Prozesskostenhilfe - einzusetzendes Vermögen - Abfindung
Gründe:
Mit Beschluss vom 13.12.1999 hat der Rechtspfleger beim Landesarbeitsgericht Nürnberg den Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss
des Landesarbeitsgerichts vom 22.09.1999 dahingehend abgeändert, dass der Kläger aus seinem Vermögen einen einmaligen Betrag
in Höhe von DM 2.059,58 zu zahlen hat, da sich die dem Rechtsstreit beigetretene Firma E. GmbH im Rahmen eines gerichtlichen
Vergleiches verpflichtet hat, dem Kläger eine Abfindung in Höhe von DM 32.500,-- zu zahlen. Gegen diesen den Prozessbevollmächtigten
des Klägers am 15.12.1999 zugestellten Beschluss haben diese mit Schriftsatz vom 28.12.1999, beim Landesarbeitsgericht am
29.12.1999 eingegangen, Erinnerung eingelegt und wenden sich dagegen, dass die dem Kläger gezahlte Abfindung in Höhe von DM
32.500,-- zum anrechenbaren Vermögen gezählt werde. Eine solche Anrechnung würde in eklatanter Weise gegen den Sinn und Zweck
einer Abfindungszahlung, nämlich den Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes, verstoßen. Ferner müsse Berücksichtigung
finden, dass der Kläger aus eigenen Ersparnissen, welche der Alterssicherung hätten dienen sollen, in einer Größenordnung
von ca. DM 42.000,-- Sollstände auf einem Firmenkonto ausgeglichen habe.
Die zulässige, in der Sache als Beschwerde geltende Erinnerung, ist unbegründet. Der Rechtspfleger des Landesarbeitsgerichts
Nürnberg hat zu Recht gemäß §
120 Abs.
4 Satz 1
ZPO den Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss abgeändert und den Kläger zu Recht zur Zahlung eines einmaligen Betrages in Höhe
von DM 2.059,58 verpflichtet. Zunächst wird auf die umfassenden und im Ergebnis zutreffenden Gründe der angegriffenen Entscheidung,
denen sich das Gericht anschließt, verwiesen. Ergänzend sind folgende Ausführungen veranlasst: Nach §
120 Abs.
4 Satz 1
ZPO kann ein Prozesskostenhilfebeschluss dann abgeändert werden, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen
oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben.
Durch die Zahlung der Abfindungssumme in Höhe von DM 32.500,- änderten sich die Vermögensverhältnisse des Klägers dahingehend,
dass er nunmehr in der Lage ist, die von der Staatskasse verauslagte Prozesskostenhilfevergütung seines Prozessvertreters
in Höhe von DM 2.059,58 für das Berufungsverfahren zu zahlen. Bei dem Abfindungsbetrag handelt es sich um anrechenbares Vermögen
im Sinne von §
115 Abs.
2
ZPO. Die Frage, ob und in welchem Umfang die aufgrund eines Prozessvergleichs gezahlte Abfindung bei der Feststellung der wirtschaftlichen
Voraussetzungen des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe zu berücksichtigen ist, ist in der Rechtsprechung umstritten. Teilweise
wird die Anrechnung abgelehnt, da sie infolge ihrer Funktion als Schmerzensgeld für den verlorenen Arbeitsplatz nicht als
Vermögen im Sinne der Prozesskostenhilfe anzusehen sei (vgl. etwa LAG Bremen vom 20.07.1988, LAGE §
115
ZPO Nr. 29; LAG Berlin, NJW 1981, 2775; LAG Hamburg, BB 1980, 1801). Überwiegend wird dagegen die Auffassung vertreten, dass Kündigungsschutzabfindungen aus Prozessvergleichen als einsetzbares
Vermögen zu berücksichtigen sind (vgl. etwa LAG Berlin vom 11.02.1983, EzA §
115
ZPO Nr. 6; LAG Schleswig-Holstein vom 24.06.1987, LAGE §
115
ZPO Nr. 25; LAG Berlin vom 05.04.1989, LAGE §
115
ZPO Nr. 34; LAG Rheinland-Pfalz vom 06.03.1995, LAGE §
115
ZPO Nr. 51; LAG Hamburg vom 13.08.1997, LAGE §
115
ZPO Nr. 52; LAG Schleswig-Holstein vom 24.09.1997, LAGE §
115
ZPO Nr. 53; ferner LAG Bremen vom 17.04.1998, LAGE §
115
ZPO Nr. 55, das den Abfindungsbetrag als Vermögenswert einsetzt, der die Grenzen der sich aus den Bemessungsgrundsätzen der §§
9, 10
KSchG ergebenden Abfindungen übersteigt). Dieser nunmehr wohl als herrschend anzusehenden Rechtsauffassung, der sich auch das Landesarbeitsgericht
Nürnberg (vgl. Beschluss vom 25.09.1998 8 Sa 699/97 - n.v.) angeschlossen hat, folgt auch das erkennende Gericht. Kündigungsabfindungen sind so zu behandeln wie andere Vermögensbestandteile
auch. Denn sie unterliegen der freien Verfügung des Arbeitnehmers, und es ist nicht einzusehen, dass sie wegen einer Zweckbindung
nicht einsetzbar sein sollen, während beispielsweise ererbtes Vermögen, das nach dem Willen von Erblasser und Erbe sicherlich
auch einem anderen Zweck dienen soll, im Regelfall voll einsetzbar ist (vgl. LAG Rheinland-Pfalz vom 06.03.1995, aaO.). Zu
berücksichtigen ist vielmehr, dass die Höhe der Abfindung in vielen Fällen über den Bereich hinausgeht, der zum Ausgleich
für den Verlust des sozialen Bestandes notwendig ist. Insbesondere bei hohen Abfindungsleistungen ist jedoch nicht einzusehen,
dass gerade dieses Kapital dem Arbeitnehmer verbleiben und stattdessen die Staatskasse die Kosten seiner Prozessführung tragen
soll. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe dient als Leistung staatlicher Daseinsfürsorge dazu, der bedürftigen Partei in
gleicher Weise wie einer vermögenden die Führung eines Prozesses zu ermöglichen und ihr den gleichen Zugang zum Verfahren
zu verschaffen. Dieser Zweck der Prozesskostenhilfe steht einer Anrechnung der Abfindung nicht entgegen, weil dem Antragsteller
in diesen Fällen unzweifelhaft der Zugang zum Verfahren möglich war (vgl. LAG Hamburg vom 13.08.1997, aaO.). Die Abfindung
stellt damit grundsätzlich einen zu berücksichtigenden Vermögenswert dar, da zum Vermögen im Sinne des §
