LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2017 - 13 R 923/16
Rückwirkende Aufhebung der Bewilligung einer Witwenrente
Wegfall des Rentenanspruchs bei Wiederheirat
Eheschließung in Las Vegas
Formstatut für eine Eheschließung im Ausland
Grobe Fahrlässigkeit
1. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt (§ 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X); der Betroffene muss schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet haben,
was im gegebenen Falle jedem einleuchten muss.
2. Es ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und das Verhalten des Betroffenen sowie
die besonderen Umstände des Falles abzustellen.
3. Das Formstatut für die Eheschließung im Ausland bestimmt sich nach der allgemein für die Form von Rechtsgeschäften geltenden
Vorschrift des Art. 11 EGBGB.
4. Eine in Las Vegas nach den dort geltenden Formvorschriften geschlossene Ehe ist auch in Deutschland formwirksam und gültig;
unter die Formerfordernisse einer Eheschließung fallen etwa vorbereitende Verfahrensschritte, die Befugnis der Trauungsperson
zur Vornahme der Eheschließung, der Ablauf des Trauungsaktes, das Erfordernis von Zeugen sowie das Erfordernis von Registrierungen.
Normenkette: SGB X § 48 Abs. 1 S. 1
,
SGB X § 45 Abs. 2 Nr. 3 ,
Vorinstanzen: SG Stuttgart 14.01.2016 S 21 R 7242/14
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Januar 2016 abgeändert und die Klage in
vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung einer Witwenrente und ihre Verpflichtung, insoweit
erbrachte Rentenleistungen teilweise zurückzuzahlen.
Die 1943 geborene Klägerin bezog aus der Versicherung ihres 1940 geborenen und 1996 verstorbenen früheren Ehemannes J. H.
(J.H.), mit dem sie ab 1960 verheiratet gewesen war, nach dessen Tod ab 1. April 1996 Witwenrente, ab 1. August 1996 mit einem
monatlichen Betrag von 1.043,07 DM (Bescheid vom 3. Juli 1996, u.a. mit den Hinweisen: "Die Rente fällt mit Ablauf des Monats
der Wiederheirat weg. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns die Wiederheirat unverzüglich mitzuteilen ... Soweit
Änderungen Einfluss auf den Rentenanspruch oder die Rentenhöhe haben, werden wir den Bescheid - auch rückwirkend - ganz oder
teilweise aufheben und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückfordern."). Außerdem bezieht die Klägerin seit 1996 eine Erwerbsminderungsrente
aus eigener Versicherung.
Ab 1998 wohnte die Klägerin mit dem 1943 geborenen und 2014 verstorbenen H. B. (H.B.), mit dem sie eine partnerschaftliche
Beziehung aufgenommen hatte, in einem gemeinsamen Haushalt zusammen. Man hatte getrennte Konten. H.B., der von Beruf Kraftfahrer
gewesen war, bezog - nach Angaben der Klägerin schon vor dem Jahr 2003 - Rente und verfügte über Vermögen in Form von Aktien.
Die Klägerin hatte als Stenokontoristin in einer amerikanischen Kaserne gearbeitet.
Nachdem H.B. der Klägerin zu Weihnachten zwei Tickets für eine Reise in die USA nach Las Vegas/Nevada geschenkt hatte, traten
beide im April 2003 diese Reise an. Man flog zunächst nach Las Vegas und reiste dann mit einem vor Ort angemieteten Wohnmobil
weiter nach Norden bis Seattle, von wo man zurück nach Deutschland flog. In Las Vegas kaufte H.B. für sich und die Klägerin
Country-Kleidung. Zwei Tage nach ihrer Ankunft suchten die Klägerin und H.B. dann die Candlelight Wedding Chaple auf. Dort
wurden ihre Daten für die Heiratslizenz und eine Trauungszeremonie von einem deutsch sprechenden Bediensteten aufgenommen.
Beide mussten ihre Pässe vorlegen und wurden befragt, ob sie verheiratet seien. Die Klägerin hatte auch die Sterbeurkunde
von J.H. dabei. Im Zuge dessen war auch eine Gebühr (gemäß den Angaben der Klägerin von "weniger als 100 Dollar") zu entrichten.
