Sozialrechtsweg bei Streitigkeit aus Beschäftigungsverhältnis zwischen Maßnahmeträger und Hilfebedürftigen
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf der Grundlage der zwischen ihnen getroffenen "Vereinbarung zum berufspraktischem Einsatz
in Arbeitsangelegenheiten" auf Weiterbeschäftigung und Zahlung einer Mehraufwandsentschädigung in Anspruch.
Dem seit dem Jahre 2003 arbeitslosen Kläger wird seit dem 1. Januar 2005 Grundsicherung für Arbeitssuchende nach den Bestimmungen
des SGB II gewährt. Aufgrund einer Zuweisung durch das Job-Center der zuständigen Arbeitsagentur wurde der Kläger seit dem
1. Juni 2005 im Rahmen eines berufspraktischen, bis zum 30. November 2005 befristeten Einsatzes bei der Beklagten zum Zwecke
der zusätzlichen Pflegearbeit auf dem von dieser betriebenen "J. Friedhof Berlin-W." beschäftigt. Die Parteien schlossen eine
entsprechende, schriftliche Vereinbarung vom 8. Juni 2005, wonach eine Arbeit von 30 Wochenstunden vorgesehen wurde und der
Kläger für die tatsächlich geleisteten Beschäftigungsstunden eine Mehraufwandsentschädigung von 1,50 EUR erhalten sollte;
auf den weiteren Inhalt der Vereinbarung wird Bezug genommen.
Im Laufe des 18. Juli 2005 verweigerte die für den Kläger zuständige, in der Vereinbarung als fachliche Anleiterin bezeichnete
stellvertretende Friedhofsleiterin diesem die weitere Beschäftigung; daran hielt die Beklagte ungeachtet eines zwischen den
Parteien darauf geführten Schriftwechsels in der Folgezeit fest.
Mit der dagegen gerichteten Klage verlangt der Kläger die Weiterbeschäftigung und die Zahlung der Mehraufwandsentschädigung
für die Zeit von Juli 2005 bis Oktober 2005. Er ist der Auffassung, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei gegeben,
weil der Schwerpunkt des zwischen den Parteien begründeten Rechtsverhältnisses privatrechtlicher Natur und er bei der Beklagten
als arbeitnehmerähnliche Person beschäftigt worden sei.
Durch Beschluss vom 18. Januar 2006 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig
erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin verwiesen. Es ist dabei sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung
der Entscheidung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. September 2005 - L 3 ER 79/05 AS gefolgt und hat demgemäß
die Rechtsnatur des betreffenden Rechtsverhältnisses als öffentlich-rechtlich angesehen. Die dem Rechtsverhältnis zugrunde
liegenden Rechtsnormen gehörten dem öffentlichen Recht an. Das zwischen den Parteien begründete Rechtsverhältnis beruhe nicht
auf einer privatrechtlichen Einigung der Vertragsparteien, sondern auf der Entscheidung des Leistungsträgers im Sinne des
SGB II. Daran ändere die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung nichts; selbst wenn der Maßnahmeträger eine Privatperson
sei, könne seine Einbeziehung in das Rechtsverhältnis als Beauftragung mit der Maßnahme und partielle Übertragung öffentlich-rechtlicher
Handlungskompetenzen angesehen werden. Es gehe nicht um die Wertung eines privatautonom geschlossenen Vertrages mit einer
entsprechenden Interessenlage der Vertragsparteien, sondern um die durch den öffentlich-rechtlichen Leistungsträger geschaffene
Arbeitsgelegenheit des Hilfebedürftigen, die dieser im Rahmen des gesetzgeberischen Ziels des Förderns, wie es in § 14 SGB
II zum Ausdruck komme, erhalten habe. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses
Bezug genommen.
Gegen den dem Kläger am 26. Januar 2006 zugestellten Beschluss richtet sich seine beim Arbeitsgericht am selben Tag eingegangene
sofortige Beschwerde, deren Zurückweisung die Beklagte begehrt. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
1.
Die gemäß §§ 48 Abs. 1, 78 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §
17a Abs.
4 Satz 3
GVG sowie §
567 Abs.
1 Ziffer 1
ZPO statthafte sofortige Beschwerde hat der Kläger form- und fristgerecht eingelegt (§ 78 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §
569 ZPO).
Das Rechtsmittel hat in der Sache aber keinen Erfolg. Darüber ist ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden
gewesen (§ 78 Satz 3 ArbGG).
Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass für die zu beurteilende Klage der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen
nicht gegeben ist.
2.
Das Beschwerdegericht folgt voll inhaltlich den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Beschluss,
das darin seinerseits die tragenden Gründe des Beschlusses des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. September 2005
herangezogen hat, wonach es sich um eine Streitigkeit in einer Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Sinne
des SGB II handelt und damit gemäß §
51 Abs.
1 Ziffer 4a
SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist; auf die Gründe wird ausdrücklich Bezug genommen. Da die Parteien im Beschwerdeverfahren
keinerlei neuen Gesichtspunkte zur Bestimmung des zutreffenden Rechtswegs vorgebracht haben, hat für das Beschwerdegericht
lediglich Anlass zu einer zusammenfassenden Begründung bestanden.
3.
