Ausbildungsförderungsrecht - Altersgrenze, Ausbildungsförderung nach Überschreiten der Ausbildungsförderung für Asylberechtigten;
- nach Überschreitung der Altersgrenze; Ausbildung, persönliche Hinderungsgründe bei anerkanntem Asylberechtigten; Ausbildungsbeginn,
Verzögerung durch Nichterfüllung von Zulassungsvoraussetzungen
Gründe:
I.
Der am 30. Juni 1960 im Iran geborene Kläger hat dort 1979 das Reifezeugnis in der Fachrichtung "Empirische (Experimentelle)
Wissenschaften" erworben. Danach war er als Topograph und als Schweißer berufstätig oder arbeitslos. Im Januar 1986 reiste
er in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde hier am 11. Juni 1987 als Asylberechtigter anerkannt. Von Mai 1986 bis
September 1987 besuchte er einen Deutschlehrgang an der Volkshochschule B. und von Februar 1988 bis November 1988 einen weiteren
Deutschkurs in St. A.
Seit Sommer 1988 bemühte der Kläger sich erfolglos bei verschiedenen Fachhochschulen um Zulassung zum Studium. Die Fachhochschule
K. lehnte seine Bewerbung wegen seines nur eingeschränkt anerkennungsfähigen fachgebundenen Reifezeugnisses ab. In Hessen
hätte der Kläger vor einem Fachhochschulbesuch zunächst das Studienkolleg für ausländische Studierende an der Fachhochschule
in G. besuchen und eine Feststellungsprüfung absolvieren müssen, weil sein Reifezeugnis gemäß Bescheid des Studienkollegs
vom 29. Juni 1988 lediglich in die Bewertungsstufe III eingestuft worden war. Der Kläger bestand jedoch die - beliebig oft
wiederholbare - Aufnahmeprüfung für das Studienkolleg weder beim ersten Versuch am 1. September 1988 noch bei der Wiederholungsprüfung
am 6. Februar 1989. Der Regierungspräsident Düsseldorf verlangte vom Kläger auf seinen Antrag auf Zuweisung zu einem Studienkolleg
wegen des Notendurchschnitts von unter 15 Punkten im Reifezeugnis einen Nachweis über die erfolgreiche Teilnahme am fachlichen
Teil der iranischen interuniversitären Hochschulaufnahmeprüfung (Schreiben vom 19. April 1989), den der Kläger jedoch nicht
erbringen konnte.
Nach einer Vorbereitungsschulung ("Trainingsmaßnahme") im Berufsbildungswerk St. A. von Januar bis März und Juli bis November
1989 unterzog sich der Kläger vom 1. Dezember 1989 bis zum 29. November 1991 einer beruflichen Umschulung zum Kommunikationselektroniker;
vom 6. Juni 1991 bis 28. November 1991 nahm er dabei zusätzlich an einem Lehrgang Mikroprozessortechnik teil. Im Januar 1992
erwarb er den Facharbeiterbrief; dann besuchte er vom 9. März bis 10. Juli 1992 an der R. Akademie K. einen Lehrgang Automatisierungstechnik.
Mit Schreiben vom 13. November 1992 ließ die R. Fachhochschule K. den Kläger mit Wirkung zum Sommersemester 1993 zum Studium
der Elektrotechnik zu. Am 23. November 1992 beantragte er hierfür Ausbildungsförderung. Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid
vom 20. Januar 1993 ab, weil der Kläger bereits die Altersgrenze von 30 Jahren überschritten habe (§
10 Abs.
3 Satz 1
BAföG). Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei aus persönlichen Gründen gehindert gewesen, das Studium rechtzeitig
zu beginnen (§
10 Abs.
3 Satz 2 Nr.
3 BAföG). Der Erwerb des Facharbeiterbriefs sei für ihn die einzige Möglichkeit gewesen, eine Hochschulzugangsberechtigung zu erlangen.
Das Landesamt für Ausbildungsförderung wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 1993).
