LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.07.2021 - 11 BA 3136/20
Keine Versicherungspflicht eines nicht mehr zugelassenen Zahnarztes ohne Praxis in der gesetzlichen Rentenversicherung und
nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung beim Notfalldienst auf der Grundlage eines ggf. mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts
Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit
Die Einteilung eines Zahnarztes, der nicht (mehr) zur vertragszahnärzlichen Versorgung zugelassen ist und auch nicht (mehr)
über eine eigene Praxis verfügt, zum zahnärztlichen Notdienst durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung erfolgt durch einen
mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt. Zahnärzte, die auf der Grundlage eines solchen Verwaltungsaktes für die Dauer des Notdienstes
an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmen, sind weder in einen fremden Betrieb eingegliedert noch unterliegen sie
Weisungen. Dies gilt auch dann, wenn der Notdienst in einem eigens hierzu von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung eingerichteten
Notfalldienstzentrum wahrgenommen wird. (Der Senat hat die Revision zugelassen).
Normenkette: ,
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SGB X § 31 ,
NDO § 1 Abs. 1 ,
NDO § 2 Abs. 1 ,
NDO § 6 ,
NDO § 7
Vorinstanzen: SG Stuttgart 08.09.2020 S 7 BA 108/20
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.09.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Streitig ist die Sozialversicherungspflicht der Tätigkeit als Zahnarzt im Notfalldienst in der Zeit vom 20.01.2018 bis zum
19.04.2019.
Der 1954 geborene Kläger ist Zahnarzt. Zum 31.03.2017 verkaufte er seine Praxis in K. und verfügt seitdem auch nicht mehr
über eine Kassenzulassung.
Ab Januar 2018 bis einschließlich 19.04.2019 wurde der Kläger für die Beigeladene, eine Kassenzahnärztliche Vereinigung, die
ua für den Dienstbezirk H im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrags gem § 75 Abs 1b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB V) zu den sprechstundenfreien Zeiten ein zahnärztliches Notfalldienstzentrum betreibt, als Zahnarzt im Notdienst tätig. Dabei
handelte es sich um seine einzige berufliche Tätigkeit. Der Kläger übernahm während des gesamten Zeitraums pro Monat durchschnittlich
dreimal den Wochenendnotdienst, zumeist zwischen 13:00 Uhr und 20:00 Uhr. Für seine Tätigkeit erhielt er im Jahr 2018 insgesamt
eine Vergütung in Höhe von 9.651 €, im Jahr 2019 in Höhe von 3.290 €. Im Einzelnen war er an folgenden Tagen tätig: 20.01.2018,
27.01.2018, 10.02.2018, 12.02.2018, 30.03.2018, 02.04.2018, 08.04.2018, 15.04.2018, 12.05.2018, 21.05.2018, 31.05.2018, 02.06.2018,
03.06.2018, 23.06.2018, 14.07.2018, 21.07.2018, 29.07.2018, 05.08.2018, 12.08.2018, 18.08.2018, 26.08.2018, 01.09.2018, 08.09.2018,
23.09.2018, 06.10.2018, 28.10.2018, 10.11.2018, 17.11.2018, 24.11.2018, 02.12.2018, 08.12.2018, 16.12.2018, 29.12.2018, 12.01.2019,
13.01.2019, 27.01.2019, 23.02.2019, 02.03.2019, 03.03.2019, 16.03.2019, 31.03.2019, 07.04.2019 und 19.04.2019 (vgl Bl 177
SG-Akte).
Die zahnärztliche Notdiensttätigkeit fand in durch die Beigeladene angemieteten und durch diese mit Geräten und Material ausgestatteten
Räumlichkeiten statt und wurde durch an der zahnärztlichen Versorgung teilnehmende Zahnärzte sowie auch durch nicht zugelassene
Zahnärzte - wie den Kläger - durchgeführt auf Basis der Notfalldienstordnung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg
in der Fassung vom 28.06.2008, geändert durch Beschluss vom 30.11.2012/01.12.2012. Die Verteilung der Schichten erfolgte entsprechend
den auf einem übersandten Formular angegebenen Wünschen des Klägers. Aufgrund der Rückmeldung des Klägers wurde von der Beigeladenen
ein Dienstplan erstellt und dem Kläger bekannt gegeben. Mit der Bekanntgabe des Dienstplans wies die Beigeladene den Kläger
darauf hin, "dass die Dienste, für die Sie eingeteilt wurden, so wahrzunehmen sind. Daher sind Tausche untereinander abzuklären
und der KZV schriftlich bekannt zu geben" (vgl Schreiben der Beigeladenen vom 06.12.2018, Bl 18 der V-Akte). Während einer
Schicht waren neben dem Kläger ein bis zwei zahnmedizinische Fachangestellte anwesend, die Assistenz- und Dokumentationstätigkeiten
ausführen und zum Großteil auf Minijobbasis tätig werden. Die Vergütung richtete sich nach der jeweiligen Schicht und lag
pro Stunde zwischen 34,00 € und 50,00 € (Bl 127 SG-Akte).
Nachdem es zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu Unstimmigkeiten in Bezug auf Behandlungsmodalitäten, insbesondere bei
Wurzelbehandlungen an Molaren, gekommen war und sich der Kläger in der Folge weigerte, eine "persönliche Erklärung" zu einzelnen
Behandlungsinhalten zu unterzeichnen, setzte die Beigeladene ihn zu keinen weiteren Notfalldiensten mehr ein.
Der Kläger wandte sich daraufhin ans Arbeitsgericht Mannheim (Az 10 Ca 166/19), um feststellen zu lassen, dass es sich bei seiner Tätigkeit um ein Arbeitnehmerverhältnis gehandelt habe. Weiterhin begehrte
er ua die Verurteilung der Beigeladenen zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, weiteren Arbeitslohns, Urlaubsabgeltung
und Unterlassung. Mit Urteil vom 27.11.2019 wies das Arbeitsgericht die Klage ab mit der Begründung, der Kläger sei einer
selbständigen Tätigkeit nachgegangen (Bl 128 ff SG-Akte). Die hiergegen beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg eingelegte Berufung blieb erfolglos (Urteil vom 07.08.2020,
12 Sa 13/20, vgl Bl 196 SG-Akte).
Am 29.05.2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis
vorliege. Er gab dazu an, die im Notfalldienst tätigen Zahnärzte hätten keinen gesonderten Dienstvertrag. Die Einteilung der
Notdienste werde prinzipiell von der Beigeladenen übernommen, es könnten nur Wünsche geäußert werden. Es gebe feste Schichten.
Die Kosten der Tiefgarage würden durch die Beigeladene übernommen, ebenso werde die Dienstkleidung gestellt. Ein Notfalltraining
alle zwei Jahre sowie Fortbildungsseminare seien vorgegeben und würden von der Beigeladenen bezahlt. Hinsichtlich der Behandlung
von Patienten seien konkrete Vorgaben bzw Fachanweisungen seitens der Beigeladenen gegeben worden. Er habe wiederholt die
Erfahrung machen müssen, dass durch Beauftragte der Beigeladenen versucht worden sei, in die (zahn-)ärztliche Therapiefreiheit
einzugreifen. Außer um die Dokumentierung müsse er sich um nichts kümmern, die Vergütung habe er generell ca zehn Tage nach
Arbeitsende erhalten. Er habe einen festen Arbeitsplatz mit festen Arbeitszeiten gehabt. Doppelschichten seien ausdrücklich
aufgrund des Arbeitszeitgesetzes nicht möglich gewesen. Mit der Abrechnung habe er nichts zu tun gehabt. Ein unternehmerisches Risiko habe er nicht getragen.
Er trete auch nicht unternehmerisch auf. Mit seinem Antrag legte der Kläger weitere Unterlagen vor. Insoweit wird auf Bl 15
ff der Verwaltungsakten verwiesen.
Im Rahmen der Anhörung führte die Beigeladene aus, der Kläger sei nicht abhängig beschäftigt. Er unterliege keinen Weisungen
seitens der Beigeladenen. Er könne jederzeit frei darüber entscheiden, ob und wann er im Notfalldienst tätig werden wolle.
Die Beigeladene übernehme lediglich die Koordination der Wünsche, da sie eine lückenlose Versorgung sicherstellen müsse. Die
Zahnärzte könnten Dienste selbständig tauschen oder für Ersatz sorgen. Seine zahnärztliche Tätigkeit könne der Kläger im Rahmen
der rechtlichen Vorgaben frei gestalten, ohne dass Arbeitsanweisungen oder Kontrollen erfolgten bzw Berichts- oder Rechenschaftspflichten
bestünden. Auch eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation bzw eine Einbindung in Arbeitsabläufe finde nicht statt. Der
Kläger arbeite allein und nicht als Teil eines Teams. Die gestellte Infrastruktur und das ärztliche Hilfspersonal nutze er
nach eigenem Ermessen. Es gebe keinen Arbeitsvertrag, keinen Urlaub und keine Lohnfortzahlung. Die Abgabenlast liege beim
Kläger.
Mit Bescheid vom 24.07.2019 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen fest, dass die Tätigkeit des Klägers
bei der Beigeladenen vom 20.01.2018 bis zum 19.04.2019 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt
worden sei. Es habe daher auch keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht
der Arbeitsförderung bestanden. Als Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis führte die Beklagte an, dass der
Arbeitsort vorgegeben sei, die Arbeitszeiten in Form der Zeit der Notdienste seitens der Beigeladenen vorgegeben würden und
eine Zusammenarbeit mit den Zahnarzthelferinnen erfolge. Merkmale einer selbständigen Tätigkeit seien, dass der Kläger seine
Wunschtermine mitgeteilt und damit Einfluss auf die Notfalldienste gehabt habe. Eine Verpflichtung zur Teilnahme am Notdienst
habe nicht bestanden. Der Kläger habe die Möglichkeit gehabt, Dienste zu tauschen. Dem Kläger hätten keine Weisungen hinsichtlich
der Ausübung der Tätigkeit erteilt werden dürfen. Insbesondere eine persönliche Abhängigkeit des Klägers liege nicht vor.
Die bestehenden Vorgaben hinsichtlich Arbeitsort, Arbeitszeit und sogar Art und Weise der Arbeit müssten hinter der Berufsfreiheit
des Arztes zurückstehen. Im Falle der freiwilligen Ableistung von Notdiensten müsse dies erst recht gelten.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 10.08.2019 Widerspruch unter Wiederholung seiner bisherigen Begründung. Ergänzend
gab er an, wenn er 10 bis 15 Wunschtermine angegeben habe, habe er nur sechs bis sieben Mal arbeiten können. Ein Selbständiger
könne arbeiten, so viel er wolle. Die Möglichkeit, Dienste zu tauschen, habe auch ein Angestellter der Zahnklinik K. Weisungen
habe er, wie beschrieben, gerade doch erhalten. Im Notdienst sei ein Zahnarzt in die Organisation eingebunden sowie an die
vorhandene Ausstattung gebunden. Er trage kein unternehmerisches Risiko. Weiterhin wies der Kläger auf verschiedene Urteile
hin.
Die Beigeladene nahm ebenfalls Stellung. Sie führte aus, dass den Zahnärzten im Notfalldienst nach der Natur der Sache kein
Unternehmerrisiko obliege. Im Rahmen des Sicherstellungsauftrages obliege vielmehr der Beigeladenen die Bereitstellung der
nötigen Infrastruktur. Auch die Vereinbarung eines Stundenhonorars spreche nicht maßgeblich für eine abhängige Beschäftigung.
