Abzweigung des Kindergeldes bei Kostenübernahme durch Sozialhilfebeträge
Tatbestand:
Streitig ist, in welcher Höhe ein Sozialhilfeträger die Auszahlung des Kindergeldes für ein im Rahmen der Eingliederungshilfe
vollstationär untergebrachtes behindertes Kind beanspruchen kann.
Der Kläger gewährt der am 24.02.1964 geborenen A. B., für die ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt ist, Eingliederungshilfe.
In dem für sie ausgestellten Schwerbehindertenausweis vom 25.07.1995 sind zusätzlich die Merkzeichen G und H eingetragen.
A. B. ist seit 1987 in einer Einrichtung der xxx-Stiftung in C. vollstationär untergebracht. Die vom Kläger getragenen Aufwendungen
hierfür belaufen sich derzeit auf ca. 2.600 EURO monatlich. Nach einer Bestätigung der Verwaltungsleiterin E. D. vom 01.08.2002
hat A. B. zu ihren Eltern keinerlei Verbindung. In den Jahren 1999 bis 2002 hat sie diese nicht besucht.
Die Eltern - O. und Ch. B .- leben in F. Einen Beitrag zum Unterhalt ihrer Tochter leisten sie nicht. Der vom Vater - dem
Beigeladenen - ab 01.01.2002 angeforderte Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 26 EURO wurde ebenfalls nicht entrichtet. Der
Beigeladene bezieht seit 01.01.1997 eine Altersrente, die nach der Bescheinigung der Landesversicherungsanstalt ... vom 16.08.2002
zu diesem Zeitpunkt monatlich 803,48 EURO betrug. Nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wurden 736,79
EURO an ihn ausbezahlt.
Das auf Antrag des Beigeladenen festgesetzte Kindergeld wurde mit Bescheid vom 04.03.2002 ab Januar 2002 in Höhe von monatlich
154 EURO an das Sozialamt des Bezirksamtes L. abgezweigt. Zur Begründung wurde angegeben, dass der Beigeladene seiner Unterhaltspflicht
gegenüber der Tochter nicht nachkomme. Die Abzweigung sei in dieser Höhe angemessen, weil das Kindergeld insoweit für den
Kindesunterhalt bestimmt sei. Mit Bescheid vom 23.05.2002 reduzierte die Familienkasse den an den Sozialleistungsträger abzuführenden
Abzweigungsbetrag für A. B. auf 26 EURO monatlich, weil ab dem 01.01.2002 auf Grund der Änderung des § 91 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG - vom Unterhaltspflichtigen nur Unterhalt in Höhe von monatlich 26 EURO verlangt werden könne. Deshalb sei auch die Abzweigung
auf diesen Betrag beschränkt. Das restliche Kindergeld in Höhe von 128 EURO wird seitdem an den Beigeladenen ausbezahlt. Ein
Abdruck des Bescheides wurde an den Kläger bekannt gegeben.
Der von ihm eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg; insoweit wird auf die Einspruchsentscheidung vom 05.11.2002 Bezug genommen.
Darin wird ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Abzweigung des Kindergeldes wegen Verletzung der Unterhaltspflicht
unstreitig vorlägen. Nach § 91 Abs. 2 BSHG könnten die Eltern zu den Kosten für eine vollstationäre Unterbringung ihres behinderten Kindes allenfalls in Höhe von 26
EURO herangezogen werden und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Eltern tatsächlich zum Unterhalt verpflichtet
seien. Damit könne auch gegenüber dem Sozialleistungsträger nur eine Unterhaltspflichtverletzung in maximal dieser Höhe unterstellt
werden. Die volle Abzweigung des Kindergeldes sei nicht gerechtfertigt.
Mit der Klage beantragt der Kläger, den Bescheid vom 23.05.2002 und die Einspruchsentscheidung vom 05.11.2002 aufzuheben und
die Familienkasse zu verpflichten, das Kindergeld für A. B. ab dem 01.05.2002 in voller Höhe an den Träger der Sozialhilfe
abzuzweigen.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor:
Die Voraussetzungen für eine Abzweigung lägen vor. Durch die vollstationäre Unterbringung von A. B. im Rahmen der Eingliederungshilfe
für behinderte Menschen werde ihr Unterhalt sichergestellt. Der unterhaltsverpflichtete Kindergeldberechtigte komme seiner
gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nach.
