Rückforderung von unter Vorbehalt gewährter Ausbildungsförderung
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Ausbildungsförderung, die ihm nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz -
BAföG - für sein Jurastudium im Bewilligungszeitraum Oktober 1981 bis September 1982 gewährt worden ist, an das beklagte Studentenwerk
zurückzahlen muß.
Für sein vorbezeichnetes - zum Wintersemester 1981/82 aufgenommenes - Studium beantragte der Kläger im September 1981 Ausbildungsförderung.
Ausgehend von den Einkommensverhältnissen der Eltern des Klägers im Jahre 1979, bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 2.
Dezember 1981 Förderungsleistungen für die Zeit von Oktober 1981 bis September 1982 in Höhe von 215 DM monatlich. Dagegen
wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 4. Januar 1982, mit dem er u.a. ankündigte, er werde nunmehr einen Aktualisierungsantrag
stellen; das Einkommen seines Vaters habe sich seit 1979 grundlegend geändert.
Am 7. Januar 1982 ging beim Beklagten der förmliche Aktualisierungsantrag ein. Ihm waren eine Bescheinigung über die Gewährung
von Arbeitslosenhilfe an den Vater des Klägers und eine Bescheinigung der Steuerbevollmächtigten der Eltern des Klägers beigefügt,
wonach für deren Firma der vorläufige Bilanzverlust für 1981 auf 10 000 DM geschätzt und für 1982 ein Bilanzgewinn von 15
000 DM erwartet werde.
Der Beklagte berechnete daraufhin das Elterneinkommen neu und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 16. Februar 1982 - unter
Aufhebung des Bescheides vom 2. Dezember 1981 und unter dem Vorbehalt der Rückforderung - für den Bewilligungszeitraum Oktober
1981 bis September 1982 Förderung in Höhe des gesamten Bedarfs, nämlich 545 DM monatlich. Dieser Betrag wurde mit Bescheid
vom 6. März 1982 für die Zeit vom 1. April 1982 bis zum Ende des Bewilligungszeitraums - unter Bekräftigung des Rückforderungsvorbehalts
- auf 570 DM monatlich erhöht.
Auf Drängen der Kreissparkasse Stormarn, zu deren Gunsten das Betriebsgrundstück der Eltern des Klägers mit Grundpfandrechten
in Höhe von 229 000 DM belastet war, verkauften die Eltern des Klägers im August 1982 zur Abwendung ihrer Zahlungsunfähigkeit
einen 12 000 qm großen Teil des vorbezeichneten Grundstücks. Der Kaufpreis von 107 424 DM wurde nahezu vollständig zum Ausgleich
des Negativsaldos auf dem bei der genannten Kreissparkasse geführten Girokonto der Eltern des Klägers und zur Ablösung von
Darlehensverpflichtungen gegenüber der Kreissparkasse verwendet, die unter der Auflage der Überweisung des gesamten Kaufpreises
an sie für das verkaufte Teilgrundstück Pfandentlassung erklärt hatte. Infolge der Grundstücksveräußerung wurden im Einkommensteuerbescheid
der Eltern des Klägers für 1982 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 104 019 DM und unter Berücksichtigung der Einkünfte
der Mutter des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 104 170 DM ausgewiesen.
Nachdem der Kläger die Steuerbescheide seiner Eltern für 1981 und 1982 beim Beklagten eingereicht hatte, berechnete dieser
die dem Kläger für den Bewilligungszeitraum Oktober 1981 bis September 1982 zustehenden Förderungsleistungen neu und forderte
im Hinblick auf das Einkommen der Eltern des Klägers mit Bescheid vom 9. November 1984 den Gesamtbetrag der für diesen Zeitraum
gezahlten Leistungen in Höhe von 6 690 DM zurück. Den vom Kläger dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid
vom 17. Dezember 1984 zurück. Anfechtungsklage erhob der Kläger daraufhin nicht. Im August 1986 beantragte er jedoch, den
Bescheid des Beklagten vom 9. November 1984 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid aufzuheben. Der Beklagte lehnte dies
ab.
Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht ab. Der Kläger habe, so
führte das Verwaltungsgericht aus, keinen Anspruch auf Aufhebung des Rückforderungsbescheides vom 9. November 1984. Dieser
sei rechtmäßig. Der Kläger könne insbesondere nicht verlangen, daß der Beklagte von der Durchsetzung seines Rückforderungsanspruchs
deshalb absehe, weil er den Kläger im Zusammenhang mit dessen gegen den Bescheid vom 2. Dezember 1981 gerichteten Widerspruch
falsch beraten habe. Da der Beklagte nach den vom Kläger damals vorgelegten Unterlagen habe davon ausgehen können und müssen,
daß das voraussichtliche Einkommen im Bewilligungszeitraum ebenso wie das Einkommen des Vaters im Jahre 1980 nicht zu Anrechnungsbeträgen
führen würde, habe er dem Kläger dazu raten können und müssen, einen Antrag nach §
24 Abs.
3 BAföG auf Zugrundelegung des aktuellen Einkommens seines Vaters im Bewilligungszeitraum zu stellen.
Auf die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet,
den Rückforderungsbescheid vom 9. November 1984 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid zurückzunehmen. Es hat diese
Verpflichtung auf § 44 Abs. 1 SGB X gestützt, der hier analog anwendbar sei. Bei Erlaß des Bescheides vom 9. November 1984 sei im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X das Recht unrichtig angewandt worden. Dieser Bescheid sei rechtswidrig, weil die volle Anrechnung des im Steuerbescheid 1982
ausgewiesenen Einkommens nach Abzug der Freibeträge gemäß §
25 Abs.
1 bis 5
BAföG eine unbillige Härte im Sinne des §
25 Abs.
6 BAföG darstelle, zu deren Vermeidung der Beklagte gehalten gewesen wäre, eine Ermessensentscheidung zu treffen, welche weiteren
Teile des Elterneinkommens anrechnungsfrei zu bleiben hätten. Der Beklagte könne dagegen nicht mit Erfolg einwenden, daß der
Kläger den nach §
25 Abs.
6 Satz 1
BAföG erforderlichen "besonderen Antrag" nicht "vor dem Ende des Bewilligungszeitraums" gestellt habe. Die fehlende Antragstellung
stehe nämlich einer einredeweisen Geltendmachung von Härtegesichtspunkten gegenüber einem späteren Rückforderungsbescheid
nicht entgegen, wenn der Auszubildende während des Bewilligungszeitraums keine Veranlassung gehabt habe, einen solchen Antrag
zu stellen. Im Fall des Klägers sei diese Voraussetzung gegeben. Die somit zulässigerweise erhobene Einrede sei auch begründet.
Die (volle) Anrechnung des durch den Verkauf eines Teils des Betriebsgrundstücks der Eltern des Klägers erlangten "Einkommens"
stelle eine unbillige Härte dar.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils
erreichen will. Gerügt wird fehlerhafte Anwendung des §
25 Abs.
6 BAföG. Zweifelhaft sei schon, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutreffe, der Kläger habe vor dem Ende des hier maßgeblichen
Bewilligungszeitraums keine Veranlassung gehabt, sich auf das Vorliegen einer unbilligen Härte zu berufen. Jedenfalls scheitere
die Anwendung des §
25 Abs.
6 BAföG hier daran, daß die unbillige Härte nicht unverzüglich geltend gemacht worden sei.
Der Kläger tritt dem entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht ist der Auffassung, daß eine unbillige Härte gemäß §
25 Abs.
6 BAföG nach Ablauf des Bewilligungszeitraums einredeweise gegenüber einem Rückforderungsbescheid nicht geltend gemacht werden kann.
II.
Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (§
144 Abs.
3 Nr.
2 VwGO). Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO), weil das Berufungsgericht §
25 Abs.
6 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes -
BAföG - in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 1 des 8.
BAföG-Änderungsgesetzes vom 24. Mai 1984 (BGBl. I S. 707) nicht richtig angewendet hat.