Bei Dienstleistungen sei eine solche Form der Vergütung üblich. Gerade die Tatsache, nicht jeden Wunschtermin wahrnehmen zu
können, spreche für eine Selbständigkeit, da es zum unternehmerischen Risiko gehöre, nicht bei jeder Auftragsvergabe berücksichtigt
zu werden. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Weisungen habe es sich lediglich um organisatorische Punkte und Hinweise
auf das Einhalten von allgemeinen zahnärztlichen Standards gehandelt. Die vom Kläger vorgetragenen Aufforderungen gingen nicht
über diese allgemeinen Standards hinaus. Dass hinsichtlich der Doppelschichten auf das Arbeitszeitgesetz hingewiesen worden sei, sei ein Versehen; es sei auch lediglich um die Vermeidung hoher Belastungen und die Patientensicherheit
gegangen. Die vom Kläger zitierten Urteile seien mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 08.01.2020 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens. Ergänzend hat er - auch unter Bezugnahme
auf näher aufgeführte Entscheidungen des Bundessozialgerichtes (BSG) bzw verschiedener Landessozialgerichte (LSG) - geltend gemacht, die Beklagte habe etliche Aspekte seines Vortrags nicht
gewürdigt. Sie habe sich nicht zur regelmäßigen Bezugnahme der Beigeladenen auf das Arbeitszeitgesetz, das nur für Beschäftigungsverhältnisse gelte, geäußert, nicht zur Pflicht, pünktlich zu den Arbeitsschichten zu erscheinen,
zu den übernommenen Kosten der Tiefgarage sowie der Dienstkleidung, dem Notfalltraining bzw Fortbildungsseminaren, die von
der Beigeladenen bezahlt worden seien. Es seien Weisungen erteilt worden hinsichtlich der Behandlungsmaßnahmen, er sei in
den Betrieb eingegliedert gewesen ohne unternehmerisches Risiko. Im Übrigen sei die Berufsausübung eines selbständigen Zahnarztes
an einen Praxissitz gebunden.
Mit Beschluss vom 25.02.2020 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 30.03.2020 hat das SG die Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg zum Verfahren beigeladen. Diese hat in Ergänzung ihrer bisherigen Ausführungen
dargelegt, der Kläger sei bei der Tätigkeit im Notfalldienstzentrum so frei gewesen, wie es ein Zahnarzt bei der Verrichtung
des Notfalldienstes in seiner eigenen Praxis sei, und habe keinen Weisungen unterlegen. Auch eine Einbindung sei nicht erfolgt,
vielmehr habe der Kläger allein und eigenverantwortlich gearbeitet und als freier Mitarbeiter seine Dienstleistungen im Rahmen
der organisatorischen Gegebenheiten des Auftraggebers erfüllt. Er sei nicht etwa Teil eines Teams gewesen. Seine Tätigkeit
sei mit der einer Vertretungskraft einer ärztlichen Praxis vergleichbar.
Die Beklagte hat im Einverständnis mit dem Kläger und der Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung hinsichtlich des
Bescheides vom 24.07.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2019 klargestellt, dass sich der Bescheid auf
die jeweiligen einzelnen Schichten des Klägers bezieht, wie sie sich aus der Aufstellung der Beigeladenen im Schriftsatz vom
01.09.2020, Bl 194 der Gerichtsakte, ergeben.
Mit Urteil vom 08.09.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Die streitgegenständliche Tätigkeit des Klägers sei als selbständige Tätigkeit einzustufen. Mangels
schriftlicher Vereinbarungen richte sich die Beurteilung insoweit nach den tatsächlichen Gegebenheiten. Für die Annahme einer
abhängigen Beschäftigung spreche auf den ersten Blick, dass der Kläger örtlich und zeitlich genaue Vorgaben bezüglich seiner
Tätigkeit gehabt habe. Er habe den Notfalldienst in den Räumen der Beigeladenen ableisten müssen und die Pflicht gehabt, die
übernommenen Dienste auszuüben und seine Schicht pünktlich anzutreten. Dies sei indes kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung,
sondern liege in der Natur der Tätigkeit begründet. Bei Notfalldiensten im Schichtdienst sei es gerade zwingend erforderlich,
die Schichten wie übernommen durchzuführen, um die Notfallversorgung von Patienten sicherzustellen. Eine freie Einteilung
der Arbeitszeiten scheide damit per se aus. Dabei müsse sich der notfalldiensthabende Zahnarzt auch in den vorgesehenen Räumlichkeiten
aufhalten, um diese Notfallversorgung durchführen zu können. Die Einteilung der Notfalldienste sei dabei zwar durch die Beigeladene
erfolgt. Für die Kammer maßgebliches Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit sei jedoch, dass die Dienste allein
nach den Wünschen des Klägers eingeteilt worden seien. Eine Einteilung nach eigenem Ermessen, auch gegen den Willen des Klägers,
sei gerade nicht erfolgt. Der Kläger habe selbst entscheiden können, ob er überhaupt Wünsche äußert oder gar nicht tätig werden
wollte - eine Verpflichtung zur Übernahme von Notfalldiensten habe nicht bestanden, da der Kläger nicht an der ambulanten
vertragszahnärztlichen Versorgung teilgenommen habe (vgl § 2 Abs 1 Notfalldienstordnung). Dass dem Kläger dabei nicht alle
Schichten zugewiesen worden seien, die er angegeben hatte, sei kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung, denn gerade Selbständige
trügen das Risiko, nicht jeden Auftrag zu erhalten, für den sie ein Angebot gemacht haben. Dass der Kläger die Notdienstschichten
auch habe einhalten müssen, nachdem er sich freiwillig für die Übernahme angeboten habe, mache ihn nicht zu einem abhängig
Beschäftigten. Ferner sei es ihm jederzeit möglich gewesen, Schichten mit anderen Zahnärzten zu tauschen oder sich vertreten
zu lassen. Von dieser Möglichkeit habe der Kläger auch Gebrauch gemacht. Einem abhängig Beschäftigten stehe dieses Recht nicht
