Sozialversicherungspflicht der Tätigkeit der Betreiberin eines Dienstleistungsunternehmens zur Akquirierung neuer Kunden für
ein Unternehmen auf der Grundlage einer Vergütungsvereinbarung
Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit
Anforderungen an die Indizwirkung einer Deckelung der Vergütung für eine abhängige Beschäftigung und an eine Eingliederung
in den Betrieb bei der Nutzung eines gemeinsamen Terminkalenders
Tatbestand
Streitig ist eine Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 12.577,84 €.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das in den Jahren 2013 und 2014 vor allem die Reinigung von Matratzen zum Gegenstand
hatte. Am 05.03.2013 schlossen sie und die am 12.01.1968 geborene Beigeladene zu 1), die ein Dienstleistungsunternehmen für
Bürotätigkeiten angemeldet hat (Gewerbeanmeldung vom 30.09.2009), eine Vereinbarung, wonach die Beigeladene zu 1) das Akquirieren
und Gewinnen neuer Kunden übernimmt (Bl 31 V-Akte). Die Vereinbarung lautet wie folgt:
Vereinbarung
Zwischen S. oHG und R. H.
K.-Str. 1 F.-Str. 13
.... S. .... D.
Frau H. übernimmt auf selbstständiger Basis das Akquirieren und gewinnen von neuen Kunden. Zur Neukundengewinnung bekommt
Frau H. ein Werbebudget pro Monat in Höhe von 300 € bis max. 500 € zur Verfügung gestellt. Dieses dient dazu, Werbemaßnahmen
in schriftlicher Form zu erstellen, um neue Interessenten zu kontaktieren. Enthalten im Budget sind Ausdruck, kuvertieren
und Versandkosten. Frau H. ist für das abarbeiten der von ihr selbst gewonnen Interessenten alleine zuständig. Die Kontaktaufnahme
kann telefonisch wie auch persönlich stattfinden. Alle notwendigen Informationen stellt S. zur Verfügung. Frau H. kann je
nach Einsatz selbst bestimmen, ob ihre Arbeit vom Büro in S. oder vom eigenen Büro aus getätigt wird. Im Büro S. von S. stehen
ihr 1 Computer und 1 Telefonanlage zur Verfügung. Ferner eine Falz- und Kuvertiermaschine ebenso wie Drucker für eigene Werbemaßnahmen.
Es wird vereinbart, alle durch Fr. H. gewonnen Kunden bei denen ein Termin zur Reinigung oder zum Verkauf stattfinden, wird
vergütet. Durch ihre Akquisition und telefonieren aufgewendeten Stunden können pro Woche mit maximal 35 Stunden zu je 14,00
€ abgerechnet werden, wenn mindestens 55 neue Kunden gewonnen werden. Wird die Terminanzahl unterschritten, werden prozentual
die Stunden um die fehlenden Termine gekürzt. Beispiel: 140 Stunden Arbeit und 55 Termine = 14 € X 140 Std. = 1960,00 € /
gleiche Zeit aber bloß 30 Termine = 14 € X 77 Std. = 1078,00 €. Es werden pro Termin gerundet 35 € angenommen. Bei Überschreitung
der Termine erfolgt keine höhere Auszahlung. Für Werbemaßnahmen drucken, kurvertieren und versenden können pro geleistete
Arbeitsstunde 14 € berechnet werden. Bei der Akquisition erarbeitet sich Fr. H. Listen, die Sie abtelefoniert und somit in
den Provision Anspruch mit Std. mtl. einfließt. Bei Telefonaten mit bestehenden Kunden wir ihr die Arbeitsstunde ebenfalls
mit 14 € vergütet. Hierüber ist gesondert eine Aufstellung der geleisteten Stunden erforderlich. In den Monaten August, Dezember
und Januar wird Fr. H. nur nach vereinbartem Termin in der Neukundengewinnung bezahlt. Pro Termin werden 35,00 € bezahlt.
Frau H. steht das Equipment von S. zur Ausführung ihrer Arbeiten zur Verfügung. Ihre Telefonzeiten und Akquisitionen richten
sich nach den Geschäftszeiten des örtlichen Einzelhandels. Keine Telefonate vor 8.30 Uhr und nach 20 Uhr. Ansonsten kann Fr.
H. ihre Arbeitskraft frei einsetzen und mit S. nach vorgegebenem Provisionsanspruch abrechnen. Die Provisionen sind monatlich
abzurechnen und werden auf das Konto Kreissparkasse G., BLZ ... Kt. Nr. ... Frau H. versichert, für mehrere Arbeitgeber beschäftigt
zu sein.
Die Tätigkeit begann im Februar 2013 und wird bis heute ausgeübt.
Am 20.11.2015 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Prüfungszeitraum vom 01.01.2011 bis 31.12.2014
durch und befragte die Beigeladene zu 1) zu ihrer Tätigkeit im Zeitraum vom 01.02.2013 bis zum 31.12.2014. Die Beigeladene
zu 1) gab ua an, ihre Tätigkeit bestehe in der Akquisition von Neukunden sowie in der telefonischen Bearbeitung der Interessenten-
und Kundendatei, Letzteres sowohl vom Büro als auch von zu Hause aus. Weiterhin drucke sie Werbemaßnahmen, kuvertiere und
versende diese. Sie sei noch für weitere, näher aufgelistete Auftraggeber tätig und wende als Kapitaleinsatz die eigene Arbeitskraft
auf, ohne regelmäßigen Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einhalten zu müssen oder Weisungen zu unterliegen.