Der Klage liegt keine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziffer 3 ArbGG zugrunde; damit gibt es auch keinen Raum dafür, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen über die Regelung des §
5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG deswegen als gegeben anzunehmen, weil der Kläger als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen wäre (so aber Arbeitsgericht Berlin
75 Ca 10146/05 vom 25.8.2005, NZA 05, 1309).
a)
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs, der das Beschwerdegericht folgt, beurteilt sich
die Beantwortung der Frage, ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, nach der Natur
des Rechtsverhältnisses, woraus der Klageanspruch abgeleitet wird. Maßgebend ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene
Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts oder des öffentlichen Rechts
geprägt wird (vgl. BAG 5 AZB 27/05 vom 5.10.2005, NZA 05, 1429; BAG 5 AZB 1/03 vom 11.6.2003, NZA 03, 877; BAG vom 16.2.2000, NZA 00, 385; BAG vom 30.8.2000, NZA 00, 1359).
Gemessen an diesen Grundsätzen macht der Kläger keine bürgerlich-rechtlichen Ansprüche gegen die Beklagte geltend.
b)
Das aufgrund der "Vereinbarung zum berufspraktischem Einsatz in Arbeitsangelegenheiten" zwischen den Parteien zustande gekommene
Rechtsverhältnis ist nicht privat-rechtlicher Natur. Dieses Rechtsverhältnis, das die Parteien neben dem zwischen dem Leistungsträger
und dem Hilfebedürftigen, dem Kläger, aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II bestehenden Sozialrechtsverhältnis begründet
haben, wird ganz wesentlich durch die Vorschriften des öffentlichen Rechts des SGB II bestimmt. Die Umsetzung der seitens
der Agentur für Arbeit veranlassten Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit zum berufspraktischen Einsatz im Rahmen von im öffentlichen
Interesse liegenden, zusätzlichen Arbeiten lässt nicht erkennen, dass ungeachtet des gesetzgeberischen Hinweises, es werde
durch diese Arbeit kein Arbeitsverhältnis begründet (§ 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II), zwischen dem Maßnahmeträger und dem Hilfebedürftigen
doch zumindest ein privatrechtliches Dienstverhältnis mit der Rechtsfolge zustande kommt, dass über § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG bei Vorliegen dessen Voraussetzungen der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet sein könnte. Denn maßgeblich
ist, dass dieses Rechtsverhältnis zwischen dem Maßnahmeträger und dem Hilfebedürftigen auf der Grundlage des öffentlichen
Rechts des § 16 Abs. 3 SGB II entsteht. Der Leistungsträger entscheidet über die Frage, ob nach Maßgabe der Vorschriften zur
Grundsicherung für Arbeitssuchende für den Hilfebedürftigen eine bestimmte Arbeitsgelegenheit geschaffen werden soll oder
nicht. Diese Maßnahme dient - wie das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz zu Recht ausführt - dem öffentlich-rechtlichen Grundsatz
des Förderns, wie er in § 14 SGB II zum Ausdruck kommt, und soll dementsprechend den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der
Eingliederung in Arbeit unterstützen. Es geht insoweit nicht um ein privat-rechtlich vereinbartes Dienstverhältnis, zu dessen
Eingehung sich der Dienstverpflichtete in der Regel deswegen entscheidet, weil er mit dem daraus zu erzielenden Einkommen
seinen Lebensunterhalt bestreiten will.
Soweit die gegenteilige Auffassung darauf abstellt, dass es zur Begründung dieses Rechtsverhältnisses keines öffentlich-rechtlichen
Verwaltungsakts seitens des Leistungsträgers bedarf, der Maßnahmeträger keine Einrichtung des öffentlichen Rechts sein muss
und er in diesem Fall auch nicht als "Beliehener" mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen angesehen werden kann, kann dem nicht
gefolgt werden. Aus dem Fehlen eines Verwaltungsakts - ob ein solcher im Streitfall im Rahmen der Zuweisung des Klägers zum
Einsatz bei der Beklagten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ergangen ist, ist nicht aufgeklärt worden - und aus dem Fehlen öffentlich-rechtlicher
Handlungskompetenzen kann die privat-rechtliche Natur des Rechtsverhältnisses nicht allein abgeleitet werden. Auch ohne diese
Merkmale verändert sich die öffentlich-rechtliche Natur des Rechtsverhältnisses der Parteien nicht. Die Beschäftigung des
Klägers im Rahmen der ihm durch den Leistungsträger zugewiesenen Maßnahme zur Schaffung einer Arbeitsgelegenheit als Leistung
zur Eingliederung in Arbeit ist seiner Natur nach auch ohne vorangegangenen Verwaltungsakt öffentlich-rechtlich, weil es auf
den Charakter der Rechtsgrundlagen dieser Beschäftigung und den sich daraus ergebenden Zweck ankommt. Werden auf dieser Basis
zwischen dem Maßnahmeträger und dem Hilfebedürftigen sodann Einzelheiten über die Ausgestaltung der Beschäftigung im Rahmen
der Maßnahme durch den Abschluss einer Vereinbarung geregelt, so ändert sich an der öffentlich-rechtlichen Natur dieses Rechtsverhältnisses
dadurch nichts, wenn nicht die Parteien dieser Vereinbarung darin ausdrücklich über den mit der Maßnahme vom Leistungsträger
verfolgten Zweck hinausgehen und Regelungen treffen, die für die Begründung eines privat-rechtlichen Dienst- oder gar Arbeitsverhältnisses
sprechen. Dies ist hingegen im Streitfall nicht geschehen. Alle Vertragspunkte fügen sich in den der Beschäftigung zugrunde
liegenden, öffentlich-rechtlichen Charakter der Maßnahme des Job-Centers ein, ohne dass die Annahme gerechtfertigt wäre, die
Parteien hätten ein vom Inhalt und Zweck der Maßnahme des Leistungsträgers abweichendes, privat-rechtliches Dienst- oder Arbeitsverhältnis
begründen wollen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§
17a Abs.
4 Satz 5
GVG, § 78 Satz 2 ArbGG in Verbindung mit § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG).