Anspruch auf Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation in Form einer Familienrehabilitation; Umfang des Wunsch-
und Wahlrechts; Voraussetzungen für die Bewilligung einer stationären Reha-Leistung in einer Klinik ohne Vertrag
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation
in Form einer Familienrehabilitation.
Der 1970 geborene Antragsteller zu 1) und die 1987 geborene Antragstellerin zu 2) sind verheiratet und Eltern der am 22.07.2012
geborenen Antragstellerin zu 3). Der Antragsteller zu 1) ist versicherungspflichtig beschäftigt als Tragwerksplaner, die Antragstellerin
zu 2) bezieht seit 2012 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Antragstellerin zu 3) leidet an einer psychomotorischen
Entwicklungsstörung, Großwuchs und Makrocephalie. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen
"aG", "G", "B" und "H" anerkannt.
Die AOK Baden-Württemberg lehnte mit Bescheid vom 04.06.2013 einen von der Antragstellerin zu 2) gestellten Antrag auf eine
Mutter-Kind-Kur ab, da dies nicht die geeignete Maßnahme zur Verbesserung der schwierigen psychosozialen Belastungssituation
sei.
Die Antragsteller beantragten daraufhin bei der Beklagten eine Reha-Maßnahme für die gesamte Familie. Die Beklagte ließ eine
nervenärztliches Gutachten durch Dr. D. erstellen (Gutachten vom 02.12.2013) und bewilligte sodann mit Bescheid vom 09.10.2014
dem Antragsteller zu 1) eine stationäre Reha-Maßnahme für die Dauer von 5 Wochen in D.. Der Antragstellerin zu 2) bewilligte
sie mit Bescheid vom 10.01.2014 ebenfalls eine 5-wöchige stationäre Maßnahme in der C. Klinik Sch. und stellte mit weiterem
Bescheid vom 27.01.2014 klar, dass Unterkunft und Verpflegung für die begleitende Antragstellerin zu 3) übernommen werde.
Die Antragsteller erhoben dagegen jeweils Widerspruch und verwiesen auf eine begehrte Maßnahme als Familie. Mit Änderungsbescheid
vom 24.02.2014 bewilligte die Beklagte sodann den Antragstellern zu 1) und 2) eine 5-wöchige stationäre Reha-Maßnahme in einer
psychosomatischen Fachklinik in Bad K.. Die Klinik hatte zuvor auf Anfrage der Beklagten bestätigt, dass sie ein Ehepaar mit
begleitendem behinderten Kind aufnehmen könne. Dagegen erhoben die Antragsteller erneut Widerspruch, ua mit Blick auf die
Entfernung von ihrem Wohnort. Die nahegelegene Fachklinik Ka. sei für ihren Fall optimal geeignet. Das Widerspruchsverfahren
ist noch nicht abgeschlossen.
Am 10.04.2014 haben die Antragsteller zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben (S 4 R 1724/14) und zugleich Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Sie begehren die Gewährung einer 5-wöchigen Maßnahme in der
Klinik Ka. und wenden sich zudem gegen das Gutachten von Dr. D.. Dieses dürfe nicht verwertet werden.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern mit Schreiben vom 14.04.2014 mitgeteilt, dass mit der Klinik Ka. kein Vertrag bestehe.
Dem Wunsch könne daher nicht entsprochen werden. Nach Rücksprache mit der Klinik A. in Bad Sa. sei diese bereit, die Antragsteller
zu 1) und 2) über den Rentenversicherungsträger und die Antragstellerin zu 3) im Rahmen einer Bewilligung der Krankenversicherung
(erteilt von der Techniker Krankenkasse) aufzunehmen. Diese Reha-Einrichtung verfüge über ein familienpsychotherapeutisches
Konzept und liege auch wohnortnäher. Wenn die Antragsteller einverstanden seien, würden umgehend Umstellungsbescheide erteilt.
Hinsichtlich des Gutachtens von Dr. D. habe die Antragsgegnerin ein Weitergabeverbot notiert und das Gutachten auch von der
Klinik Bad-K. zurückgefordert.