Nach Anhörung der Beteiligten forderte die Beklagte von der Klägerin mit Bescheid vom 04.03.2016 einen Gesamtbetrag in Höhe
von 12.500,41 € von der Klägerin aus der Betriebsprüfung nach, wobei auf die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) im Zeitraum
vom 01.02.2013 bis 31.12.2014 Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- sowie Rentenversicherung, Beiträge zur Arbeitsförderung
sowie Umlagen nach den Lohnfortzahlungsgesetz/Aufwendungsausgleichsgesetz für Krankheitsaufwendungen (U1) bzw Mutterschaftsaufwendungen
(U2) in Höhe von insgesamt 12.577,84 € entfielen und im Übrigen in Bezug auf weitere Arbeitnehmer Änderungen beim Umlagesatz
U1 und U2 berücksichtigt wurden, die größtenteils zu Erstattungen führten. In Bezug auf die Beigeladene zu 1) führt die Beklagte
aus, es handele es sich um eine abhängig Beschäftigte, die in der streitgegenständlichen Zeit versicherungspflichtig bei der
Klägerin beschäftigt gewesen sei. Wesentliches Merkmal sei die persönliche Abhängigkeit, die sich vornehmlich in der Eingliederung
"in" einen Betrieb äußere, womit regelmäßig die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers über "Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung"
verbunden sei. Insgesamt sei die persönliche Abhängigkeit stets zu bejahen, wenn der Dienstleistende "in" einem Betrieb arbeite,
dh also in den Betrieb eingegliedert sei und als Angehöriger des Betriebs angesehen werde, selbst wenn die Weisungsgebundenheit
- was die Ausführung der Arbeit betreffe - stark eingeschränkt sei. Die Beurteilung der Frage, ob eine abhängige Beschäftigung
oder eine selbständige Tätigkeit vorliege, müsse nach dem Gesamtbild des beruflichen Einsatzes vorgenommen werden, wobei letztlich
entscheidend sei, ob die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder einer selbständigen Tätigkeit überwiegen.
Die Beigeladene zu 1) übte nach eigenen Angaben ihre Tätigkeit jeweils zur Hälfte in den Betriebsräumen der Klägerin und von
Zuhause aus. An regelmäßige Arbeitszeiten sei sie nicht gebunden. Ihr seien auch keine Weisungen hinsichtlich der Ausführung
ihrer Tätigkeit erteilt worden. Ihre eigene Arbeitskraft sei ihr Kapitaleinsatz und ihre Kalkulation sei die Planung der Stunden
ihres Monatsverdienstes. Zwar spreche die freie Gestaltung der Arbeitszeit für eine selbständige Tätigkeit, aber es sei auch
nicht unüblich, dass abhängig Beschäftigten flexible Arbeitszeitmodelle und Heimarbeitsplätze gewährt werden. Da jedes Vertragsverhältnis
für sich getrennt zu betrachten sei, begründe das Vorhandensein mehrerer Auftraggeber nicht zwangsläufig eine selbständige
Tätigkeit. Die Beigeladene zu 1) trage kein typisches Unternehmerrisiko, da kein Einsatz eigenen Kapitals und eigener Betriebsmittel
erfolgt sei, bzw allenfalls in überschaubarem Rahmen, da die eingesetzten Gerätschaften (PC, Telefon) auch privat genutzt
werden könnten. Die Vergütung sei zwar teilweise erfolgsabhängig erfolgt, sie habe aber auch nur das für Arbeitnehmer typische
Arbeitsplatz- und Lohnrisiko getragen.
Dagegen legte die anwaltlich vertretene Klägerin am 22.03.2016 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung
des angefochtenen Bescheids. Die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) sei vergleichbar mit einer freien Handelsvertreterin. Sie
arbeite ausschließlich auf Erfolgsbasis und trage insoweit das volle unternehmerische Risiko. Sie müsse eigene Strategien
zur Kundengewinnung entwickeln. Im Übrigen arbeite sie für mehrere Auftraggeber. Die Klägerin stelle ihr ein Budget für Werbemaßnahmen
in Höhe von 300,00 bis 500,00 € pro Monat zur Verfügung. Hiervon erstelle die Beigeladene zu 1) Flyer, in denen das Leistungsspektrum
der Klägerin dargestellt werde. Diese Flyer würden dann verteilt oder verschickt. Das Drucken, Kuvertieren und Versenden sei
mit der Provision abgegolten. Diese Tätigkeit übe die Beigeladene zu 1) von zu Hause aus. Eine Vergütung erhalte sie nur im
Erfolgsfall.
Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Beitragsbescheids gab die Beklagte am 21.04.2016 statt; den Widerspruch wies
sie mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2016 unter Wiederholung der bisherigen Begründung zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 18.08.2016 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben mit der Begründung, die Klägerin sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) Auftraggeberin im Sinne des §
2 Satz 1 Nr 9 Buchst b) Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) der selbständig tätigen Beigeladenen zu 1). Hierunter falle ein Unternehmen, das anderen Personen die Vermarktung von Produkten
nach einem sogenannten Empfehlungsmarketing überlasse. Die Beigeladene zu 1) übe ein gewerbliches Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht
aus, das sich immer mehr auf das Empfehlungsmarketing konzentriere. Die Beigeladene zu 1) habe sich verpflichtet, Werbung
für Dienstleistungen der Klägerin zu entwerfen, zu gestalten und an interessierte Kunden zu versenden. Materialkosten hierfür
würden in Form eines pauschalen Budgets monatlich zusätzlich berechnet. Die künstlerische Gestaltung und werbewirksame Erstellung
der Flyer sei allein Sache der Beigeladenen zu 1). Sie sei auch für mehrere Auftraggeber tätig. Eine Weisungsabhängigkeit
bestehe weder in Bezug auf den Ort der Tätigkeit noch die Arbeitszeit oder den Arbeitsumfang. Auch nehme die Klägerin keinen
Einfluss auf die Kundenwerbegespräche der Beigeladenen zu 1). Die einzige Vorgabe sei, dass die Beigeladene zu 1) Tätigkeiten
in der Betriebsstätte der Klägerin im Rahmen der Öffnungszeiten zu erbringen habe. Eine Einbindung in die Arbeitsorganisation
erfolge nicht, eine Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern der Klägerin finde nicht statt, Vertretungen erfolgten nicht.