Nach Angaben der Klägerin erklärte der die Daten aufnehmende Bedienstete, die Ehe sei nicht wirksam, wenn dies nicht beim
Standesamt in Stuttgart beantragt würde. Im April 2003 erfolgte dann in der Candlelight Wedding Chaple, Las Vegas eine Trauungszeremonie
in englischer Sprache durch Pastor J. F. in Anwesenheit des Bediensteten, der die Formalien aufgenommen hatte, als Trauzeuge
(vgl. Marriage Certificate No xxx des Staates Nevada vom xxx 2003 in den Akten der Beklagten). Bei der Zeremonie tauschten
die Klägerin und H.B. die mitgeführten Eheringe aus ihren früheren Ehen. Nach der Rückkehr nach Deutschland feierten die Klägerin
und H.B. aus Anlass ihres 60. Geburtstages, wobei auch die Hochzeit mitgefeiert wurde. Gegenüber der Familie sowie Freunden
und Bekannten erklärten beide, die Ehe sei nicht gültig.
Der Beklagten teilte die Klägerin die Heirat in Las Vegas nicht mit.
Nachdem die Klägerin auf den Tod des H.B. von einem Notar die Mitteilung erhielt, sie komme als Erbin des H.B. in Betracht,
wandte sie sich am 25. Juni 2014 erstmals persönlich an die Beklagte und erklärte, sie und H.B. hätten im April 2003 in Las
Vegas geheiratet. Man habe ihnen damals erklärt, die Eheschließung werde in Deutschland nicht anerkannt, die Anerkennung müsse
beim Standesamt erst beantragt werden. Einen solchen Antrag habe man jedoch nie gestellt. Wie sie vom Notar erfahren habe,
werde die Eheschließung in Deutschland auch ohne Eintragung beim Standesamt anerkannt. Sie stelle - wenn dies auch für die
Rentenversicherung gelte - einen formlosen Antrag auf Witwenrente zur Versicherungsnummer (VN) xxx (VN des H.B. bei der Deutschen
Rentenversicherung Bayern Süd) "sowie nach dem vorletzten Ehegatten zu o.g. Versicherungsnummer" (xxx, VN des J.H.). Die Deutsche
Rentenversicherung Bayern Süd hat der Klägerin inzwischen aus der Versicherung des H.B. eine große Witwenrente mit einem monatlichen
Zahlbetrag von 657,35 EUR für die Zeit ab 1. Juni 2014 bewilligt (Bescheid vom 27. April 2016).
Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 8. Juli 2014 an. Auf Witwenrente bestehe ein Anspruch, wenn die Witwe nicht
wieder geheiratet habe, worauf die Klägerin bereits im Bescheid vom 3. Juli 1996 ebenso wie auf die Verpflichtung, eine Wiederheirat
umgehend mitzuteilen, hingewiesen worden sei. Wie die Klägerin mitgeteilt habe, habe sie im April 2003 in Las Vegas wieder
geheiratet, sodass ab 1. Mai 2003 kein Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente nach J.H. mehr bestehe. Es sei beabsichtigt,
die Bewilligung der Witwenrente mit Wirkung ab 1. Mai 2003 aufzuheben und von die bis 31. Juli 2014 entstandenen Überzahlung
in Höhe von 86.811,75 EUR unter Berücksichtigung einer Witwenrentenabfindung in Höhe von 16.209,12 EUR, die bei Wiederheirat
zugestanden hätte, zurückzufordern, womit sich der Rückzahlungsbetrag auf 70.602,63 EUR vermindere.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2014 wandte die Klägerin ein, H.B. und ihr sei anlässlich der Eheschließung bekannt und bewusst
gewesen, dass diese in Deutschland nicht rechtsgültig sei, solange die Heiratsurkunde nicht in Form einer beglaubigten Kopie
und einer die Echtheit der Urkunde bestätigenden Apostille dem Standesamt in Deutschland vorgelegt werde. Hierauf sei sie
anlässlich der Zeremonie in Las Vegas mehrfach hingewiesen worden. Beide hätten die Eheschließung als nicht ernst zu nehmende
Heirat betrachtet und seien davon ausgegangen, nicht wirksam verheiratet zu sein. Eine "Ratifizierung" der Heirat durch deutsche
Behörden sei nie angedacht gewesen. Infolgedessen sei man gegenüber deutschen Behörden auch nie als Ehepaar aufgetreten. Für
den beabsichtigten Rückforderungsbescheid bestehe insofern kein Raum. Im Übrigen sei ihr auch im Jahr 2003 der Wortlaut des
Bescheids vom 3. Juli 1996 nicht mehr gegenwärtig gewesen. Da sie immer von der Unwirksamkeit der Eheschließung ausgegangen
sei, sei ihr die Nichtanzeige nicht vorwerfbar.