zu. Auch ein wesentliches inhaltliches Weisungsrecht sei zur Überzeugung der Kammer nicht gegeben. Grundlegend sei dabei zunächst
zu berücksichtigen, dass die Beigeladene gemäß § 75 Abs 1 SGB V die vertragszahnärztliche Versorgung sicherzustellen habe; nach Abs 1 b der Vorschrift umfasse der Sicherstellungsauftrag
auch die Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst). Dieser Sicherstellungsauftrag habe jedoch keine zwingende,
übergeordnete und bestimmende Wirkung hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status eines im Notdienst tätigen Zahnarztes,
es seien lediglich regulatorische Vorgaben bei der Gewichtung der Indizien zur Statusbeurteilung zu berücksichtigen. Auch
sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem zahnärztlichen Beruf seiner Natur nach um einen freien Beruf handele, der aufgrund
besonderer beruflicher Qualifikationen persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig in Diagnose- und Therapiefreiheit
ausgeübt werde, § 2 Abs 1 Berufsordnung für Zahnärzte der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg (BO). Dem Zahnarzt obliege
dabei die sich aus der BO ergebenden Pflichten und ihm stünden die dort niedergeschriebenen Rechte zu. Allein aus der Freiheit
des Berufes könne daher nicht ohne Weiteres auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden; andererseits könne nicht allein
wegen der Benutzung von Einrichtungen und Betriebsmitteln zwingend eine abhängige Beschäftigung angenommen werden. Inhaltliche
Weisungen in wesentlicher Hinsicht seien nicht zu erkennen. Der Kläger habe zwar grundsätzlich Patienten untersuchen und behandeln
sowie die Diagnosen und erbrachten Leistungen in das Krankenblatt eintragen und Rezepte für ggf notwendige Medikamente ausstellen
müssen. Er habe alle zwei Jahre das Notfalltraining auffrischen müssen und sei gehalten gewesen, an Fortbildungsseminaren
teilzunehmen. Zudem habe er der Beigeladenen Mitteilung von erforderlichen Reparaturen machen müssen. Mehr als organisatorische
Vorgaben bzw sich bereits aus der BO ergebende Pflichten folgten hieraus nicht. Diese Indizien ließen nicht den Schluss auf
eine abhängige Beschäftigung zu. Die Beigeladene habe dem Kläger insbesondere während der Behandlung auch keine Weisungen
erteilt. Dieser sei allein anwesender Zahnarzt während des von ihm übernommenen Notdienstes gewesen, die Zahnmedizinischen
Angestellten hätten ihm keine Anweisungen erteilen können. Kontrollen hätten nicht stattgefunden. Mehr als Empfehlungen in
inhaltlicher Hinsicht, wie zur provisorischen Versorgung, seien nicht zu erkennen. Die im Nachgang an Fortbildungen an den
Kläger übersandten Schreiben der Beigeladenen ließen für die Kammer auch keine verbindlichen Weisungen erkennen, die über
die allgemein einzuhaltenden Regeln der zahnärztlichen Berufsausbildung hinausgingen. Insbesondere seien keine Einzelweisungen
erfolgt. Es habe sich vielmehr um organisatorische Hinweise zur Dokumentation und zum Erstellen von Röntgenaufnahmen gehandelt.
Ein Weisungsrecht in inhaltlicher Hinsicht sei auch nicht auch nicht aus den stattgefundenen Gesprächen mit dem Kläger im
Mai 2019 herzuleiten, welche zur Beendigung der Tätigkeit des Klägers im Notfalldienst geführt hätten. Vielmehr ergebe sich
im Umkehrschluss, dass der Kläger während seiner Tätigkeit keinen inhaltlichen Weisungen unterlegen habe. Denn im Rahmen dieser
Gespräche seien Erörterungen zu der Art und Weise der Tätigkeit des Klägers mit dem Ergebnis erfolgt, dass dieser erstmals
eine persönliche Erklärung zur Beachtung im Einzelnen aufgelisteter Punkte bei seiner Tätigkeit habe unterschreiben sollen
(vgl Bl 48 der Gerichtsakte). Die Beigeladene habe mit dem Abfassen der persönlichen Erklärung auch zum Ausdruck gebracht,
dass sie Vorgaben nur auf Grundlage einer solchen Erklärung des Klägers für möglich erachtet habe. Auch eine wesentliche Eingliederung
des Klägers in den Betrieb der Beigeladenen sei nicht zu erkennen. Für eine abhängige Beschäftigung spreche zwar auf den ersten
Blick, dass der Kläger auf dem Tiefgaragen-Platz der Beigeladenen während seines Notdienstes habe parken dürfen, die Kleidung
der Beigeladenen getragen und mit den Zahnmedizinischen Fachangestellten zusammengearbeitet habe. Dies sei jedoch nicht ausreichend,
um eine Eingliederung in den Betrieb der Beigeladenen anzunehmen. Es handele sich hierbei um organisatorische Aspekte bzw
Modalitäten bezüglich der Tätigkeitsausübung. Hinsichtlich der Tätigkeit an sich sei zur Überzeugung der Kammer keine Eingliederung
des Klägers gegeben. Das kostenlose Parken im Parkhaus spreche weder für noch gegen eine abhängige Beschäftigung. Der Kläger
habe über keinen eigenen Schlüssel verfügt, um sich Zutritt zu den Räumlichkeiten der Beigeladenen zu verschaffen, sondern
die diensthabenden Zahnmedizinischen Fachangestellten hätten die Räume geöffnet und dem Kläger Zutritt verschafft. Im Falle
der nicht rechtzeitigen Anwesenheit habe der Kläger mit einem am Empfang des Gebäudes hinterlegten Schlüssel in die Räume
gelangen können. Auch hinsichtlich der eigentlichen zahnärztlichen Tätigkeit sei eine Eingliederung nicht zu erkennen. Jedenfalls,
wenn ein Arzt eine geschuldete (Teil-)Leistung innerhalb der von außen vorgegebenen Organisationsabläufe erbringe, er die
Einrichtungen und Betriebsmittel nutzte und arbeitsteilig mit dem ärztlichen und nichtärztlichen Personal in vorgegebenen
