Kein Arbeitsrechtsweg bei Streit um Beschaffung eines adäquaten Arbeitsplatzes für erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und Schadensersatz
wegen entgangener Arbeitsvergütung
Gründe:
I.
I. Die Parteien streiten vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs.
Der Kläger ist Arbeitssuchender und erhält Entgeltleistungen nach dem SGB II. Die Beklagte ist die Arbeitsgemeinschaft für
die Grundsicherung Arbeitssuchender im Kreis A , welche die Aufgaben nach dem SGB II für die Agentur für Arbeit und des kommunalen
Trägers im Kreis A wahrnimmt. Sie betreut den Kläger als anspruchsberechtigten einzugliedernden Hilfebedürftigen.
Mit Schreiben vom 09.01.2007 bot die Beklagte dem Kläger eine Maßnahme der Eignungsfeststellung/Trainingsmaßnahme nach §
16 Abs.
1 SGB II i.V. mit §§
48 ff.
SGB III bei einem Unternehmen in H als Lagerarbeiter für die Zeit vom 15.01. bis zum 26.01.2007 an. Dort verrichtete der Kläger seinen
Angaben zufolge bis zum 31.01.2007 Tätigkeiten als Dekorateur oder Fliesenleger.
Mit seiner am 22.02.2007 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangenen Klage vom 14.02.2007 hat der Kläger die Beklagte auf Beschaffung
eines adäquaten (Ersatz-)Arbeitsplatzes wegen angeblich von einem Mitarbeiter der Beklagten verschuldeten Arbeitsplatzverlustes
sowie auf Schadensersatz wegen entgangener Arbeitsvergütung in Anspruch genommen.
Der Kläger ist der Ansicht gewesen, das Arbeitsgericht sei hier zuständig, weil es sich bei dem Streitgegenstand um ein Arbeitsverhältnis
zwischen ihm und dem Unternehmen gehandelt habe, das durch Einwirken der Beklagten zerstört worden sei. Er hat behauptet,
er habe sich um die Anstellung bei dem Unternehmen in H selbst bemüht und sei nicht in eine betriebliche Trainingsmaßnahme
vermittelt worden. Die Trainingsmaßnahme sei ihm anstelle eines geplanten (Probe-)Arbeitsverhältnisses aufgedrängt und in
dem Gesamtzusammenhang einer langfristigen Arbeitsplatzförderung als notwendig dargestellt worden. In dem Unternehmen sei
er vom 15.01. bis zum 31.01.2007 zunächst in einem zweiwöchigen Probearbeitsverhältnis tätig gewesen. Am 31.01.2007 sei ihm
im Büro des Unternehmens in Gegenwart eines Sachbearbeiters der Beklagten mitgeteilt worden, man habe sich zur Beendigung
des Arbeitsverhältnisses entschlossen.
Die Beklagte hat die Zulässigkeit des vom Kläger gewählten Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen gerügt und beantragt,
die Klage an das Sozialgericht Aachen zu verweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, Ansprüche des Klägers gegen sie könnten
sich allein aus den Bestimmungen des SGB II ergeben, da der Kläger im Rahmen des Leistungsanspruchs nach § 16 SGB II in eine
betriebliche Trainingsmaßnahme vermittelt und ein Arbeitsverhältnis dadurch nicht begründet worden sei.
Das Arbeitsgericht hat sich mit Beschluss vom 20.03.2007 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gemäß §§ 48 ArbGG,
17 a GVG an das Sozialgericht Aachen verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Sozialgericht sei gemäß §
51 Abs.
1 Nr.
4 a SGG in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitssuchende zuständig. Dies gelte auch für einen Streit, in dem es um einen
angeblich verursachten Verlust des Arbeitsplatzes durch die Beklagte gehe.
Gegen diesen dem Kläger am 26.03.2007 zugestellten Beschluss richtet sich seine am 04.04.2007 beim Arbeitsgericht Aachen eingelegte
sofortige Beschwerde. Mit Beschluss vom 05.04.2007 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
1. Die an sich gemäß §§ 48 Abs. 1, 78 Satz 1 ArbGG i.V. mit §
17 a Abs.
4 Satz 3
GVG statthafte sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 20.03.2007 ist zulässig, da
sie der Kläger nach § 78 Satz 1 ArbGG i.V. mit §
569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt hat.
2. Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sache nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Recht verneint. Zwischen den
Parteien bestehen keine bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten i.S. von § 2 ArbGG.
a) Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern
und Arbeitgebern in bestimmten im Einzelnen aufgeführten Fällen. Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher
Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird. Maßgebend ist, ob
der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des bürgerlichen
Rechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird (BAG, Beschluss vom 08.11.2006 - 5 AZB 36/06, NZA 2007, 53 ff., zu III. 1. der Gründe m.w. Nachw.).
b) Danach ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gegeben. Der von dem Kläger vorgetragene Sachverhalt ist im Hinblick
auf die von ihm begehrten Rechtsfolgen - Beschaffung eines adäquaten (Ersatz-)Arbeitsplatzes sowie Schadensersatz wegen entgangener
Arbeitsvergütung - von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts bestimmt. Angelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, wie sie
in § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II geregelt sind, begründen ein von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägtes Rechtsverhältnis
(BAG, Beschluss vom 08.11.2006 - 5 AZB 36/06, NZA 2007, 53 ff., zu III. 2. der Gründe).
