Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung; Beschwer des Versicherten im sozialgerichtlichen Verfahren bei einem Rechtsstreit
über einen Rentenbescheid auf Zeitrente trotz einer beantragten Dauerrente
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 1952 in der T. geborene Klägerin hat keine Berufsausbildung. Nach Ihrem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland 1973
war sie mit Unterbrechungen als Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 1992 ist sie arbeitslos und bezieht
Sozialleistungen.
Auf ihren Antrag vom 27.11.2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom
01.11.2002 bis 30.04.2003 (Bescheid vom 28.03.2003). Der Rentenanspruch sei zeitlich begrenzt, weil es nach den medizinischen
Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne. Dabei ging sie auf
Grund der Stellungnahme des ärztlichen Prüfdienstes vom Eintritt des Leistungsfalls mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 04.04.2002
und einer Besserungsaussicht bis zum 04.04.2004 aus. Gegen die Befristung legte die Klägerin am 14.04.2003 Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 28.04.2004 lehnte die Beklagte einen Antrag der Klägerin auf wiederholte Gewährung der befristeten Rente
wegen voller Erwerbsminderung ab, weil über den Wegfallzeitpunkt hinaus weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung
und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Dem lag eine Untersuchung der Klägerin vom 31.03.2004 durch die Ärztin für Neurologie
und Psychiatrie Dr. B. zu Grunde (leichte körperliche Tätigkeiten ohne Akkord, ohne besonderen Leistungsdruck oder Nachtschicht
mehr als sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar bei langjährigen diffusen Schmerzen im Stütz- und Bewegungsapparat ohne wesentliche
neurologische Defizite, aktuell keine depressive Störung, beginnende Polyneuropathie der unteren Extremitäten; enorme Diskrepanz
zwischen subjektiv vorgebrachten Klagen, unauffälliger Körperhaltung und recht entschiedenem Auftreten bei der Exploration
gegenüber Verhalten während der körperlichen Untersuchung). Auch hiergegen legte die Klägerin am 26.05.2004 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2005 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 28.03.2003
und vom 28.04.2004 zurück.
Die Klägerin hat am 20.07.2005 Klage beim Sozialgericht Konstanz erhoben. Sie sei wegen psychischer Probleme, deren Behandlung
nicht erfolgsversprechend sei, und wegen Wirbelsäulenerkrankungen nicht mehr erwerbsfähig.
Nach Befragung des Arztes für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. Ka. (keine leichten Tätigkeiten mehr möglich wegen in gegenseitiger
Wechselwirkung stehender Leiden auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet), des Facharztes für Orthopädie/Rheumatologie
Dr. F. (Leistungsfähigkeit von mindestens sechs Stunden täglich für leichte Arbeiten bei chronischem rezidivierenden Zervikalsyndrom
bei milden degenerativen Veränderungen, Fibromyalgie-Syndrom und mäßigem Knick-Spreiz-Fuß beidseits) und des Arztes für Allgemeinmedizin
Dr. Be. (bei im Vordergrund stehendem chronifizierten Schmerzsyndrom im Sinne einer Somatisierungsstörung keine erfolgreiche
Therapie zu erwarten; Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden täglich) hat das Sozialgericht ein Gutachten mit ergänzender
Stellungnahme bei der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K.-H. eingeholt. Die Sachverständige hat eine anhaltende
somatoforme Schmerzstörung, eine depressive Entwicklung im Sinne einer Dysthymia, eine Lumboischialgie bei Bandscheibenprotrusio
L 5/S 1 und Bandscheibenvorfall L 4/L 5, eine Spondylarthrose und einen Diabetes mellitus diagnostiziert. Ein beginnendes
polyneuropathisches Syndrom sei elektrophysiologisch nicht nachgewiesen, die Klägerin habe auch keine charakteristischen Sensibilitätsstörungen.
Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne besondere
Verantwortung, unter Witterungsschutz und ohne Erfordernis von guten Kenntnissen der deutschen Sprache in einem Umfang von
mehr als sechs Stunden täglich verrichten. Die von Dr. Be. geschilderte Hilfebedürftigkeit der Klägerin sei nicht nachvollziehbar,
sondern eher Hinweis für eine bewußtseinsnahe Verhaltensweise der Klägerin zur Erlangung einer Versorgung durch Familie und
Institutionen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30.10.2007 abgewiesen und sich zur Begründung auf das Gutachten von
Dr. K.-H. gestützt. Die Befristung der mit Bescheid vom 28.03.2003 bewilligten Rente sei nicht zu beanstanden, weil die Klägerin
nicht erwerbsgemindert sei und sich damit die prognostische Einschätzung der Beklagten bestätigt habe, dass eine Besserung
nicht unwahrscheinlich sei.
Die Klägerin hat gegen den am 07.11.2007 zugestellten Gerichtsbescheid am 05.12.2007 Berufung eingelegt. Die Leistungseinschätzungen
ihrer behandelnden Ärzte hätten einen höheren Beweiswert als die einmalige Untersuchung durch Dr. K.-H ... Überdies könne
sie eine leichte Tätigkeit nicht erreichen, da es diese kaum gebe und sie seit 1994 nicht mehr erwerbstätig gewesen sei.
Die Klägerin beantragt bei sinngemäßer Auslegung ihres Vorbringens,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Konstanz vom 30.10.2007 den Bescheid vom 28.03.2003 abzuändern und
den Bescheid vom 28.04.2004, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2005, aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, ihr über den 30.04.2003 hinaus unbefristet Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurück zu weisen.
Der Senat hat sachverständige Zeugenaussagen bei dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Be. (belastungsabhängige Gelenkschmerzen
und Gangunsicherheit insbesondere beim Treppenlaufen wegen innenseitigen Knorpelschadens 2. Grades am linken Kniegelenk mit
klinischer Symptomatik sowie Bandscheibenvorwölbungen im Bereich der LWS mit Einengung des Nervenaustrittkanals, Verstopfung
der Herzkranzarterie mit Symptomverschlechterung seit September 2007), bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D.
(chronische, generalisierte Schmerzerkrankung, depressive Stimmungsschwankungen und Ängste, Diabetes mellitus mit polyneuropathischer
Symptomatik der Beine, Nachweis einer Bandscheibenprotrusion L 3/4 sowie von Vorwölbungen L 4/5 und L 5/S 1; Besserung seit
Behandlungsbeginn im Januar 2007 nicht eingetreten und bei laufender Rentenstreitigkeit auch nicht zu erwarten), bei dem Facharzt
für Orthopädie Dr. S. (Behandlung wegen Lumboischialgie und Kniebeschwerden links; Bandscheibenprotrusionen L 3/4, L 4/5,
L 5/S1 ohne Einengungen oder signifikante Spinalkanalstenosierungen, keine fassbaren neurologischen Ausfälle) und bei dem
Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie Dr. Schl. (auf Grund kardialer Erkrankung nur leichte Einschränkung der Leistungsfähigkeit,
damit leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich möglich) erhoben.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz
und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§
143,
144,
151 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach §
124 Abs.
2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits sind die Bescheide vom 28.03.2003 und vom 28.04.2004 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides),
soweit sie den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf eine Rente wegen voller (bzw. wegen teilweiser) Erwerbsminderung
über den 30.04.2004 hinaus ablehnen (Anfechtungsklage) sowie das Begehren der Klägerin (Leistungsklage) auf Verurteilung der
Beklagten zu einer solchen Leistungsgewährung. Die durch den Bescheid vom 28.03.2003 erfolgte Zuerkennung einer Rente wegen
voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 01.11.2002 bis 30.04.2004 ficht sie erkennbar nicht an, denn sie erhielt die
begehrte Rente bereits ab Antragstellung und nur dies hat sie im Rechtsstreit geltend gemacht; ohnehin würde es - wie sogleich
darzulegen ist - für eine Anfechtung an einer nach §
54 Abs.
1 Satz 2
SGG erforderlichen Beschwer fehlen. Dem entsprechend hat der Senat den klägerischen Antrag sachdienlich gefasst.