Nicht zu beanstanden ist das Berufungsurteil insoweit, als es angenommen hat, § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X - in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1532) könne auch für Rücknahmebegehren der vorliegenden Art die Grundlage bieten. Satz 1 dieser - nach der Rechtsprechung des
Senats auf das Leistungsrecht des Bundesausbildungsförderungsgesetzes anwendbaren (BVerwGE 71, 220) - Vorschrift setzt zwar voraus, daß wegen unrichtiger Rechtsanwendung bei Erlaß eines Verwaltungsaktes Sozialleistungen
zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Um letzteres geht es im Fall des Klägers nicht. Denn Regelungsgegenstand des Bescheides
vom 9. November 1984, dessen Rücknahme der Kläger erreichen will, sind nicht die Ablehnung und Vorenthaltung bisher noch nicht
getätigter Leistungen, sondern die Aufhebung früherer leistungsbewilligender Bescheide und, insofern anders als in dem vom
Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 16. Januar 1986 - Az. 4 b/9 a RV 9/85 - (SozR 1300 § 44 SGB 10 Nr. 22 = SGb. 1987,
119 m. Anm.Kopp) entschiedenen Fall, die Rückforderung der auf der Grundlage dieser Bescheide gewährten Förderungsleistungen,
bei denen es sich zufolge der §§ 11 und 18 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes vom 25. Juli
1986 (BGBl. I S. 1142) um Sozialleistungen im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X handelt. Dieser Regelungsinhalt ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wie aus der Sicht des
Betroffenen der Ablehnung und Vorenthaltung von Sozialleistungen derart ähnlich, daß es notwendig ist, auf ihn die in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X getroffene Rücknahmeregelung analog anzuwenden (wie hier Hauck/Haines/Vöcking, SGB X/1, 2, K § 44 Rn. 13; Kopp, a.a.O., S.
121).
Geht es im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X darum, einen leistungsverweigernden Bescheid rückgängig zu machen, um danach den Weg frei zu haben für den Bezug der noch
ausstehenden Leistung (vgl. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X), geht es in Fällen der hier zur Erörterung stehenden Art um die Rücknahme eines Bescheides mit dem Ziel, die Aufhebung leistungsbewilligender
Bescheide und die Rückforderung von Leistungen durch die Behörde rückgängig zu machen und damit den Rechtsgrund für das Behaltendürfen
dieser Leistungen durch den Empfänger wiederherzustellen. Bezogen auf die Sozialleistung, um die der Betroffene streitet,
sind dies zwei Seiten ein und derselben Medaille. Dabei äußert die Rücknahme, wenn sie wie im Fall des Klägers einen (Aufhebungs-
und) Rückforderungsbescheid betrifft, in dem Sinne Wirkung nur für die Vergangenheit, daß die für einen zeitlich zurückliegenden
Bewilligungszeitraum getroffene Leistungsbewilligung (im Wege der Rücknahme ihrer Aufhebung) nachträglich bestätigt wird.
§ 44 Abs. 2 SGB X als Auffangtatbestand (s. BSG, Urteile vom 10. Dezember 1985 - Az. 10 RKg 14/85 - [SozR 5870 § 2
BKGG Nr. 44 S. 149] und vom 16. Januar 1986 [a.a.O. S. 48 bzw. S. 120]), der die Möglichkeit einer Rücknahme mit Wirkung auch
für die Zukunft voraussetzt, paßt deshalb hier nicht. Auch in diesem Zusammenhang wird vielmehr deutlich, daß der Rücknahme
rechtswidriger Bescheide, die die Aufhebung von leistungsbewilligenden Bescheiden und die Erstattung erbrachter Leistungen
zum Gegenstand haben, allein die entsprechende Anwendung des § 44 Abs. 1 SGB X gerecht wird, dessen Satz 2 den Rücknahmeanspruch des Klägers nicht ausschließen kann, weil die Voraussetzungen dieser Regelung
- der Verwaltungsakt beruht auf Angaben, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig
gemacht hat - nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt nicht erfüllt sind.