Strukturen zusammenarbeite, sei er in der Regel in einer seine Tätigkeit prägenden Art und Weise fremdbestimmt in den Betrieb
eingegliedert. Habe der Zahnarzt die Befugnis, den medizinischen Auftrag nach eigenem Ermessen zu gestalten sowie über die
räumlichen und sächlichen Mittel, ggf auch über den Einsatz von Hilfspersonal zu disponieren oder jedenfalls an der Disposition
mitzuwirken, spreche dies für eine selbständige Tätigkeit. Vorliegend sei Letzteres der Fall. Der Kläger sei während seiner
Schicht allein anwesender Zahnarzt gewesen und habe alle anfallenden zahnärztlichen Aufgaben selbständig übernommen. Eine
Zusammenarbeit mit den Zahnmedizinischen Fachangestellten im eigentlichen Sinn sei nicht gegeben. Vielmehr seien die Zahnmedizinischen
Fachangestellten verpflichtet gewesen, den Weisungen des Klägers als diensthabendem Zahnarzt Folge zu leisten. Ein Mitspracherecht
hinsichtlich der Behandlung von Patienten habe es nicht gegeben. Die Fachangestellten hätten Assistenzaufgaben ausgeübt und
seien für die Dokumentation und Hygienemaßnahmen verantwortlich gewesen. Dies vermöge eine Eingliederung nicht zu begründen.
Dass die Zahnmedizinischen Fachangestellten dem Kläger auch hinsichtlich der Bedienung der Geräte behilflich gewesen seien,
ändere daran nichts. Die eigentliche Behandlung sei dennoch nur durch ihn erfolgt. Dem Kläger habe es freigestanden, die Zahnmedizinischen
Fachangestellten einzubinden. Der Kläger habe es eigenverantwortlich in der Hand gehabt, den gesamten Ablauf des Notfalldienstes
zu gestalten; ihm habe insoweit die Verantwortung oblegen. Soweit der Kläger meine, es bedürfe auch einer gewissen Sachherrschaft,
treffe dies auf den vorliegenden Fall nicht zu, da dieses Kriterium für die Tätigkeit in freier Praxis entwickelt worden sei.
Weiterhin spreche für eine abhängige Beschäftigung nicht, dass der Kläger die zur Verfügung gestellten Geräte und Materialien
benutzt habe. Die Verwendung von Mitteln des Auftraggebers sei bei der Durchführung eines Auftrages nämlich nicht unüblich.
Für die Kammer sei auch ein gewisses unternehmerisches Risiko zu erkennen. Maßgeblich seien zur Überzeugung der Kammer die
zahnärztlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers, ohne die er seine Tätigkeit nicht ausüben könne. Dass die Materialien
und Geräte nicht im Eigentum des Klägers stünden und er insoweit keine Investitionen getätigt habe, sei damit kein wesentliches
Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Der Kläger habe das Risiko getragen, dass er die eigene Arbeitskraft nicht wie gewünscht
habe einsetzen können, da er nicht für alle Schichten eingeteilt worden sei, für die er sich gemeldet habe. Dem eigenen Risiko
hätten auch größere Gestaltungsfreiheiten beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft und hinsichtlich des Verdienstes entgegengestanden.
Der Kläger habe frei entscheiden können, ob und für wie viele Schichten des Notdienstes er sich melde. Dabei habe es in seiner
Hand gelegen, durch die Angabe vieler Schichten einen höheren Verdienst zu erzielen. Bei einer Vergütung zwischen 34,00 €
und 50,00 € erscheine eine Eigenvorsorge durchaus möglich, sodass insoweit jedenfalls kein maßgebliches Indiz für eine abhängige
Beschäftigung gegeben sei. Dass eine erfolgsunabhängige Stundenvergütung pro Stunde vereinbart und gezahlt worden sei, steht
der selbständigen Tätigkeit zuletzt nicht entgegen. Bei Dienstleistungen komme eine solche Vergütung bereits aufgrund der
Art der Tätigkeit vielfach nicht in Betracht. Der seitens der Beigeladenen mehrfach verwandte Hinweis auf das Arbeitszeitgesetz bezüglich der Unzulässigkeit von Doppelschichten sei zwar aufgrund der Ablehnung einer abhängigen Beschäftigung inhaltlich
unzutreffend. Ein falscher Hinweis könne aber die Eigenschaft als abhängig Beschäftigter nicht begründen. Dass nach Ansicht
des Klägers Zahnärzte als dauerhafte freie Mitarbeiter nach der Berufsordnung nicht vorgesehen seien und die Berufsausübung
als selbständiger Zahnarzt ohne einen Praxissitz nicht zulässig sei, könne eine abhängige Beschäftigung nicht begründen. Wie
sich aus der von dem Kläger zitierten Kommentierung bereits ergebe, solle eine Berufsausübung im Umherziehen nicht zulässig
sein. Dies treffe auf die Tätigkeit des Klägers aber nicht zu. Weiterhin vermöge eine Regelung der Berufsordnung die Frage,
ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliege, nicht zu entscheiden, da es auf eine Bewertung
der Gesamtumstände des konkreten Einzelfalls ankomme. Die rechtlichen Einordnungen des Berufsrechts seien zudem für die sozialversicherungsrechtliche
Statusbeurteilung nicht bindend. Auch aus § 23c Abs 2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB IV) lasse sich nicht ableiten, dass der Kläger bei der streitgegenständlichen Tätigkeit zwingend abhängig Beschäftigter gewesen
sei. Ob diese Regelung auch auf die Tätigkeit als Zahnarzt im Notfalldienst anwendbar sei, könne vorliegend dahinstehen. Denn
der Vorschrift lasse sich jedenfalls nicht entnehmen, dass eine abhängige Beschäftigung vorliege, wenn die beschriebenen Tätigkeiten
nicht neben einer Beschäftigung ausgeübt würden. Vielmehr stelle diese Vorschrift lediglich eine Folgeregelung dar, wenn grundsätzlich
eine Tätigkeit als Beschäftigter oder niedergelassener Arzt bzw zugelassener Vertragsarzt vorliege. Sie regele nicht die statusrechtliche
Einordung als Beschäftigter oder Selbständiger, sondern schließe lediglich eine Beitragspflicht aus.