Mit Bescheid vom 11. August 2014 hob die Beklagte - gestützt auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i. V. m. § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB VI) - den Bescheid vom 3. Juli 1996 ab 1. Mai 2003 in vollem Umfang auf. Die Klägerin habe unter Berücksichtigung von Art. 11 Abs. 1 Satz 2 (richtig: Alt. 2) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch a.F. ( EGBGB a.F.) im April 2003 eine nach dem Recht des Staates Nevada - bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen (erforderliches
Alter, nicht verheiratet) - gültige und auch nach deutschem Recht wirksame Ehe geschlossen. Eine beglaubigte Kopie oder Apostille
sei hierfür nicht Voraussetzung. Diese sei nur erforderlich, um in Deutschland die durch die Eheschließung erlangten Rechte
wahrnehmen zu können. Die Registrierung einer im Ausland wirksam geschlossenen Ehe in Deutschland sei nach deutschem Recht
nicht vorgeschrieben. Auch wenn es anhand der deutschen Personenregister nicht feststellbar sei, sei es somit möglich, wirksam
verheiratet zu sein. Auf Grund des Bescheids vom 3. Juli 1996 habe die Klägerin auch gewusst oder wissen können, dass eine
Eheschließung Einfluss auf die Gewährung der Witwenrente habe und es ihre Pflicht gewesen sei, sie dem Rentenversicherungsträger
anzuzeigen, damit er den Sachverhalt prüfen könne. Dieser Mitteilungspflicht sei die Klägerin zumindest grob fahrlässig nicht
nachgekommen. Eine wirksame Rechtsauskunft das deutsche Recht betreffend, könne der Klägerin in den USA nicht erteilt werden.
Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung des Bescheids vom 3. Juli 1996 ab 1. Mai 2003 seien somit erfüllt. Für
die Zeit vom 1. Mai 2003 bis 31. Juli 2014 sei eine Rentenüberzahlung in Höhe von insgesamt 86.811,75 EUR entstanden, die
um den Betrag der Witwenrentenabfindung von 16.209,12 EUR auf 70.602,63 EUR vermindert werde. Dieser Betrag sei an die Beklagte
zu überweisen. Mit ihrem am 1. September 2014 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin neben Verweis auf ihr bisheriges Vorbringen
geltend, ihr könne kein Verhalten vorgeworfen werden, das den Rückforderungsbescheid begründe und rechtfertige. Eine Verletzung
der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße oder gar ein vorsätzliches Verhalten habe nicht vorgelegen. Hierauf
wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2014 als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten
wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.
Deswegen hat die Klägerin am 22. Dezember 2014 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und u.a. geltend gemacht, die Heirat sei nach deutschem Recht nicht wirksam. Art.11 Abs. 1 EGBGB regle allein die Formgültigkeit eines Rechtsgeschäfts und nicht die materielle Wirksamkeit. Die Eheschließung hätte, um in
Deutschland wirksam zu sein, hier bekannt und als rechtswirksam festgestellt sein müssen. Hieran fehle es. Selbst wenn von
einer rechtswirksamen Eheschließung auszugehen wäre, lägen die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Rentenbescheids für
die Vergangenheit nicht vor. Ihr könne eine Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße gerade nicht
vorgeworfen werden. Der Beklagten möge zwar zugestanden werden, dass ihr auf Grund des Hinweises im Rentenbescheid hätte bewusst
sein müssen, dass eine neue Eheschließung der Beklagten mitzuteilen war. Man habe sich in Las Vegas spontan entschlossen zu
heiraten. Da sie und H.B. jedoch nie eine tatsächlich wirksame Ehe hätten eingehen wollen und sie in Las Vegas darauf hingewiesen
worden seien, dass die Ehe in Deutschland nicht wirksam sei und keine Folgen habe, habe sie nach wie vor von ihrem Witwenstatus
ausgehen dürfen. Es hätte ihr nicht bewusst gewesen sein müssen, dass eine Rechtsauskunft einer amerikanischen Behörde nach
deutschem Recht nicht bindend sei. Eine Verpflichtung zur Anzeige eines unwirksamen und damit zumindest für einen juristischen
Laien nicht rechtsgültigen Rechtsgeschäfts sei für sie nicht erkennbar gewesen. Hierzu hat die Klägerin eine gemeinsame schriftliche
Stellungnahme der Kinder des H.B., T. B. und S. B., vorgelegt, in der ausgeführt ist, die Klägerin und H.B. hätten ihnen gegenüber
mehrfach erzählt und erklärt, die in Las Vegas durchgeführte Heirat sei in Deutschland nicht gültig, solange diese Trauung
hier nicht eingetragen werde, worüber sie von einem Standesbeamten in Amerika vor Ort informiert worden seien. Sie hätten
auf Grund dieser Angaben die Trauung durchgeführt, denn beide hätten nach eigener Aussage nie vorgehabt, in Deutschland wieder
zu heiraten.
