Ausbildungsförderung: Förderungsrechtliche Rechtfertigung eines Wechsels vom Park- in ein Wunschstudium
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger für sein Studium der Humanmedizin, das er nach einem zwei Semester lang im
Ausland betriebenen Studium der Landwirtschaft und einem ebenso lang betriebenen Studium der Chemie (Diplom) aufgenommen hat,
Ausbildungsförderung nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz -
BAföG - beanspruchen kann.
Nach dem Bestehen des Abiturs bewarb sich der Kläger vom Wintersemester 1977/78 an bis zum Wintersemester 1981/82 bei der
Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) erfolglos um einen Studienplatz im Fach Tiermedizin. Im Wintersemester
1979/ 80 nahm er das Studium der Landwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien auf. Zum Wintersemester 1980/81
wechselte er in das Studium der Chemie (Diplom) an der Freien Universität Berlin. Dieses Studium brach der Kläger nach zwei
Semestern zum Ende des Sommersemesters 1981 ab. Im Wintersemester 1981/82 war der Kläger exmatrikuliert. Zum Sommersemester
1982 bewarb er sich erstmalig um einen Studienplatz für Humanmedizin und erhielt im fünften Nachrückverfahren in diesem Fach
einen Studienplatz an der Justus-Liebig-Universität in Gießen zugewiesen. Zum Wintersemester 1982/83 sowie zum Wintersemester
1983/84 bewarb sich der Kläger noch einmal erfolglos um eine Zulassung zum Studienfach Tiermedizin.
Den Antrag des Klägers, ihm für das Medizinstudium Ausbildungsförderung ab Wintersemester 1982/83 zu bewilligen, lehnte der
Beklagte ab. Zur Begründung führte er zuletzt im Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 1983 im wesentlichen aus: Der Kläger habe
die Fachrichtung nicht aus wichtigem Grund im Sinne des §
7 Abs.
3 BAföG gewechselt. Denn der Abbruch des Chemiestudiums sei weder durch einen zutage getretenen Eignungsmangel noch durch einen ernsthaften
Neigungswandel gerechtfertigt, sondern lediglich durch eine Änderung der Approbationsordnung für Tierärzte veranlaßt worden,
die einen Quereinstieg in das Studium der Tiermedizin, wie vom Kläger geplant, unmöglich gemacht habe. Änderungen der Approbationsordnung
seien aber kein wichtiger Grund im Sinne des §
7 Abs.
3 BAföG.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, dem Kläger für sein Studium
der Humanmedizin ab 1. Oktober 1982 Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Verwaltungsgerichtshof hat
die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und dabei das erstinstanzliche Urteil dahingehend neu gefaßt, daß der Beklagte über
die Verpflichtung zur Gewährung von Ausbildungsförderung im Wintersemester 1982/83 und im Sommersemester 1983 hinaus verpflichtet
wird, dem Grunde nach vorab zu entscheiden, daß für das Studium der Humanmedizin des Klägers die Förderungsvoraussetzungen
nach §
7 Abs.
3 BAföG vorliegen. Das Berufungsurteil ist im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Förderungsvoraussetzungen des §