Ein Bescheid, mit dem der Versicherungsträger dem Rentenbewerber trotz eines auf Dauerrente gerichteten Antrags eine Rente
nur auf Zeit gewährt, enthält mehrere, voneinander zu trennende Verfügungen (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom
24.10.1996, 4 RA 31/96 in SozR 3-2200 § 300 Nr. 8 und Urteil vom 11.02.1988, 4/11a RA 10/87 in SozR 2200 § 1276 Nr. 11) und damit mehrere Verwaltungsakte i.S. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X): Zum einen die Rentenbewilligung (Verfügungssatz 1, mit jeweils zu trennenden - siehe LSG Baden-Württemberg, Urteil vom
28.09.2006, L 10 R 4911/05 - Verfügungssätzen zu Rentenart, Rentenhöhe und Dauer der Rente,), zum anderen die Ablehnung des weitergehend geltend gemachten
Anspruchs auf durchgängige, zeitlich nicht beschränkte Rentengewährung (Verfügungssatz 2). Die Rentenbewilligung ist regelmäßig
- sofern, wie im vorliegenden Fall, die einzelnen Verfügungssätze der Rentenbewilligung nicht in Streit gestellt werden -
ein den Versicherten ausschließlich begünstigender Verwaltungsakt. Damit wird allein durch die zweite Regelung, die Ablehnung
einer Dauerrente, was ausdrücklich ausgesprochen oder konkludent durch die Begrenzung der Bezugsdauer der mit dem Verfügungssatz
1 bewilligten Rente verlautbart werden kann, der Versicherte (formell) beschwert.
In dieser Art entschied die Beklagte über den Rentenantrag der Klägerin mit dem streitigen Bescheid vom 28.03.2003: Sie erkannte
einen mit dem 01.11.2002 beginnenden und mit dem 30.04.2004 wegfallenden Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung
in bestimmter Höhe zu (Verfügungssatz 1) und lehnte durch die zeitliche Begrenzung der Rentenbewilligung den weitergehenden
Rentenanspruch ab (Verfügungssatz 2). Der eine Weitergewährung der befristeten Rente ablehnende Bescheid vom 28.04.2004 hat
- was die zuvor zuerkannte Rente wegen voller Erwerbsminderung betrifft - keinen über den Verfügungssatz 2 des Bescheides
vom 28.03.2003 hinausgehenden materiell-rechtlichen Inhalt; gleichwohl ist er Gegenstand der Anfechtungsklage, weil seine
Bestandskraft einer Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung entgegen stünde. Darüber
hinaus erhält er ausweislich seiner Begründung (weil "weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine
Berufsunfähigkeit" vorliege) die Ablehnung eines Anspruches auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Ablehnung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den 30.04.2004 hinaus
mit den Bescheiden vom 28.03.2003 und vom 28.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2005 rechtmäßig ist
und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Dabei kann offen bleiben, ob die Rentengewährung zu Recht gemäß §
102 Abs.
2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) aus medizinischen Gründen befristet worden ist. Denn jedenfalls hatte und hat die Klägerin über den streitigen Zeitpunkt
hinaus keinen Rentenanspruch, weil sie nicht erwerbsgemindert war und ist.
Zwar ist der Verfügungssatz 1 des Bescheides vom 28.03.2003 - weil, wie dargelegt, von der Klägerin nicht angefochten - bestandskräftig
(§
77 SGG) und damit für die Beteiligten und den Senat bindend geworden. Es steht daher fest, dass der Klägerin bis zum 30.04.2003
ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zustand. Diese Bindungswirkung enthebt indessen das Tatsachengericht
für die Folgezeit, also den Zeitraum ab dem 01.05.2003, nicht von der Pflicht nach §
103 SGG, den gesamten für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verfügungssatzes 2 entscheidungserheblichen Sachverhalt
aufzuklären und zu entscheiden, ob im streitigen Zeitraum eine Erwerbsminderung als Voraussetzung für den von der Klägerin
geltend gemachten Anspruch auf Versichertenrente nach dem 30.04.2003 vorliegt (BSG, Urteil vom 11.02.1988, aaO.). Damit ist
der Senat nicht darauf beschränkt, isoliert die Rechtmäßigkeit der erfolgten Befristung zu überprüfen. Denn der Bescheid vom
28.03.2003 enthält nach der dargestellten Rechtsprechung des BSG nicht lediglich eine befristete Rentenbewilligung mit der
Folge, dass eine erfolgreiche (Teil)Anfechtung der Befristung zur Dauerrente führen würde, sondern eine Rentenbewilligung
für bestimmte Zeit (Verfügungssatz 1) und eine Rentenablehnung für die Folgezeit (Verfügungssatz 2). Weil der Verfügungssatz
1 bindend geworden ist, ist er der gerichtlichen Kontrolle entzogen (BSG, aaO.). Die zur Begründung des Verfügungssatzes 1
angeführten Erwägungen der Beklagten über den Eintritt des Versicherungsfalls der vollen Erwerbsminderung und über die Aussicht
auf dessen mögliche zukünftige Behebung können für sich keine Bindungswirkung entfalten und wirken schon deshalb nicht rechtlich
auf den Verfügungssatz 2 ein. Darüber hinaus ist dies auch deshalb nicht möglich, weil der Verfügungssatz 1 nur für einen
bestimmten Zeitraum Geltung beansprucht und seine Bindungswirkung daher nur bis zum 30.04.2004 reicht, während hier der mit
dem Verfügungssatz 2 abgelehnte Anspruch erst ab 01.05.2004 in Streit ist.
