Abfindung als einzusetzendes Vermögen bei Prozesskostenhilfe - keine Aufhebung der Bewilligung bei zwischenzeitlicher Auszahlung
der Abfindung
Gründe:
I.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Klägerin dagegen, dass das Arbeitsgericht Kaiserslautern mit Beschluss vom
28.12.2004 den Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss vom 30.08.2004 aufgehoben hat.
Mit ihrer am 04.06.2004 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingegangenen Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt,
dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 14.05.2004 zum 30.05.2004
nicht aufgelöst worden ist.
Im Kammertermin vom 24.08.2004 haben die Parteien einen Vergleich abgeschlossen. Danach endete das Arbeitsverhältnis aufgrund
ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 14.05.2004 zum 30.05.2004 unter Einhaltung der tariflichen Kündigungsfrist.
Gleichzeitig hat sich die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 8.250 EUR brutto zu zahlen.
Mit Beschluss vom 30.08.2004 hat das Arbeitsgericht der Klägerin ab dem 04.06.2004 Prozesskostenhilfe zur Durchführung des
erstinstanzlichen Verfahrens ohne Ratenzahlung bewilligt und ihr ihren Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Die Bewilligung
erfolgte unter dem ausdrücklichen Hinweis, dass mit dem Zufluss der Abfindung ein anzusetzendes Vermögen und damit eine Änderung
der wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben sein dürfte.
Im Hinblick hierauf hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern mit Beschluss vom 28.12.2004, der der Klägerin am 29.12.2004 zugestellt
worden ist, den Prozesskostenbewilligungsbeschluss vom 30.08.2004 aufgehoben, weil sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse
der Klägerin wegen der Abfindung verbessert hätten. Dies habe die in §
120 Abs.
4 ZPO vorgeschriebene Nachprüfung ergeben. Die Klägerin sei daher nunmehr in der Lage, die angefallenen Gerichts- und Rechtsanwaltskosten
in Höhe von 833,60 EUR an die Landeskasse zurück zu zahlen.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, die - per Fax vorab - am 10.01.2005 beim Arbeitsgericht Kaiserlautern
eingegangen ist.
Die Klägerin hat zunächst angegeben, sie habe den Abfindungsbetrag auf die bestehenden Verbindlichkeiten, u.a. für den Autokredit
aufgewandt.
Auf Nachfrage des Arbeitsgerichts hat sie sodann mitgeteilt, ausweislich des Kontoauszuges vom 07.09.2004 (Bl 7 R PKH) habe
sie 6.500 EUR zur teilweisen Tilgung des Autodarlehens verwandt. Den überschießenden Betrag von ca. 1.500 EUR habe sie für
allgemeine Lebenshaltungskosten verbraucht.
Unter dem 21.01.2004 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und dies wie folgt begründet:
Die von der Klägerin behauptete Sondertilgung sei von dem gemeinsamen Konto der Eheleute A. vorgenommen worden. Dabei sei
insbesondere zu beachten, dass der Ehemann über ein eigenes Einkommen in Höhe von 2.100 EUR brutto monatlich verfüge. Zudem
verfügten die Eheleute über einen Bausparvertrag in Höhe von 167.000 DM, der auf das Baudarlehen anzurechnen sei.
Zudem räume die Klägerin ein, dass sie jedenfalls 1.500 EUR für allgemeine Lebenshaltungskosten verbraucht habe. Wenn sie
aber diese Summe für allgemeine Lebenshaltungskosten verwendet habe, habe sie das dafür vorgesehene Einkommen geschont und
sei dadurch noch bereichert.
Das Arbeitsgericht hat das Verfahren dem Landesarbeitsgericht gemäß §
127 ZPO zur Entscheidung vorgelegt.
Im Beschwerdeverfahren hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, ausweislich der Kopien der Kontoauszüge für die Zeit vom 31.12.2004
bis 04.01.2005 sei ersichtlich, dass zum Zeitpunkt des Beschlusses nur noch ein Guthaben von 664,98 EUR bzw. 229,98 EUR vorhanden
gewesen sei. Es werde zudem darauf hingewiesen, dass sie derzeit einer studierenden Tochter gegenüber unterhaltsverpflichtet
sei.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 46 Abs. 2 S. 3 ArbGG i.V.m. §§
127 Abs.
2 Satz 2 und
3,
569 ff.
ZPO) sofortige Beschwerde hat im Ergebnis auch in der Sache Erfolg.