Gegen das ihm am 18.09.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.10.2020 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingereicht
unter Wiederholung und Vertiefung seiner bisherigen Begründung. Ergänzend hat er dargelegt, es habe sich entgegen der Auffassung
des SG um ein Dauerschuldverhältnis gehandelt. Wesentliche inhaltliche Weisungen seien erteilt worden, etwa in Bezug auf Röntgenaufnahmen.
Arbeitszeit und - ort seien vorgegeben gewesen, es habe die Pflicht zur Teilnahme an Notfallkursen und Fortbildungen bestanden,
es hätten Dienstbesprechungen stattgefunden. Die Arbeit sei im Team erfolgt, weil nur die Zahnarzthelferinnen die Geräte hätten
bedienen können, die Patienten in den PC aufnähmen und die Instrumente desinfizierten bzw sterilisierten. Es habe keine Sach-
oder Personalhoheit bestanden, kein unternehmerischer Entscheidungsspielraum, kein unternehmerisches Risiko.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.09.2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.07.2019 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19.12.2019 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08.09.2020 aufzuheben und festzustellen,
dass er hinsichtlich seiner Tätigkeit als Zahnarzt im Notfalldienst der Beigeladenen am 20.01.2018, 27.01.2018, 10.02.2018,
12.02.2018, 30.03.2018, 02.04.2018, 08.04.2018, 15.04.2018, 12.05.2018, 21.05.2018, 31.05.2018, 02.06.2018, 03.06.2018, 23.06.2018,
14.07.2018, 21.07.2018, 29.07.2018, 05.08.2018, 12.08.2018, 18.08.2018, 26.08.2018, 01.09.2018, 08.09.2018, 23.09.2018, 06.10.2018,
28.10.2018, 10.11.2018, 17.11.2018, 24.11.2018, 02.12.2018, 08.12.2018, 16.12.2018, 29.12.2018, 12.01.2019, 13.01.2019, 27.01.2019,
23.02.2019, 02.03.2019, 03.03.2019, 16.03.2019, 31.03.2019, 07.04.2019 und 19.04.2019 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat die Bundesagentur für Arbeit über die Klage und die Möglichkeit einer Beiladung auf Antrag unterrichtet. Eine
Reaktion erfolgte nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der
Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits
ist der Bescheid der Beklagten vom 24.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2019 in der Fassung des Änderungsbescheides
vom 08.09.2020, mit denen die Beklagte feststellte, dass der Kläger an den hier streitigen Einsatztagen nicht abhängig beschäftigt
war. Dagegen hat sich der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs 1, 55 Nr 1 SGG gewandt. Da der Kläger jedoch, wie bereits die Beklagte und auch das SG - wenn auch aus anderen Gründen - zutreffend festgestellt haben, selbständig tätig war und daher keine Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung bzw nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung besteht, war die Berufung zurückzuweisen.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV (in der Fassung des Gesetzes zur Neufassung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch vom 12.11.2009, BGBl. I S. 3710). Danach können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die
Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung
einer Beschäftigung eingeleitet. Über den Antrag entscheidet abweichend von § 28h Abs 2 SGB IV die Beklagte (§ 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV).
Vorliegend fehlt es an einem Beschäftigungsverhältnis. Vielmehr übte der Kläger seine Notdienste in eigener ärztlicher Verantwortung
und selbständig aus. Er wurde durch die Beigeladene mittels Verwaltungsakt zum zahnärztlichen Notdienst herangezogen und nahm
für die Dauer des Notdienstes an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Daneben war für den Abschluss eines Dienst- oder
Arbeitsvertrages kein Raum.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Hiernach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in
einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit
vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit
über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Für die Beurteilung
der Tätigkeit von sog Honorarärzten gelten keine abweichenden Maßstäbe (vgl nur B 12 KR 12/18 R, in juris, Rn 19 f; B 12 KR 14/18 R, in juris, Rn 24 f; B 12 KR 22/18 R, in juris, Rn 17 f).
Vorliegend besteht indes die Besonderheit, dass der Kläger im Rahmen des § 75 Abs 1b SGB V tätig geworden ist. Nach §§ 75 Abs 1, 72 Abs 1 Satz 2 SGB V haben die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung die vertragszahnärztliche Versorgung
in dem in § 73 Abs 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass
die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Der Sicherstellungsauftrag
nach § 75 Abs 1 SGB V umfasst nach Abs 1b dieser Vorschrift (hier in der vom 01.01.2016 bis zum 02.06.2021 geltenden Fassung von Art 6 Nr 1a KHSG vom 10.12.2015, BGBl
I 2229) auch die vertragszahnärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst). Nach § 75 Abs 1b Satz 4 und 5 SGB V gilt: Nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende zugelassene Krankenhäuser und Ärzte, die aufgrund einer Kooperationsvereinbarung
mit der Kassenärztlichen Vereinigung in den Notdienst einbezogen sind, sind zur Leistungserbringung im Rahmen des Notdienstes
berechtigt und nehmen zu diesem Zweck an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Dies gilt entsprechend für nicht an der vertragsärztlichen
Versorgung teilnehmende Ärzte im Rahmen der notärztlichen Versorgung des Rettungsdienstes, soweit entsprechend § 75 Abs 1b Satz 1 SGB V durch Landesrecht bestimmt ist, dass auch diese Versorgung vom Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung umfasst
ist. Aus diesen Bestimmungen folgt, dass nicht nur Vertragsärzte, sondern auch Vertragszahnärzte den Notdienst, soweit er
vom Sicherstellungsauftrag umfasst ist, im Rahmen eines Rechtsverhältnisses wahrnehmen, das nahezu vollständig durch öffentlich-rechtliche
Normen geprägt ist.
Die nähere Ausgestaltung des Not- bzw Bereitschaftsdienstes fällt in die Zuständigkeit der einzelnen Kassen(zahn)ärztlichen
Vereinigung (BSG 06.09.2006, B 6 KA 43/05 R, SozR 4-2500 § 75 Nr 5, Rn 12). Vorliegend richtet sich diese nach der Notfalldienstordnung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg
(in der Fassung vom 28.06.2008, geändert durch Beschluss vom 30.11./01.12.2012), wonach im Bezirk der Beigeladenen in räumlich
abgegrenzten Bereichen (Notfalldienstbezirken) ein zahnärztlicher Notfalldienst eingerichtet wird (§ 1 Abs 1 Notfalldienstordnung
<NDO>). Jeder Zahnarzt, der an der ambulanten vertragszahnärztlichen Versorgung im Bezirk der Beigeladenen teilnimmt, ist
grundsätzlich verpflichtet, am vertragszahnärztlichen Notfalldienst teilzunehmen und sich hierin fortzubilden (§ 2 Abs 1 NDO).
Die Einteilung zum Notfalldienst sowie deren Bekanntgabe obliegt den jeweiligen Bezirksdirektionen der Beigeladenen. Der Inhalt
des Notfalldienstes (Beseitigung der den Notfall verursachenden Beschwerden) ist in § 6 geregelt, § 7 regelt die Weiterbehandlung
(Unterrichtung des Notfallpatienten über eine notwendige Weiterbehandlung, Übergabe von Aufzeichnungen, Verweisung an den
Vorbehandler bzw anderen Zahnarzt).
Die Verpflichtung eines Vertragszahnarztes, an einem von der Beigeladenen eingerichteten Notfalldienst teilzunehmen, ist ein
immanenter Bestandteil der Pflicht des Vertragszahnarztes zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung (KassKomm/Rademacker,
113. EL März 2021, SGB V § 75 Rn 34 mwN). Die Einteilung zum Notfalldienst erfolgt durch Verwaltungsakt iS des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), der mit der Anfechtungsklage angegriffen werden kann (BSG 11.05.2011, B 6 KA 23/10 R, SozR 4-2500 § 75 Nr 11, Rn 12 zur vertragsärztlichen Versorgung). Nach der Rechtsprechung stellt auch zB die Übersendung eines Organisationsplanes,
worin die Modalitäten des Notdienstes geregelt werden, ebenfalls einen Verwaltungsakt dar. Auch die Vergütung kann durch Verwaltungsakt
geregelt werden (BSG 08.04.1992, 6 RKa 24/90, BSGE 70, 240-246, SozR 3-5533 Allg Nr 1, Rn 18). Dies gilt nach Auffassung des Senats unabhängig davon, ob der Vertragszahnarzt zur Teilnahme
am Notdienst verpflichtet ist, ob er einen ggf einklagbaren Anspruch auf Teilnahme am Notdienst hat oder ob er nur (ohne hierauf
einen Anspruch zu haben) am Notdienst teilnehmen darf. Fehlt es an einer Verpflichtung zur Teilnahme am Notdienst, handelt
es sich bei der Einteilung bzw Heranziehung zum Notdienst um einen sog mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt, der nur auf
Antrag ergehen darf.
Vertragszahnärzte, die auf der Grundlage eines (ggf mitwirkungsbedürftigen) Verwaltungsakts am Notdienst teilnehmen, sind
weder in einen fremden Betrieb eingegliedert noch unterliegen sie Weisungen. Da die Durchführung von Notdiensten Ausfluss
der allgemeinen Berufspflichten von Ärzten und gerade auch und in erster Linie von selbständig tätigen Ärzten ist, führt die
Organisation des Notdienstes durch die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen nicht zur Einrichtung eines "Betriebs" im arbeitsrechtlichen
Sinne (s hierzu und zum Folgenden Dettling/Gerlach/Dettling, 2. Aufl 2018, SGB V § 75 Rn 39-41). Die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung ist zwar Träger des Notdienstes, wird dadurch aber nicht zu einem Arbeitgeber
und die den Notdienst durchführenden Ärzte werden nicht zu Arbeitnehmern der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung. Die Einrichtung
eines Notdienstes durch die Beigeladene ist - auch soweit der Notdienst in eigens dafür eingerichteten Notfallzentren stattfindet
- jeweils nur Organisation des Zusammenwirkens selbständig tätiger Einheiten im funktionellen Sinne und führt nicht zu einer
Organisation im institutionellen Sinne. Die notdiensthabenden Zahnärzte entscheiden über ihre notdienstliche Tätigkeit jeweils
in eigener zahnärztlicher Verantwortung. Besonders deutlich wird das Fehlen eines arbeitsrechtlichen Betriebs bei der Grundkonstellation
des Notfalldienstes, der vom Praxissitz (Betriebsstätte) aus geleistet wird. Aber auch dann, wenn der Notdienst von einer
zentralen Notdienstpraxis aus zu erbringen ist, ändert sich an der rechtlichen Bewertung nichts. Es bleibt auch dann bei der
Durchführung notdienstlicher Tätigkeit jeweils in eigener zahnärztlicher Verantwortung (Dettling/Gerlach/Dettling aaO).