Soweit die Vorinstanz davon ausgegangen ist, daß bei Erlaß des Bescheides vom 9. November 1984 bzw. des ihn bestätigenden
Widerspruchsbescheides im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X das Recht unrichtig angewandt worden ist, ist weiter nichts dagegen zu erinnern, daß die dem zugrunde liegende Würdigung
allein auf das Unterbleiben einer Ermessensentscheidung nach §
25 Abs.
6 BAföG gestützt ist. Wie schon das Verwaltungsgericht und ihm (auf S. 21 des angefochtenen Urteils) folgend auch das Berufungsgericht
ausgeführt haben, kann nicht angenommen werden, daß der Beklagte den Kläger nach Ergehen des Bewilligungsbescheides vom 2.
Dezember 1981 und dessen Anfechtung durch den Kläger falsch beraten hat. Scheidet damit eine unrichtige Rechtsanwendung, an
die der Kläger zur Begründung seines Rücknahmebegehrens anknüpfen könnte, in diesem Zusammenhang aus, kann der Rückforderungsbescheid
vom 9. November 1984 in der Gestalt des dazu ergangenen Widerspruchsbescheides nur unter dem Blickwinkel des §
25 Abs.
6 BAföG rechtswidrig sein.
Insoweit ist der Vorinstanz auch darin zu folgen, daß in bezug auf den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum Oktober
1981 bis September 1982 ein Sachverhalt vorliegt, der die Annahme einer unbilligen Härte im Sinne des §
25 Abs.
6 BAföG rechtfertigen kann. Wie der erkennende Senat schon entschieden hat, können die Voraussetzungen für die Anwendung dieser der
Berücksichtigung atypischer Umstände dienenden Vorschrift auch dann bejaht werden, wenn die Eltern (oder ein Elternteil) zwar
ein die Freibeträge nach §
25 Abs.
1 bis
3 BAföG übersteigendes Einkommen erzielen, der Einkommensbezieher aber in der Verfügung über das Einkommen oder einen Teil des Einkommens
derart beschränkt ist, daß er nicht in der Lage ist, es für den Lebensunterhalt der in §
25 Abs.
1 bis
3 BAföG genannten Personen und des Auszubildenden sowie für dessen Ausbildung einzusetzen. Die Anerkennung einer unbilligen Härte
setzt dann allerdings zunächst voraus, daß der Einkommensbezieher aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen außerstande
ist, den Eintritt der Verfügungsbeschränkung zu verhindern (BVerwGE 70, 189 [191]). Außerdem darf er keine anderen Mittel besitzen, deren Verwertung zur Bestreitung des Lebensunterhalts anstelle des
nicht verfügbaren Einkommens ihm zumutbar wäre (BVerwGE 70, 189 [193]). Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen, vom Beklagten nicht angegriffenen und deshalb
gemäß §
137 Abs.
2 VwGO für das Bundesverwaltungsgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen zutreffend erkannt, daß diese Voraussetzungen
bei den Eltern des Klägers erfüllt waren, als diese im August 1982 zur Abwendung ihrer Zahlungsunfähigkeit einen Teil ihres
Betriebsgrundstücks verkauften und den dabei erzielten Kaufpreis zur Erlangung der Pfandentlassung in voller Höhe an ihre
Sparkasse überwiesen.
Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht weiterhin darin, daß Härtefreibeträge im Sinne des §
25 Abs.
6 BAföG auch nach dem Ende des Bewilligungszeitraums, für den sie berücksichtigt werden sollen, geltend gemacht werden können. Zwar
setzt die Möglichkeit, nach §
25 Abs.
6 BAföG zur Vermeidung unbilliger Härten einen weiteren Teil des Einkommens anrechnungsfrei zu lassen, nach dem Wortlaut der Vorschrift
einen besonderen Antrag voraus, der vor dem Ende des Bewilligungszeitraums zu stellen ist. Doch gilt dies wie im Fall des
§
24 Abs.
3 Satz 1
BAföG nicht uneingeschränkt. Nach dieser - im hier maßgeblichen Bewilligungszeitraum in der Fassung des 6.