Damit ist die Ablehnung der Dauerrente, also der die Klägerin belastende Verfügungssatz 2, in vollem Umfang der gerichtlichen
Kontrolle unterworfen. Dadurch wird (BSG, aaO.) zum einen dem Bewerber um eine - abgelehnte - Dauerrente umfassender Rechtsschutz
(Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes) zuteil; zum anderen wird gewährleistet, dass die an Gesetz und Recht gebundenen
Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bei Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen nach §§
43,
240 SGB VI nicht unter Umständen sehenden Auges eine nicht zustehende Dauerrente zuerkennen müssen, falls die Behebung der Erwerbsminderung
entgegen der Auffassung des Rentenversicherungsträgers tatsächlich unwahrscheinlich war, jedoch zur Überzeugung des Gerichts
feststeht, dass der Rentenbewerber nicht oder nicht mehr über die Zeit des Zeitrentenbezugs hinaus erwerbsgemindert war (vgl.
Urteil des BSG vom 11.02.1988 - zur Vorgängervorschrift § 1276
Reichsversicherungsordnung -, aaO.). Im Übrigen (BSG, aaO.) kann das Tatsachengericht auch im rechtlich schutzwürdigen Interesse des Rentenbewerbers
nicht auf die Prüfung der Frage beschränkt sein, ob bei Erlass des streitigen Zeitrentenbescheides im Sinne von §
102 Abs.
2 SGB VI unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Sollte dies im konkreten Fall bejaht werden,
müsste die Leistungsklage des Rentenbewerbers selbst dann ohne Erfolg bleiben, wenn das Gericht nach dem Gesamtergebnis des
Verfahrens zu der Überzeugung käme, eine Erwerbsminderung hätte auch über den - inzwischen in der Vergangenheit liegenden
- Zeitraum der Zeitrentenbewilligung hinaus - objektiv und entgegen der insoweit sachlich begründeten Prognose - vorgelegen.
Eine Erwerbsminderung einschließlich Berufsunfähigkeit der Klägerin hat über den 30.04.2004 hinaus nicht bestanden und besteht
auch derzeit nicht. Nach §
43 Abs.
1 Satz 2
SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind,
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach
§
43 Abs.
2 Satz 2
SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach §
43 Abs.
3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich
erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach §
240 Abs.
1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung
des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind.
Berufsunfähig sind nach §
240 Abs.
2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig
und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als
sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist,
umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des
Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet
werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit
Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden
täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Da die Klägerin keine Berufsausbildung
hat und in Deutschland als Reinigungskraft nur ungelernte Tätigkeiten ausgeübt hat, kann sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
verwiesen werden. Solche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes kann sie noch verrichten.
