Witwenrente
Vorliegen einer Versorgungsehe
Besondere Umstände des Einzelfalls
Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung
Lebensbedrohliche Krankheit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung des am 22.02.2008 verstorbenen Ehegatten
der Klägerin H. R. (im Folgenden: Versicherter).
Die am 05.06.1950 geborene Klägerin lebte mit dem Versicherten 17 Jahre in einem Haushalt zusammen und heiratete ihn am 19.10.2007.
Bei einer MRT-Untersuchung am 06.08.2007 fanden sich beim Versicherten multiple Knochenmetastasen. Im Rahmen der Tumorsuche
wurde ein primär-pulmonales Adenokarzinom im rechten Lungenunterlappen und -mittellappenbronchus diagnostiziert und eine Chemotherapie
eingeleitet.
Der Versicherte beantragte seinerzeit ausweislich des Gesamtkontospiegels am 22.10.2007 eine medizinische Leistung zur Rehabilitation.
Diesen lehnte die Beklagte ab und deutete ihn in einen Rentenantrag um. Die Beklagte gewährte dem Versicherten mit Bescheid
vom 03.12.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem Leistungsfall am 24.07.2007.
Einen nach dem Tod des Versicherten gestellten Antrag auf Witwenrente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03.06.2008 wegen
Vorliegens einer Versorgungsehe ab. Die diesbezügliche Verwaltungsakte wurde zwischenzeitlich vernichtet.
Mit am 16.03.2016 eingegangenem Schreiben beantragte die Klägerin eine Überprüfung der Ablehnung. Es sei keine Versorgungsehe
gewesen. Mit Bescheid vom 20.04.2016 lehnte die Beklagte den Antrag gemäß § 44 SGB X auf Rücknahme des Bescheides vom 03.06.2008 ab. Der Tod des Ehegatten sei ca. vier Monate nach der Heirat eingetreten. Bei
einem solchen Sachverhalt gehe der Gesetzgeber grundsätzlich davon aus, dass die Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung
der überwiegende Grund für die Heirat gewesen sei, sofern der Tod nicht durch ein unvorhersehbares Ereignis eingetreten sei.
Die Gründe, die gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe sprechen würden, seien anlässlich des seinerzeitigen Rentenverfahrens
geprüft worden. Der Hinterbliebene trage die objektive Beweislast für die Widerlegung der Annahme einer Versorgungsehe. Neue
Sachverhalte, die gegen das Vorliegen einer Versorgungsehe sprechen würden, seien im Schreiben der Klägerin nicht angeführt.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 20.04.2016 Widerspruch. Sie führte aus, dass sie schon vorher hätte heiraten
wollen. Aber ihr Mann habe im Ehejahr zwei schwere Arbeitsunfälle gehabt. Bei den diesbezüglichen Untersuchungen sei keine
Rede von Lungenkrebs gewesen. Sie beziehe selbst Rente. Somit sei es keine Versorgungsehe gewesen.
Die Klägerin legte ein Schreiben des damaligen Hausarztes des Versicherten, Dr. G., vom 16.07.2008 im Rahmen der Witwenrentenantragstellung
bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse (LSV) vor. Darin hatte der Arzt ausgeführt, wenn Bronchialkarzinome durch Skelettmetastasen
auf sich aufmerksam machen würden, sei im Allgemeinen mit einer Überlebenszeit von 6-10 Monaten zu rechnen. Dass der Verlauf
innerhalb dieser tödlich sein werde, sei im August 2007 sicher gewesen. Die LSV übersandte der Beklagten ebenfalls diese Bestätigung
und eine gleichlautende Bestätigung vom 07.07.2008 an die Beklagte. Mit Schreiben vom 28.06.2016 teilte die Klägerin mit,
dass die Chemotherapie erst im November eingeleitet worden sei. Ihr verstorbener Mann sei in das Krankenhaus P. auf ihr Drängen
hin eingewiesen worden. Dr. G. habe immer gesagt, das könne dauern.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am 19.10.2007
seien die tödlichen Folgen der Erkrankung vorhersehbar gewesen. Der Versicherte sei innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung
verstorben. Ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente bestehe daher nicht.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.09.2016 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie unter anderem vorgebracht, dass sie sich bereits im Januar 2017 entschieden hätten, im Oktober
zu heiraten. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht bekannt gewesen, dass ihr Mann krank gewesen sei. Sie sei keine Versorgungsehe
eingegangen. Sie habe mit dem verstorbenen Ehemann 17 Jahre ein eheähnliches Verhältnis gelebt. Hätte sie versorgt sein wollen,
hätte sie gleich geheiratet. Die Ärzte hätten nicht gesagt, dass ihr Ehemann sterbe. Sie habe Gütertrennung vereinbart. Ihr