Die verspätete Studienaufnahme sei allein dem subjektiven Unvermögen des Klägers zuzuschreiben, die Aufnahmeprüfung für das
Studienkolleg in G. zu bestehen.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage hat der Kläger geltend gemacht, ihm sei Ende 1988 von einer Mitarbeiterin der
R. Fachhochschule erklärt worden, daß für die Aufnahme eines Studiums zunächst der Erwerb eines Facharbeiterbriefes erforderlich
sei. Daraufhin habe er sich zu der Umschulungsmaßnahme entschlossen, deren Voraussetzung wiederum die Trainingsmaßnahme in
St. A. gewesen sei. Früher habe er das Fachhochschulstudium nicht aufnehmen können. Der Beklagte berief sich auf eine Auskunft
des Rektors der R. Fachhochschule vom 19. Juni 1995, wonach der Kläger ohne weiteres zum Studium hätte zugelassen werden können.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die Berufung des Klägers den Beklagten
unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger dem Grunde nach Ausbildungsförderung zu gewähren. Zur
Begründung hat es ausgeführt: Ein persönlicher Hinderungsgrund im Sinne des §
10 Abs.
3 Satz 2 Nr.
3 BAföG liege auch im Fall eines Asylberechtigten vor, wenn für die Anerkennung seines im Herkunftsland erworbenen Bildungsabschlusses
eine weitere Ausbildung benötigt werde. Dies sei beim Kläger der Fall, da er aus zwingenden persönlichen Gründen nicht in
der Lage gewesen sei, das Fachhochschulstudium vor Vollendung des 30. Lebensjahres aufzunehmen. Wegen des ungünstigen Notendurchschnitts
seines iranischen Abiturzeugnisses habe er nicht sofort das Fachhochschulstudium aufnehmen können, sondern zuerst ein Studienkolleg
absolvieren und die Feststellungsprüfung bestehen müssen. Die anderweitige Auskunft des Rektors der R. Fachhochschule vom
19. Juni 1995 sei falsch, weil das Zeugnis des Klägers nicht der Bewertungsgruppe I, sondern nur der Bewertungsgruppe III
entspreche. Auch die Schreiben der Fachhochschule K. und des Regierungspräsidenten Düsseldorf zeigten, daß das Reifezeugnis
des Klägers für die unmittelbare Aufnahme eines Fachhochschulstudiums nicht ausgereicht habe. Er sei daher aus zwingenden
persönlichen Gründen gehindert gewesen, das Studienkolleg so rechtzeitig zu besuchen, daß er bereits zum Sommersemester 1990
mit dem Fachhochschulstudium hätte beginnen können. Vor der Anerkennung als Asylberechtigter sei dies ohnehin nicht möglich
gewesen; auch der bis November 1988 dauernde Deutschkurs müsse ihm zugute gehalten werden. Aufgrund des zweimaligen Nichtbestehens
der Aufnahmeprüfung für das Studienkolleg G. habe objektiv festgestanden, daß er die dortigen Zulassungsvoraussetzungen nicht
erfüllt habe, ohne daß Anhaltspunkte dafür bestünden, daß er dies schuldhaft verursacht habe. Ob er es schuldhaft unterlassen
habe, die Aufnahmeprüfung ein weiteres Mal abzulegen, könne offenbleiben, da er auch in diesem Fall das Fachhochschulstudium
erst nach Vollendung des 30. Lebensjahres, nämlich frühestens zum Wintersemester 1990/91, hätte aufnehmen können. Eine sonstige
Möglichkeit, wie der Kläger noch vor Vollendung des 30. Lebensjahres die Zulassungsvoraussetzung für das Fachhochschulstudium
der Elektrotechnik hätte erfüllen können, sei nicht zu erkennen. Ob der Kläger nach Erwerb des Facharbeiterbriefs im Januar
1992 das Studium unverzüglich im Sinne von §
10 Abs.
3 Satz 3
BAföG aufgenommen habe, könne dahingestellt bleiben, da dieses Erfordernis erst durch das 17. BAföGÄndG vom 24. Juli 1995 eingeführt
worden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten, der eine Verletzung von §