Die zum 01.01.2002 erfolgte Neuregelung des § 91 Abs. 2 BSHG berühre die Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer Abzweigung nach §
74 Abs.
1 Satz 4
EStG nicht. § 91 BSHG befasse sich aufgrund des Nachranggrundsatzes mit der sozialhilferechtlichen Beurteilung der Unterhaltsverpflichtungen Dritter,
und zwar losgelöst von zivilrechtlichen Maßstäben. Die sozialhilferechtliche Inanspruchnahme Dritter sage daher auch nichts
über Bestand und Höhe des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs aus. Dieser bleibe vielmehr in jedem Fall bestehen. Wenn der
Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 91 BSHG Folgerungen hinsichtlich des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs hätte ziehen wollen, hätte er derartige Überlegungen direkt
mit dem Gesetz verknüpfen müssen und dies nicht der Behörde überlassen dürfen. Auch bei Zahlung einer Unterhaltsleistung von
26 EURO bleibe regelmäßig eine partielle Unterhaltsverpflichtung der Eltern im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches -
BGB - und des
EStG bestehen. Außerdem ergebe sich aus den Gesetzesmateralien, dass die Beschränkung des Unterhaltsbeitrags der Eltern in § 91 Abs. 2 BSHG auf 26 EURO der Verwaltungsvereinfachung dienen solle.
Die Familienkasse beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen Folgendes vor:
Eine Abzweigung des Kindergeldes in voller Höhe sei nicht möglich. Auf Grund der Änderung des § 91 Abs. 2 BSHG würden die Eltern zu den Kosten für eine vollstationäre Unterbringung ihres Kindes ab dem 01.01.2002 allenfalls in einer
Höhe von 26 EURO monatlich herangezogen. Kämen die Eltern dieser Verpflichtung nach, sei keine Verletzung der Unterhaltspflicht
zu unterstellen. Soweit der Kindergeldberechtigte dagegen - wie im Streitfall - den Kostenbeitrag in Höhe von 26 EURO monatlich
nicht leiste, seien die Voraussetzungen für die Abzweigung des Kindergeldes grundsätzlich erfüllt -, jedoch nur in Höhe von
26 EURO. Der Kindergeldberechtigte sei nur zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 26 EURO verpflichtet. Folglich könne er seine
Unterhaltspflicht auch nur in diesem Umfang verletzen.
Sie - die Familienkasse - habe bei der Entscheidung über die Auszahlung des Kindergeldes das ihr zustehende Ermessen dahin
ausgeübt, dass eine Abzweigung maximal in Höhe von 26 EURO in Betracht komme.
Der BFH habe im Urteil vom 15.Oktober 1999 VI R 40/98, BFHE 189/449, BStBl II 2000, 75 zum Kindergeldanspruch für vollstationär untergebrachte behinderte Kinder ausgeführt, dass
die vom Träger gewährte Eingliederungshilfe nicht den gesamten Unterhaltsbedarf des Kindes decke. Hieraus habe er den Schluss
gezogen, dass eine steuerrechtliche Entlastung der Eltern geboten und ein Kindergeldanspruch zuzuerkennen sei. Würde das Kindergeld
angesichts der zweifellos hohen Aufwendungen des Sozialhilfeträgers regelmäßig abgezweigt, widerspräche dies der vom Gesetzgeber
vorfolgten Absicht, die Eltern durch die Auszahlung des Kindergeldes zu entlasten.
Der Senat hat mit Beschluss vom 15.04.2003 O. B. zum Verfahren beigeladen. Anträge hat der Beigeladene nicht gestellt.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg.
Die Entscheidung der Familienkasse, aus dem Kindergeldanspruch des Beigeladenen für seine Tochter A. 26 EURO zu Gunsten des
Klägers abzuzweigen, ist ermessensfehlerhaft. Die Familienkasse ist verpflichtet, das Kindergeld in voller Höhe an den Kläger
abzuzweigen. Das Ermessen ist im Hinblick auf die besonderen Umstände im Streitfall auf Null reduziert.
Nach §
74 Abs.
1 Satz 4
EStG 2002 kann die Auszahlung des für ein Kind festgesetzten Kindergeldes auch an die Person oder Stelle erfolgen; die dem Kind
Unterhalt gewährt. Damit soll sichergestellt werden, dass öffentliche oder private Einrichtungen, die dem Kind tatsächlich
Unterhalt gewähren, einen gewissen finanziellen Ausgleich erhalten (vgl. Seewald/Felix, Kindergeld,
EStG §
74 Rz. 22). Die Sonderregelungen des §
74 Abs.
1 Sätze 2 und 3
EStG gelten auch für diese Auszahlungen (Bergkemper in Herrmann, Heuer, Raupach, Kindergeld,
EStG §
74 Rz. 11). Verletzt also der Kindergeldberechtigte seine gegenüber den Kindern bestehende Unterhaltspflicht oder ist er mangels