Die Akquise von Altkunden müsse zwar in den Räumen der Klägerin stattfinden, doch sei dies dem Umstand geschuldet, dass Kundenlisten
das Kapital der Firma seien und daher den Betrieb nicht verlassen dürften. Dass die Beigeladene zu 1) die Telefonakquise im
Namen der Klägerin durchführe, sei in Bezug auf Kunden generell so üblich. Es liege auch ein Unternehmerrisiko vor, da die
Beigeladene zu 1) erfolgsabhängig bezahlt werde. Sie sei ausschließlich auf Provisionsbasis tätig worden. Haupttätigkeit sei
die Gestaltung und Schaltung von Werbematerial, während die Akquise der Altkunden nie mehr als die Hälfte der Tätigkeit umfasst
habe. Reinigungsarbeiten habe die Beigeladene zu 1) nur ausnahmsweise durchgeführt, als eine Reinigungskraft der Klägerin
verhindert gewesen sei.
Die Beklagte hat vorgetragen, die vom Klägerbevollmächtigten zitierte Rechtsprechung des BSG passe vorliegend nicht, da es darin nicht um die Beurteilung eines Vertragsverhältnisses gehe. Die Beigeladene habe anders
als im Urteil des BSG nicht ausschließlich auf Provisionsbasis gearbeitet, sondern sei überwiegend nach Stunden bezahlt worden. Sie habe keine
eigenen Betriebsmittel eingesetzt, sondern kostenlos die Räumlichkeiten und Betriebsmittel der Klägerin nutzen dürfen. Tatsächlich
sei die Hälfte der Arbeitszeit in den Büroräumen ausgeübt worden mit der Folge örtlicher Weisungsgebundenheit. Auch sei ihr
ein zeitlicher Rahmen vorgegeben worden, nämlich zwischen 8:30 Uhr bis 20 Uhr. Der Dienstvertrag beinhalte eine Auftragsbegrenzung,
da die Beigeladene zu 1) nicht mehr als 35 Stunden abrechnen dürfe. Sie habe sich zudem in organisatorischen Fragen mit der
Klägerin abstimmen müssen, um zu verhindern, dass im selben Gebiet sowohl Werbemaßnahmen der Klägerin als auch der Beigeladenen
zu 1) stattfinden. Auch habe die Firmenkalkulation für den jeweiligen Auftrag beachtet werden müssen. Ein Unternehmerrisiko
habe nicht bestanden. Die Tätigkeit sei mit einem festen Stundensatz vergütet worden, sofern es sich um Arbeitsstunden im
Zusammenhang mit "Tele-Kunden" oder Reinigungsarbeiten gehandelt habe. Die Rechnungen der Beigeladenen zu 1) zeichneten ein
Bild der Bezahlung nach Stunden in neun Monaten des jeweiligen Jahres, zumal eine Differenzierung in erfolgsabhängig bezahlte
Neukundentermine und in Arbeitsstunden für "Tele-Kunden" nicht erfolgt sei und eine Dokumentation dazu fehle. Kosten seien
der Beigeladenen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht entstanden, da sie sich diese über das Werbebudget habe erstatten
lassen können. Dass sie für weitere Auftraggeber tätig gewesen sei, habe keine Auswirkung auf die Beurteilung der hier streitigen
Tätigkeit. Sie habe keine eigenen Arbeitnehmer eingesetzt, sondern die Leistungen stets höchstpersönlich erbracht, noch dazu
im Namen der Klägerin. Unternehmerische Chancen seien nicht zu erkennen.
Auch die Beigeladene zu 1) hat beim SG Klage erhoben (S 3 R 2618/16).
Mit Urteil vom 25.09.2019 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Beigeladene zu 1) sei abhängig beschäftigt. Die Beigeladene zu 1) werde zur
Gewinnung von Neukunden und zur Bearbeitung von Bestandslisten eingesetzt. Zur Akquirierung klingele sie bei potentiellen
Neukunden, teile mit, dass sie im Auftrag bzw für die Klägerin unterwegs sei, die Matratzen reinige, und notiere sich die
Adressen von Interessenten, an die sie daraufhin selbst entworfene Flyer versende, die das Leistungsspektrum der Klägerin
sowie spezielle Angebote darstellen. Sodann erfolge ein Anruf zur Terminvereinbarung. Die Termine würden von der Beigeladenen
zu 1) auf ihrem privaten Laptop in einen Googlekalender eingetragen. Für diesen Kalender, auf den ua die Geschäftsführer der
Klägerin Zugriff hätten, sei der Beigeladenen zu 1) ein Passwort von der Klägerin zugeteilt worden. Die Flyer würden von der
Beigeladenen zu 1) entworfen, wobei hinsichtlich der Angebote eine Absprache mit der Geschäftsführung erfolge. Die Daten der
Bestandskunden würden bei der Klägerin aufbewahrt. Die Beigeladene zu 1) könne sich die Liste in den Büroräumen ausdrucken
und entweder von einem freien Arbeitsplatz dort oder von zu Hause aus die Kunden anrufen. Die Beigeladene zu 1) erstelle für
die erbrachten Leistungen Rechnungen, wobei - überwiegend - eine Abrechnung nach Stunden erfolge. In dem zwischen der Beigeladenen
zu 1) und der Klägerin geschlossenen Vertrag sei vereinbart, dass eine Vergütung für alle Kunden erfolge, bei denen ein Termin
zur Reinigung durchgeführt worden sei. Für die Akquise und das Telefonieren könnten pro Woche maximal 35 Stunden zu je 14,00
€ abgerechnet werden, wenn mindestens 55 neue Kunden gewonnen würden. Werde die Terminanzahl unterschritten, würden prozentual
die Stunden um die fehlenden Termine gekürzt. Pro Termin würden gerundet 35,00 € angenommen. Für das Drucken, Kuvertieren
und Versenden von Werbemaßnahmen könnten pro geleistete Arbeitsstunde 14,00 € berechnet werden. Für den streitgegenständlichen
Zeitraum zwischen Februar 2013 und Dezember 2014 seien im Verwaltungsverfahren 23 Rechnungen der Beigeladenen zu 1) vorgelegt
worden. In den Rechnungen Nr 04/2013, 07/2013, 09/2013, 11/2013, 14/2013, 17/2013, 23/2013 (vom 01.08.2013), 23/2013 (vom
01.10.2013), 26/2013, 29/2013, 04/2014, 06/2014, 08/2014, 10/2014, 12/2014, 14/2014, 17/2014, 20/2014, 22/2014 erfolge eine
Abrechnung nach geleisteten Stunden mit einer Vergütung in Höhe von 14,00 €/Stunde. Dabei werde die erbrachte Leistung als
"telefonische Terminierungen" aufgeführt. Lediglich in den Rechnungen 02/2014, 15/2014, 23/2014, 24/2014 und 25/2014 werde
eine Provision für Termine abgerechnet. Vor diesem Hintergrund sei die Kammer zur Überzeugung gelangt, dass die Beigeladene
zu 1) im Zeitraum vom 01.02.2013 bis zum 31.12.2014 bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen sei. Die Beigeladene zu
1) sei maßgeblich in einen fremden Betrieb eingegliedert. Die von ihr erstellten Flyer führten Leistungen der Klägerin auf.
Die abgebildeten Angebote seien in Absprache mit der Geschäftsführung erfolgt und berücksichtigten deren unternehmerische
Kalkulation. Der von der Beigeladenen zu 1) geleistete kreative Beitrag sei aus Sicht der Kammer untergeordnet. Die von ihr
erlangten Daten über Neukunden würden an die Klägerin weitergeleitet und dienten deren Erweiterung des Kundenstamms. Eine
eigene Verwaltung der Kundendaten durch die Beigeladene zu 1) erfolge nicht. Die Klägerin stelle den Zugriff auf den Terminkalender
sowie Betriebsmittel (PC, Drucker, Falz- und Kuvertiermaschine) in den Geschäftsräumen zur Verfügung. Es stehe der Beigeladenen
zu 1) frei, diese zu nutzen oder von zu Hause unter Einsatz von privatem Computer und Papier zu arbeiten. Ferner sei die Beigeladene
zu 1) bei der Einteilung ihrer Arbeitskraft bezüglich Zeit und Ort im Wesentlichen frei, was auch ein Merkmal von Selbständigkeit
sein könne, allerdings auch bei abhängig Beschäftigten mit flexibler Arbeitszeitgestaltung üblich sei. Indes sei in der Vereinbarung
zwischen der Beigeladenen zu 1) und der Klägerin festgeschrieben, dass sich die Telefonzeiten und Akquisitionen nach den Geschäftszeiten
des örtlichen Einzelhandels richteten und keine Telefonate vor 8:30 und nach 20 Uhr stattfänden. Dies sei als Weisung der
Klägerin zu verstehen. Im Übrigen sei bei der Beurteilung der fachlichen Weisungsgebundenheit stets zu berücksichtigen, inwieweit
einem Beschäftigten in vergleichbarer beruflicher Position mit vergleichbarem Aufgabeninhalt üblicherweise Arbeitsanweisungen
erteilt würden. Gegen eine abhängige Beschäftigung spreche zwar, dass keine Vereinbarung zu bezahltem Urlaub und einem Anspruch
auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall getroffen worden sei. Ein für die Annahme der Selbständigkeit maßgebliches Unternehmerrisiko
der Beigeladenen zu 1) sei allerdings nicht erkennbar. Laut Vereinbarung vom 05.03.2013 stelle ihr die Klägerin ein Werbebudget
in Höhe von 300,00 bis max. 500,00 € pro Monat zur Verfügung. Soweit die Beigeladene zu 1) ausführe, dass sie die Flyer zT
zuhause auf eigenem Papier ausdrucke, so dürfte dies den Rahmen des zur Verfügung gestellten Werbebudgets nicht übertreffen.
Eigene Betriebsmittel müsse die Beigeladene zu 1) nicht einsetzen. Die persönlich geleistete Arbeitszeit werde wie vereinbart
entlohnt. In der Gesamtbetrachtung überwögen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung.