Mit Urteil vom 14. Januar 2016 hat das SG den angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid insoweit aufgehoben, als darin die Aufhebung des Bescheids vom 3. Juli
1996 für die Zeit vom 1. Mai 2003 bis 31. Juli 2014 sowie "die Erstattung der Witwenrente in Höhe von 86.811,75 EUR bestimmt"
war. Bezüglich der Aufhebung ab 1. August 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid und der Widerspruchsbescheid seien hinsichtlich der Aufhebung des Rentenbescheids für
die Zukunft formell und materiell rechtmäßig. Insbesondere sei die Klägerin vor Erlass der Aufhebungsentscheidung, die auch
hinreichend bestimmt sei, gehört worden. Insoweit sei die Beklagte zur Aufhebung für die Zukunft berechtigt gewesen, da der
Anspruch auf Witwenrente mit der Wiederheirat im April 2003 ab 1. Mai 2003 entfallen sei. Die im April 2003 in Las Vegas geschlossene
Ehe sei auch in Deutschland wirksam, insbesondere habe es einer weiteren Registrierung oder Beglaubigung in Deutschland nicht
bedurft. Die - im Einzelnen dargelegten - Voraussetzungen für eine wirksame Eheschließung seien erfüllt. Die Wirksamkeit der
Form der Eheschließung beurteile sich, mangels vorrangiger Staatsverträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den
Vereinigten Staaten von Amerika nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB a.F. Nach dieser Bestimmung sei ein Rechtsgeschäft formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf seinen Gegenstand
bildende Rechtsverhältnis anzuwenden sei oder das Recht des Staates erfülle, indem es vorgenommen werde. Eine in Las Vegas,
Nevada nach den dort geltenden Formvorschriften geschlossene Ehe werde daher auch in Deutschland als formwirksam anerkannt.
Vorliegend ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die formellen Voraussetzungen für die Eheschließung in Las Vegas,
Nevada nicht erfüllt gewesen seien. Die in Las Vegas in sogenannten Wedding Chaples durchgeführten Eheschließungen würden
von amerikanischen Staatsbürgern wie auch von Touristen als ernsthafte, rechtswirksame Eheschließungen betrachtet und durchgeführt.
Dass im Falle der Klägerin kein "Schauspiel" stattgefunden habe, werde durch den Inhalt der Heiratsurkunde bestätigt. Es bestünden
keine Zweifel, dass die formellen Eheschließungsvoraussetzungen des Staates Nevada eingehalten worden seien. Eine Aufnahme
der Ehe in das deutsche Eheregister sei für deren Wirksamkeit in Deutschland nicht Voraussetzung. Es existiere auch keine
Rechtsnorm, die für die Wirksamkeit der im Ausland geschlossenen Ehe eine Art "Ratifizierung" oder Anerkennung erfordere.