Leistungsfähigkeit nach §
1603 Abs.
1 Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB - nicht oder nur mit einem geringen Betrag unterhaltspflichtig, so kann die Familienkasse das Kindergeld bis zur Höhe des
Betrages, der sich bei entsprechende Anwendung des §
76 EStG ergibt, an andere Personen auszahlen, die für den Unterhalt der Kinder aufkommen.
Für die Frage, ob die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Abzweigung des Kindergeldes vorliegen, ist es nach dem Gesetzeswortlaut
unerheblich, in welcher Höhe der Abzweigungsempfänger tatsächlich Unterhalt leistet; vielmehr ist davon auszugehen, dass jede
Form der Unterhaltsgewährung durch einen Dritten eine Auszahlungsanordnung zu Gunsten des Dritten rechtfertigen kann (vgl.
Seewald/Felix, Kindergeld,
EStG §
74 Rz. 27).
Eine Abzweigung nach §
74 Abs.
1 EStG steht im pflichtgemäßen Ermessen der Familienkasse. Nach Abschnitt 74.1.1. Abs. 3 Satz 2 der Dienstanweisung zur Durchführung
des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des
EStG - DA-FamEStG - (BStBl. I 2000, 636) ist im Hinblick auf die Zweckbestimmung des Kindergeldes das Ermessen regelmäßig dahingehend
auszuüben, dass bei Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen eine Abzweigung des Kindergeldes erfolgt (Ermessensreduktion
auf Null). Diese Entscheidung ist durch das Gericht nur darauf hin zu überprüfen, ob die gesetzliche Grenzen des Ermessens
überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist
(§ 102 Satz 1 FGO). Stellt es hierbei eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung
der angefochtenen Verwaltungsentscheidung beschränkt. Nur in den Fällen der sog. Ermessensreduzierung auf Null ist das Gericht
befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen (vgl. BFH-Urteil vom 10.
Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196/572, BStBl. II 2002, 201).
Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Abzweigung des Kindergeldes sind im Streitfall erfüllt. A. B. ist in einer
Einrichtung der xxxxx-Stiftung in C. vollstationär untergebracht, wobei die Kosten hierfür in Höhe von ca. 2.600 EURO monatlich
vom Kläger getragen werden. Der Beigeladene ist mangels Leistungsfähigkeit seiner Tochter gegenüber nicht zum Unterhalt verpflichtet.
Er bezieht nach seinen Angaben nur eine Altersrente, die sich ab 01.07.2002 monatlich auf 803,48 EURO beläuft. Nach den unterhaltsrechtlichen
Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland (Stand 01.01.2002, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 2001, 3247), in welche die Düsseldorfer Tabelle eingearbeitet ist, gilt als notwendiger Selbstbehalt eines nicht erwerbstätigen Unterhaltsverpflichteten
in allen Fällen der Inanspruchnahme als unterste Grenze ein Betrag in Höhe von 730 EURO (Tz. IV 20 b der Leitlinien). Gegenüber
volljährigen Kindern erhöht sich der Selbstbehalt bei einem nicht Erwerbstätigen auf 890 EURO (sog. angemessener Selbstbehalt,
Tz. IV 20 d der Leitlinien). Die Altersrente des Beigeladenen von ca. 800 EURO monatlich liegt damit unter dem angemessenen
Selbstbehalt.
Die von der Familienkasse getroffene Entscheidung ist ermessensfehlerhaft. Bei der Bemessung der Höhe des abzuzweigenden Kindergeldes
ist nicht ausschließlich auf die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 3 BSHG in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung (der Art. 15 Nr. 17, Art. 68 Abs. 7 des Sozialgesetzbuches - Neuntes Buch - (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.06.2001,
BGBl I 2001, 1046, 1112, 1139 und der Art. 27 Nr. 3, Art. 56 Abs. 2 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer
Gesetze vom 27.04.2002, BGBl I 2002, 1467, 1475, 1481) abzustellen. Maßgebend sind vielmehr hauptsächlich andere Erwägungen.