Gegen das ihrem Klägerbevollmächtigten am 02.03.2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.03.2020 Berufung beim Landessozialgericht
Baden-Württemberg (LSG) eingelegt unter Wiederholung der bisherigen Begründung. Ergänzend führt sie aus, es sei unberücksichtigt
geblieben, dass die Beigeladene zu 1) für mehrere Auftraggeber tätig geworden sei. Sie sei nicht in den Betrieb der Klägerin
eingegliedert gewesen. Dass die von der Beigeladenen zu 1) erstellten Flyer Leistungen der Klägerin enthielten, sei selbstverständlich.
Auch müsse die Preisgestaltung in den Flyern mit der Klägerin abgestimmt werden, damit die Beigeladene zu 1) nicht Aufträge
vermittele, die nicht kostendeckend seien. Auch sei ein Zugriff auf den Terminkalender der Klägerin notwendig, um überhaupt
Termine mit Kunden vereinbaren zu können. Das SG habe den kreativen Beitrag der Beigeladenen zu 1) zu Unrecht als untergeordnet bewertet. Vielmehr entwerfe sie die Texte,
Bilder, die Darstellung im Flyer selbst und mache dadurch die Kunden auf die Firma aufmerksam. Dass die Beigeladene zu 1)
nicht vor morgens 8.30 Uhr und nicht nach 20 Uhr Kunden akquirieren solle, sei keine Weisung, sondern ein Gebot der ordentlichen
kaufmännischen Tätigkeit. Sie trage insofern ein Unternehmerrisiko, als sie ihr eigenes Büro unterhalte samt eigens angeschaffter
Betriebsmittel, ihre Fahrtkosten selbst zahle, keine Urlaubsabgeltung erhalte und auch keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Wenn sie keine Aufträge abschließen könne, erhalte sie auch keine Vergütung. Wenn die Beigeladene zu 1) 55 Kundenaufträge
abschließe pro Woche, erhalte sie maximal 35 Stunden abgerechnet zu je 14,00 €. Hierbei bleibe unberücksichtigt, dass die
Beigeladene zu 1) bspw fiktiv angenommen 50 Stunden unterwegs gewesen sei, um 55 neue Aufträge zu gewinnen, aber lediglich
35 Stunden als maximale Obergrenze bezahlt würden. Dies sei ein eindeutiges sehr stark zu bewertendes Argument und auch Indiz
für die Selbständigkeit. Der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) in der Woche weit mehr als 35 Stunden tätig sein müsse, um
55 Aufträge zu erzielen, werde nicht honoriert von der Klägerin und sei ausschließlich das Risiko der Beigeladenen zu 1).
Wenn sie keine Aufträge pro Woche vermittele, erhalte sie überhaupt keine Vergütung
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25.09.2019 aufzuheben sowie den Bescheid vom 04.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 16.08.2016 abzuändern, soweit darin in Bezug auf die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) im Zeitraum vom 01.02.2013 bis 31.12.2014
Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie Umlagen in
Höhe von 12.577,84 € gefordert werden, und festzustellen, dass die Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 01.02.2013 bis 31.12.2014
in ihrer Tätigkeit für die Klägerin nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung
und der Beitragspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide sowie des angegriffenen Urteils verwiesen. Ergänzend trägt sie vor, es
sei fraglich, ob die Umrechnung der Neukundentermine in Arbeitsstunden und die prozentuale Kürzung ausgehend von der Maximalzahl
laut Dienstvertrag vom 05.03.2013 tatsächlich gelebt worden sei, wenn sowohl eine Dokumentation nicht vorhanden als auch den
Rechnungen solches nicht zu entnehmen sei. Nach ihrer Auffassung sei die Bezahlung nach Stunden erfolgt, was alljährlich 9
der 12 Rechnungen zu entnehmen sei. Auf diesen Rechnungen sei auch eine Arbeitszeit von Montag bis Freitag bzw Dienstag bis
Donnerstag von 14 bis 18 Uhr aufgeführt. Die behauptete ausschließliche Bezahlung nach Erfolg könne den Rechnungen nicht entnommen
werden und habe bislang auch nicht nachgewiesen werden können. Zudem sei ein Stundenlohn von 14 €, der im streitbefangenen
Zeitraum unverändert geblieben sei, nicht deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigten. Die Vergütung lasse auch keine Eigenvorsorge zu. Das unternehmerische Risiko sei ebenfalls nicht gegeben gewesen,
da der Beigeladenen zu 1) entstandene Kosten stets ersetzt worden seien (Briefmarken etc) und ihr kostenfrei Arbeitsmittel
in den Räumen der Klägerin gestellt worden seien (PC, Schreibtisch, Telefon, Falz- und Kuvertiermaschine). Eigenes Kapital
habe sie nicht eingesetzt. Die unternehmerische Chance sei ihr bereits durch die Deckelung des monatlichen Rechnungsbetrags
genommen worden, welcher nach Angaben des Geschäftsführers im Erörterungstermin 2.000 € nicht habe überschreiten sollen. Ebenso
habe ihr das monatliche Werbebudget von 300 € nicht in Geld zur Verfügung gestanden, sodass der Betrag, den Sie nicht im Sinne
von Auslagenersatz ausgeschöpft habe, verfallen sei. Überdies sei das Budget laut Schreiben des Bevollmächtigten vom 23.05.2016
nicht verhandelbar gewesen, sondern von der S. OHG vorgegeben worden.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Im Rahmen eines Erörterungstermins am 20.10.2020 hat der Geschäftsführer Herr U. weitere Ausführungen zu der Tätigkeit der
Beigeladenen zu 1) gemacht. Auf den Inhalt des Protokolls wird verwiesen. Die Beigeladene zu 1) ist in der mündlichen Verhandlung
vor dem Senat angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie
der Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig. Statthafte Klageart ist vorliegend die kombinierte
Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§
54 Abs
1,
55 Nr
1 SGG, gerichtet auf die Aufhebung des Bescheides und Feststellung der Versicherungsfreiheit der ausgeübten Tätigkeit.
Die Berufung ist nicht begründet, da der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 04.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 16.08.2016 rechtmäßig ist, soweit darin Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die Beigeladene zu 1) nachgefordert
werden. Die Klägerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt.
Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p
SGB IV. Nach § 28p Abs 1
SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten
nach dem
SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die
Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen
erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für die Arbeitgeber zuständigen Träger der
Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die
Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt werden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im
Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten
§
28h Abs
2 SGB IV sowie § 93 i.V.m. § 89 Abs 5 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Zwar entscheidet grundsätzlich gemäß §
28h Abs
2 Satz 1 Halbsatz 1
SGB IV die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie
nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dies gilt aber nicht für Entscheidungen im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung. Die Regelung
in § 28p
SGB IV weist seit 1996 die Prüfung bei den Arbeitgebern exklusiv den Rentenversicherungsträgern zu (zum Ganzen ausführlich BSG 17.12.2014, B 12 R 13/13 R, SozR 4-2400 § 28p Nr 4).
Die hier streitigen Beiträge werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag vom Arbeitgeber gezahlt (§
28g Satz 1 und
2,
28e Abs
1 Satz 1
SGB IV). Der Arbeitgeber (Klägerin) hat gegen den Beschäftigten (Beigeladenen zu 1) einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu
tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch kann allerdings nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend
gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach
nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist (§
28g Sätze 1 bis 3
SGB IV). Vereinbarungen mit dem Beschäftigten, die einen Abzug vom Arbeitsentgelt in weiterem Umfang zum Inhalt haben, sind wegen
Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig (§
134 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>).
Nach § 28p Abs 1 Satz 5
SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe
in der Kranken-, Pflege und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide
gegenüber den Arbeitgebern. Hierbei handelt es sich nach der neueren Rechtsprechung des BSG nicht nur um eine Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsakts, sondern um einen verpflichtenden Auftrag, Umfang und Ergebnis
der durchgeführten Prüfung anzugeben. Auch bei beanstandungsfreiem Abschluss einer Betriebsprüfung ist das Verfahren mit einer
rechtswirksamen Feststellung zum (Nicht-)Bestehen von Versicherungs- oder Beitragspflicht in den stichprobenweise geprüften
Auftragsverhältnissen und zum Ergebnis der übrigen geprüften Sachverhalte abzuschließen ist. Mit diesem Verständnis von §
28p Abs 1 Satz 5
SGB IV wird der Berufsausübungsfreiheit der Arbeitgeber (Art
12 Abs
1 GG) Rechnung, getragen die durch ihre Indienstnahme zum Zwecke des Beitragseinzugs und die damit verbundene Notwendigkeit, vielfach
schwierige Statusfragen beurteilen zu müssen, berührt wird. Es entspricht folglich grundrechtsschonender Auslegung, auch das
Ergebnis beanstandungsfreier Betriebsprüfungen in dem Sinne "rechtssicher" auszugestalten, dass die Arbeitgeber sich hierauf
berufen können (BSG 19.09.2019, B 12 R 25/18 R, BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43).
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen auch im hier streitigen Zeitraum in der Kranken-, Pflege-,
Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch
[SGB V], § 20 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI], § 1 Satz 1 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB
VI], § 25 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]), es sei denn Versicherungspflicht scheidet aufgrund gesetzlicher
Regelungen aus.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist §
7 Abs
1 Satz 1
SGB IV. Hiernach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in
einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Weisungsgebundenheit und Eingliederung in
den Betrieb stehen aber weder in einem Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen. Eine Eingliederung
geht nicht zwingend mit einem umfassenden Weisungsrecht einher. Die in §
7 Abs
1 Satz 2
SGB IV genannten Merkmale sind schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nur "Anhaltspunkte" für eine persönliche Abhängigkeit, also
im Regelfall typische Merkmale einer Beschäftigung und keine abschließenden Bewertungskriterien (BSG 07.06.2019, B 12 R 6/18 R, BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44 unter Hinweis auf BT-Drucks 14/1855 S 6).
Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder
die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen
Mittel also ungewiss ist. Allein der Umstand, dass jemand von seinem Vertragspartner keinen für Beschäftigte typischen sozialen
Schutz zur Verfügung gestellt erhält, führt jedoch noch nicht zur Annahme eines unternehmerischen Risikos; einem solchen Risiko
müssen vielmehr - um sozialversicherungsrechtliche Folgen auslösen zu können - auch größere Freiheiten in der Gestaltung und
der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen; auch aus dem
(allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu
können, folgt kein Unternehmerrisiko (BSG 24.03.2016, B 12 KR 20/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 29, Rn 21; vgl auch BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, BSGE 120, 99).
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild
der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Feststellung des Gesamtbilds kommt den tatsächlichen
Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Ausgangspunkt für die Beurteilung
ist demnach zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt
oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig
ist (zum Ganzen BSG 29.08.2012, B 12 R 25/10 R, BSGE 111, 257 mwN).
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen
auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen. Liegen schriftliche Vereinbarungen
vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt
sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der
dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt,
der uU als Scheingeschäft iSd §
117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts
festzustellen. Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende
Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren
Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25).
Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände - ebenso wie das SG, dessen Auffassung sich der Senat anschließt (§
153 Abs
2 SGG) - zu der Überzeugung, dass die Beigeladene zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
bei der Klägerin ausgeübt hat und daher in dem von der Beklagten festgestellten Umfang der Versicherungspflicht unterlag.
Bereits der Inhalt der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) geschlossenen Vereinbarung legt eine Wertung der Tätigkeit
als abhängige Beschäftigung nahe. In dieser Vereinbarung wird die Vergütung der von der Beigeladenen zu 1) erbrachten Leistungen
detailliert geregelt. Für die Vereinbarung von Terminen mit Bestandskunden erhält die Beigeladene zu 1) pro geleisteter Arbeitsstunde
einen Betrag von 14 €. Für Termine, die mit den von der Beigeladenen zu 1) gewonnenen Kunden zustande kommen, erhält sie eine
Provision. Die maximal mögliche Provisionsvergütung ist jedoch auf den Betrag von monatlich 1.960 € festgelegt. Diesen Betrag
erhält die Beigeladene zu 1) nur, wenn sie mindestens 55 neue Kunden im Monat gewonnen hat. Gelingt es ihr nicht, so viele
Neukunden zu gewinnen, reduziert sich die Vergütung; gewinnt sie mehr als 55 Neukunden hinzu, erhöht sich die Vergütung dadurch
nicht. Zwar hat sie nach der getroffenen Vereinbarung die Möglichkeit, eine zu geringe Vermittlung von Neukunden durch Terminvereinbarungen
mit Altkunden auszugleichen. Das monatliche Einkommen der Beigeladenen zu 1) aus ihrer Tätigkeit für die Klägerin wird aber
auf den Betrag von 1.960 € begrenzt (Deckelung). Dies hat der Geschäftsführer der Klägerin U. im Erörterungstermin am 20.10.2020
ausdrücklich bestätigt (Protokoll vom 20.10.2020, Bl 99 ff der LSG-Akte: "Wenn jetzt die Wochenstundenhöchstzahl von 35 Stunden durch diese Berechnung nicht erreicht war, hatte sie noch die Möglichkeit,
durch das Abtelefonieren der Bestandskunden zusätzlichen Stundenlohn von 14,00 € zu erwirtschaften. Das kam dann noch oben
drauf. Gedeckelt war das Ganze aber immer durch den Höchstlohn, nämlich 14,00 € mal 35 Stunden pro Woche."). Damit trug die Beigeladene zu 1) zwar das Risikos eines Misserfolgs ihrer Akquise, hatte aber durch eine besonders gute
Akquise keinen größeren Vorteil als den, einen vorab in der Höhe festgelegten Höchstbetrag zu erreichen. Bei einer solchen
vertraglich vereinbarten Deckelung fehlt es - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - an dem die selbständige Tätigkeit
kennzeichnenden Unternehmerrisiko. Die Vergütungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) ist eine Form
der variablen Entgeltvereinbarung, die allein dem Zweck dient, das Zahlungsrisiko für die Arbeitgeberin zu begrenzen und gleichzeitig
auch im Dienstleistungssektor eine Art "Akkordlohn" einzuführen, indem der Beschäftigte den vollen (und der Höhe nach begrenzten)
Arbeitslohn nur dann erhält, wenn er einen bestimmten Umsatz generiert. Diese Art der Vergütung mit ist ein starkes Indiz
für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung.
Das vereinbarte monatliche Werbebudget ist weder ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit noch für eine abhängige Beschäftigung.
Der Beigeladenen zu 1) stand dieses Budget für die Flyer zur Verfügung, die sie an ihre potentiellen Neukunden verteilen wollte.
Das Geld wurde verwendet, um zB die Werbefirma, die die Entwürfe der Beigeladenen zu 1) überarbeitete und druckte, zu bezahlen.
Oder das Werbebudget wurde verwendet, wenn die Beigeladene zu 1) ihre selbstgemachten und selbst entworfenen und fertiggestellten
Flyer im Büro der Klägerin durch die Kurvertier- und Falzmaschine geschickt hat. Hinzu kamen auch die Kosten für Briefmarken,
die auch durch das Werbebudget beglichen wurden. Auch dies entnimmt der Senat den Angaben des Geschäftsführers U. im Erörterungstermin
am 20.10.2020. Das Werbebudget dient somit allein dem Ersatz von Auslagen.
Der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) für ihre Tätigkeit ihren PKW, ihren Personal Computer sowie ein eigenes Telefax- und
Handygerät nutzt, lässt nicht ohne Weiteres auf ein unternehmerisches Risiko schließen. Voraussetzung dafür wäre es, dass
diese Gegenstände gerade im Hinblick auf die ausgeübte Tätigkeit angeschafft, hierfür eingesetzt und das hierfür aufgewandte
Kapital bei Verlust des Auftrags und/oder ausbleibenden weiteren Aufträgen als verloren anzusehen wäre. Dies kann jedenfalls
bei Gegenständen, die heute auch in den meisten Haushalten Beschäftigter oder nicht erwerbstätiger Personen ohnehin regelmäßig
zur privaten Nutzung vorhanden sind, nicht mehr unterstellt werden (vgl BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 25 mwN).