10 Abs.
3 Satz 2 Nr.
3 BAföG rügt und der Meinung ist, der Kläger hätte das Nichtbestehen der Aufnahmeprüfungen für das Studienkolleg in G. durch eine
bessere Vorbereitung vermeiden können. §
10 Abs.
3 Satz 2 Nr.
3 BAföG scheide auch schon deshalb aus, weil der Kläger mangels (iranischer) interuniversitärer Hochschulaufnahmeprüfung nicht zum
Studium hätte zugelassen werden dürfen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er macht geltend, daß seine Lebensplanung im Iran nicht darauf gerichtet gewesen
sei, später einmal in der Bundesrepublik Deutschland zu studieren, und daß er den Iran erst verlassen habe, als er infolge
politischer Drangsalierung und Rückstufung vom Topographen zum Schweißer keine Lebensperspektive mehr gesehen habe. Der Deutschkurs
von nur drei Wochenstunden, an dem er nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland von Mai 1986 bis September 1987
teilgenommen habe, habe ihn in keiner Weise auf eine Hochschulausbildung vorbereitet. Aus seinem Versagen in der Aufnahmeprüfung
zum Studienkolleg könne ihm kein Vorwurf gemacht werden. Er habe sich dem ersten Versuch schon vor Abschluß seines Deutschkurses
in der Annahme gestellt, daß ihm daraus keine Nachteile erwachsen könnten.
Der Oberbundesanwalt unterstützt die Revision.
II.
Auf die Revision des Beklagten, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 141 Satz 1 in Verbindung mit §
125 Abs.
1 Satz 1 und §
101 Abs.
2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung
und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§
144 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 VwGO).
Zutreffend geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, daß ein persönlicher Hinderungsgrund im Sinne des §
10 Abs.
3 Satz 2 Nr.
3 BAföG vorliegen kann, wenn ein Asylberechtigter einen Ausbildungsabschnitt (hier: ein Fachhochschulstudium) erst nach Vollendung
des 30. Lebensjahres beginnt, weil er an einer rechtzeitigen Studienaufnahme wegen der eingeschränkten Anerkennungsfähigkeit
seines im Herkunftsland erworbenen Reifezeugnisses gehindert war und für die Zulassung zur Hochschule noch eine Zusatzqualifikation
erwerben mußte.
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß ein persönlicher Hinderungsgrund dann vorliegt, wenn der Auszubildende
aus von ihm nicht zu vertretenden, in seinen persönlichen Lebensverhältnissen liegenden Gründen eine objektiv gegebene Chance,
eine seiner Neigung und Eignung entsprechende Ausbildung zu beginnen, bis zum Erreichen der Altersgrenze nicht wahrnehmen
konnte; für die Frage, ob der Auszubildende den späten Ausbildungsbeginn zu vertreten hat, ist auf den gesamten Zeitraum bis
zur Vollendung des 30. Lebensjahres abzustellen (vgl. Beschlüsse vom 8. März 1989 - BVerwG 5 B 17.89 - [Buchholz 436.36 § 10 Nr. 15] und vom 6. November 1991 - BVerwG 5 B 121.91 - [ebd. Nr. 18 m.w.N.]). Hatte er in regulärer Schulzeit noch keine Zugangsberechtigung zur Hochschule erworben, dann ist
zu prüfen, ob er in der Zeit bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres keine Chance hatte, diese Qualifizierung zu erlangen
(vgl. Beschluß vom 6. April 1988 - BVerwG 5 B 152.87 - [Buchholz a.a.O. Nr. 13 S. 3] unter Hinweis auf Urteil vom 16. Oktober 1980 - BVerwG 5 C 64.78 - [BVerwGE 61, 87 bzw. Buchholz a.a.O. Nr. 3]).
Für einen Asylberechtigten, der erst nach Vollendung des 30. Lebensjahres einen Ausbildungsabschnitt beginnt, bedeutet dies,
daß nicht nur der Zeitraum seit der Anerkennung als Asylberechtigter, sondern auch die Zeit vor der Ausreise aus dem Herkunftsland
unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens eines persönlichen Hinderungsgrundes zu würdigen ist.