115 Abs.
2
ZPO nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen alle in Geld schätzbaren und verwertbaren Güter gehören (LAG Nürnberg vom 25.09.1998 -
8 Sa 699/97 - n.v.).
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass dem wirtschaftlichen Zweck der Abfindung im Rahmen der nach §
115 Abs.
2
ZPO gebotenen entsprechenden Anwendung des § 88
BSHG und der dazu ergangenen Durchführungsverordnung genügend Rechnung getragen wird. Festzustellen ist daher allein, in welcher
Höhe der Einsatz der Abfindung zumutbar ist. Für einen Arbeitnehmer über dessen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
nach Abschluss eines Abfindungsvergleichs zu entscheiden ist, sind im Rahmen des § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG die Vermögensteile nicht einsetzbar, die bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen festgelegt worden sind (LAG Schleswig-Holstein
vom 24.06.1987, aaO.). Das sind nach § 1 Ziff. 1 b der DurchfVO zu § 88 Abs. 4
BSHG DM 4.500,-- zuzüglich eines Betrages von DM 500,-- für jede Person, die vom Hilfesuchenden überwiegend unterhalten wird.
Da der Kläger nach seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner geschiedenen Ehefrau gegenüber
unterhaltsverpflichtet ist, beträgt das Schonvermögen DM 5.000,--. Der darüber hinausgehende Abfindungsbetrag in Höhe von
DM 27.500,- ist daher grundsätzlich als Vermögen zur Deckung der Prozesskosten einzusetzen.
Die Heranziehung des Abfindungsbetrages bedeutet auch keine besondere Härte im Sinne des § 88 Abs. 3
BSHG. Von einer Härte im Sinne des § 88 Abs. 3
BSHG könnte nur dann gesprochen werden, wenn der Antragsteller die gezahlte Kündigungsabfindung in voller Höhe oder doch überwiegend
dazu verwenden müsste, um die Kosten der Prozessführung aufzubringen (LAG Köln vom 07.06.1988, LAGE §
115
ZPO Nr. 30; LAG Hamburg vom 13.08.1997, LAGE §
115
ZPO Nr. 52; LAG Berlin vom 11.02.1983, EzA §
115
ZPO Nr. 6). Dabei kann letztlich offen bleiben, ob als angemessene Regelung die Gesamtbelastung der Abfindungssumme mit Prozesskosten
eine Grenze von 10 % nicht überschritten werden darf (so LAG Köln vom 07.06.1988, aaO.; andere Auffassung LAG Rheinland-Pfalz
vom 06.03.1995, aaO., unter Hinweis auf die fehlende Nachvollziehbarkeit der Anrechnungsgrenze). Jedenfalls beträgt die Belastung
für den Kläger nicht einmal 10 % der Gesamtsumme, so dass von einer besonderen Härte nicht gesprochen werden kann.
Der Kläger kann sich demgegenüber auch nicht darauf berufen, dass er aus eigenen Ersparnissen, die der Alterssicherung dienen
sollten, Sollstände in einer Größenordnung von ca. DM 42.000,-- auf einem Firmenkonto ausgeglichen habe. Der Kläger verkennt
insoweit, dass es für die Frage, ob Prozesskosten an die Staatskasse zurückzuzahlen sind, jedoch immer nur auf die momentanen
Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt der Rückzahlungsprüfung ankommt und bereits erfolgte Aufwendungen keine Berücksichtigung
finden.
Der Prozesskostenhilfebeschluss ist somit zu Recht dahingehend abgeändert worden, dass der Kläger einen einmaligen Betrag
in Höhe von DM 2.059,58 an die Staatskasse zu zahlen hat.
Gegen diesen Beschluss findet keine weitere Beschwerde statt (§ 70 Satz 1 ArbGG).