Im Einzelnen gilt:
1. Nach §
114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur
zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Gemäß §
115 Abs.
2 ZPO hat die Prozesskostenhilfe begehrende Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Dabei gilt § 88 des Bundessozialhilfegesetzes
entsprechend.
Nach §
124 Abs.
4 Satz 1
ZPO kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistende Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden
persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Auf Verlangen des Gerichts hat sich die Partei
darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Eine Änderung zum Nachteil der Partei ist ausgeschlossen,
wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind (§
124 Abs.
4 Satz 2 und
3 ZPO).
2. Das Arbeitsgericht hat nach Zufluss des Abfindungsbetrages eine Verbesserung der Vermögensverhältnisse der Klägerin angenommen
und daher den Prozesskostenhilfebeschluss aufgehoben.
a) Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass grundsätzlich auch eine gezahlte Abfindung zu berücksichtigen
ist.
Nach §
115 Abs.
2 ZPO hat die Partei, die Prozesskostenhilfe begehrt, ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist.
Nach der ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der die Kammer folgt, ist auch eine gemäß §§ 9, 10 KSchG gezahlte Abfindung als Bestandteil des Vermögens bei der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen
ist (BAG Beschluss vom 22.12.2003 - 2 AZB 23/03 - mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Sie kann bei der Vermögensbetrachtung auch nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie zweckgebunden geleistet werde.
Die Abfindung hat auch Entschädigungsfunktion. Mit ihrer Gewährung sollen alle unmittelbar mit dem Verlust des Arbeitsplatzes
verbundenen vermögensrechtlichen und immateriellen Nachteile des Arbeitnehmers abgegolten werden. Daneben stellt sie auch
eine Überbrückungshilfe für den Fall dar, dass der Arbeitnehmer nicht sofort eine neue Arbeit findet und damit finanzielle
Einbußen erleidet. Die Abfindung unterliegt aber der freien Verfügung des Arbeitnehmers und ist insoweit nicht zweckgebunden.
Dies gilt vor allem für - wie hier - im Vergleichwege vereinbarten Kündigungsabfindungen analog. Bei ihnen handelt es sich
vielfach sogar um einen schlichten Risikoausgleich, da sich der Arbeitgeber oft zur Zahlung einer Abfindung gerade deshalb
bereit finden wird, um einen möglichen Kündigungsschutzprozess zu vermeiden.
Insbesondere bei hohen Abfindungsleistungen ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich, warum diese Beträge dem Arbeitnehmer
verbleiben und statt dessen die Staatskasse die Kosten seiner arbeitsgerichtlichen Prozessführung tragen soll. Da die Gewährung
von Prozesskostenhilfe als Leistung staatlicher Daseinsfürsorge vor allem gewährleisten soll, der bedürftigen Partei in gleicher
Weise wie einer vermögenden Partei die Führung eines Prozesses zu ermöglichen und ihr den gleichen Zugang zum Verfahren zu
verschaffen, kann weder aus dem Charakter einer - vergleichsweise erzielten - Abfindung noch aus dem Zweck der Prozesskostenhilfe
erkannt werden, dass eine solchermaßen vereinbarte Abfindung als Bestandteil des Vermögens des Arbeitnehmers bei der Betrachtung
der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zu berücksichtigen ist (BAG, aaO.).
Der Prozesskostenhilfe Beantragende soll mithin nicht schlechter, aber auch nicht besser als eine andere Prozesspartei gestellt
werden.
b) Dennoch war der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 28.12.2004 im Hinblick auf §
124 Abs.
4 Satz 1
ZPO im Ergebnis aufzuheben.
Denn selbst dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen im Übrigen erfüllt wären, darf die Prozesskostenhilfe-Bewilligung
an sich nicht aufgehoben werden (BAG Beschluss vom 22.12.2003 - 2 AZB 23/03 - mit Hinweis auf BGH vom 22.06.1994 - XII ZR 39/93 - NJW 1994, 3292).