aa) Arbeitsangelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung gehören zu den Leistungen, die ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger
nach den Regelungen des SGB II, insbesondere dessen §
16, als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erhalten kann. §
16 Abs.
3 SGB III bestimmt insoweit:
Für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Arbeit finden können, sollen Arbeitsangelegenheiten geschaffen werden. Werden
Gelegenheiten für im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten nicht nach Absatz 1 als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
gefördert, ist den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuzüglich zum Arbeitslosengeld II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen
zu zahlen; diese Arbeiten begründen kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts; die Vorschriften über den Arbeitsschutz
und das Bundesurlaubsgesetz mit Ausnahme der Regelungen über das Urlaubsentgelt sind entsprechend anzuwenden; für Schäden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit
haften erwerbsfähige Hilfebedürftige nur wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
bb) Bereits zur Vorgängerregelung in § 19 Abs. 2 und 3 BSHG hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, die Heranziehung zu zusätzlicher gemeinnütziger Arbeit durch Verwaltungsakt und
unter Gewährung einer Mehraufwandsentschädigung begründe kein Arbeitsverhältnis (BAG, Urteil vom 14.01.1987 - 5 AZR 166/85, EzA
BGB §
611 BGB Faktisches Arbeitsverhältnis Nr.
1). Diese Rechtsprechung ist auf Arbeitsangelegenheiten nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II zu übertragen (BAG, Beschluss vom 08.11.2006 - 5 AZB 36/06, NZA 2007, 53 ff., zu III. 2. b) der Gründe). Solche Arbeitsangelegenheiten sind durch Vorschriften des öffentlichen Rechts geprägt. §
16 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II bestimmt ausdrücklich, dass kein Arbeitsverhältnis begründet wird. Deshalb sind für Rechtsstreitigkeiten
hieraus nicht die Arbeitsgerichte, sondern die Sozialgerichte zuständig (BAG, Beschluss vom 08.11.2006 - 5 AZB 36/06, NZA 2007, 53 ff., zu III. 2. b) der Gründe m.w. Nachw.). Die Besonderheiten der Regelungen stehen dem nicht entgegen. Weder das Vorliegen
eines Vertragsabschlusses noch die Einbeziehung eines privaten Dritten als Leistungserbringer haben eine Prägung des Sachverhalts
durch Regelungen des Privatrechts zur Folge (BAG, Beschluss vom 08.11.2006 - 5 AZB 36/06, NZA 2007, 53 ff., zu III. 2. b) der Gründe).
c) Selbst wenn hier zugunsten des Klägers dessen Behauptung, zwischen ihm und dem Unternehmen in H sei ein (Probe-)Arbeitsverhältnis
mit - wie es in dem Schreiben des Anwalts des Klägers an dieses Unternehmen vom 30.03.2007 heißt - einer täglichen Arbeitszeit
von acht Stunden und einem Stundenverdienst in Höhe von 8,50 EUR vereinbart worden, als zutreffend unterstellt würde, wäre
der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt zur Begründung seiner auf Beschaffung eines adäquaten (Ersatz-)Arbeitsplatzes und
Ersatz der entgangenen Arbeitsvergütung gerichteten Forderungen, nämlich die angebliche Verursachung des Verlustes seines
Arbeitsverhältnisses durch einen Sachbearbeiter der Beklagten, nicht von Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts, sondern des
öffentlichen Rechts geprägt. Denn, wie bereits ausgeführt, sind die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten
als Arbeitsgemeinschaft für die Grundsicherung Arbeitssuchender im Kreis A , welche die Aufgaben nach dem SGB II für die Agentur
für Arbeit und des kommunalen Trägers im Kreis A wahrnimmt, nicht bürgerlich-rechtlicher, sondern öffentlich-rechtlicher Natur.
d) Danach besteht zwischen den Parteien auch kein zivilrechtliches Vertragsverhältnis, das als Rechtsverhältnis zwischen einer
arbeitnehmerähnlichen Person und ihrem Auftraggeber nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG i.V. mit § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnen könnte.
e) Die Zuständigkeit der Sozialgerichte folgt aus §
51 Abs.
1 Nr.
4 a SGG. Danach sind die Sozialgerichte für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitssuchende
zuständig. Dies gilt auch für Schadensersatzforderungen der Arbeitssuchenden, die der Kläger hier gegenüber der Beklagten
geltend macht. Insoweit kann der Anspruch aus der Verletzung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags folgen (BAG, Beschluss
vom 08.11.2006 - 5 AZB 36/06, NZA 2007, 53 ff., zu III. 3. der Gründe m.w. Nachw).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
97 Abs.
1 ZPO.
IV.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §
17 a Abs.
4 Satz 5
GVG, § 78 Satz 2 ArbGG i.V. mit § 72 Abs. 2 ArbGG bestand keine Veranlassung. Insbesondere haben die hier entscheidungserheblichen Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung,
da sie spätestens seit dem bereits mehrfach zitierten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 08.11.2006 höchstrichterlich abschließend
geklärt sind.