Anspruch auf Arbeitslosengeld II, Leistungen für Unterkunft und Heizung, Instandhaltungspauschale
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist noch im Streit, ob die Beklagte bei der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II) auch die Instandhaltungspauschale bzw. -rücklage (auch "Hausgeld" bzw. "Wohngeld" genannt, vgl. hierzu § 16 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz - WEG -) der Klägerin für dass von ihr selbst genutzte Wohneigentum zu übernehmen hat.
Die Klägerin bewohnt zusammen mit ihrem Ehemann eine 69 qm große 3-Zimmer-Eigentumswohnung. Vor dem Auslaufen ihres Anspruchs
auf Arbeitslosengeld zum 22.07.2005 in Höhe von zuletzt 38,10 EUR täglich beantragte sie die Gewährung von Leistungen nach
dem SGB II. Sie verwies hierbei auf ihr fehlendes Einkommen und darauf, dass ihr Ehemann eine Erwerbsunfähigkeitsrente in
Höhe von 854,57 EUR monatlich bezieht. Für die Eigentumswohnung ergaben sich im Jahr 2004 nach der Abrechnung der Hausverwaltung
Betriebskosten in Höhe von 2887,52 EUR, zu denen eine jährliche Kabelgebühr von 76,52 EUR gehörte. Für ihre Wohnung hat die
Klägerin eine monatliche Instandhaltungsrücklage an die Hausverwaltung zu zahlen, die sich zuletzt auf 51,75 EUR belief. Außerdem
entstanden der Klägerin und ihrem Ehemann halbjährliche Kfz-Haftpflichtversicherungskosten in Höhe von 178,80 EUR.
Die Beklagte lehnte die Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 13.07.2005 ab, wobei sie irrtümlich das zum Zeitpunkt der
Antragstellung von der Klägerin noch bezogene Arbeitslosengeld berücksichtigte.
Die Klägerin verwies in ihrem Widerspruch vom 23.07.2005 darauf, dass sie von der Rente ihres Ehemannes alleine nicht leben
könne. Es bestünden laufende monatliche Zahlungsverpflichtungen für Versicherungen, Strom, Wasser und Ratenzahlungen in Höhe
von ca. 675,- EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2005 wies die Beklagte der Widerspruch als unbegründet zurück. Das anzurechnende Gesamteinkommen
von 854,57 EUR übersteige den monatlichen Gesamtbetrag von 804,96 EUR, der aus 622 EUR Regelleistung und 182,96 EUR Nebenkosten
einschließlich Heizungskosten bestehe.
Die Klägerin hat deswegen am 17.10.2005 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Im Klageverfahren hat sie die Berücksichtigung einer Versicherungspauschale von 30,- EUR monatlich sowie die Kosten
eines Mehrbedarfs für die Ernährung bei Diabetes mellitus Typ II sowie Hyperlipidämie IIa in Höhe von 51,13 EUR geltend gemacht.