BAföG-Änderungsgesetzes vom 16. Juli 1979 (BGBl. I S. 1037) geltenden - Vorschrift ist die Anrechnung des Eltern- und des Ehegatteneinkommens nach den Einkommensverhältnissen im Bewilligungszeitraum
- statt nach den Verhältnissen in dem in §
24 Abs.
1 BAföG bestimmten Berechnungszeitraum - ebenfalls von einem besonderen, (vom Auszubildenden) vor dem Ende des Bewilligungszeitraumes
zu stellenden Antrag abhängig. Dies schließt indessen nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht aus,
ein Aktualisierungsbegehren noch nach Ablauf des Bewilligungszeitraums zuzulassen, wenn bei der vorläufigen Entscheidung nach
§
24 Abs.
2 (Sätze 1 und 2)
BAföG die Berücksichtigung des glaubhaft gemachten Einkommens in dem nach §
24 Abs.
1 BAföG maßgebenden zurückliegenden Berechnungszeitraum zu einer Kürzung des Förderungsbetrages nicht geführt hat, Ausbildungsförderung
vielmehr in voller Höhe des Bedarfs bewilligt worden ist, und wenn dem Auszubildenden während des Bewilligungszeitraums auch
keine Umstände bekanntgeworden sind, aus denen er entnehmen konnte, daß im vorletzten Kalenderjahr vor dem Bewilligungszeitraum
ein höheres Einkommen erzielt worden ist, als dem vorläufigen Bewilligungsbescheid zugrunde gelegt worden ist. Derartige Umstände,
bei deren Kenntnis der Auszubildende mit einer Rückforderung erhaltener Förderungsleistungen und einer ungünstigeren abschließenden
Entscheidung (§
24 Abs.
2 Satz 3
BAföG) rechnen muß, werden sich im allgemeinen verläßlich erst aus dem maßgeblichen Einkommensteuerbescheid ergeben. Sobald der
Auszubildende vom wesentlichen Inhalt dieses Steuerbescheides Kenntnis erlangt, wird er beurteilen können, ob Einkommen des
Einkommensbeziehers bei der abschließenden Entscheidung nach §
24 Abs.
2 Satz 3
BAföG auf den Bedarf anzurechnen ist. Wird dem Auszubildenden der Inhalt des Einkommensteuerbescheides erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraums
bekannt, ist im Hinblick auf den mit der Aktualisierung der Berechnung verfolgten Zweck, die Förderung der bedürftigen Auszubildenden
in effektiver Weise sicherzustellen, auch nach dem Ende des Bewilligungszeitraums noch Raum für ein auf eine derartige Aktualisierung
gerichtetes Begehren. Der Auszubildende ist aber gehalten, dieses Begehren, nachdem er das im Steuerbescheid festgesetzte
Einkommen mit dem vom Einkommensbezieher im Bewilligungszeitraum erzielten Einkommen verglichen hat, unverzüglich anzubringen,
sofern die Voraussetzungen des §
24 Abs.
3 BAföG vorliegen (BVerwGE 58, 200 [204 f.]; Beschluß vom 29. Juni 1981 - BVerwG 5 B 27.81 - [Buchholz 436.36 §
24 BAföG Nr. 2]).
Im Einzelfall kann dies bedeuten, daß sich der Auszubildende noch gegenüber einem im Zusammenhang mit einer abschließenden
Entscheidung nach §
24 Abs.
2 Satz 3
BAföG geltend gemachten Rückforderungsanspruch darauf berufen darf, das Einkommen des Einkommensbeziehers sei im Bewilligungszeitraum
wesentlich niedriger gewesen als in dem nach §
24 Abs.
1 BAföG maßgeblichen Kalenderjahr (vgl. BVerwGE 58, 200 [205]). Regelmäßig kommt ein solches Vorgehen allerdings nur dann in Betracht, wenn der Auszubildende vor dem Ergehen der
abschließenden Entscheidung über seinen Förderungsantrag von dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheid
keine Kenntnis erhält und erst aus der abschließenden Entscheidung ersehen kann, daß die Anrechnung des in dem nach §