Eine solche umfassende Prüfung hat das Oberverwaltungsgericht nicht vorgenommen, sondern sich bei der Prüfung der Frage, ob
der Kläger den späten Ausbildungsbeginn zu vertreten hat, auf den Zeitraum nach der Anerkennung als Asylberechtigter beschränkt.
Für eine solche Verkürzung des förderungsrechtlich in den Blick zu nehmenden Verhinderungszeitraumes besteht jedoch auch im
Falle eines anerkannten Asylberechtigten kein sachlicher Grund. Zwar wird es häufig zutreffen, daß der Grund, weshalb ein
anerkannter Asylberechtigter sich zu einer beruflichen Neuorientierung und einer weiteren Ausbildung entschließt, für welche
er noch nicht hinreichend qualifiziert ist, gerade in der verfolgungsbedingten Änderung der Lebensperspektive liegt, doch
müssen die für die berufliche Situation maßgeblichen Umstände nicht notwendig verfolgungsbedingt sein. Sie können ebensogut
mit bereits im Herkunftsland eigenverantwortlich getroffenen Entscheidungen des Asylberechtigten zusammenhängen, die er in
förderungsrechtlichem Sinne selbst zu vertreten hat, oder damit, daß er sich im Herkunftsland für bestimmte Ausbildungen verfolgungsunabhängig
nicht hinreichend qualifiziert hatte. Es ist daher jeweils im Einzelfall festzustellen, ob der Asylberechtigte bereits im
Herkunftsland Qualifikations- und Studienchancen hatte, die das Vorliegen eines nicht zu vertretenden persönlichen Hinderungsgrundes
in Frage stellen. Das Berufungsgericht hätte daher feststellen müssen, warum der Kläger im Iran nicht studiert, sondern eine
praktische Berufstätigkeit ausgeübt hat. Sollte die unterlassene Aufnahme eines Hochschulstudiums im Iran in Zusammenhang
mit der politischen Verfolgung stehen, dürfte das Vorliegen eines persönlichen Hinderungsgrundes kaum zweifelhaft sein; sollte
es sich jedoch um die Folge eines nicht ausreichenden Reifezeugnisses, des Nichtbestehens universitärer Aufnahmeprüfungen
oder einer vom Kläger frei getroffenen beruflichen Entscheidung handeln, hätte der Kläger derartige Umstände wie ein deutscher
Auszubildender zu vertreten. Bereits der Umstand, daß das Berufungsgericht die Gründe für das vor der Ausreise nach Deutschland
liegende Ausbildungsverhalten des Klägers nicht unter dem Gesichtspunkt eines persönlichen Hinderungsgrundes geprüft hat,
nötigt daher zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Das Berufungsgericht geht - grundsätzlich zutreffend - davon aus, daß das zweimalige Nichtbestehen der Anerkennungsprüfung
am Studienkolleg für ausländische Studierende in G. dem Vorliegen eines persönlichen Hinderungsgrundes jedenfalls dann entgegenstehen
könnte, wenn der Kläger bei Bestehen dieser Prüfung ein Fachhochschulstudium der Elektrotechnik bereits vor Vollendung des
30. Lebensjahres hätte aufnehmen können und wenn ihm das Nichtbestehen der Prüfung als zu vertreten zuzurechnen wäre. In tatsächlicher
Hinsicht ist das Berufungsgericht ersichtlich von der Annahme ausgegangen, daß der Kläger bei Bestehen der Anerkennungsprüfung
und erfolgreichem Abschluß des Studienkollegs ein Fachhochschulstudium der Elektrotechnik hätte aufnehmen können. Den Unterlagen,
insbesondere dem Bescheid des Studienkollegs für ausländische Studierende vom 29. Juni 1988, vermag der Senat im Gegensatz
zum Oberverwaltungsgericht allerdings nicht zu entnehmen, daß die vom Studienkolleg ausgesprochene Anerkennung der Gleichwertigkeit
des Reifezeugnisses des Klägers sich - über die in dem Bescheid speziell genannten Fächer hinaus - auch auf das dort nicht
genannte Fach Elektrotechnik bezog; nur unter dieser Voraussetzung wäre das Nichtbestehen der Anerkennungsprüfung mit Blick
auf das vom Kläger nach Vollendung des 30. Lebensjahres begonnene Studium der Elektrotechnik jedoch überhaupt erheblich. Das
Berufungsgericht wird diesen Gesichtspunkt - soweit es darauf ankommen sollte - zu klären und die fachliche Reichweite der
vom Kläger damals mit der Anerkennungsprüfung angestrebten Qualifikation zu prüfen haben.