Die Wiederheirat der Klägerin im April 2003 sei somit auch in Deutschland wirksam und führe zum Wegfall des Anspruchs auf
Witwenrente. Die Beklagte habe damit zu Recht die Bewilligung der Rente mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Die Beklagte
sei jedoch nicht berechtigt gewesen, den Bescheid vom 3. Juli 1996 auch mit Wirkung für die Vergangenheit, also vom 1. Mai
2003 bis 31. Juli 2014, aufzuheben und die Erstattung von 86.811,75 EUR zu verlangen. Der Bescheid und der Widerspruchsbescheid
seien insofern zwar formell nicht zu beanstanden, doch lägen die Voraussetzungen des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 SGB X für eine Rücknahme für die Vergangenheit nicht vor. Hinsichtlich des die Gewährung von Rente bewilligenden Dauerverwaltungsaktes
vom 3. Juli 1996 sei nach dessen Erlass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, da der Anspruch
auf Witwenrente entfallen sei, und die Klägerin habe auch ihre gesetzlich vorgeschriebene Mitteilungspflicht verletzt habe,
indem sie die Beklagte erst am 25. Juni 2014 und nicht unverzüglich über die Wiederheirat in Las Vegas in Kenntnis gesetzt
habe. Allerdings habe die Klägerin ihre Mitteilungspflicht nicht grob fahrlässig verletzt. Nach § 45 Abs. 2 Nr. 2 SGB X handle grob fahrlässig, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletze. Der Betroffene müsse daher schon
einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet haben, was im gegebenen Fall jedem einleuchten
müsse. Hierbei sei auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und das Verhalten des Betroffenen
sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen. Der Bescheid vom 3. Juli 1996 habe den Hinweis enthalten, dass die Rente
mit Ablauf des Monats der Wiederheirat wegfalle und daher die gesetzliche Verpflichtung bestehe, der Rentenversicherung die
Wiederheirat unverzüglich mitzuteilen. Die Klägerin habe daher gewusst oder hätte wissen müssen, dass eine Wiederheirat zum
Wegfall ihres Anspruchs auf Witwenrente führt und sie daher verpflichtet sei, eine solche anzuzeigen. Dieser Hinweis sei in
einfacher Sprache gehalten und damit für jeden verständlich. Es müsse auch einem juristischen Laien einleuchten, dass eine
erneute Heirat mit dem Bezug einer Witwenrente nicht vereinbar sei. Dies gelte auch für die Klägerin oder des persönlichen
Eindrucks, den die Kammer von ihr gewonnen habe. Allerdings genüge dies für die Bejahung einer groben Fahrlässigkeit noch
nicht. Vielmehr müsse auch darauf abgestellt werden, ob der Klägerin habe einleuchten müssen, dass auch eine erneute Heirat
in Las Vegas zu einem Wegfall des Anspruchs auf Witwenrente führe. Es komme darauf an, ob die Klägerin grob fahrlässig verkannt
habe, dass die in Las Vegas geschlossene Ehe in Deutschland wirksam war und damit zum Wegfall des Anspruchs auf Witwenrente
führte. Nach dem persönlichen Eindruck der Kammer von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sei dies nicht der Fall.
Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschildert, dass sie und H.B. davon ausgegangen seien, dass die
in Las Vegas geschlossene Ehe in Deutschland keine Wirksamkeit habe. Hierfür spreche auch, dass die Klägerin und H.B. die
Eheschließung gegenüber Freunden und Bekannten und Verwandten "offen kommuniziert" hätten, was nicht der Fall gewesen wäre,
wenn sie ernsthafte Überlegungen gehabt hätten, die Ehe könnte in Deutschland wirksam sein. Denn dann hätten sie diese wohl
eher verschwiegen, um die Witwenrente nicht zu gefährden. Auch habe die Klägerin weiter nachvollziehbar und widerspruchsfrei
angegeben, dass die Eheschließung nur als Urlaubsspaß angesehen worden sei. Dies ergebe sich aus den glaubhaften Angaben,
die Heirat sei erst spontan in Las Vegas beschlossen worden und vor Antritt des Urlaubs nicht beabsichtigt gewesen sowie aus
der Tatsache, dass die Trauung in Country-Kleidung erfolgt sei, was "gegen den Glauben an ein ernsthaftes Rechtsgeschäft"
spreche. Ferner folge dies auch daraus, dass nach Angaben der Klägerin aus dem von der Klägerin H.B. beim Jawort "Ja oder
Yes, was Sie wollen!" ausgerufen und damit gezeigt habe, dass beide den wahren Rechtscharakter der Heirat verkannt hätten.