Nichts anderes gilt für den Kläger, auch wenn er im streitgegenständlichen Zeitraum kein Vertragszahnarzt mehr war und noch
nicht einmal mehr über eine eigene (Privat-)Praxis verfügte. Es ist in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass auch
die Heranziehung eines Nichtvertragsarztes zum Notdienst als Verwaltungsakt (Sonderform der Ermächtigung) zu qualifizieren
ist (vgl in Bezug auf angestellte Krankenhausärzte: BSG 08.04.1992, 6 RKa 24/90, BSGE 70, 240-246, SozR 3-5533 Allg Nr 1; BeckOK SozR/Wendtland, 61. Aufl 01.03.2021, SGB V § 75 Rn 9; so auch Spickhoff/Nebendahl, 3. Aufl 2018, SGB V § 75 Rn 28; Krauskopf/Sproll, 110. EL November 2012, SGB V § 75 Rn 13c; vgl auch BayLSG 12.11.2020, L 14 R 5170/17), wenn dieser etwa (als Arzt mit eigener Praxis) aufgrund landesrechtlicher Vorschriften zur Teilnahme am Notdienst verpflichtet
ist (zB in Hessen, vgl § 23 Nr 2 des Hessischen Gesetzes über die Berufsvertretungen, die Berufsausübung, die Weiterbildung
und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten i.V.m. § 8 Abs 3 Bereitschaftsdienstordnung der KV Hessen). Zwar erfolgte hier die Heranziehung
des Klägers, der keine eigene Praxis mehr hatte, auf freiwilliger Basis, doch macht es für den Senat keinen wesentlichen Unterschied,
ob ein Arzt aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder freiwillig am Notdienst teilnimmt, da der Notdienst und seine Ausgestaltung
in allen Fällen gleich sind und es stets eines hoheitlichen Aktes der jeweils zuständigen Behörde (Ärztekammer oder Kassen[zahn]ärztliche
Vereinigung, vgl zu dieser Unterscheidung ausführlich KassKomm/Rademacker, 113. EL März 2021, SGB V § 75 Rn 39) bedarf, um Teil des Notdienstes zu werden. Indem die Beigeladene dem Kläger jeweils einen Dienstplan mit Terminen
für seine Notarzteinsätze zugesandt hat, hat sie durch Verwaltungsakt den Kläger partiell in die vertragszahnärztliche Versorgung
einbezogen. Damit übte er die Notdiensttätigkeit wie die Vertragszahnärzte nicht in einem fremden Betrieb und auf Weisung,
sondern als selbständige ärztliche Tätigkeit und in eigener Verantwortung aus. Er unterlag insoweit den für Vertragszahnärzte
geltenden Bestimmungen hinsichtlich der Leistungserbringung und der Wirtschaftlichkeit. Insofern bedurfte es auch keiner weiteren
schriftlichen Vereinbarungen, die den Inhalt seiner Tätigkeit näher qualifizierten, so dass nicht verwundert, dass die Beteiligten
keinen Vertrag hierzu geschlossen haben.
Hieran ändert der Umstand nichts, dass der Kläger während seiner Bereitschafts- und Einsatztätigkeit die von der Beigeladenen
bereitgestellten Räumlichkeiten und die von ihr zur Verfügung gestellten Mittel (Instrumente, Röntgengerät, Behandlungsmobiliar
usw) nutzte und mit Zahnarzthelferinnen zusammenarbeitete, die bei der Beigeladenen angestellt waren. Ebenso wenig ist hier
von Bedeutung, dass das Unternehmerrisiko des Klägers angesichts eines festen Stundenlohnes und fehlender eigener Betriebsmittel
bzw fehlenden eigenen Kapitals gering zu bewerten ist. Diese Kriterien sind nur von Belang, wenn sich ein (Honorar-)Arzt vertraglich
verpflichtet, gegen Entgelt für einen Auftraggeber/Arbeitgeber, zB gegenüber einem Krankenhaus im Rahmen des Bereitschaftsdienstes,
tätig zu werden (vgl zB BSG 04.06.2019, B 12 R 10/18 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 41; BSG 04.06.2019, B 12 R 5/19 R, juris), nicht aber, wenn er - wie hier - seiner eigenen (erst durch Verwaltungsakt begründeten) Pflicht zur (partiellen)
vertragszahnärztlichen Versorgung nachkommt.
Der Kläger war somit selbständig tätig, eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bzw nach dem Recht
der Arbeitsförderung bestand nicht. Dabei lässt der Senat offen, ob unzulässigerweise fachliche Einzelweisungen an den Kläger
ergingen, wie dies der Kläger dargelegt hat, ob Eingriffe in die Therapiefreiheit erfolgt sind oder andere Verstöße gegen
die Berufsordnung vorliegen, da es hierauf bei der Beurteilung, ob eine Beschäftigung vorliegt, vorliegend nicht ankommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache. Die Vorschrift des § 197a SGG greift in Bezug auf die kostenrechtlich nicht begünstigte Beigeladene nicht ein, weil für alle Beteiligten des betreffenden
Rechtszuges einheitlich das Kostenregime der §§ 184 bis 195 SGG gilt. Dies hat zur Folge, dass sich die zugunsten des einen Beteiligten bestehende Kostenfreiheit - hier in Bezug auf den
Kläger gemäß § 183 SGG - auf den anderen, nicht privilegierten Beteiligten erstreckt (vgl BSG 29.05.2006, B 2 U 391/05 B, SozR 4-1500 § 193 Nr 3).
Wegen grundsätzlicher Bedeutung war die Revision zuzulassen.
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