Darüber hinaus war die Beigeladene zu 1) im hier streitigen Zeitraum auch in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Allein
dies würde schon genügen, um das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung anzunehmen. Für eine Eingliederung in den Betrieb
der Arbeitgeberin ist es nicht erforderlich, dass der Beigeladenen zu 1) ein eigenes Zimmer oder ein eigener Arbeitsplatz
zur Verfügung gestellt wird. Die Beigeladene zu 1) war deshalb in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert, weil
sie für ihre Tätigkeit auf den Terminkalender der Klägerin zugreifen musste. Sie konnte Termine für die Reinigung der Matratzen
nur vereinbaren, wenn sie wusste, welcher Mitarbeiter der Klägerin für die Ausführung dieser Arbeit Zeit hat. Dies entnimmt
der Senat dem mündlichen Vorbringen der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem SG (Sitzungsprotokoll vom 25.09.2019, Bl 113 ff der SG-Akte) und den Ausführungen des Geschäftsführers der Klägerin U. im Erörterungstermin am 20.10.2020 (Bl 99 ff der LSG-Akte).
Damit musste sie sich in einem bedeutsamen Punkt an die von der Klägerin vorgegebene Arbeitsorganisation anpassen. Im Zusammenhang
mit der Nutzung von Räumlichkeiten des Auftraggebers hat das BSG darauf abgestellt, ob ein Auftragnehmer sich selbst Zugang zu den Räumlichkeiten verschaffen kann und ob eine Knappheit der
Räume (zB Behandlungsräume) mit erhöhtem Abstimmungsbedarf herrscht oder die Raumsituation nach Belieben eine jederzeitige
Belegung erlaubte (BSG 04.09.2018, B 12 KR 11/17 R, BSGE 126, 235-244, SozR 4-2400 § 7a Nr 10). Im hier zu beurteilenden Fall ist offensichtlich, dass nicht nur ein Abstimmungsbedarf in Bezug
auf die Reinigungskapazitäten der (übrigen) Beschäftigten der Klägerin bestand, die Beigeladene zu 1) hatte sich insoweit
schlicht den betrieblichen Vorgaben der Klägerin anzupassen. Zwar deutet eine im Wesentlichen frei gestaltete Arbeitszeit
nach der Rechtsprechung des BSG auf Selbständigkeit hin. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn diese Freiheit tatsächlich Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts
ist und nicht nur - wie hier - Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung auf den einzelnen
Arbeitnehmer bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25).
Die im Vertrag zwischen der Beigeladenen zu 1) und der Klägerin getroffenen Sondervereinbarungen für August, Dezember und
Januar bestätigt die Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in die von der Klägerin vorgegebene Arbeitsorganisation. Der Grund
für diese Vereinbarung war nach den Ausführungen des Geschäftsführers der Klägerin im Erörterungstermin, dass die Firma im
August Betriebsferien hatte, im Dezember die Vorweihnachtszeit war und im Januar die Leute wenig Interesse an den Arbeiten
der Klägerin hatten, so dass in dieser Zeit das Geschäft eher schlecht lief. Deshalb war in diesen Monaten vertraglich geregelt,
dass die Beigeladene zu 1) in dieser Zeit keine Bestandskunden abtelefoniert, sondern sich mit Neukundenakquisition beschäftigt.
Die Gewerbeanmeldung der Beigeladenen zu 1) kann nicht als wesentliches Indiz dafür herangezogen werden, dass sie selbständig
tätig war, denn eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung findet nicht
statt. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus, begründen
aber für sich allein keine solche (stRspr des Senats ua Urteil vom 28.03.2017, L 11 R 3962/15; Urteil vom 26.07.2016, L 11 R 3845/15; Beschluss vom 19.07.2012, L 11 KR 1789/12 ER-B).
Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer- bzw Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und
sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw zu vermeiden (zB Nichtgewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und
Urlaub bzw Urlaubsgeld; Verpflichtung, Einnahmen selbst zu versteuern; Obliegenheit, für mehrere Auftraggeber tätig zu werden
oder für eine Sozial- und Krankenversicherung selbst zu sorgen), auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden,
lassen ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zu. Darüber hinaus kommt
solchen Vertragsklauseln bei der im Rahmen des §
7 Abs
1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung zu (BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25).
Die Vertragsparteien haben es nicht in der Hand, die kraft öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch
bloße übereinstimmende Willenserklärung auszuschließen. Dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung begründen zu wollen, kommt nach der Rechtsprechung des BSG aber indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich
widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbständigkeit wie für
eine abhängige Beschäftigung sprechen (BSG 14.03.2018, B 12 R 3/17 R, BSGE 125, 177 = SozR 4-2400 § 7 Nr 36 unter Hinweis auf BSG 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25 mwN). Der Wille der Vertragsparteien ist nicht maßgebend, wenn - wie im vorliegenden Fall - tatsächlich
Umstände vorliegen, die bei einer Gesamtschau zwingend zu einer Beurteilung des Vertragsverhältnisses als abhängige Beschäftigung
führen (BSG 14.03.2018, B 12 R 3/17 R, BSGE 125, 177 = SozR 4-2400 § 7 Nr 36 Rn 14).
Gegen die Höhe der von der Beklagten festgestellten Beiträge und Umlagen wurden von der Klägerin keine Einwände erhoben. Der
Senat legt deshalb seiner Entscheidung insoweit die Ausführungen im angefochtenen Bescheid zugrunde.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs
2 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Da die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben, tragen sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§
197a Abs
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
162 Abs
3 VwGO, vgl hierzu Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl 2020, § 197a Rn 29 mwN).
Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach §
197a Abs
1 SGG i.V.m. §§ 1 Abs 2 Nr 3, 47, 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz und entspricht der streitigen, auf die Beigeladene zu 1) entfallenen Nachforderung im angefochtenen Bescheid.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG) liegen nicht vor.