Ferner sei der Klägerin nach ihren glaubhaften Angaben bei der Anmeldung der Heirat mitgeteilt worden, dass die Ehe in Deutschland
keine Wirksamkeit habe. Auch wenn ihr in den USA keine wirksame Auskunft das deutsche Recht betreffend habe erteilt werden
können, sei zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass "ihr diese Auskunft in deutscher Sprache erteilt" und ihr dadurch ein
"seriöser und wahrheitsgemäßer Charakter verliehen" worden sei. Es sei verständlich, dass man einem deutsch Sprechenden unterstelle,
eine zutreffende Auskunft, das deutsche Recht betreffend, zu erteilen, "da er die deutsche Sprache beherrsche und folglich
mit den deutschen Gepflogenheiten vertraut zu sein scheine". Nach alledem hätte es der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer
persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit nicht einleuchten müssen, dass die in Las Vegas geschlossene Ehe auch in Deutschland
wirksam sei. Es könne ihr auch nicht vorgeworfen werden, dass sie grob fahrlässig in Deutschland keinen weiteren Rechtsrat
eingeholt habe. Insofern möge einfache Fahrlässigkeit vorgelegen haben, jedoch keine grobe Fahrlässigkeit, also die Verletzung
der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen.
Gegen das der Beklagten am 15. Februar 2016 zugestellte Urteil hat diese am 9. März 2016 Berufung eingelegt.
Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die Aufhebung der Bewilligung der Witwenrente sei auch für den Zeitraum vom 1.
Mai 2003 bis 31. Juli 2014 zu Recht erfolgt und die Klägerin sei auch zur Erstattung des zurückgeforderten Betrages verpflichtet.
Sie habe ihre gesetzliche Mitteilungspflicht verletzt, indem sie die Rentenversicherung erstmals am 25. Juni 2014 über die
Wiederheirat im April 2003 in Las Vegas in Kenntnis gesetzt habe. Diese Verpflichtung habe die Klägerin auch grob fahrlässig
verletzt und infolgedessen die Witwenrente unberechtigt bezogen. Nach ihrer Heirat hätte die Klägerin - auch unter Berücksichtigung
ihrer persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie ihres Eigenvermögens und Verhaltens und der besonderen Umstände des
Falles - wissen müssen bzw. einfachste naheliegende Überlegungen nicht angestellt und damit auch nicht beachtet, was jedem
hätte einleuchten müssen, nämlich dass die Eheschließung durchaus in Deutschland auch Konsequenzen habe. Sie habe gewusst
bzw. hätte wissen müssen, dass eine Wiederheirat zum Wegfall des Anspruchs auf Witwenrente führt und sie daher zur Anzeige
verpflichtet sei. Den Adressaten eines Bewilligungsbescheids treffe grundsätzlich die Obliegenheit, diesen zu lesen und zur
Kenntnis zu nehmen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass der Klägerin nie Zweifel hinsichtlich ihrer Heirat und der Gültigkeit
der Ehe gekommen sein sollten und spätestens dann hätte sie die Pflicht gehabt, den Zweifeln nachzugehen. Soweit das SG nach dem persönlichen Eindruck von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertrete, diese habe nicht grob
fahrlässig verkannt, dass die Ehe wirksam sei und zum Wegfall des Anspruchs auf Witwenrente geführt habe, sei dem nicht zu
folgen. Zum einen handle es sich um eine reine Momentaufnahme Jahre nach dem betreffenden Ereignis und zum anderen um reine
Spekulation, da es sich bei den Angaben lediglich um Behauptungen der Klägerin handle. Dass sie und ihr Ehemann die Eheschließung
gegenüber Freunden, Bekannten und Verwandten offen kommuniziert hätten, stehe grober Fahrlässigkeit nicht entgegen. Soweit
das SG den Angaben folge, die Klägerin und ihr Ehemann hätten die Eheschließung nur als Urlaubsspaß angesehen und auf den Umstand,
dass die Trauung in Country-Kleidung durchgeführt worden sei, verweise, sei dem nicht zu folgen. Auch dem Argument des SG, dass die Klägerin auf die ihnen - nach ihren im Übrigen unbewiesenen Angaben - bei der Anmeldung gegebene Erklärung, die
Ehe habe in Deutschland keine Wirksamkeit habe vertrauen dürfen, weil die Auskunft durch einen die deutsche Sprache beherrschenden