7 Abs.
3 BAföG für eine andere Ausbildung seien erfüllt. Der Kläger könne sich auf die höchstrichterliche Rechtsprechung berufen, die einen
wichtigen Grund für einen Fachrichtungswechsel auch dann anerkenne, wenn der Auszubildende ihn vornehme, um ein von Anfang
an erstrebtes Studium durchzuführen, zu dem er wegen hochschulrechtlicher Zulassungsbeschränkungen zunächst nicht zugelassen
worden sei. Jedenfalls bei einem Parkstudium von nur kurzer Dauer seien die Interessen des Auszubildenden an der Durchführung
seines Wunschstudiums höher zu bewerten als die öffentlichen Interessen, die für ein Verbleiben des Auszubildenden in dem
Parkstudium sprächen. Ein Parkstudium von kurzer Dauer sei noch bei einem Studium von zwei Semestern anzuerkennen. Unschädlich
sei dabei, daß der Kläger sich nach dem Abbruch seines Chemiestudiums nicht seinem ursprünglichen Wunschstudium der Veterinärmedizin
zugewandt habe, sondern dem Studium der Humanmedizin als dem Ausbildungsgang seiner zweiten Wahl. Der Kläger müsse sich auch
nicht entgegenhalten lassen, daß er von einem Parkstudium in ein anderes Parkstudium gewechselt sei; denn er habe glaubhaft
vorgetragen, daß er jetzt das Studium der Humanmedizin abschließen wolle, um als Arzt tätig zu sein. Unschädlich sei schließlich,
daß sich der Kläger seit dem Beginn des Parkstudiums Chemie nicht ständig um einen Studienplatz für das Fach Humanmedizin
beworben habe. Da er wegen der hochschulrechtlichen Zulassungsbeschränkungen sich nicht gleichzeitig für beide medizinischen
Studienfächer habe bewerben können, dürfe die Bewerbung für sein Studienfach der ersten Präferenz im Rahmen der Interessenabwägung
nicht zu seinen Lasten ins Gewicht fallen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten, mit der dieser die Abweisung der Klage erreichen will. Er rügt
Verletzung des §
7 Abs.
3 BAföG. In Anbetracht der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen sei die Annahme, der Kläger sei unmittelbar vom Parkstudium
in sein Wunschstudium gewechselt, nicht gerechtfertigt. Denn entscheidend hierfür seien die Vorstellungen, die der Auszubildende
bei Ausführung seines Entschlusses gehabt und nach außen erkennbar gemacht habe. Aus der Begründung seines Fachrichtungswechsels
gegenüber dem Beklagten aber ergebe sich eindeutig, daß der Kläger lediglich von einem Parkstudium in ein anderes gewechselt
sei. Hierfür aber könne ein wichtiger Grund nicht bejaht werden.
Der Kläger tritt dem entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und unterstützt die Rechtsauffassung des Beklagten.
II.
Die Revision des Beklagten ist begründet. Die das Berufungsurteil tragende Ansicht, der Kläger könne gemäß §
7 Abs.
3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes -
BAföG - in der hier anzuwendenden Fassung des 7.
BAföG-Änderungsgesetzes vom 13. Juli 1981 (BGBl. I S. 625) Ausbildungsförderung für sein Humanmedizinstudium beanspruchen, weil der Wechsel vom Studium der Chemie (Diplom) zum Studium
der Humanmedizin nach den Grundsätzen über den Fachrichtungswechsel aus einem Park- in das Wunschstudium gerechtfertigt sei,
verletzt Bundesrecht (§
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO). Die abschließende Beurteilung, ob sich der Kläger für den Abbruch des Chemiestudiums auf einen wichtigen Grund im Sinne
des §
7 Abs.
3 BAföG berufen kann, erfordert weitere tatsächliche Feststellungen und Würdigungen. Das nötigt zur Zurückverweisung (§
144 Abs.
3 Nr.
2 VwGO).
Mit dem angefochtenen Urteil ist zunächst davon auszugehen, daß bei der Prüfung, ob dem Kläger ein wichtiger Grund im Sinne
des §
7 Abs.
3 BAföG zur Seite steht, das zweisemestrige Studium der Agrarwissenschaften in Wien gemäß §
5 a BAföG außer Betracht bleibt. Ist der Ausbildung, für die der Auszubildende Förderungsleistungen begehrt, mehrmals ein Fachrichtungswechsel
oder ein Abbruch der Ausbildung vorausgegangen, so können grundsätzlich Leistungen nur dann bewilligt werden, wenn für jeden
Fachrichtungswechsel oder Abbruch ein wichtiger Grund gegeben ist (vgl. BVerwGE 67, 250 [252] sowie Urteil vom 16. Januar 1986 - BVerwG 5 C 127.81 - [Buchholz 436.36 §
15 a BAföG Nr. 3 S. 7]). Dies gilt jedoch nicht, wenn §
5 a BAföG eingreift. Da diese Vorschrift in der hier anzuwendenden Fassung des 6.