24 Abs.
1 BAföG maßgebenden Berechnungszeitraum erzielten Einkommens zu einer Herabsetzung des in dem vorläufigen Bescheid bewilligten Förderungsbetrages
führt (s. BVerwG, Urteil vom 25. April 1985 - BVerwG 5 C 42.82 - [Buchholz 436.36 §
24 BAföG Nr. 6 S. 19 f. = FamRZ 1986, 299/301]).
All dies gilt sinngemäß auch für die Anwendung des §
25 Abs.
6 BAföG. Diese Vorschrift ergänzt die Regelungen in §
25 Abs.
1 bis 4
BAföG, in denen der Gesetzgeber mit dem gesetzestechnischen Mittel der Pauschalierung und Typisierung die Einkommensbeträge bestimmt
hat, die im Regelfall für den angemessenen Lebensunterhalt der in §
25 Abs.
1 BAföG genannten Einkommensbezieher und der ihnen gegenüber Unterhaltsberechtigten erforderlich erscheinen und von einer Anrechnung
auf den Bedarf des Auszubildenden frei zu lassen sind. Atypische Umstände, die zu einem zusätzlichen Unterhaltsbedarf führen,
sind dabei nicht berücksichtigt. Die Pauschbeträge in §
25 Abs.
1 bis 4
BAföG reichen deshalb beim Vorliegen solcher Umstände zur Deckung des Lebensunterhalts der in diesen Vorschriften angesprochenen
Personen nicht aus. Dem trägt §
25 Abs.
6 BAföG mit der Möglichkeit Rechnung, vom maßgeblichen Einkommen einen individuell zu errechnenden weiteren Freibetrag abzusetzen,
soweit dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist (zum Ganzen s. BVerwGE 59, 204 [207 f.]; 62, 154 [157 f.]; 67, 280 [282, 285]; 70, 189 [190 f.]; 77, 222 [226 f.]). §
25 Abs.
6 BAföG dient, so gesehen, indem er das Einkommen des dem Auszubildenden gegenüber unterhaltspflichtigen Einkommensbeziehers auch
in Höhe dieses Betrages vom Einsatz für den Auszubildenden freistellt, wie §
24 Abs.
3 BAföG dem Ziel, die Förderung bedürftiger Auszubildender in effektiver Weise sicherzustellen. Das Bedürfnis für eine solche Sicherung
kann sich in Fällen, in denen dem Auszubildenden Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt worden
ist, nicht nur während des Bewilligungszeitraums, sondern auch noch nach dessen Ende ergeben. Das Geltendmachen von Härtegesichtspunkten
im Sinne des §
25 Abs.
6 BAföG nach dem Ablauf des Bewilligungszeitraums ist allerdings - vergleichbar den Anforderungen an das "nachträgliche" Anbringen
eines Aktualisierungsbegehrens nach §
24 Abs.
3 BAföG - davon abhängig, daß der Auszubildende vorher keinen Anlaß hatte, zur Vermeidung unbilliger Härten von der Behörde die Einräumung
eines weiteren Freibetrages zu verlangen.
Wird der zugunsten des Auszubildenden ergangene vorläufige Förderungsbescheid während des Bewilligungszeitraums so geändert,
daß nur noch Förderungsleistungen gewährt werden können, die deutlich unterhalb des vollen Bedarfssatzes liegen, oder erfährt
der Auszubildende vor dem Ende des Bewilligungszeitraums von Umständen, die erwarten lassen, daß das der abschließenden Entscheidung
über seinen Förderungsantrag zugrunde zu legende Einkommen das im bisherigen Vorbehaltsbescheid berücksichtigte Einkommen
übersteigen wird und die in diesem Bescheid festgesetzten Förderungsbeträge infolgedessen gekürzt werden oder ganz entfallen