Der Senat vermag nicht festzustellen, dass die Klägerin wegen ihrer nervenärztlichen Erkrankungen (anhaltende somatoforme
Schmerzstörung mit psychogener Ausweitung und Fixierung von im Kern somatischen Beschwerden sowie eine depressive Entwicklung
im Sinne einer Dysthymia), die nach Bekunden des Hausarztes Dr. Be. im Vordergrund stehen, nicht mehr in der Lage ist, eine
leichte körperliche Arbeit in wechselnder Körperhaltung und unter Witterungsschutz im Umfang von wenigstens sechs Stunden
täglich zur verrichten, wenn hierbei Nachtschichten, ein besonderer Zeitdruck und eine besondere Verantwortung ausgeschlossen
sind. Der Senat legt hierbei das Gutachten von Dr. K.-H. zu Grunde. Lediglich insoweit sie ein Erfordernis von guten Kenntnissen
der deutschen Sprache ausschließt, ist dem aus rechtlichen Gründen nicht zu folgen. Ein Versicherter kann allgemein nicht
geltend machen, er sei wegen fehlender deutscher Sprachkenntnisse gehindert, eine Berufstätigkeit zu verrichten, wenn er in
einer anderen Sprache - üblicherweise seiner Muttersprache - Sprachkenntnisse hat, die die Verrichtung der Tätigkeit in einer
Umgebung mit der letztgenannten Sprache als Umgangssprache zuließe (BSG, Urteil vom 15.05.1991, 5 RJ 92/89 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 11).
Die Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass bei der Klägerin gewisse schmerzhafte Bewegungseinschränkungen des Bewegungsapparates,
insbesondere ausgehend von der Lendenwirbelsäule mit linksbetonter Ausstrahlung in die unteren Extremitäten mit belastungsabhängiger
Verstärkung, durchaus nachvollziehbar sind, diese im Kern somatischen Symptome jedoch vor dem Hintergrund einer familiären
Konfliktsituation (chronischer Ehekonflikt und Zwangserkrankung eines Sohnes) von ihr - eher bewußtseinsnah zur Erlangung
einer Versorgung durch Familie und Institutionen - psychogen überlagert und ausgeweitet werden und zu keiner rentenrelevanten
Einschränkung der Leistungsfähigkeit führen. Diese Beurteilung ist im Hinblick auf die im Rahmen der Untersuchung erhobenen
Befunde (lebhafte Psychomotorik, krankheitswertige Einschränkungen des Antriebs nicht feststellbar, kein tiefer gehender depressiver
Verstimmungszustand, keine Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit im Verlauf des Untersuchungsgesprächs, keine
radikulären sensiblen Ausfälle oder Paresen, flüssiges Bewegungsmuster) schlüssig. Entsprechende Befunde hatte bereits Dr.
B. erhoben (keine Zeichen von Erschöpfung oder Müdigkeit während der Untersuchung, keine auffälligen funktionellen Einschränkungen
oder Schmerzangaben beim Gestikulieren, keine neurologische Objektivierbarkeit der geklagten diffusen Körperschmerzen, trotz
mangelnder Sprachkenntnisse keineswegs unsicher, ängstlich oder gedrückt, wesentlicher Leidensdruck nicht erkennbar, Eindruck
einer demonstrativen bewußtseinsnahen Haltung, keine Hinweise auf depressives Geschehen, Stimmungslage, Antriebslage und affektives
Verhalten ohne Störungen, keine Hinweise auf psychomentale Störungen hinsichtlich Konzentration, Aufmerksamkeit und Gedächtnis).
Soweit Dr. B. abweichend von Dr. K.-H. eine beginnende Polyneuropathie der unteren Extremitäten bestätigt hat, folgt hieraus
auch nach ihrer eigenen Auffassung weder eine quantitative Leistungsminderung noch sind deshalb weiter gehende qualitative
Leistungseinschränkungen anzunehmen.