Mit Beschluss vom 08.05.2014 hat das SG die Anträge abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Inhalt der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
stehe grundsätzlich im Ermessen der Antragsgegnerin. Ein Anspruch auf Durchführung der Maßnahme in der gewählten Klinik sei
nur gegeben, wenn dies die einzige ermessensfehlerfrei zu treffende Entscheidung der Antragsgegnerin gewesen wäre. Eine solche
Konstellation sei hier nicht ersichtlich. Nach §
15 Abs
2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) würden die stationären Leistungen in Einrichtungen erbracht, die vom Träger der Rentenversicherung selbst betrieben würden
oder mit denen ein Vertrag nach §
21 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) bestehe. Dazu gehöre die Klinik Ka. nicht. Ein Wahlrecht des Versicherten bestehe von vornherein nur zwischen Einrichtungen,
mit denen der Rentenversicherungsträger einen Vertrag geschlossen habe. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Antragsteller
die vorgeschlagene Maßnahme ausschlügen und stattdessen lieber zuwarteten. Vor diesem Hintergrund erscheine auch die Eilbedürftigkeit
fraglich. Hinsichtlich des Gutachtens von Dr. D. habe die Antragsgegnerin bereits zugesagt, das Gutachten nicht mehr weiterzugeben.
Warum die Frage der Verwertbarkeit des Gutachtens, die Offenlegung des Gutachtensauftrags nebst Beweisfragen und die Löschung
von Daten eilbedürftig sein sollte, sei nicht ersichtlich. Diesbezüglich seien die Antragsteller auf das Hauptsacheverfahren
zu verweisen.
Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer am 16.05.2014 eingelegten Beschwerde, die sie mit 23-seitigem Schriftsatz
vom 19.05.2014, auf den Bezug genommen wird, ausführlich begründet haben. Die Klinik A. sei nicht geeignet, da sie nach eigener
Darstellung Patienten mit Pflegestufe 2 oder 3 nicht aufnehme. Es werde davon ausgegangen, dass die Antragstellerin zu 3)
die Voraussetzungen für Pflegestufe 2 oder 3 erfülle, gegen die bisherige Einstufung durch die Techniker Krankenkasse sei
Widerspruch eingelegt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge sowie die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die gemäß §
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft (§
172 Abs
1, Abs
3 Nr
1 SGG) und damit zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Nach §
86b Abs
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand
treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des
Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen
Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile
nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach §
86b Abs
2 Satz 2
SGG in Betracht. Die Antragsteller verlangen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation sowie die Entfernung des Gutachtens von Dr. D. aus den Akten.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich eine wenigstens summarische Prüfung der Erfolgsaussichten
in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs
(Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu
machen (§
86b Abs
2 Satz 4
SGG iVm §
920 Abs
2 der
Zivilprozessordnung <ZPO>); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen
Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl BVerfG 25.07.1996,
1 BvR 638/96, NVwZ 1997, 479; BVerfG 12.05.2005, 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im
Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung.
Hinsichtlich der begehrten Reha-Maßnahme ist schon ein Anordnungsanspruch nicht ersichtlich. Nachdem die Antragsgegnerin bereits
dem Grunde nach den Antragstellern zu 1) und 2) stationäre Reha-Leistungen bewilligt hat, ist insoweit nur noch streitig,
in welcher Klinik die Maßnahme durchgeführt wird. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 3) ist klarzustellen, dass dieser gegen
die Antragsgegnerin dem Grunde nach kein Anspruch auf stationäre medizinische Reha-Leistungen zusteht, sondern nur im Rahmen
von Leistungen der Haushaltshilfe eine Begleitung der Eltern unter Kostenübernahme durch die Antragsgegnerin möglich ist (§
54 Abs
2 SGB IX). Da die Antragsgegnerin in einer hier beispielhaften Form im Rahmen der Koordinierung der Leistungen nach §
10 SGB IX bereits mit der zuständigen Techniker Krankenkasse geklärt hat, dass diese für die Antragstellerin zu 3) entsprechende Leistungen
bewilligt, die letztlich die gewünschte "Familienrehabilitation" ermöglichen, sieht der Senat im Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes von der Beiladung der Techniker Krankenkasse ab.