Soweit es danach auf das Nichtbestehen der Anerkennungsprüfung im Zusammenhang mit dem vom Kläger schließlich in Nordrhein-Westfalen
aufgenommenen Fachhochschulstudium der Elektrotechnik überhaupt ankommt, ist nach der eingangs genannten Rechtsprechung des
Senats entscheidungserheblich, ob der Kläger die durch das Nichtbestehen der Anerkennungsprüfung eingetretene zeitliche Verzögerung
des Fachhochschulstudiums zu "vertreten" hat.
Das Urteil des Berufungsgerichts beschränkt sich in diesem Zusammenhang auf die Feststellung, es seien keine Anhaltspunkte
dafür ersichtlich, daß der Kläger das ungünstige Ergebnis "schuldhaft verursacht" habe (S. 9 des Berufungsurteils). Die vom
Oberverwaltungsgericht als entscheidungserheblich herausgestellte Frage, ob einem Auszubildenden ein Verhalten "als schuldhaft
zuzurechnen" ist, verkürzt jedoch die vom Senat in seiner Rechtsprechung entwickelten Kriterien des "Vertretenmüssens" und
trägt auch nicht dem vom Senat in seinem Beschluß vom 22. Juli 1988 - BVerwG 5 B 83.87 - genannten Fall eines Eignungsmangels Rechnung, welcher sich mit Verschuldenskriterien nicht erfassen läßt.
Ein Asylberechtigter, der aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen erst in der Bundesrepublik Deutschland ein (Fach-) Hochschulstudium
aufnimmt und dafür zunächst noch weitere Qualifikationen erwerben muß, ist förderungsrechtlich gehalten, alle ihm möglichen
und zumutbaren Schritte zu unternehmen, um die Zulassungsvoraussetzungen alsbald zu erwerben und das Studium noch vor Erreichen
der Altersgrenze des §
10 Abs.
3 BAföG aufnehmen zu können. Soweit es sich dabei um mangelnde Sprachkenntnisse handelt, ist dem des Deutschen nicht kundigen Asylberechtigten
ein angemessener Zeitraum zum Erlernen der Sprache zuzubilligen, dessen Umfang im Einzelfall unter Berücksichtigung aller
dafür relevanten Umstände festzustellen ist. Soweit es sich jedoch um eine auf fehlender fachlicher Qualifikation und nicht
auf Sprachschwierigkeiten beruhende Mangelhaftigkeit fachlicher Prüfungsleistungen handelt, die auch nicht mit dem Verfolgungsschicksal
zusammenhängt, liegt ein fachlicher Eignungsmangel vor, der kein persönlicher Hinderungsgrund für die Einhaltung der Altersgrenze
ist. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen nicht erkennen, ob die von ihm angelegten Verschuldenskriterien auch den
Fall eines verfolgungsunabhängigen Eignungsmangels erfassen oder sich nur auf die dem Asylberechtigten einzuräumende Möglichkeit
beziehen, sich in sprachlicher und ggf. auch in fachlicher Hinsicht angemessen auf die Anforderungen eines durch das Asyl
ermöglichten Hochschulbesuchs einschließlich der erforderlichen Zulassungsprüfungen vorzubereiten.
