Kein Arbeitsverhältnis bei Beschäftigungsgelegenheit für ALG-II-Bezieher trotz Zweifel an Zusätzlichkeit und Gemeinnützigkeit der Tätigkeit - Ein-Euro-Job
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen mit Wirkung ab dem 07.03.2005 ein Arbeitsverhältnis begründet und ein solches
ggf. kraft Befristung mit dem 06.09.2005 oder aber aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung zum 30.09.2005 beendet worden ist.
Der beklagte Verein ist ein Träger der freien Wohlfahrtspflege, dem mit Bescheid der zuständigen Agentur für Arbeit K... vom
21.01.2005 (vgl. Vor.A. Bl. 49 bis 51) pauschale Förderleistungen zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung
- Zusatzjobs nach § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II bewilligt wurden.
Die Klägerin, geboren am ....1964, mit einem GdB von 50 schwerbehindert und seinerzeit Bezieherin von ALG II, erhielt von der Agentur für Arbeit K... mit Schreiben vom 02.02.2005 die Mitteilung über eine Arbeitsstelle beim beklagten
Verein, verbunden mit der Bitte, dort umgehend einen Vorstellungstermin zu vereinbaren. Das Schreiben, auf welches im Übrigen
Bezug genommen wird (Vor.A. Bl. 38 und 61), lautet auszugsweise wie folgt:
"...
ich freue mit, Ihnen folgende Arbeitsstelle vorschlagen zu können:
Tätigkeit: Beschäftigungsgelegenheiten für ALG II-Bezieher ...
Betriebsart: Organisationen der freien Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe
Anforderungen: Einsatz in der mobilen Altenhilfe, Waschküche, L... Cafe, Hausmeisterservice und Bautrupp, Pflege, Reinigung,
Schulen, Kita ...
Lohn/Gehalt: 1,00 ...
Vereinbaren Sie bitte umgehend einen Vorstellungstermin. Wenden Sie sich bei obengenanntem Arbeitgeber an Frau K... ... Nehmen
Sie bitte dieses Schreiben zur Vorstellung mit
..."
Gleichfalls mit Datum des 02.02.2005 (vgl. Vor.A. Bl. 62) wurde der beklagte Verein von der Agentur für Arbeit K... darüber
informiert, dass man die Klägerin gebeten habe, einen Vorstellungstermin zu vereinbaren.
Die Klägerin erschien am 22.02.2005 beim Beklagten zu einem entsprechenden Vorstellungsgespräch. Die Arbeitsaufnahme zum 07.03.2005
mit 20 Stunden pro Woche, befristet für die Dauer von sechs Monaten und gegen Gewährung von 2,00 Euro pro Stunde wurde vereinbart.
Hierüber erhielt die Klägerin von dem Beklagten die schriftliche Mitteilung weiterer Einzelheiten ("Informationen für die
Beschäftigten der 2 EUR-Jobs", Vor.A. Bl. 8 bis 10). Bei Arbeitsaufnahme am 07.03.2005 wurde der Klägerin erstmals die für
sie bestimmte Tätigkeit mitgeteilt und entsprechend zugewiesen, und zwar als Reinigungskraft bei der Gebäudereinigung eines
Altenheimes.
Mit Schreiben vom 06.09.2005 (vgl. ABl. 35) - zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin gegenüber dem Beklagten bereits das Bestehen
eines Arbeitsverhältnisses behauptet - wurde der Klägerin vom beklagten Verein mitgeteilt, dass der Einsatz der Klägerin im
Rahmen von ALG II mit dem 06.09.2005 ende. Hilfsweise, zur Sicherheit, wurde eine Kündigung zum 30.09.2005 ausgesprochen.
Hiergegen hat sich die Klägerin beim Arbeitsgericht gewendet und den ungekündigten Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses
der Parteien sowie die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss geltend gemacht. Hierzu hat die Klägerin
bereits beim Arbeitsgericht den Standpunkt vertreten, die Voraussetzungen für eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung
i. S. des 16 Abs. 3 S. 2 SGB II seien hinsichtlich der Beschäftigung der Klägerin beim beklagten Verein nicht gegeben gewesen.
Die der Klägerin zugewiesene Tätigkeit sei keine im öffentlichen Interesse liegende zusätzliche Arbeit i. S. der Vorschrift.
Auch fehle es an der nötigen Eingliederungsvereinbarung mit der zuständigen Arbeitsagentur gem. § 15 SGB II bzw. einem diese
ggf. ersetzenden Verwaltungsakt. Zwischen den Parteien sei ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis durch entsprechende Willenserklärungen
begründet worden.