müssen, hat der Auszubildende im Bewilligungszeitraum einen Antrag nach §
25 Abs.
6 BAföG zu stellen. Dabei können sich Erkenntnisse für Einkommensveränderungen auch hier aus dem Inhalt des Einkommensteuerbescheides
ergeben; es kommen aber auch andere Erkenntnisgrundlagen wie Rentenbescheide o.ä. in Betracht. Nur wenn sich für den Auszubildenden
aus derartigen Unterlagen während des Bewilligungszeitraums keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die ihm bisher in voller
Höhe gewährte Ausbildungsförderung reduziert wird, kann er sich demnach gegenüber der Behörde auch nach dem Ende des Bewilligungszeitraums
noch auf Härtegesichtspunkte berufen. Bis zum Ergehen der abschließenden Entscheidung über seinen Förderungsantrag darf der
Auszubildende aber auch hier grundsätzlich nur warten, wenn er erst im Zusammenhang mit dieser Entscheidung erkennen kann,
daß das vom Amt für Ausbildungsförderung in Ansatz gebrachte Einkommen zu einer Anrechnung auf den Bedarf und damit zu einer
Rückforderung der unter Vorbehalt geleisteten Ausbildungsförderung führt. Werden dem Auszubildenden schon vorher Umstände
bekannt, die derartige Folgewirkungen erwarten lassen, hat er, anders als dies die Vorinstanz offenbar meint, Gründe, die
nach seiner Auffassung die Zuerkennung eines Härtefreibetrages nach §
25 Abs.
6 BAföG rechtfertigen können, bei der Behörde unverzüglich geltend zu machen.
Soweit danach Härtegründe auch dann berücksichtigt werden können, wenn sie nach dem Ende des Bewilligungszeitraums vorgebracht
werden, kann dem nicht entgegengehalten werden, daß §
25 Abs.
6 BAföG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen sei (zu letzterem s. auch Tz. 25.6.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 25.
August 1976 zum
Bundesausbildungsförderungsgesetz [GMBl. S. 386]). Daß eine gesetzliche Regelung den Charakter einer Ausnahmeregelung hat, schließt nicht aus, sie sinnentsprechend
anzuwenden (vgl. BVerwGE 61, 169 [172]). Auch aus dem Umstand, daß §
25 Abs.
6 BAföG keinen unmittelbaren Bezug zur Einkommensaktualisierung nach §
24 Abs.
3 BAföG hat, läßt sich nicht herleiten, daß das Geltendmachen von Härtegesichtspunkten im Sinne des §
25 Abs.
6 BAföG - anders als ein Aktualisierungsbegehren nach §
24 Abs.
3 BAföG - schlechthin auf die Zeitspanne des maßgeblichen Bewilligungszeitraums beschränkt ist. Die vorstehend entwickelte, an der
Rechtsprechung des Senats zu §
24 Abs.
3 BAföG orientierte Auslegung des §
25 Abs.
6 BAföG beruht nicht darauf, daß diese Vorschriften ihrem Inhalt nach aufeinander bezogen sein könnten. Ausschlaggebend ist vielmehr,
daß die - in ihrem Anwendungsbereich voneinander unabhängigen - Regelungen in dem Ziel übereinstimmen, sicherzustellen, daß
bedürftige Auszubildende effektiv gefördert werden können. Im Hinblick auf diese Zielsetzung ist schließlich nicht zu erkennen,
inwieweit die Auffassung, nach Ablauf des Bewilligungszeitraums komme eine Berufung auf Härtegründe im Sinne des §
25 Abs.
6 BAföG nicht mehr in Betracht, zwingend darauf gestützt werden kann, daß Anträge nach dieser Vorschrift anders als Aktualisierungsbegehren
nach §
24 Abs.
3 BAföG sich nur zugunsten, nicht aber auch zum Nachteil des Auszubildenden auswirken und außerdem nicht nur von diesem, sondern
auch von den ihm gegenüber unterhaltspflichtigen Personen gestellt werden können. Daß der Einkommensbezieher im Fall des §
25 Abs.
6 BAföG ein eigenes Antragsrecht hat (dazu s. BT-Drucks. 7/2098 S. 22 zu Nr. 21; BT-Drucks. 8/2467 S. 24 in Nr. 19; Blanke in Rothe/Blanke,
BAföG, 4. Aufl., §
25 Rdnr. 48 [Stand: Juli 1988]; aber auch BT-Drucks. 8/2467 S. 30 zu 19.), schließt im übrigen nicht aus, daß der Auszubildende,
weil von diesem Recht kein Gebrauch gemacht wird, die Notwendigkeit, einer Rückforderung von Ausbildungsförderung nach §
25 Abs.
6 BAföG entgegenzutreten, erst nach dem Ende des Bewilligungszeitraums erkennt.
Nach allem bleibt es dabei, daß der Auszubildende Härtegesichtspunkte im Sinne des §
25 Abs.
6 BAföG auch nach dem Ende des Bewilligungszeitraums geltend machen kann, sofern für ihn dazu vorher keine Veranlassung bestand.
