Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; Mutwilligkeit und Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg; das Sozialgericht Heilbronn (SG) hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das bereits erledigte Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
(S 8 AS 107/11 ER) zu Recht abgelehnt.
Die Beschwerde ist zwar statthaft (§
172 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier anwendbaren mit Wirkung vom 11. August 2010 in Kraft getretenen Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung
des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5. August 2010 [BGBl. I S. 1127]), frist- und formgerecht eingelegt
(§
173 SGG) und damit zulässig. Die Ausschlusstatbestände des §
172 Abs.
3 Nr.
1 Halbsatz 2 und Nr.
2 SGG greifen nicht ein. Da das SG seine Entscheidung nicht auf das Fehlen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen gestützt, sondern die Bewilligung
von PKH wegen fehlender Erfolgsaussicht in der Hauptsache abgelehnt hat, liegt ein Fall des §
172 Abs.
3 Nr.
2 SGG nicht vor; der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 750,00 EUR (vgl. §
172 Abs. 3 Nr.
1 Halbsatz 2 in Verbindung mit §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG).
Die Beschwerde ist aber unbegründet. Nach §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
114 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung
durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese
Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§
121 Abs.
2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des §
114 ZPO dem aus Art.
3 Abs.
1, Art.
19 Abs.
4 und Art.
20 Abs.
3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung
des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden;
hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten
und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden
Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 §
62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, §
73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend
geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden
(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, §
73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG). Maßgebend für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist die Sach- und Rechtslage
zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Gesuchs (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 27. Februar 2009 - L 13 AS 4995/08 PKH-B - veröffentlicht in Juris), die hier frühestens mit Eingang der Erklärung der Antragsteller über ihre persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse beim SG am 18. Januar 2011 eingetreten sein kann.
Bei der Beurteilung der Mutwilligkeit, die eine Bewilligung von PKH ausschließt, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Neben
absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz kommen u. a. von vornherein offensichtlich unschlüssige oder unzulässige
Klagebegehren in Betracht oder Vorbringen, das bereits mehrmals (z. B. im Rahmen von Überprüfungen nach § 44 Zehntes Buch
Sozialgesetzbuch) erfolglos zum Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gemacht wurden. Insgesamt handelt es sich um Begehren,
bei denen im objektiven Sinne die Rechtsverfolgung - bei Ausnutzung der Kostenfreiheit - missbräuchlich ist (vgl. dazu auch
§
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG). Solches mit öffentlichen Mitteln zu unterstützen, kann einer Rechtsordnung nicht zugemutet werden (BSG, Beschluss vom 5.
September 2005 - B 1 KR 9/05 BH - SozR 4-1500 § 73a Nr. 2, veröffentlicht auch in Juris).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das SG die für die Bewilligung von PKH erforderliche Erfolgsaussicht zu Recht verneint. Darüber hinaus erweist sich die Rechtsverfolgung
in der Hauptsache als mutwillig im Sinne von §
114 Satz 1
ZPO. Nach der hier nur noch vorzunehmenden summarischen Prüfung war der am Freitag, dem 14. Januar 2011 per Telefax gestellte
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Entscheidungsreife mangels Rechtsschutzinteresses
unzulässig. Der Antragsgegner hatte die Bevollmächtigten der Antragsteller bereits mit Schreiben vom 12. Januar 2011 darauf
hingewiesen, dass sich die Anhörungsmitteilung vom 30. Dezember 2010 lediglich auf die beabsichtigte (und von dem gestellten
Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht erfasste) vorläufige Einstellung des Zuschusses zur privaten Kranken-
und Pflegeversicherung für den Antragsteller zu 2. beziehen sollte. Dieses Schreiben ist den Bevollmächtigten nach ihrem eigenen
Vortrag im Schriftsatz vom 19. Januar 2011, mit dem das Verfahren für erledigt erklärt worden ist, spätestens am Montag, dem
17. Januar 2011, also noch vor Eingang der Erklärung der Antragsteller über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
beim SG am 18. Januar 2011 zugegangen.
In dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss vom 4. Oktober 2011 hat das SG darüber hinaus zu Recht entschieden, dass der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes von Anfang an keine hinreichende
Erfolgsaussicht im Sinne der Vorschriften über die Bewilligung von PKH hatte. Ein für die Zulässigkeit des gestellten Eilantrags
erforderliches Rechtsschutzinteresse lag bereits am 14. Januar 2011 - offensichtlich - nicht vor. Dies war jedenfalls für
die Bevollmächtigten der Antragsteller, deren Kenntnis den Antragstellern zuzurechnen ist, auch ohne Weiteres erkennbar; die
Rechtsverfolgung in der Hauptsache war deshalb nicht nur ohne hinreichende Erfolgsaussicht sondern auch mutwillig. Das Schreiben
des Antragsgegners vom 30. Dezember 2010 mag missverständlich formuliert gewesen sein. Um dessen Inhalt zu klären war aber
auch nicht ansatzweise die Durchführung eines sozialgerichtlichen Eilverfahrens erforderlich; eine schlichte telefonische
Nachfrage beim Antragsgegner hätte genügt, um das Missverständnis aufzuklären. Lediglich um ein solches hat es sich hier nämlich
gehandelt; der Antragsgegner hat zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, die Leistungen insgesamt vorläufig einzustellen. Dies lag
auch nahe, nachdem der einzige im Schreiben vom 30. Dezember 2010 aufgeführte Grund für die beabsichtigte Leistungseinstellung
der Wegfall des Anspruchs auf Zuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für den Antragsteller zu 2. gewesen
ist. Zu unterstellen, der Antragsgegner wolle dies zum Anlass nehmen, sämtliche Leistungen für beide Antragsteller insgesamt
einzustellen war - jedenfalls aus Sicht der rechtskundigen Bevollmächtigten der Antragsteller - mehr als fernliegend. Bezeichnenderweise
wurde dem Antragsgegner (schriftlich) auch nur eine Frist von zweieinhalb Tagen zur Klärung eingeräumt und der Antrag auf
gerichtlichen Eilrechtsschutz noch vor Ablauf der im Anhörungsschreiben vom 30. Dezember 2011 gesetzten Frist zur Äußerung
(Sonntag, der 16. Januar 2011) gestellt. Aus welchen Gründen die Bevollmächtigen der Antragsteller sich zu einem solchen Procedere
entschlossen haben, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen; jedenfalls war es zur Wahrung der rechtlichen Interessen ihrer
Mandanten nicht geboten. Zu Recht hat das SG letztlich auch darauf hingewiesen, dass am 14. Januar 2011 ein Rechtsverlust für die Antragsteller schon deshalb nicht drohen
konnte, weil zu diesem Zeitpunkt eine Auszahlung von Leistungen durch den Antragsgegner weder anstand noch überfällig war.
Dass ein Rechtsschutzinteresse für die Beantragung vorläufigen Rechtsschutzes nicht damit begründet werden kann, die üblichen
Verfahrenslaufzeiten bei den Sozialgerichten berechtigten die Rechtssuchenden, ihre Verfahren vorsorglich schon mal vorab
anhängig zu machen, bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Vertiefung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
127 Abs.
4 ZPO. Obwohl nicht nur die Rechtsverfolgung in der Hauptsache, sondern auch diejenige im PKH-Bewilligungs- und Beschwerdeverfahren
nach dem oben Dargelegten den Tatbestand des missbräuchlichen Prozessierens im Sinne des §
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG erfüllt, hat der Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens von der Auferlegung von Verschuldenskosten (nach zuvor erforderlichem
Hinweis auf Missbräuchlichkeit und Kostenfolge) abgesehen.
Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§
177 SGG).