Vielmehr kann das Gericht "nur" einen (teilweisen) Vermögenseinsatz anordnen (BAG, aaO., mit Hinweis auf OLG Bamberg vom 13.04.1988
- 2 WF 98/88 - Jur.Büro 1988, 1223; LAG Rheinland-Pfalz LAGE
ZPO §
127 Nr. 15; Zöller/Phillippi,
ZPO 24. Aufl., §
120 Rn. 24 m.w.N.).
Da das Arbeitsgericht vorliegend die Prozesskosten-Bewilligung indes entgegen der gesetzlichen Regelung aufgehoben hat, erweist
sich die sofortige Beschwerde bereits deswegen als begründet, so dass der Beschluss vom 28.12.2004 aufzuheben war.
c) Dies bedeutet aber noch nicht, dass die Klägerin keinen Beitrag zur Prozessführung zu zahlen hat.
Vielmehr wird das Arbeitsgericht zu prüfen haben, ob ein - teilweiser - Vermögenseinsatz (ggf. mit Ratenzahlung) anzuordnen
ist.
aa) Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, Folgendes zu berücksichtigen:
Das Vermögen des Antragstellers ist nach §
115 Abs.
2 Satz 1
ZPO nur einzusetzen, soweit es ihm zumutbar ist. Nach Satz 2 der Norm gilt § 88 BSHG und die dazu ergangene Durchführungsverordnung entsprechend. Die sozialhilferechtlichen Bestimmungen bestimmen typisierend,
bis zu welcher Höhe das Vermögen des Antragstellers geschont werden soll.
Nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG darf die Sozialhilfe nicht von der Verwertung bzw. dem Einsatz von kleineren Barbeträgen abhängig gemacht werden. Dabei ist
die jeweils gültige Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG zu berücksichtigen.
Soweit die gezahlte Abfindung hier über den sozialhilferechtlichen Selbstbehalt nach § 88 Abs. 2 BSHG hinausgeht, hat der Antragsteller grundsätzlich den das Sondervermögen übersteigenden Teil einer Abfindung als einzusetzendes
Vermögen i.S.v. §
115 Abs.
2 ZPO zur Deckung der Prozesskosten einzusetzen.
Es bleibt aber weiter zu klären, ob deshalb der gesamte überschüssige Abfindungsbetrag (so z.B. LAG Niedersachsen vom 28.03.2003
- 14 Ta 84/03 -) oder lediglich ein Teil davon einzusetzen ist.
Dabei kommt es darauf an, ob das Vermögen des Antragstellers im Zeitpunkt des Änderungsbescheides die Selbstbehaltgrenze überhaupt
überstieg.
Ob ein einzusetzendes Vermögen vorhanden ist, muss mithin - wie auch bei der Prüfung der wirtschaftlichen Möglichkeiten nach
§§
114,
115 ZPO - durch eine Gegenüberstellung der Plus- und Minuspositionen errechnet werden.
Übersteigen die Schulden einer Partei ihre verwertbaren Vermögenswerte so braucht sie ihr Geld grundsätzlich nicht zur Zahlung
der Prozesskosten zu verwenden (BAG, aaO., m.w.N.). Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund die Schulden entstanden
sind (Zöller/Phillippi, aaO., § 115 Rn. 47).
Eine andere Betrachtung würde gerade zur Annahme eines rein fiktiven, in Wahrheit nicht mehr vorhandenen Vermögens führen.
Dies stünde mit dem Charakter der Prozesskostenhilfe als staatliche Sozialleistung der Daseinsfürsorge in Widerspruch.
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wird das Arbeitsgericht die von dem vom Bundesarbeitsgericht geforderten Gegenüberstellung
der Plus- und Minuspositionen vorzunehmen haben. Insbesondere wird im Einzelnen zu klären sein, wann und auf welches Konto
der Abfindungsbetrag gezahlt und wofür dieser tatsächlich verwandt wurde. Insoweit wird - worauf das Arbeitsgericht zutreffend
bereits hingewiesen hat - u.a. auch zu beachten sein, dass der behauptete Betrag i.H.v. 6.500 EUR vom Gemeinschaftskonto der
Eheleute für die Anschaffung eines im Miteigentum der Eheleute stehenden (vgl. PKH-Erklärung) PKW`s verwandt worden sein soll.
Abgesehen davon, dass dieser Vortrag möglicherweise durch den vorgelegten Kontoauszug nicht ausreichend belegt ist, stellt
sich gerade im Hinblick auf das eigene Einkommen des Ehemannes zudem die Frage, ob dieser Betrag überhaupt bzw. in voller
Höhe abzugsfähig ist.
Mangels Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 48, 78 ArbGG) bestand keine Veranlassung die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Gegen diese Entscheidung ist mithin kein Rechtsmittel gegeben.