Außerdem sei ihr ein befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II zu gewähren. Der von der Beklagten vorgenommene Abzug von den Warmwasserkosten
mit der Begründung, diese seien bereits im Regelsatz enthalten, sei unzulässig.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 23.05.2006 unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide verurteilt, der Klägerin Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 23.07.2005 unter Berücksichtigung der monatlichen Instandhaltungspauschale
und der monatlichen Kabelgebühren zu bewilligen. Im Rahmen der Regelleistungen lehnte das SG einen krankheitsbedingten Mehrbedarf ab, weil insofern aufgrund der Hypertonie bei Adipositas und des Diabetes mellitus Typ
IIb des Ehemannes der Klägerin Reduktionskost erforderlich sei, weshalb ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung
und einem Mehrbedarf nicht vorliege. Die Gebühren für das Kabelfernsehen seien demgegenüber den Kosten der Unterkunft zuzuschlagen,
wobei insofern die tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen seien, sofern diese angemessen seien. Die Kabelgebühren seien vorliegend
angemessen, weil die Klägerin als Wohnungseigentümerin innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft keine Möglichkeit habe,
die Fälligkeit der Kabelgebühren zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Gleiches gelte für die von der Beklagten nicht berücksichtigte
Instandhaltungspauschale. Der Beklagten sei zwar zuzugeben, dass die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nur
der Deckung des unmittelbaren Bedarfs dienen sollten und damit immanent verbunden sei, dass eine Vermögensanhäufung außerhalb
der in der Regelleistung enthaltenen Beträge zur Bildung von Rücklagen für nicht mehr übernommene einmalige Bedarfe systemwidrig
sei. Die Instandhaltungspauschale stelle indes einen Anteil an den Kosten der Unterkunft für Besitzer von Wohnungseigentum
dar. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Wert der Immobilie aufgrund Abnutzung und Alterungserscheinungen kontinuierlich
abnehme. Diese Abnutzung werde bei vermietetem Wohnraum durch die Entrichtung der Miete ausgeglichen. Zum Ausgleich dieser
Wertminderung sei damit ein monatlicher Betrag anzusetzen, welcher in Wohnungseigentumsgemeinschaften regelmäßig der Instandhaltungsrücklage
zugeführt werde. Soweit dieser dem voraussichtlichen Vermögensverlust durch die Wertminderung der Immobilie entspreche, sei
insoweit keine Vermögenssteigerung vorhanden. Es werde lediglich das Wohnungseigentum an der selbst genutzten Immobilie, so
wie es auch den Regelungen des SGB II entspreche, umgesetzt. Darüber hinaus habe die Klägerin auch keinerlei Möglichkeit,
die Kosten der Unterkunft - auch durch Verkauf - zu senken, nachdem eine angemessene Rücklagenbildung für anstehende Reparaturen
bei einer Wohnungseigentumsanlage unumgänglich und für den einzelnen Wohnungseigentümer nicht vermeidbar sei. Das Urteil wurde
der Beklagten am 12.07.2006 zugestellt.
Die Beklagte hat am 04.08.2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt, soweit sie zur Berücksichtigung der Instandhaltungsrücklage
bei der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II verurteilt worden ist. Mit der Verurteilung zur Übernahme der Kabelgebühren
sei sie demgegenüber einverstanden. Zwar stelle das selbst bewohnte Wohneigentum nach § 12 SGB II geschütztes Vermögen dar.
Schutzzweck sei aber nicht der Schutz der Immobilie als Vermögensgegenstand, sondern allein der Schutz der Wohnung im Sinne
der Erfüllung des Grundbedürfnisses "Wohnen". Das SG verkenne in seiner Argumentation, dass der Schutz des Wohneigentums nach § 12 SGB II nicht soweit gehen könne, dass mit steuerfinanzierten Mitteln das Vermögen von Hilfeempfängern erhalten werde. Auch
diene die Instandhaltungsrücklage nicht nur der Deckung der Kosten von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten, sondern auch
der Deckung aller Aufwendungen für die Liegenschaft, also auch für die Betriebskosten. Damit diene die Instandsetzungsrücklage
nicht nur der Werterhaltung, sondern auch der Deckung der Aufwendungen für die Liegenschaft. Schließlich würden mit der Instandhaltungsrücklage
auch wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen finanziert, die über den Zweck der Vermögenserhaltung hinaus gingen. Das Urteil des
SG übersehe in seiner Begründung, dass seitens der Beklagten Leistungen für den Erhaltungsaufwand nach Vorlage entsprechender
Nachweise und bei Erforderlichkeit bei vorliegendem Bedarf übernommen würden. Bei einer anderen Sichtweise entstünde eine
Ungleichbehandlung gegenüber den sich im Leistungsbezug befindenden Hauseigentümern, da bei diesen die Kosten der Unterkunft
keine monatlichen Pauschalbeträge für eventuell anstehende Erhaltungsmaßnahmen übernommen würden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.05.2006 insoweit aufzuheben, als der Beklagte/Berufungskläger zur Zahlung
von Leistungen zur Sicherung des Lebensunter- halts nach dem SGB II unter Berücksichtigung der monatlichen Instandsetzungsrücklage
ab dem 23.07.2005 verpflichtet wurde.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten,
die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§
143 f.