Ehemann und auch sie hätten so viel in die Rentenkasse eingezahlt. Eine kleine Rente würde ihr nun gut tun. Um über die Runden
zu kommen, müsse sie neben ihrem Rentenbezug noch eine geringfügige Tätigkeit im Pflegeheim ausüben.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.01.2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Ehe weniger als
ein Jahr gedauert habe. Besondere Umstände, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt sei,
dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen,
sein nicht nachgewiesen. Der Versicherte habe zum Zeitpunkt der Heirat im Oktober 2007 offenkundig an einer weit fortgeschrittenen
lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten. Dies ergebe sich aus dem Arztattest von Dr. G ... Demnach seien der Klägerin und dem
Versicherten der Zustand und die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung bereits im August 2007 bekannt gewesen. Nach den ärztlichen
Attesten sei nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung und wissenschaftlicher Erkenntnis zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ein
längeres Überleben des Versicherten nicht wahrscheinlich gewesen. Auf die subjektive Einschätzung des Krankheitsverlaufs komme
es nicht an. Hinreichend gewichtige gegen eine Versorgungsehe sprechende Umstände seien nicht nachgewiesen. Das Bestehen einer
langjährigen Partnerschaft stelle gerade keinen solchen Umstand dar. Allein das Bestehen einer innigen Liebesbeziehung und
der wiederholten Äußerung von Heiratsabsichten würden für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung ebenfalls nicht ausreichen.
Die Heirat müsse sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit
bestehenden Entschlusses darstellen. Deshalb reiche es nicht aus, dass eine Heirat ab Januar 2017 nach den Angaben der Klägerin
geplant gewesen sei. Denn konkrete Schritte seien insoweit gerade nicht eingeleitet worden. Lediglich abstrakte Pläne zu Heirat,
noch ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin würden nicht ausreichen. Auch etwaige
Äußerungen gegenüber Familienangehörigen über eine geplante Hochzeit genügten nicht. In der Gesamtschau der zu beurteilenden
objektiven und subjektiven Umstände des Falles sei die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe nicht widerlegt.
Gegen den der Klägerin am 14.01.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 31.01.2017 Berufung zum Landessozialgericht
Baden-Württemberg eingelegt und einen Ehevertrag samt Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vorgelegt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass keine Versorgungsehe bestanden habe. Sie habe sich bereits 1990 auf Gran Canaria mit ihrem
Ehemann verlobt. Im August 2007 seien die Knochenmetastasen entdeckt worden. Ihr Ehemann habe sich mit der gesundheitlichen
Problematik möglichst nicht befassen wollen. Sie selbst habe ab August 2007 in Kontakt mit dem Hausarzt gestanden. Dr. G.
habe ihr im Sommer 2007 noch nicht sagen können, wie schlimm es stehe. Erst im November 2007 sei der Tumor gefunden worden.
Erst dann hätten Sie erfahren, wie schlimm die gesundheitliche Situation sei. Der Entschluss zu heiraten, habe schon früh
und lange vor der Krebserkrankung festgestanden. Die Klägerin trägt vor, sie habe gemeinsam mit ihrem Mann entschieden, dass
geheiratet werde, wenn ihr Mann Anfang 2008 in Altersrente gehe. Anfang 2007 hätten sie entschieden, im Herbst auf Gran Canaria
zu heiraten. Dies hätten dann aber weder ihre Kinder noch die Kinder ihres verstorbenen Mannes gewollt. Sie wollten bei der
Heirat dabei sein. Insoweit sei geplant worden, im Oktober 2007 Deutschland zu heiraten. Das erste Aufgebot sei vier Wochen
vor der tatsächlichen Hochzeit aufgegeben worden. Ihre Kinder und die Kinder des verstorbenen Ehemannes könnten bezeugen,
dass eine konkrete Heiratsabsicht bereits Anfang 2007 bestanden habe. Das SG habe den Umstand, dass Gütertrennung vereinbart worden sei, nicht hinreichend berücksichtigt. Eine Erbeinsetzung sei von
ihr abgelehnt worden. Ihr Mann habe auf ihr Drängen hin am Tag vor der Hochzeit ein Testament gemacht, in welchem er ihr lediglich
einen geringeren Geldbetrag vermacht habe. Eine Versorgungsabsicht sei deshalb mit der Heirat nicht verbunden gewesen. Die
Klägerin macht zudem geltend, dass sie immer im Pflegebereich gearbeitet habe und ihren Mann dann auch gepflegt habe. Die
Pflege sei auch eine Erwartung ihres Mannes gewesen. Dies sei nicht mit einer Versorgungsehe gleichzusetzen.
Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 17.07.2017 beantragt, die Kinder der Klägerin bzw. des verstorbenen Ehemannes
der Klägerin als Zeugen zum Beweisthema geplante Heirat der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes im Frühjahr 2007 auf
Gran Canaria zu vernehmen. Diesen Beweisantrag hat er in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten.
In der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2017 hat die Klägerin erstmals ausgeführt, dass sie bereits im Herbst 2006 den Entschluss
zur Heirat im Januar 2017 gefasst habe. Allerdings habe sie im Januar keinen Urlaub bekommen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12.01.2017 und den Bescheid der Beklagten vom 20.04.2016 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 03.06.2008 zurückzunehmen
und ihr eine Witwenrente aus der Versicherung des H. R. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung.
Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit dem Beteiligten am 03.07.2017 erörtert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die nach den §§
143,
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1,
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid
vom 20.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.08.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren
Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des ablehnenden Witwenrentenbescheides vom 03.06.2008.
Gem § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem
Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht
oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückzunehmen.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 S 1 SGB X sind nicht erfüllt. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente nach dem verstorbenen Versicherten.
Nach §
46 Abs
2 Satz 1
SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt
hat, unter anderem dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen
sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 22.02.2008 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit
von fünf Jahren gemäß §
50 Abs
1 SGB VI erfüllt hatte. Sie hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten auch das 45. Lebensjahr vollendet und nach dessen Tod nicht
wieder geheiratet.
Gemäß §
46 Abs
2a SGB VI (eingeführt mit Wirkung vom 01.01.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21.03.2001, BGBl I 403), der nach §
242a Abs
3 SGB VI für alle seit dem 01.01.2002 geschlossenen Ehen gilt, ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht
mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt
ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat vom 19.10.2007 bis 22.02.2018 und damit weniger als ein Jahr gedauert.
Entscheidend ist daher, ob "besondere Umstände" vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt
ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Der Begriff der "besonderen Umstände" iSv §
46 Abs
2a Halbsatz 2
SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (Bundessozialgericht (BSG) 03.09.1986, 9a RV 8/84, BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr 5 mwN).Was unter den besonderen Umständen des Falles zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht näher definiert.
Da §
46 Abs
2a SGB VI jedoch vom Gesetzgeber bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch) und der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs 2 Bundesversorgungsgesetz) nachgebildet ist, kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden (BSG 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6 unter Hinweis auf BT-Drucks 14, 4595 S 44). Danach sind als besondere Umstände iSv §
46 Abs
2a SGB VI alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund
für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive,
Zielvorstellungen) beider Ehegatten an. Die Annahme des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer
Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des §
46 Abs
2a Halbsatz 2
SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt,
dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder - da
der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt - zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch
nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend
waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als
zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine
Rolle gespielt hat (BSG 05.05.2009, aaO). Lediglich wenn der Hinterbliebene keine - glaubhaften - Angaben über die inneren Umstände macht, darf sich
die Ermittlung, welche Gründe für die Eheschließung ausschlaggebend waren, und die Prüfung, ob es sich dabei um (anspruchsbegründende)
besondere Umstände iS des §
46 Abs
2a Halbsatz 2
SGB VI handelt, auf nach außen tretende objektive Tatsachen beschränken. Ansonsten sind auch die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten
inneren Umstände für die Heirat zu betrachten und vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden
äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen
worden ist, mit einzubeziehen (BSG 05.05.2009, aaO).
Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung
zu. Litt der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit, ist in
der Regel der Ausnahmetatbestand des §
46 Abs
2a Halbsatz 2
SGB VI nicht erfüllt (BSG 05.05.2009, aaO; Senatsurteil vom 16.10.2012, L 11 R 392/11, juris). Auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender
Kenntnis der Ehegatten ist indes der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig)
aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen
besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger
und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt
mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem
Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der
gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung
angeführt werden (BSG 05.05.2009, aaO).
Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung fordert nach §
202 SGG i.V.m. §
292 Zivilprozessordnung (
ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils und damit einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare
Möglichkeit reicht nicht aus (BSG 03.09.1986, aaO). Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des
Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind,
die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG 28.06.2000, b 9 VG 3/99 R, SozR 3-3900 § 15 Nr 3; BSG 06.02.2003, B 7 AL 12/02 R, juris). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen besonderer Umstände als ein den Anspruch begründender Umstand und
damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der
den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht (BSG 03.09.1986, aaO).
Vorliegend litt der Versicherte zum Zeitpunkt der Heirat am 19.10.2007 offenkundig an einer weit fortgeschrittenen lebensbedrohlichen
Erkrankung. Bereits im August 2007 wurden anlässlich einer MRT-Untersuchung multiple Knochenmetastasen bei unbekanntem Primärtumor
gefunden. Dies entnimmt der Senat der vorliegenden Stellungnahme von Dr. G. vom 07.07.2008. Die Richtigkeit der klägerischen
Angaben unterstellt, wurde dann erst im November der Lungenkrebs gefunden und eine Chemotherapie eingeleitet. Für den Senat
steht jedoch fest, dass der Versicherte ebenso wie die Klägerin schon ab August 2007 um die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung
wussten. Denn der Klägerbevollmächtigte hat im Berufungsschriftsatz ausgeführt, dass die Klägerin ab August 2007 in Kontakt
mit dem Hausarzt Dr. G. gestanden habe. Zwar habe dieser ihr im Sommer 2007 noch nicht sagen können, wie schlimm es stehe.
Jedoch hat dieser Arzt in seinen Stellungnahmen an die Beklagte und die LSV im Juli 2008 mitgeteilt, dass ein tödlich endender
Verlauf seit August 2007 sicher gewesen sei. Es ist deshalb für den Senat nicht glaubhaft, dass die Klägerin vor der Hochzeit
nichts von der Lebensbedrohlichkeit gewusst haben kann. Auf die subjektive Einschätzung des Krankheitsverlaufs und der tatsächlichen
Lebenserwartung kommt es nicht an (vgl Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 03.01.2008, 2 A 10800/07, juris).
Nach den oben dargestellten Grundsätzen müssen daher besonders gewichtige innere und äußere Umstände vorliegen, die im Rahmen
der Gesamtabwägung gegen eine Versorgungsehe sprechen. Derartige, hinreichend gewichtige gegen eine Versorgungsehe sprechende
Umstände sind zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Das Bestehen einer langjährigen Partnerschaft stellt gerade keinen
solchen Umstand dar (vgl Bayerisches LSG 20.02.2013, L 1 R 304/11, juris; Senatsurteil vom 05.11.2013, L 11 R 1216/12). Gerade die Tatsache, dass die Klägerin und der Versicherte bereits seit 17 Jahren ein Paar waren und bislang keine Heirat
erfolgte, spricht dafür, dass eine Partnerschaft ohne Trauschein von der Klägerin und dem Versicherten zunächst für ausreichend
und zufriedenstellend angesehen wurde. Dass dies so war, hat die Klägerin mehrfach bestätigt. Einem langjährigen Zusammenleben
ohne Trauschein liegt die Grundentscheidung zugrunde, eben nicht zu heiraten und damit nicht den vielfältigen gesetzlichen
Regelungen, die für Eheleute gelten, zu unterliegen. Auch der Wunsch, der beiderseitigen Liebesbeziehung nach langjährigem
eheähnlichen Zusammenleben mit dem Versicherten mit Eintritt in den Ruhestand den "offiziellen Segen" zu geben und sie damit
auch formal und rechtlich zu manifestieren, ist zwar nicht von vornherein - losgelöst von dem Umständen des konkreten Einzelfalls
- ungeeignet, einen besonderen Umstand anzunehmen (BSG 06.05.2010, B 13 R 134/08 R, juris). Allein das Bestehen einer innigen Liebesbeziehung und der wiederholten Äußerung von Heiratsabsichten reichen für
die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht aus (LSG Berlin-Brandenburg 08.04.1999, L 3 U 99/97). Die Heirat muss sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen
Krankheit bestehenden Entschlusses darstellen (Senatsurteile vom 19.04.2016, L 11 R 2064/15; 22.06.2012, L 11 R 1116/08; 16.10.2012, L 11 R 392/11, 19.09.2013, L 11 R 4929/12). Im Übrigen genügen lediglich abstrakte Pläne zur Heirat, noch ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins
Auge gefassten Termin, sowie Äußerungen der Ehepartner gegenüber der Familie über eine geplante Hochzeit (vgl LSG Baden-Württemberg
07.12.2007, L 4 R 2407/05) nicht.
