Anspruch auf die ergänzende Gewährung von Leistungen nach dem SGB II bei Essensgeld
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Essengeld im Streit, welches der Kläger für die Tage der ganztätigen Teilnahme
an seiner Schule zu entrichten hat.
Der 1997 geborene Kläger besucht eine Schule für Sprachbehinderte, in der eine Ganztagesunterbringung mit dem Angebot eines
Mittagessens besteht. Falls das Mittagessen in Anspruch genommen wird, ist hierfür ein Essengeld in Höhe von zuletzt 2,05
EUR täglich zu entrichten. Der Kläger wohnt mit seinen beiden Eltern und zwei Geschwistern (geboren 1995 und 2001) seit dem
16.12.2004 in einer 101 qm großen 5-Zimmerwohnung zu einer Kaltmiete von 530,00 EUR. Nach dem Bezug von Sozialhilfe beantragten
die Eltern des Klägers im November 2004 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Die Leistungshöhe war zwischen den Beteiligten
zunächst strittig; mit rechtskräftigem Urteil des Sozialgerichts Ulm (SG) vom 23.8.2006 (S 6 AS 1972/05) ist die Beklagte verurteilt worden, den Klägern zusätzlich zu den für Januar 2005 gewährten 1.213,94 EUR, den für Februar
bis Juni 2005 gewährten 1.020,21 EUR sowie den für Juli bis Dezember 2005 gewährten Beträgen weitere 95,- EUR an Kosten der
Unterkunft monatlich für das gesamte Jahr 2005 zu gewähren. In den Leistungen der Beklagten war ein monatliches Sozialgeld
für jedes der drei Kinder der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von jeweils 207 EUR enthalten.
Die Kosten des Essengeldes sind zunächst auch noch in den ersten Monaten des Jahres 2005 vom Träger der Sozialhilfe übernommen
worden; anschließend verschickte der Sozialhilfeträger die von den Eltern des Klägers eingereichten weiteren Essenrechnungen
der Schule an die Beklagte.
Mit Bescheid vom 9.8.2005 lehnte die Beklagte die Übernahme des Essengeldes ab, weil dieser Bedarf des Klägers als Mitglied
der Bedarfsgemeinschaft bei der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II bereits berücksichtigt sei. Der Bedarf umfasste auch
die Sicherstellung der Ernährung in ausreichendem Umfang.
Seinen Widerspruch hiergegen begründete der Vater des Kläger damit, dass das Essensgeld erheblich gestiegen sei und die Leistungen
nach dem SGB II hierfür nicht ausreichten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das im Rahmen des SGB II
für den Kläger gewährte Sozialgeld in Höhe von 207,- EUR monatlich berücksichtige zu 38 % einen Bedarf für Nahrung und Getränke.
Eine Sonderregelung darüber hinaus sei nicht vorhanden. Der Kläger könne sich gegebenenfalls an das Landratsamt wenden, um
einen Erlass der Essengeldforderungen zu erreichen.
Der Kläger hat durch seinen Vater am 2.12.2005 Klage zum SG mit der Begründung erhoben, bei sozialen Härtefällen müssten Sonderregelungen hinsichtlich des Essengeldes greifen. Auch
nach der Rechnung der Beklagten sei in dem für den Kläger gewährten Sozialgeld von 207,- EUR monatlich für die Ernährung lediglich
ein täglicher Betrag von 2,41 EUR vorgesehen. Dieser Betrag werde bereits für ein halbes Mittagessen in der Schule aufgezehrt.
Der Ernährungsanteil für minderjährige Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft reiche daher im Falle des Klägers nicht aus.
Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 7.8.2006 als unbegründet abgewiesen, weil das Essengeld
des Klägers von der Regelleistung nach dem SGB II umfasst sei und im Hinblick auf das Essengeld der Schule des Klägers eine
Anspruchsgrundlage für eine darüber hinausgehende Bewilligung von Leistungen nicht vorhanden sei. Der Gerichtsbescheid wurde
den Eltern des Klägers am 11.08.2006 zugestellt.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 5.9.2006 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Sie machen weiterhin geltend,
dass das Sozialgeld des Klägers nicht für die Bestreitung der Kosten für die Mittagessen in der Schule des Klägers ausreiche
und dass das grundgesetzlich geschützte Existenzminimum es erforderlich mache, dem Kläger insoweit zusätzliche Leistungen
zu gewähren.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 9.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.11.2005 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Ulm vom 7.8.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1.3.2005 einen Essensgeldzuschuss in Höhe von
0,70 Cent je Schultag zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben eine Bescheinigung der Schule des Klägers vorgelegt, nach der die Teilnahme an den
gemeinsamen Mahlzeiten aus pädagogischen Gründen erforderlich ist. Auf Aufforderung des Senat haben sie die Rechnungen betreffend
den Zeitraum von Januar 2005 bis Oktober 2006 vorgelegt (monatlicher Höchstbetrag 22 EUR, niedrigster Betrag 12 EUR).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten,
die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§
143 f.
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat konnte über die Berufung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden,
weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben, §
124 Abs.
2 SGG.
Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten nach § 28 SGB
II ein Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches (SGB XII) haben.
Das Sozialgeld umfasst die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen. Hierbei beträgt die Regelleistung bis
zur Vollendung des 14. Lebensjahres 60 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelleistung.
Danach bewilligt die Beklagte derzeit zu Recht fortlaufend 207 EUR monatlich für den Bedarf des Klägers nach dem SGB II. Auf
Aufforderung des Senats haben die Klägerbevollmächtigten die Rechnungen für Essengeld betreffend den Zeitraum von Januar 2005
bis Oktober 2006 vorgelegt, die eine Spanne von 22 EUR (Höchstbetrag) bis 12 EUR (niedrigster Betrag) umfassen. Es ist nicht
erkennbar, weswegen ein monatlicher Betrag von Aufwendungen für Essengeld in Höhe von maximal 22 EUR nicht in dem Sozialzuschlag
enthalten sein sollte. Eine außergewöhnliche Belastung kann insoweit auch deswegen nicht erkannt werden, weil dem monatlich
aufgewendeten Betrag von maximal 22 EUR eine Ersparnis von Aufwendungen gegenübersteht. Denn an den Tagen, an denen der Kläger
das Essenangebot an seiner Schule wahrnimmt, entfällt für ihn die Erforderlichkeit der Zubereitung eines Mittagessens zu Hause.
Der Senat ist daher der Überzeugung, dass die Regelleistung im Falle des Klägers auch besondere Bedarfe wie vorliegend das
maximal 22 EUR monatlich betragende Essensgeld des Klägers noch umfasst. Es erscheint auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten
nicht bedenklich, dass angesichts der vorliegend umstrittenen Beträge keine besondere Vorschrift im SGB II existiert, die
eine Berücksichtigung dieses Bedarfs zulässt. Es bedarf daher auch keiner weiteren Erörterung, ob der Kläger entsprechend
der Regelung in § 21 Abs. 5 SGB II einen Anspruch auf einen Mehrbedarf in angemessener Höhe haben müsste wie erwerbsfähige
Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat im Übrigen bereits entschieden, dass gegen die gesetzlich festgeschriebene Höhe der Regelleistungen
(§ 20 Abs. 2 und Abs. 3 SGB II) und in diesem Zusammenhang gegen die aus den Gesetzesmaterialien nachzuvollziehende Art der
Bedarfsermittlung und deren Ergebnis keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Es ist grundsätzlich
zulässig, den Bedarf gruppenbezogen zu erfassen und eine Typisierung bei Massenverfahren vorzunehmen (Urteil vom 23.11.2006
- B 11b AS 1/06 R -).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.