Ebenso unberührt bleibt, daß der Auszubildende solche Gesichtspunkte bei der Behörde unverzüglich vorbringen muß, sobald ihm
nach Ablauf des Bewilligungszeitraums Umstände bekannt werden, die eine Rückforderung unter Vorbehalt bewilligter Förderungsleistungen
erwarten lassen. Ob der Kläger bei dieser Rechtslage, wie mit Widerspruchsschreiben vom 6. Dezember 1984 geschehen, die Verfügungsbeschränkung
hinsichtlich des von seinen Eltern aus dem Teilverkauf ihres Betriebsgrundstücks erzielten Kaufpreises dem mit Bescheid vom
9. November 1984 geltend gemachten Rückforderungsanspruch des Beklagten noch als Härtegrund entgegenhalten konnte, läßt sich
auf der Grundlage der vom Berufungsgericht gewonnenen tatsächlichen Erkenntnisse noch nicht abschließend beurteilen. Zwar
ist danach davon auszugehen, daß der Kläger vor dem Ende des Bewilligungszeitraums Oktober 1981 bis September 1982 keinen
Anlaß hatte, einen Härtefreibetrag nach §
25 Abs.
6 BAföG zu beantragen. Er erhielt, nachdem der Bescheid des Beklagten vom 2. Dezember 1981 durch die Bewilligungsbescheide vom 16.
Februar und 6. März 1982 ersetzt worden war, während des genannten Zeitraums Ausbildungsförderung in Höhe des vollen Bedarfssatzes.
Auch wurden ihm vor Ablauf des Bewilligungszeitraums keine Umstände bekannt, aus denen er hätte entnehmen können, daß er mit
einer Rückforderung erhaltener Förderungsleistungen rechnen mußte, weil das Einkommen seiner Eltern im Bewilligungszeitraum
dementsprechend höher sein würde als das im vorläufigen Bewilligungsbescheid berücksichtigte Einkommen. Dies ergibt sich,
was das für 1981 zugrunde zu legende Einkommen angeht, bereits daraus, daß nach dem für dieses Jahr ergangenen Einkommensteuerbescheid
nur die Mutter des Klägers positive Einkünfte hatte und diese Einkünfte unter Berücksichtigung des Abzugs von Weihnachtsfreibetrag,
Arbeitnehmerfreibetrag und Werbungskosten lediglich 156 DM betrugen. Es gilt aber auch hinsichtlich der auf das Jahr 1982
entfallenden Einkünfte, weil der Einkommensteuerbescheid für dieses Jahr, in dem Elterneinkünfte von insgesamt 104 170 DM
ausgewiesen sind, erst mit Datum vom 26. Juni 1984, also nach dem Ende des Bewilligungszeitraums, erlassen wurde. Weiteres
Einkommen haben die Eltern des Klägers in diesem Zeitraum nicht bezogen.
stände das Ergehen dieser Entscheidung abwarten und die oben erörterte Verfügungsbeschränkung als unbillige Härte im Sinne
des §
25 Abs.
6 BAföG noch gegenüber dem Rückforderungsbescheid vom 9. November 1984 geltend machen durfte, kann indessen nicht ausgeschlossen
werden (vgl. auch BVerwGE 58, 200 [205 f.]). Das Berufungsgericht wird zu ermitteln haben, ob derartige Umstände, bei deren Vorliegen von einem schuldhaften
Zögern nicht gesprochen werden könnte, zugunsten des Klägers angenommen werden können. Nur wenn dies bejaht werden könnte,
könnte der Kläger mit seiner Klage Erfolg haben.