Den Leistungseinschätzungen der behandelnden Nervenärzte der Klägerin vermag der Senat nicht zu folgen. Soweit Dr. Ka. die
Auffassung vertreten hat, die Klägerin könne wegen - in Wechselwirkung mit orthopädischen Erkrankungen stehenden - Beschwerden
auf seinem Fachgebiet keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben, lassen seine Angaben nicht erkennen, inwieweit er sich statt auf
die subjektiven Angaben der Klägerin auf eigene Befunderhebungen gestützt hat. Die von ihm berichteten Konzentrationsstörungen
und Störung des Affektes haben weder Dr. B. noch Dr. K.-H. bestätigt. Auch Dr. D. hat im Vergleich zu den Gutachten der beiden
Nervenärztinnen keine weitergehenden Befunde erhoben, die seine Einschätzung stützen, eine Weiterführung der Berentung sei
zur körperlichen und seelischen Stabilisierung der Klägerin auf niedrigem Niveau dringend notwendig. Soweit Dr. Be. darüber
hinaus sogar angegeben hat, die Klägerin sei selbst bei einfachen Verrichtungen wie Aufstehen vom Stuhl oder Treppengehen
auf Mithilfe Dritter angewiesen, ist dies - so Dr. K.-H. - unter Berücksichtigung der objektiv nachweisbaren Befunde nicht
nachvollziehbar, sondern eher Hinweis für ein bewußtseinsnahes Verhalten der Klägerin. Aus diesem Grunde vermag der Senat
- ebenso wenig wie die Sachverständige - aus dem von der Klägerin geschilderten Tagesablauf, wonach sie nur noch zu leichtesten
Hausarbeiten in der Lage sei und sich im Übrigen von der Familie helfen lassen müsse, auf eine tatsächliche Einschränkung
schließen.
Auch die Erkrankungen der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet begründen keinen Rentenanspruch nach §
43 SGB VI. Weder Dr. F. noch Dr. S. haben im Hinblick auf das bei der Klägerin bestehende rezidivierende Zervikalsyndrom bei milden
degenerativen Veränderungen, mäßigem Knick-Spreiz-Fuß beidseits bzw. eine Lumboischialgie und Kniebeschwerden links eine quantitative
Leistungsminderung bestätigt. Eine Einschränkung der Beweglichkeit der Wirbelsäule konnte auch Dr. B. im Rahmen der körperlichen
Untersuchung der Klägerin nicht feststellen. Trotz Angabe von Schmerzen schon bei leisester Berührung zeigte die Klägerin
beim Abklopfen der Wirbelsäule keine Ausweichreaktionen, der Finger-Boden-Abstand betrug nur 20 cm, was auf eine ausreichende
Beweglichkeit der Wirbelsäule hinweist. Bei dem von Dr. S. bescheinigten Fehlen von Einengungen, signifikanten Spinalkanalstenosierungen
oder fassbaren neurologischen Ausfällen auf Grund der bei der Klägerin erhobenen Bandscheibenprotrusionen L 3/4, L 4/5, L
5/S1 ist die Einschätzung von Dr. K.-H. schlüssig, dass lediglich qualitative Einschränkungen (nur körperlich leichte Tätigkeiten
in wechselnder Haltung) vorliegen. Die von Dr. Be. berichtete Einengung des Nervenaustrittkanals bei Bandscheibenvorwölbung
im Bereich der LWS ist damit von den Fachärzten nicht bestätigt worden. Soweit er belastungsabhängige Gelenkschmerzen und
eine Gangunsicherheit, insbesondere beim Treppenlaufen, bei Hinweisen auf einen innenseitigen Knorpelschaden 2. Grades am
linken Kniegelenk angegeben hat, ist nicht erkennbar, dass es sich um einen über die von Dr. S. berichteten Kniebeschwerden
hinausgegehenden Befund handelt. Mit Ausnahme der Chrondropathie hat das MRT des linken Kniegelenks vom 21.12.2006 einen weitgehend
unauffälligen Befund ergeben.
Schließlich führen auch die internistischen Erkrankungen der Klägerin nicht zu einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung.
Eine Leistungsminderung wegen des Diabetes mellitus hat kein Arzt angegeben, die Verstopfung der linken Herzkranzarterie ist
im September 2008 erfolgreich rekanalisiert worden. Dr. Schl. hat unter Berücksichtigung der erfolgreich operierten kardialen
Erkrankung bei guter linksventrikulärer Funktion leichte Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden täglich für zumutbar gehalten.
Für die Zeit davor hat Dr. Be. eine Einschränkung der klinischen Belastbarkeit nicht auf diesbezügliche Beschwerden, sondern
auf das orthopädische Krankheitsbild gestützt.
Ist nach alledem die Klägerin nicht erwerbsgemindert, ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz
vermittelt werden kann, weil nach §
43 Abs.
3 zweiter Halbsatz
SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Sie kann daher mit ihrem Einwand nicht durchdringen, leichte
Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien für sie nicht erreichbar, da sie bereits seit vielen Jahren nicht mehr gearbeitet
habe und gesundheitlich eingeschränkt sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.