Ein asylberechtigter Auszubildender, der trotz vorhandener Gelegenheit adäquate Sprachkenntnisse nicht in angemessener Zeit
erwirbt, hat dies grundsätzlich zu vertreten. Soweit die Begabung eines Auszubildenden nicht ausreicht, um in einem für die
Vergleichsgruppe angemessenen Zeitaufwand angemessene Lernleistungen zu erzielen, könnte ihm daraus zwar kein Vorwurf im Sinne
eines persönlichen Verschuldens gemacht werden, doch müßte eine persönliche Unfähigkeit, den typischen Anforderungen an eine
Gruppe von Auszubildenden zu genügen, gleichwohl zu seinen Lasten gehen, weil das
Bundesausbildungsförderungsgesetz grundsätzlich nicht am Maßstab der individuellen Lern- und Leistungsfähigkeit, sondern an typisierten Regelanforderungen
orientiert ist. Ob und inwieweit ein fachliches Prüfungsversagen als Ausdruck eines Eignungsmangels zu bewerten oder dem Bereich
der dem Asylberechtigten zuzubilligenden Umstellung auf ein fremdes Bildungssystem zuzurechnen ist, unterliegt tatrichterlicher
Feststellung. Insoweit wird das Berufungsgericht - soweit die Anerkennungsprüfung des Studienkollegs mit Blick auf das vom
Kläger schließlich aufgenommene Studium der Elektrotechnik überhaupt relevant sein sollte - die Grundlagen seiner Bewertung
zu klären haben.
Was schließlich die vom Kläger aufgrund des Facharbeiterbriefs erlangte Zulassung zum Studium der Elektrotechnik an der R.
Fachhochschule K. betrifft, geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger die Zulassungsvoraussetzungen für das Fach
Elektrotechnik nicht frühzeitiger hätte erfüllen können.
Soweit demgegenüber der Rektor der R. Fachhochschule in seiner Auskunft vom 19. Juni 1995 wie bereits in dem Schreiben vom
17. Februar 1994 geäußert hat, der Kläger hätte aufgrund seines iranischen Bildungsnachweises die Zulassung außer durch eine
dem Studium entsprechende Lehre auch bereits durch ein Praktikum über den Zeitraum von nur einem halben Jahr erbringen können,
hat das Berufungsgericht, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dargelegt, daß die zugrundeliegende Bewertung des iranischen
Reifezeugnisses des Klägers unzutreffend sei. Demzufolge war der vom Rektor aufgezeigte kürzere Weg zur Zulassung über ein
halbjähriges Berufspraktikum für den Kläger nicht gangbar. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht - ohne den Erwerb
des Facharbeiterbriefes durch den Kläger ausdrücklich als Zulassungsvoraussetzung für das Fachhochschulstudium zu qualifizieren
- die vom Kläger nicht bestandene Anerkennungsprüfung als den einzigen ersichtlichen schnelleren Weg zur Zulassung zum Fachhochschulstudium
bezeichnet. Allerdings hat das Berufungsgericht nicht konkret festgestellt, daß der Kläger den Facharbeiterbrief in der kürzestmöglichen
Zeit erworben hat. Auch wenn dem Urteil - was nicht deutlich wird - die Auffassung zugrunde liegen sollte, daß bei zutreffender
Bewertung des iranischen Bildungsabschlusses des Klägers auch der Erwerb des Facharbeiterbriefs seine Zulassung nicht gerechtfertigt
hätte, entbindet dies das Berufungsgericht nicht von der ausdrücklichen Feststellung, daß der Kläger auf dem von ihm eingeschlagenen
und letztlich auch erfolgreichen Weg die Zulassung nicht früher hätte erlangen können.
Die vom Beklagten in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung, dem Anspruch des Klägers auf Förderung des Studiums der Elektrotechnik
stehe entgegen, daß er mangels interuniversitärer Hochschulaufnahmeprüfung an sich überhaupt nicht zum Studium hätte zugelassen
werden dürfen und damit nach wie vor ein Hinderungsgrund im Sinne des §
10 Abs.
3 Satz 2 Nr.
3 BAföG vorliege, ist rechtlich unzutreffend. Nach §
2 Abs.
1 Nr.
6 BAföG wird Ausbildungsförderung geleistet für den "Besuch" einer Hochschule. Da der Kläger aufgrund wirksamer Zulassung ein (erfolgreiches)
Studium an der Fachhochschule absolviert hat, kann das Kriterium des "Besuchs" als Förderungsvoraussetzung nicht zweifelhaft
sein. Nach wirksam erfolgter Zulassung ist der Auszubildende auch nicht mehr "gehindert", den Ausbildungsabschnitt zu beginnen.