in denen - unter der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes - Erstattungsansprüche nach den §§ 103 bis 105 BSHG F. 1991 deshalb nicht zur Entstehung gelangen konnten, weil es an dem tatbestandlichen Anknüpfungsmoment eines gewöhnlichen
Aufenthalts im Geltungsbereich des Bundessozialhilfegesetzes fehlte. Solange der Geltungsbereich des Bundessozialhilfegesetzes
auf das Gebiet der alten Bundesländer beschränkt war, hatten örtliche Träger der Sozialhilfe, die für den Heimaufenthalt eines
aus der DDR in eine Einrichtung i.S. des § 103 BSHG F. 1991 übergesiedelten Hilfeempfängers Kosten aufgewendet hatten, als Ersatz für einen nach § 103 BSHG F. 1991 nicht zur Entstehung gelangten Erstattungsanspruch einen inhaltsgleichen Anspruch gegen ihren Überörtlichen Träger
nach § 106 BSHG F. 1991.
Mit dem Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes im Gebiet der neuen Bundesländer hat § 106 BSHG F. 1991 seine Bedeutung für alle Erstattungsfälle mit DDR-Anknüpfung verloren (vgl. auch Knopp/Fichtner, aaO., § 106 Rn.
6). Der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts in der früheren DDR liegt nunmehr im Geltungsbereich des Bundessozialhilfegesetzes,
so daß § 103 BSHG F. 1991 aufgrund der ihm immanenten tatbestandlichen Rückanknüpfung auch an Aufenthaltsverhältnisse vor seinem Inkrafttreten
umfassend zum Tragen kommt und den § 106 BSHG F. 1991 verdrängt.
Den Überleitungsvorschriften des Einigungsvertrages ist Abweichendes nicht zu entnehmen. Die dem Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes
im Beitrittsgebiet zum 1. Januar 1991 nach Anlage I Kap. X Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 3 beigegebenen Maßgaben betreffen
ihrem ausdrücklichen Wortlaut nach das Kostenerstattungsrecht zwischen Sozialhilfeträgern nicht, so daß davon auszugehen ist,
daß die §§ 103 ff. BSHG nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien ab dem 1. Januar 1991 ohne Einschränkung auch im Beitrittsgebiet gelten
sollen. Ob die Rücksichtnahme auf die im Beitrittsgebiet vorgefundene, durch ein niedrigeres Einkommens- und Verbrauchsniveau
und durch einen kurzfristig nicht behebbaren Mangel an sozialen Diensten und Einrichtungen gekennzeichnete Ausgangslage, die
in Nr. 3 b) der Maßgaben aufscheint (vgl. BTDrucks 11/7817 S. 164 zu Abschnitt III Nr. 3), eine Einschränkung von Erstattungsansprüchen
der Sozialhilfeträger in den alten Bundesländern gegen Sozialhilfeträger des Beitrittsgebiets rechtfertigen könnte (so z.B.
Putz, NDV 1991, 59, 62 und VG Meiningen, Urteil vom 7. Februar 1996 - 8 K 502/94.Me -, Urteilsabdruck S. 8 ff. ; a.A. Gutachten des Dt. Vereins vom 4. März 1991, NDV 1991, 166, 168 ; Schellhorn/Jirasek/Seipp, aaO. § 103 Rn. 43; Knopp/Fichtner, aaO.), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn Erstattungsansprüche,
die - wie hier - nur zwischen Sozialhilfeträgern der neuen Bundesländer erhoben werden, werden jedenfalls vom Zweckgehalt
der Maßgabe Nr. 3 b) nicht in Frage gestellt.
Dies gilt um so mehr, als § 103 BSHG F. 1991 dem kostenrechtlichen "Schutz der Anstaltsorte" (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1992 - BVerwG 5 C 23.89 -, Buchholz 436.51 § 83 JWG Nr. 1 S. 4 f.) dient und seinem Sinn, einen Sonderlastenausgleich zwischen Anstaltsorten und
den Orten des gewöhnlichen Aufenthalts der Hilfebedürftigen vor ihrer Aufnahme in die Einrichtung herbeizuführen, besondere
Bedeutung in einem Gebiet zukommt, das durch einen kurzfristig nicht behebbaren Mangel an sozialen Diensten und Einrichtungen
und einer daraus resultierenden ungleichen örtlichen Verteilung von Einrichtungen gekennzeichnet ist. Es ist nichts dafür
ersichtlich, daß die Parteien des Einigungsvertrages gerade den Anstaltsorten im Beitrittsgebiet besondere Lasten aufbürden
wollten. Ebensowenig spricht irgendetwas dafür, daß die für die Anstaltsorte zuständigen Sozialhilfeträger im Beitrittsgebiet
auf einen Erstattungsanspruch gegen ihren Überörtlichen Sozialhilfeträger (§ 106 BSHG F. 1991) verwiesen werden sollten. Denn dies hätte zur Folge, daß die sozialen Lasten die einzelnen Bundesländer und Gebietskörperschaften
des Beitrittsgebiets - je nach ihrer Ausstattung mit kostenträchtigen Einrichtungen - ganz unterschiedlich treffen würden.
Eine erstattungsrechtliche Privilegierung einrichtungsarmer Gebiete in den neuen Bundesländern gegen-über denen mit vorhandener
sozialer Infrastruktur und entsprechender Sozialhilfebelastung lag ersichtlich außerhalb der Regelungsabsicht der Maßgabe
Nr. 3 b).
Schließlich ist eine einschränkende Auslegung des § 103 BSHG F. 1991 auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Die Einbeziehung auch von zeitlich vor dem Inkrafttreten des
Bundessozialhilfegesetzes liegenden Aufenthaltsverhältnissen in den sachlichen Geltungsbereich des § 103 BSHG F. 1991 beinhaltet keine rückwirkende Setzung von Rechtsfolgen für einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt, sondern lediglich
eine tatbestandliche Rückanknüpfung an einen vor Inkrafttreten des Gesetzes liegenden Sachverhalt, um einen Erstattungsanspruch
für nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erfolgte Sozialhilfeleistungen zu konstituieren. Das ist als "unechte Rückwirkung"
(vgl. BVerfGE 95, 64, 86) bzw. als "tatbestandliche Rückanknüpfung" (vgl. BVerfGE 72, 200 (242 f. ; 92, 277, 325) in Ermangelung schutzwürdiger Bestandsinteressen der Sozialhilfeträger der neuen Bundesländer verfassungsrechtlich
unbedenklich.
War nach alledem § 103 BSHG F. 1991 im vorliegenden Falle anzuwenden, so konnte das auf die gegenteilige Rechtsauffassung gestützte Berufungsurteil keinen
Bestand haben. über die Feststellung hinaus, daß der Hilfeempfänger seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor Aufnahme in
das Feierabend- und Pflegeheim Döllberg in Waldheim im jetzigen Zuständigkeitsbereich des Beklagten hatte, hat anders als
das Verwaltungsgericht - das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine weiteren, für die Bejahung
des Erstattungsanspruchs nach den §§ 103, 111 BSHG erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen. Das nötigt zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht.