Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungen für Unterkunft und Heizung; Übernahme von Mietschulden bei sozialwidrigem Verhalten
Gründe:
I. Der Beschwerdeführer begehrt die Übernahme von Mietschulden im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.
Der 1957 geborene Beschwerdeführer bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch
Zweites Buch (SGB II) vom Beschwerdegegner. Hierbei werden die Kosten, die dem Beschwerdeführer für seine Unterkunft im Hotel
V. R. entstehen (93 € wöchentlich) in voller Höhe abzüglich der Energiekostenpauschale von dem Beschwerdegegner im Rahmen
der Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen (377,38 € monatlich).
Im November 2010 beantragte der Beschwerdeführer die Übernahme von Mietschulden in Höhe von 1.174 €, welche seit Juni 2010
aufgelaufen waren. Mit Bescheid vom 22. November 2010 lehnte der Beschwerdegegner den Antrag ab.
Am 27. Januar 2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Ulm (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und eine Aufstellung seiner Vermieterin vom 24. Januar 2011 vorgelegt, wonach
Mietschulden von 1.397,42 € bestanden zuzüglich einer weiteren Forderung von 200 €. Das Mietverhältnis sei zum 31. Januar
2011 gekündigt worden.
Mit Beschluss vom 2. Februar 2011 hat das SG den Antrag abgelehnt und ausgeführt, einstweilige Anordnungen seien nach §
86b Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung von wesentlichen Nachteilen nötig erscheine. Vorliegend scheitere der Antrag schon am Anordnungsanspruch, denn
der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf Übernahme der Mietschulden als Darlehen. Nach § 22 Abs. 5 Satz 1 und 4 SGB II
könnten Schulden als Darlehen übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die
Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt sei. Sie sollten
gemäß § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig sei und sonst Wohnungslosigkeit
einzutreten drohe. Voraussetzung sei sonach, dass die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft "gerechtfertigt" sein müsse.
Bei Beachtung des in §§ 2, 3 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1, 9 Abs. 1 SGB II enthaltenen Selbsthilfe- und Nachranggrundsatzes komme
eine Schuldübernahme regelmäßig nur dann in Betracht, wenn der Hilfebedürftige nach den Gesamtumständen unverschuldet in Rückstand
mit Zahlungen auf unterkunftsbezogene Leistungen geraten sei. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei die begehrte Mietschuldenübernahme
hier ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer habe die Mietschulden zumindest teilweise selbst verschuldet, weil er seit Juni
2010 nur unregelmäßig Zahlungen auf die Wochenmiete leiste, obwohl der Beschwerdegegner Leistungen für Unterkunft und Heizung
gewähre. Unerheblich sei insoweit, ob die Unterkunftskosten insgesamt unangemessen hoch seien und auch deshalb die Übernahme
der Schulden scheitere.
Am 7. Februar 2011 hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt und ausgeführt, er werde ab April 2011 wieder selbstständig
tätig sein und könne dann seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten. Mit den laufend gewährten Leistungen habe er seine Selbstständigkeit
aufgebaut, weil der Beschwerdegegner insoweit jede Förderung abgelehnt habe. Hierdurch sei nicht mehr genügend Geld für die
Mietzahlung vorhanden gewesen. Nach der vorgelegten Aufstellung der Vermieterin vom 3. Februar 2011 belaufen sich die Mietrückstände
zu diesem Stichtag auf 1.283,42 € zuzüglich 200 € sonstige Forderung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beschwerdegegners Bezug genommen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die unter Beachtung der Vorschrift des §
173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere wäre im Hinblick auf die geltend gemachten Leistungen
auch in der Hauptsache die Berufung zulässig (§
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG). In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 aaO. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf
den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur
Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 aaO.). Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache
sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch)
und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung [ZPO]); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen
Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht,
NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im
Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
86b Rdnr. 42).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt der Erlass der begehrten Anordnung nicht in Betracht. Ein Anordnungsanspruch
ist nicht gegeben, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II sind nicht erfüllt. Fraglich ist schon,
ob eine Übernahme der Mietschulden vor dem Hintergrund überhaupt in Betracht kommt, dass die Unterkunft in einem Hotel eigentlich
nur eine Übergangslösung darstellen kann und diese Unterkunft daher nicht unbedingt erhaltenswert erscheint. Letztlich kann
dies jedoch dahin stehen, denn die Übernahme der Mietschulden ist schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Beschwerdeführer
selbst die Mietschulden pflichtwidrig verursacht hat. Ob sich aus dem Selbsthilfe- und Nachranggrundsatz (§§ 2, 3 Abs. 1 Halbsatz
1, 9 Abs. 1 SGB II), der auch beinhaltet, dass jedes Verhalten, das die Hilfebedürftigkeit erhöht, zu unterlassen ist, grundsätzlich
ergibt, dass eine gerechtfertigte Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 SGB II nur dann in Betracht kommt, wenn der Hilfebedürftige
nach den Gesamtumständen unverschuldet in Rückstand geraten ist (so Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschlüsse
vom 2. Juni 2010 - L 5 AS 557/10 B ER -, vom 22. Juli 2010 - L 5 AS 1049/10 B ER - und vom 14. Oktober 2010 - L 5 AS 1325/10 B ER - [juris]), kann hier dahinstehen. Denn vorliegend ist der Beschwerdeführer bereits wiederholt mit Mietzahlungen in
Rückstand geraten, obgleich der Beschwerdegegner entsprechende Leistungen bewilligt hat. So hat die Stadt A. im Jahr 2008
eine Direktzahlung der Unterkunftskosten durch den Beschwerdegegner an sich verlangt, nachdem der Beschwerdeführer das Benutzungsentgelt
für die von ihm genutzte Obdachlosenunterkunft nicht gezahlt hatte. Im November 2008 kam es zu einer Räumungsklage der vom
Beschwerdeführer gemieteten Wohnung in der F.str. ... in A., da der Beschwerdeführer Mietrückstände auflaufen ließ. Ab Juli
2009 übernahm der Beschwerdegegner die Miete für die Unterkunft im Hotel V. R., wobei er die Miete zunächst direkt an die
Vermieterin zahlte, diese Vorgehensweise jedoch ab Januar 2010 ändern musste, nachdem sich der Beschwerdeführer mit seiner
Vermieterin darauf verständigt hatte, dass er die Miete wöchentlich in bar zahlen würde. Die wiederholte zweckwidrige Mittelverwendung
spricht dafür, dass der Beschwerdeführer bewusst die Miete nicht zahlt im Vertrauen darauf, dass Rückstände später übernommen
werden. In einem solchen Fall sozialwidrigen Herbeiführens von Mietrückständen trotz ausreichender Mittel erscheint eine Hilfegewährung
nicht gerechtfertigt (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. Dezember 2010 - L 3 AS 557/10 B ER - [juris]; Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 22 Rdnr. 122; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rdnr.
110).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).