Das Arbeitsgericht hat die als zulässig erachtete Klage mangels Begründetheit abgewiesen. Es komme letztlich nicht darauf
an, ob die von der Klägerin verrichtete Arbeit die Merkmale der Gemeinnützigkeit und Zusätzlichkeit gem. § 16 Abs. 3 S. 2
SGB II erfülle. Auch komme es nicht darauf an, ob die Klägerin mit der Agentur für Arbeit K... eine Eingliederungsvereinbarung
gem. § 15 SGB II getroffen habe. Jedenfalls habe im Mittelpunkt der mit der Klägerin getroffenen Vereinbarung nicht die Erbringung
einer bestimmten Arbeitsleistung gegen Zahlung eines entsprechenden Arbeitsentgelts gestanden, sondern die Schaffung einer
förderungswürdigen Arbeitsgelegenheit zur Eingliederung der Klägerin in den Arbeitsprozess. Dieser öffentlich-rechtliche Aspekt
entfalle nicht dadurch, dass einzelne gesetzliche Voraussetzungen nicht erfüllt würden, denn ein Mangel innerhalb der öffentlich-rechtlichen
Rechtsbeziehungen führe nicht zu einer Umwandlung in ein privat-rechtliches Arbeitsverhältnis. Es habe ein öffentlich-rechtliches
Sozialrechtsverhältnis bestanden, welches gem. den Regelungen des § 16 Abs. 3 SGB II abgewickelt worden sei.
Zur näheren Sachdarstellung wird im Übrigen auf das arbeitsgerichtliche Urteil vom 20.01.2006 Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie macht unverändert geltend, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine
Maßnahme nach § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II fehlten. Zwischen den Parteien sei ein Arbeitsverhältnis begründet worden, indem der
Klägerin am 07.03.2005 von § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II nicht erfasste Reinigungsarbeiten zugewiesen worden seien und die Klägerin
dieses konkludente Angebot des beklagten Vereins durch Aufnahme der Tätigkeit angenommen habe.
Die Klägerin beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 20.01.2006 (Az.: 1 Ca 336/05) wird abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet wurde.
3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 06.09.2005 hinaus unbefristet fortbesteht,
insbesondere durch die Kündigung der Beklagten vom 06.09.2005 nicht beendet wurde.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen
Bedingungen als Reinigungskraft weiter zu beschäftigen.
Der beklagte Verein, der das erstinstanzliche Urteil verteidigt, beantragt:
Zurückweisung der Berufung.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
sowie auf das Protokoll zum Verhandlungstermin am 04.07.2006 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Zwischen den Parteien ist kein Arbeitsverhältnis begründet worden. Dies bedeutet, dass sich die Klage insgesamt als unbegründet
erweist. Auch das Berufungsvorbringen der Klägerin erlaubt keine vom arbeitsgerichtlichen Urteil abweichende Entscheidung.
I.
Im Ergebnis zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Zulässigkeit der Klage bejaht. Zur Vermeidung
unnötiger Wiederholungen kann auf die diesbezüglichen Ausführungen unter Abschnitt I der Entscheidungsgründe im angefochtenen
Urteil verwiesen werden.
II.
Die Parteien haben keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Derartiges geschah entgegen der Argumentation der Klägerin auch nicht
durch konkludente Vereinbarung.
1. Die für die Dauer von sechs Monaten befristete Beschäftigung der Klägerin ab dem 07.03.2005 sollte nach dem übereinstimmenden
Willen der Parteien die Verschaffung einer förderwürdigen Arbeitsgelegenheit darstellen. Hierbei sollte der beklagte Verein
im Rahmen einer von der zuständigen Agentur für Arbeit getragenen und entsprechend finanzierten Maßnahme i. S. des § 16 Abs.
3 S. 2 SGB II als Dritter die von der Agentur für Arbeit als Leistungsträger erwartete und für die Förderung vorausgesetzte
Arbeitsgelegenheit verschaffen.
Der dahingehende Konsens der Parteien ergibt sich aus den Umständen des Zustandekommens der Beschäftigung der Klägerin.
Die Klägerin wurde dem beklagten Verein nicht etwa als Arbeitssuchende zum Zweck der Begründung eines Arbeitsverhältnisses
vermittelt. Vielmehr war der Klägerin unmissverständlich im Schreiben der Agentur für Arbeit vom 02.02.2005 mitgeteilt worden,
dass es sich bei der vorgeschlagenen Arbeitsstelle um "Beschäftigungsgelegenheiten für ALG II-Bezieher" handle. Mit der Anführung von "1,00 Euro" unter dem Betreff Lohn/Gehalt wurde entsprechend deutlich gemacht,
dass es sich um die Vermittlung der Klägerin als sog. "1-Euro-Jobberin" handeln sollte.
Das Ergebnis der Vorstellung der Klägerin am 22.02.2005 entsprach der von der Arbeitsagentur für Arbeit in die Wege geleiteten
Verschaffung einer Arbeitsgelegenheit. Die Klägerin erhielt vom Beklagten als Bestätigung über ihren ab dem 07.03.2005 vereinbarten
Arbeitseinsatz eine allgemein gehaltene und nach Art eines Merkblatts abgefasste Information, überschrieben "Informationen
für die Beschäftigten der 2 EUR-Jobs".
Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass man sich, entsprechend der im Schreiben der Agentur für Arbeit K... vom 02.02.2005 niedergelegten
Zwecksetzung, über eine Beschäftigungsgelegenheit für ALG II-Bezieher geeinigt habe. Zur Abgabe von konkreten Erklärungen beim Vorstellungsgespräch am 22.02.2005, denen zufolge sich
der auf das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses gerichtete Wille der Parteien ergeben könnte, trägt auch die Klägerin
nichts vor. Insbesondere ist nicht etwa davon die Rede, man habe sich darüber verständigt, dass die Klägerin dem beklagten
Verein ihre Arbeitskraft, etwa für Reinigungstätigkeiten, habe zur Verfügung stellen und als Gegenleistung hierfür vom beklagten
Verein lediglich Euro 2,00 pro Stunde als Arbeitsentgelt habe beziehen sollen.
Ein schlüssiger Vortrag der Klägerin zum - konkludenten - Zustandekommen eines Arbeitsvertrages ist auch nicht in der Behauptung
zu sehen, man habe der Klägerin am 07.03.2005 die Reinigungsarbeiten zugewiesen und die Klägerin habe ein derartiges Angebot
stillschweigend angenommen. Dies vermag bereits deshalb nicht zu überzeugen, weil auch nach dem übrigen Vortrag der Klägerin
die maßgebliche Vereinbarung über eine Arbeitstätigkeit der Klägerin bereits am 22.02.2005 getroffen worden war.
2. a.) Hinsichtlich der rechtlichen Einordnung der Rechtsbeziehungen des Begünstigten einer Maßnahme nach § 16 Abs. 3 S. 2
SGB II und einem Dritten als Maßnahmeträger werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Teilweise wird von einem öffentlich-rechtlichen
Vertrag ausgegangen (vgl. Zwanziger, AuR 2005, S. 10, m. w. N.), an anderer Stelle erfolgt die Qualifizierung als privat-rechtliches Beschäftigungsverhältnis eigener Art (vgl.
Eicher in Eicher/Spellbrink SGB II § 16 RdNr 239). Jedenfalls liegt, wie § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II ausdrücklich bestimmt, kein
Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts vor.
b.) An dieser auch für den Streitfall maßgeblichen rechtlichen Einordnung ändert sich im Ergebnis nichts dadurch, dass die
Voraussetzungen der Bestimmung des § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II nicht vorliegen mögen, wonach die Arbeitsgelegenheiten im öffentlichen
Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten betreffen müssen.
Bei dem gebotenen Rückgriff auf die Definitionen gem. § 261 Abs. 2 und 3
SGB III ist der Klägerin durchaus darin zuzustimmen, dass bei der von ihr verrichteten Tätigkeit als Reinigungskraft im Altenheim
sowohl das Merkmal der Zusätzlichkeit als auch ein der Allgemeinheit dienendes Arbeitsergebnis nicht zu bejahen sein mögen.
Dies muss indes nicht vertieft werden. Denn jedenfalls führte das Nichtvorliegen der in Rede stehenden Tatbestandsmerkmale
des § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II nicht zum Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses der Parteien. Das folgt nicht zuletzt aus dem Umstand,
dass nach Sachlage keine Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die Parteien hätten erkannt oder ernsthaft in Betracht gezogen,
die von der Agentur für Arbeit in die Wege geleitete und von den Parteien vollzogene Verschaffung einer Arbeitsgelegenheit
erfülle die maßgeblichen gesetzlichen Voraussetzungen nicht. In diesem Zusammenhang lässt sich auch nicht etwa argumentieren,
es liege ein Fall greifbarer Verkennung der Voraussetzungen vor, die an Arbeiten i. S. des § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II zu stellen
sind. Insbesondere auch der beklagte Verein mag bei der Beschäftigung der Klägerin der Auffassung gewesen sein, die zusätzliche
Beschäftigung einer Reinigungskraft in einem Altenheim werde den Anforderungen des § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II hinsichtlich Gemeinnützigkeit
und Zusätzlichkeit gerecht.
Noch weniger lässt sich das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses der Parteien mit Hinweis darauf begründen, es liege
zwischen der Klägerin und der Agentur für Arbeit keine Eingliederungsvereinbarung i. S. des § 15 SGB II vor und die Behörde
habe auch keinen eine solche Vereinbarung ersetzenden Heranziehungsbescheid erlassen. Eine aus derartigen Überlegungen etwa
folgende Fehlerhaftigkeit der behördlichen Maßnahme führte jedenfalls nicht zum Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses der Parteien.
Als denkbare Rechtsfolge wären in diesem Zusammenhang allenfalls Zahlungsansprüche der Klägerin mit Rücksicht auf die von
ihr geleisteten Reinigungsarbeiten in Betracht zu ziehen.
Nach §
97 Abs.
1 ZPO trägt die Klägerin die Kosten der Berufung.
Gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ist die Revision zugelassen.