BAföG-Änderungsgesetzes vom 16. Juli 1979 (BGBl. I S. 1037) erklärtermaßen auch Zeiten fachfremder Auslandsstudien erfaßt (vgl. BVerwG, Beschluß vom 27. Oktober 1986 - BVerwG 5 B 83.85 - [Buchholz 436.36 §
5 a BAföG Nr. 2] sowie BT- Drucks. 8/2868 S. 25 f.), kann die gesetzliche Anordnung, derartige Ausbildungszeiten bis zu einem Jahr
bei der Leistung von Ausbildungsförderung für eine Ausbildung im Geltungsbereich des Gesetzes unberücksichtigt zu lassen,
nur dahin verstanden werden, daß bei einem Wechsel von einem Auslandsstudium in ein Inlandsstudium nicht zu prüfen ist, ob
der Auszubildende die Fachrichtung gewechselt oder die Ausbildung abgebrochen hat (vgl. auch Tz. 5a.03. Buchst. c der Allgemeinen
Verwaltungsvorschrift zum
Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföGVwV 1982 - vom 7. Juli 1982 [GMBl. S. 311]).
Bundesrecht verletzt allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts, der Wechsel des Klägers vom Studium der Chemie (Diplom)
zum Studium der Humanmedizin sei nach den Grundsätzen gerechtfertigt, die das Bundesverwaltungsgericht für den Fachrichtungswechsel
aus einem Parkstudium in das Wunschstudium des Auszubildenden entwickelt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
ist ein wichtiger Grund für einen Fachrichtungswechsel oder für einen Abbruch der bisherigen Ausbildung nur gegeben, wenn
unter Berücksichtigung aller im Rahmen der Ausbildungsförderung erheblichen Umstände, die sowohl durch die am Ziel und Zweck
der Ausbildungsförderung orientierten öffentlichen Interessen als auch durch die Interessen des Auszubildenden bestimmt werden,
dem Auszubildenden die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung nicht mehr zumutbar ist (BVerwGE 50, 161 [164]). Soweit im Bereich der Interessen des Auszubildenden Umstände berücksichtigungsfähig sind, die an seine Neigung anknüpfen,
kommt die Anerkennung eines wichtigen Grundes, der es unzumutbar werden läßt, die bisherige Ausbildung fortzusetzen, auch
dann in Betracht, wenn der Auszubildende durch hochschulrechtliche Zulassungsbeschränkungen gehindert worden war, seine Ausbildung
von Anfang an in der Fachrichtung zu betreiben, die seiner Neigung am meisten entspricht, und der Wegfall dieses Hindernisses
der Anlaß für den Fachrichtungswechsel aus dem Parkstudium in das Wunschstudium ist (vgl. BVerwGE 67, 235 [237, 243 f.]; 82, 163 [164 f.]).
So liegt der Fall des Klägers jedoch nicht. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, gegen die die
Revision Verfahrensrügen nicht geltend macht und an die das Revisionsgericht deshalb gebunden ist (vgl. §
137 Abs.
2 VwGO), war zum Zeitpunkt des Abbruchs des Chemiestudiums (Ende Sommersemester 1981) der Wunsch des Klägers auf das Studium der
Tiermedizin gerichtet, für das er sich vom Wintersemester 1977/78 an bei der ZVS ununterbrochen und ohne Erfolg beworben hatte.
Die diesbezüglichen Zulassungsbeschränkungen bestanden für den Kläger, als er sein Chemiestudium aufgab, nach wie vor.
War demnach der Abbruch des Chemiestudiums nicht durch den Wegfall von Zulassungsschranken zu einem Wunschstudium des Klägers
veranlaßt, greifen die in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Grundsätze zur förderungsrechtlichen Rechtfertigung eines
Wechsels vom Park- in das Wunschstudium nicht ein. Förderungsrechtlich irrelevant ist deshalb auch die vom Berufungsgericht
erörterte Frage, ob sich der Kläger entgegenhalten lassen müsse, daß er sich seit dem Beginn des Chemiestudiums nicht ständig
um einen Studienplatz für das Fach Humanmedizin beworben hat. Die Forderung, der Auszubildende müsse grundsätzlich die ihm
zur Verfügung stehenden Zulassungschancen im Auswahlverfahren zur Vergabe der Studienplätze fortdauernd und lückenlos wahrnehmen,
hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung lediglich in bezug auf das Wunschstudium des Auszubildenden erhoben