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass die Beklagte als Träger der Grundsicherung nach dem SGB II zur Gewährung von Leistungen unter
Berücksichtigung der Instandhaltungspauschale für die Wohnung der Klägerin verpflichtet ist.
Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten nach § 19 Satz 1 SGB II als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Zusätzlich werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II Leistungen
für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.
Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II liegt vor, wenn das zur Verfügung stehende Einkommen und verwertbare Vermögen geringer
ist als der vorhandene Bedarf. Vorliegend ist der Bedarf höher als das verfügbare monatliche Einkommen der Klägerin und ihres
Ehemannes, welches 824,57 EUR monatlich beträgt (Erwerbsunfähigkeitsrente des Ehemannes der Klägerin in Höhe von 854,57 EUR
abzüglich der Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR).
Der monatliche Bedarf der Klägerin und ihres Ehemannes, welche eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 SGB II bilden, setzt sich
wie folgt zusammen:
622,00 EUR Regelleistung
102,24 EUR Heizkosten
13,46 EUR Grundsteuer
6,37 EUR Kabelgebühren
80,26 EUR Sonstige Nebenkosten der Unterkunft
51,75 EUR Instandhaltungspauschale
Damit ergibt sich ein Gesamtbedarf von 867,18 EUR, weil in der Regelleistung bereits Kosten für die Warmwasseraufbereitung
in Höhe von 8,90 EUR enthalten sind und dieser Betrag nicht doppelt übernommen werden darf. Da der Gesamtbedarf das zur Verfügung
stehende Einkommen überschreitet, hat die Beklagte Leistungen zu gewähren. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Klägerin
nach dem Vorbezug von Arbeitslosengeld mit einer höheren Monatsleistung auch ein befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II zusteht.
Keine Ausführungen sind veranlasst zu der von der Beklagten und vom SG nicht vorgenommenen Erhöhung des Bedarfs wegen einer kostenaufwändigeren Ernährung, weil die Beklagte alleinige Berufungsführerin
ist. Gleiches gilt für den von der Beklagten vorgenommenen und vom SG gebilligten Abzug für Haushaltsenergie in Höhe von 8,90 EUR monatlich (vgl. hierzu das Urteil des Senat vom 30.08.2005 -
L 12 AS 2023/05 -).
Zu Recht hat das SG die von der Klägerin monatlich zu zahlende Instandhaltungspauschale von 51,75 EUR berücksichtigt. Eine ausdrückliche Regelung
ist hierzu zwar im Gesetz nicht enthalten. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sieht insofern lediglich allgemein Leistungen für Unterkunft
und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen vor, soweit diese angemessen sind.
Die Übernahme der Instandhaltungspauschale ist aber vorliegend dem Grunde nach veranlasst und auch der Höhe nach angemessen.
Welche Aufwendungen zu den nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II berücksichtigungsfähigen tatsächlichen Kosten zählen, hängt davon
ab, wie der Wohnbedarf gedeckt wird. Wird eine Mietwohnung genutzt, sind neben der reinen Miete (Grund- oder Kaltmiete) die
üblichen Nebenkosten, d.h. die Betriebskosten, die der Vermieter von Gesetzes wegen in Ansatz bringen darf (§
566 Abs.
1 BGB i.V.m. der Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003, BGBl I S. 2346) umfasst, soweit sie nicht von der Regelleistung abgedeckt sind. Wird ein Eigenheim bewohnt, bedarf dieser für das Rechtsverhältnis
zwischen Mieter und Vermieter entwickelte Maßstab der Anpassung; die übliche Formulierung geht dahin, dass zu den Kosten der
Unterkunft die Aufwendungen zählen, die der Leistungsberechtigte als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen
hat (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.05.2006 - L 10 AS 102/06 - m.w.N.).
Für den Bereich der Sozialhilfe gilt, dass auch die Instandhaltungsaufwendungen zu den mit dem Eigentum direkt verbundenen
Lasten gehören. Sie wurden demnach bereits von § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII - (vom 28.11.1962 (BGBl I S. 692), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.03.2005 (BGBl I S. 818)) anerkannt. Diese Qualität kommt den Aufwendungen zu, weil sie fortlaufend notwendig sind, um die bestimmungsgemäße Gebrauchsmöglichkeit
zu erhalten, mithin nicht die größeren Reparatur-, Erneuerungs- oder Modernisierungsarbeiten, deren Abdeckung durch die eingesetzte
Pauschale aber auch nicht erfasst werden soll. Die Prüfung der Angemessenheit ist dabei in der Weise vorzunehmen, dass die
tatsächlich anfallenden berücksichtigungsfähigen Aufwendungen im Einzelnen daraufhin untersucht werden, ob sie angemessen
sind, insbesondere, ob sie überhaupt und ihrem Umfang nach erforderlich sind, ob sie wirtschaftlich und sparsam getätigt werden
und insgesamt betrachtet verhältnismäßig in Ansehung des Zwecks sind, eine adäquate Versorgung des Grundsicherungsberechtigten
mit Wohnraum zu gewährleisten. Die Instandhaltungspauschale ist daher als Bedarf zu berücksichtigen (LSG Berlin-Brandenburg
aaO.).
Gemäß § 21 WEG steht die Frage der Bildung einer Instandhaltungsrücklage und deren Höhe überdies nicht zur Disposition des einzelnen Eigentümers.
Die Wohnungseigentümerversammlung beschließt für sämtliche Mitglieder bindend über die zu bildenden Rücklagen für die ordnungsgemäße
Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 31.01.2006 - L 7 AS 770/05 ER -).
Die Instandhaltungspauschale ist aber auch bereits aus Gründen der Gleichbehandlung dem Wohneigentümern nach dem SGB II zuzuschlagen.
Denn bei hilfebedürftigen Mietern ist regelmäßig davon auszugehen, dass in deren Abrechnung die Kosten der Instandhaltung
ihrer Mietwohnung enthalten sind und dementsprechend nach § 22 SGB II vollumfänglich übernommen werden. Wäre die Wohnung von
der Klägerin vermietet, würde überdies bei Anrechnung der Mieteinnahmen ohne Zweifel eine Absetzung der Instandhaltungsrücklage
vorzunehmen sein. Die Klägerin kann sich der Pflicht zur Zahlung der Instandhaltungsrücklage auch nicht entziehen, ohne ihre
Wohnung aufzugeben. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Aufgabe der Wohnung vorliegend veranlasst wäre, da die Wohnung
der Klägerin mit 69 qm auch für ihre Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann nicht unangemessen groß ist (vgl. BSG, Urteil vom
07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R-).
Schließlich ist auch die Höhe der Instandhaltungspauschale nicht zu beanstanden. Nach der gängigen Faustregel, dass diese
Rücklage für erforderliche Reparaturen am Wohneigentum monatlich mindestens 1 EUR je Quadratmeter betragen soll, ist die Pauschale
von 51,75 EUR monatlich vorliegend bei einer Wohnfläche von 69 qm eher gering bemessen. In der vorhandenen Abrechnung für
das Wirtschaftsjahr 2004 der Wohnanlage findet sich zudem keine Stütze für die Befürchtung der Beklagten, die Rücklage werde
außer für werterhaltende Maßnahmen auch für wertsteigernde Maßnahmen verwendet.
Ebenfalls zu Recht hat das SG, was von der Beklagten inzwischen auch anerkannt ist, die Kabelgebühren der Klägerin zusätzlich bei ihrem Bedarf berücksichtigt
(vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12.12.1995 - 5 C 28.93 - FEVS 46, 311; zustimmend Wieland in Estelmann, SGB II, Stand Oktober 2006, § 22 Rdnr. 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.