1. § 91 BSHG regelt den Übergang von Unterhaltsansprüchen eines Hilfeempfängers auf den Träger der Sozialhilfe. Hat der Hilfeempfänger
für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten
Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über (§ 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG). Der Anspruch geht nur über, soweit ein Hilfeempfänger sein Einkommen und Vermögen nach den Bestimmungen des Abschnitts
4 mit Ausnahme des § 84 Abs. 2 oder des § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 einzusetzen hat (§ 91 Abs. 2 Satz 1 BSHG). Der Übergang des Anspruchs gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen ist ausgeschlossen, wenn dies eine
unbillige Härte bedeuten würde (§ 91 Abs. 2 Satz 2 BSHG). Abweichend von den Sätzen 1 und 2 ist bei Kindern nach Vollendung des 18. Lebensjahres, die Eingliederungshilfe oder Hilfe
zur Pflege in vollstationären Einrichtungen erhalten, davon auszugehen, dass der Unterhaltsanspruch gegen die Eltern in Höhe
von monatlich 26 EURO übergeht (§ 91 Abs. 2 Satz 3 BSHG in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung). Diese vereinfachte pauschalierte Regelung soll nach der Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 04.04.2001 (Bundestags-Drucksache14/5786, S. 2) die damals geltende Regelung
der Heranziehung unterhaltspflichtiger Eltern zu den Kosten der Unterbringung ihrer behinderten Kinder ersetzen, um die bis
dahin erforderliche Einkommens- und Vermögensprüfung im Rahmen der Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe und der
Hilfe zur Pflege zu vermeiden. Ein weiterer Grund für die Einfügung der Neuregelung lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht
entnehmen. Die Vorschrift dient damit ausschließlich der Verwaltungsvereinfachung. Sie hat keine Auswirkungen auf die bestehenden
Unterhaltsverpflichtungen der Eltern.
2. Die Begrenzung des Übergangs des Unterhaltsanspruchs gegen die Eltern auf 26 EURO ist deshalb für die Frage, in welchem
Umfang Kindergeld abzuzweigen ist, nicht das ausschlaggebende Kriterium. In §
74 EStG ist auch nicht auf die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 3 BSHG (in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung) Bezug genommen. Deshalb kann die von der Familienkasse angenommene Bindung an einen
Höchstbetrag für die Abzweigung im Falle der vollstationären Unterbringung eines behinderten volljährigen Kindes nicht eintreten.
Für die Abzweigung des Kindergeldes ist nicht entscheidend, ob dem Abzweigungsempfänger ein Unterhaltsanspruch gegen den Kindergeldberechtigten
zusteht, sondern vielmehr, ob ein anderer als der Kindergeldberechtigte den Unterhalt für das Kind trägt. Dementsprechend
kann der durch die vollstationäre Unterbringung geleistete Unterhalt eine Auszahlungsanordnung zu Gunsten des Sozialhilfeträgers
rechtfertigen. Die nach den Vorschriften des BSHG von den Eltern zu leistenden Kostenbeiträge können zwar im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden. Für die
Ausübung des Ermessens sind jedoch vor allem die Schwere der Unterhaltspflichtverletzung des Kindergeldberechtigten sowie
die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Beteiligten maßgebend; hierbei ist auch die Höhe des von dem Dritten
gewährten Unterhalts von Bedeutung (vgl. Seewald/Felix, Kindergeldrecht,
EStG §
74 Rz. 33, Bergkemper in Herrmann, Heuer, Raupach, Kindergeld,
EStG §
74 Rz. 12).
3. Auf Grund der besonderen Umstände des Streitfalls hat der Kläger einen Anspruch auf Abzweigung des Kindergeldes für A.
B. in voller Höhe. Das Ermessen der Familienkasse ist auf Null reduziert. Dies folgt vor allem daraus, dass der Beigeladene
seit Jahren keinen Kontakt zu seiner Tochter pflegt und er keinerlei Aufwendungen für die Versorgung und Betreuung der Tochter
trägt. Die Aufwendungen für die vollstationäre Unterbringung und den Unterhalt von A. B. werden, soweit ihre eigenen Einkünfte
und Bezüge zur Bestreitung ihres Unterhalts nicht ausreichen, in vollem Umfang vom Kläger übernommen. Sie belaufen sich derzeit
auf ca. 2.600 EURO monatlich. Soweit der Sozialhilfeträger wegen der Leistungsunfähigkeit des Kindergeldberechtigten alleine
für den Unterhalt eines behinderten Kindes aufkommt und eine Eltern-Kind-Beziehung nicht mehr besteht, ist es angemessen,
das Kindergeld an den Sozialhilfeträger auszuzahlen. Dies widerspricht nicht der Zielsetzung des Kindergeldes. Zweck des Kindergeldes
ist nach §
31 Satz 1
EStG die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums des Kindes. Soweit das Kindergeld dafür
- wie im Streitfall wegen der niedrigen Einkünfte des Beigeladenen - nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie
(§
31 Satz 2
EStG). Eine zu fördernde Familie besteht jedoch im Streitfall nicht mehr, wobei dahingestellt bleiben kann, aus welchen Gründen
es zu einem Abbruch der familiären Beziehungen gekommen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig (§ 139 Abs. 4 FGO). Durch seine Mitwirkung hat er zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen und damit den Fortgang des Verfahrens gefördert.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.