(vgl. BVerwGE 82, 156 [160 f.]). Nach den tatsächlichen und gemäß §
137 Abs.
2 VwGO bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts war dies nicht das zum Sommersemester 1982 aufgenommene Humanmedizinstudium,
für das der Kläger im Rahmen dieses Verfahrens Ausbildungsförderung begehrt.
Ob dieses Begehren begründet ist, beurteilt sich folglich nach den allgemeinen, in Konkretisierung des §
7 Abs.
3 BAföG gewonnenen Grundsätzen: Zu den Umständen, die unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit, in der bisher gewählten Fachrichtung
zu verbleiben, zu berücksichtigen sind, gehören diejenigen, die in dem Lebensbereich des Auszubildenden begründet sind und
mit der Ausbildung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, beispielsweise an die Neigung, Eignung und Leistung anknüpfen (vgl.
BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1985 - BVerwG 5 C 56.82 - [Buchholz 436.36 §
7 BAföG Nr. 53 S. 147 = FamRZ 1986, 731/732] m.w.Nachw.). Das Berufungsgericht ist bisher, weil es von seinem Rechtsstandpunkt aus
hierauf nicht ankam, den Hinweisen des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren, die auf das Vorliegen ausbildungsbezogener
Umstände aus dem Lebensbereich des Klägers, insonderheit auf einen ernsthaften Neigungswandel hindeuten, nicht weiter nachgegangen.
So hat z.B. der Kläger im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Verwaltungsgerichts am 3. Mai 1984 vorgetragen, er
habe das Studium der Chemie begonnen, weil er sich damit schon früher beschäftigt habe. Dieses Studium habe er abgebrochen,
als er erkannt habe, daß es ihm zu trocken werde. Sollte sich das Berufungsgericht im Rahmen seiner erneuten Verhandlung von
der Substanz und Glaubwürdigkeit dieses Tatsachenvortrages überzeugen können, so erschiene es im Hinblick darauf, daß in der
Eingangsphase einer Ausbildung an die Anerkennung eines wichtigen Grundes mit Rücksicht auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip
keine strengen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 1980 - BVerwG 5 C 52.78 - [Buchholz 436.36 §
7 BAföG Nr. 15 S. 63 = FamRZ 1980, 835/837] sowie Urteil vom 8. März 1990 - BVerwG 5 C 30.87 - [UA S. 14]), (gerade noch) gerechtfertigt, hierin Wiedergabe und Nachvollzug eines die Anerkennung eines wichtigen Grundes
nach §
7 Abs.
3 BAföG rechtfertigenden Neigungswandels zu erblicken.
Das Berufungsgericht wird bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung weiterhin zu beachten haben, daß die von ihm vorgenommene
"Neufassung" des erstinstanzlichen Entscheidungstenors weder dem Bescheid des Beklagten noch dem Klagebegehren gerecht wird.
Der Kläger hat einen besonderen Antrag nach §
46 Abs.
5 BAföG nicht gestellt, sondern lediglich den normalen Formblattantrag nach §
46 Abs.
1 BAföG. Mangels eines entsprechenden Antrages konnte also der Beklagte eine Vorabentscheidung im Sinne des §
46 Abs.
5 BAföG gar nicht erlassen und hat dies auch nicht getan. Der Bescheid stellt sich vielmehr als Ablehnung des Förderungsantrags dem
Grunde nach (vgl. §
50 Abs.
1 Satz 3 Nr.
2 BAföG und BVerwGE 82, 235 [238 ff.]) dar, gegen die, wie es der anwaltlich vertretene Kläger ausweislich der Klageschrift auch getan hat, Rechtsschutz
mit der Verpflichtungsklage auf Gewährung von Ausbildungsförderung für einen bestimmten Bewilligungszeitraum zu suchen ist.