Nach diesen Grundsätzen reicht es nicht aus, dass - als zutreffend unterstellt - bereits 1990 eine Verlobung auf Gran Canaria
stattgefunden hat. Im Gegenteil spricht die Tatsache, dass die Eheschließung 17 Jahre nach der Verlobung vorgenommen wurde
dafür, dass beide Partner der Verlobung keine besondere Bedeutung beigemessen haben. Auch reicht es nicht aus, dass im Januar
2007 eine Heirat im Herbst auf Gran Canaria geplant war und die Hochzeit auf Gran Canaria auf Wunsch und Drängen der Kinder
in Deutschland stattfinden sollte. Auch dies unterstellt der Senat als zutreffend und sieht deshalb von der Zeugeneinvernahme
der benannten Kinder der Klägerin und des verstorbenen Ehemannes ab. Denn konkrete Schritte sind insoweit gerade nicht eingeleitet
worden. Die Klägerin hat im Erörterungstermin am 03.07.2017 ausgeführt, dass das erste Aufgebot erst vier Wochen vor der tatsächlichen
Hochzeit und damit nach Entdeckung der lebensbedrohlichen Erkrankung aufgegeben worden ist. Von weiteren nach außen tretenden
Vorbereitungshandlungen hat sie im Erörterungstermin nicht berichtet. Andere konkrete Schritte bezüglich der Hochzeitsplanung
vor Entdeckung der lebensbedrohlichen Erkrankung, wie z.B. die Buchung des Hochzeitslokals, sind auch nicht nachgewiesen und
ersichtlich. Insbesondere hat die Klägerin keine Nachweise bzgl. Hochzeitseinladungen oder eines Urlaubsantrags mit Antrag
auf Sonderurlaub anlässlich einer Hochzeit vorgelegt. Den diesbezüglichen Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung
sieht der Senat als nicht nachgewiesen an. Die Klägerin hat in diesem Termin auch ausgeführt, dass keine diesbezüglichen Unterlagen
mehr existieren würden. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten sieht der Senat deshalb nicht mehr.
Der vor der Heirat geschlossene Ehevertrag sowie der Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 18.10.2017 sprechen nicht gegen
eine Versorgungsehe. Dies gilt schon deshalb, weil sich die darin getroffenen Vereinbarungen nicht auf eine Versorgung im
Sinne einer Hinterbliebenenversorgung beziehen und damit auch in keinem Zusammenhang stehen. Bei §
46 Abs
2a SGB VI geht es nicht um eine allgemeine finanzielle Versorgung, sondern um eine Hinterbliebenenversorgung nach dem
SGB VI.
Schließlich ist die Klägerin mit dem Versicherten auch keine "Pflegeehe" eingegangen. Hat die Ehe offenkundig den Zweck, die
häusliche Pflege des Versicherten sicherzustellen, kann eine solche Ehe in der Regel nicht als Versorgungsehe angesehen werden
(BSG 03.09.1986, aaO; Hessisches LSG 17.11.2006, L 5 R 19/06, juris). Dies gilt jedoch nach der Rechtsprechung des BSG nur dann, wenn das Ableben des Versicherten aufgrund seines gesundheitlichen Zustands zur Zeit der Eheschließung nicht in
absehbarer Zeit zu erwarten ist, also die tödliche Folge der Krankheit nicht vorhersehbar war. Dies war hier jedoch wie oben
bereits ausgeführt nicht gegeben. Im Übrigen steht die erstmals im Berufungsverfahren vorgebrachte "Pflegeehe" auch im Widerspruch
zu den Angaben der Klägerin bezüglich des Zeitpunkts der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung. Denn wenn sie tatsächlich
im Oktober 2007 eine "Pflegeehe" eingegangen wäre, hätte sie auch von der zu erwartenden Pflege aufgrund einer Pflegebedürftigkeit
ausgehen müssen. Nach den Ausführungen im Berufungsschriftsatz will die Klägerin aber erst im November 2007 erfahren haben,
wie schlimm die gesundheitliche Situation tatsächlich war.
In der Gesamtschau der zu beurteilenden objektiven und subjektiven Umstände des Falles gelangt der Senat daher zu der Einschätzung,
dass die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe nicht widerlegt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.