Die Antragsteller haben jedoch keinen Anspruch auf Erbringung der Leistungen allein in der Fachklinik Ka.. Nach §
13 Abs
1 Satz 1
SGB VI bestimmt der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen.
Die stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden einschließlich der erforderlichen Unterkunft und Verpflegung
in Einrichtungen erbracht, die unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal
entweder von dem Träger der Rentenversicherung selbst betrieben werden oder mit denen ein Vertrag nach §
21 SGB IX besteht (§
15 Abs
2 Satz 1
SGB VI). Das den Leistungsberechtigten nach §
9 SGB IX gewährleistete Wunsch- und Wahlrecht besteht nur in Bezug auf Einrichtungen nach §
15 Abs
2 Satz 1
SGB VI (Senatsurteil 21.08.2012, L 11 R 5319/11; Landessozialgericht <LSG> Hamburg 07.08.2013, L 2 R 173/11, beide juris). Ein Vertrag nach §
21 SGB IX besteht mit der Fachklinik Ka. nicht, sie gehört daher nicht zu den Einrichtung iSv §
15 Abs
2 Satz 1
SGB IX.
Es liegt auch nicht der Fall einer Ermessensreduzierung auf Null vor. Die Bewilligung einer stationären Reha-Leistung in einer
Klinik, mit der kein Vertrag besteht, käme nur dann als einzig rechtmäßige Entscheidung der Antragsgegnerin in Betracht, wenn
keine vom Rentenversicherungsträger selbst betriebene Einrichtung oder keine Vertragsklinik die erforderlichen Maßnahmen erbringen
könnte. Dafür bestehen indes keinerlei Anhaltspunkte. Die hier gebotene psychosomatische Rehabilitation wird in einer Vielzahl
von Einrichtungen angeboten. Zwar ergeben sich weitere Einschränkungen dadurch, dass auch für die Antragstellerin zu 3) in
der gleichen Einrichtung eine von der Krankenversicherung getragene Maßnahme möglich sein soll. Dies hat die Antragsgegnerin
jedoch mit der angebotenen Klinik A. bereits gewährleistet. Dass die Klinik - wie die Antragsteller recherchiert haben - bei
Vorliegen der Pflegestufe 2 oder 3 nicht geeignet sein soll, steht dem nicht entgegen. Eine derartige Pflegestufe ist der
Antragstellerin zu 3) nach eigenem Vortrag (bislang) nicht zuerkannt.
Soweit es den Antragstellern um die Löschung des Gutachtens von Dr. D. aus den Akten der Antragsgegnerin geht, richtet sich
dieser Anspruch nach § 84 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach dieser Vorschrift sind Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war. Grundsätzlich ist die Antragsgegnerin
nach den Maßstäben des Sozialdatenschutzes berechtigt, zur Entscheidung über das Bestehen eines Anspruchs der Antragsteller
auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation das Gutachten von Dr. D. in ihre Verwaltungsakte einzufügen (§ 67c Abs 1 Satz 1 und Abs 2 SGB X; vgl Bundessozialgericht <BSG> 11.04.2013, B 2 U 34/11 R, SozR 4-2700 § 200 Nr 4). Ob daneben ein Anspruch auf Berichtigung unrichtiger Daten nach § 84 Abs 1 Satz 1 SGB X besteht, bedarf im vorliegenden Eilverfahren keiner Entscheidung, da jedenfalls kein Anordnungsgrund ersichtlich ist. Die
Antragsgegnerin hat bereits erklärt, das Gutachten - auch im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben betreffend Rehabilitation
- nicht mehr weiterzugeben. Eine Eilbedürftigkeit ist daher nicht ersichtlich und kann insbesondere im Zusammenhang mit dem
vom Antragsteller zu 1) ins Feld geführten laufenden Verfahren der Antragstellerin zu 3) wegen eines Impfschadens nicht erkannt
werden. Den Antragstellern ist zumutbar, insoweit den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).