und somit mit den deutschen Gepflogenheiten vertrauten Bediensteten erteilt worden sei, sei nicht zu folgen und führe hier
nicht dazu, dass grobe Fahrlässigkeit zu verneinen wäre. Soweit das SG die Auffassung vertrete, die Klägerin habe in Deutschland nicht grob fahrlässig weiteren Rechtsrat eingeholt, sei dem ebenfalls
nicht zuzustimmen, da die subjektiven Möglichkeiten der Klägerin durchaus den Schluss zuließen, dass sie, auch wenn sie sich
in der Materie der im Ausland geschlossenen Ehe tatsächlich nicht ausgekannt habe, trotzdem grob fahrlässig gehandelt habe,
weil sie einfache Überlegungen nicht angestellt habe. Ferner habe die Klägerin vor ihrer Heirat mit ihrem verstorbenen zweiten
Ehemann bereits zusammengelebt und habe ein Heiratswille dem Grunde nach auch vorgelegen, der nun eben in den USA umgesetzt
worden sei. In den Medien, insbesondere in der sogenannten Klatschpresse sei ausreichend dargelegt, dass Heiraten in sogenannten
Wedding Chaples Rechtskraft entfalteten, was durchaus auch in diversen Filmen bzw. auch in Reiseberichten oder Reiseführern
über die USA dargestellt sei. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Amerikareise ohne eine entsprechende
Vorbereitung und Vorabinformationen durchgeführt werde und es sei sehr unwahrscheinlich, dass man nicht über die Möglichkeit
des Heiratens in Las Vegas und die Anerkennung in Deutschland durch einen Reiseführer oder entsprechende Literatur aufmerksam
geworden sei. Heiraten in den USA sei auch nicht ganz so einfach. Heiratswillige müssten zunächst im Marriage-Büro eine Heiratserlaubnis
beantragen und eine erforderliche, nicht geringe Gebühr bezahlen. Zwar reichten für die Erlangung einer Marriagelicence nur
Reisepässe aus und müssten keine Scheidungsurteile sowie Geburtsurkunden vorgelegt werden und sei lediglich erforderlich Datum
und Ort anzugeben, wo die vorherige Ehe aufgelöst worden sei bzw. das Sterbedatum bei Verwitweten und den Sterbeort. Die eigentliche
Eheschließung erfolge entweder durch den Standesbeamten oder eine staatlich befugte Person in einer Hochzeitskapelle oder
einem anderen Ort, wobei in beiden Fällen die Anwesenheit eines Trauzeugen erforderlich sei und auch Kosten zu entrichten
seien. Soweit die Klägerin erklärt habe, sie spreche nicht perfekt Englisch und ihr Ehemann habe überhaupt kein Englisch gesprochen,
führe dies auch zu keinem anderen Ergebnis. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin ein einfach strukturierter Mensch
sei, der einmal schnell im Ausland ohne Konsequenzen für das deutsche Recht heirate bzw. verkannt haben könnte, sich bezüglich
der Eheschließung hier kundig machen zu müssen. Man habe zumindest einen Tag vor der Heirat die Heiratserlaubnis in einem
offiziellen Büro für Heiratsgenehmigungen beantragt und nach Bezahlung der Gebühr ein Jahr lang gültige Lizenz erhalten. Allein
dies zeige, dass es sich nicht um einen bloßen Spaß gehandelt haben könne. Bei einem nicht ernsthaften Rechtsgeschäft würde
man wohl kaum einen Pass zum Nachweis der persönlichen Daten vorlegen müssen und wären auch keine Zeugen zum Beurkunden der
Heirat erforderlich. Ferner bekäme man wohl dann ebenfalls auch keine offizielle Heiratsbescheinigung mit Siegel des Staates
ausgehändigt, in dem man geheiratet habe. Auch als durchschnittlich denkender Mensch mit einem entsprechenden Allgemeinwissen
würde man nicht davon ausgehen, dass in einem Heiratsbüro nur Scheintrauungen mit amtlichen Urkunden und entsprechenden Registrierungen
bzw. nur Trauungen durchgeführt würden, welche nur für Amerikaner verbindlich seien. Die Kosten der Trauung von lediglich
100,00 Dollar stünden einer offiziellen Heirat ebenfalls nicht entgegen, auch in Deutschland hielten sich die Gebühren für
eine Eheschließung in einem moderaten Rahmen und auch hier könnten Trauungen durchaus lediglich 20 bis 30 Minuten dauern.
Wie die Klägerin zuletzt eingeräumt habe, habe sie ihrem verstorbenen Ehemann gesagt, wenn sie einmal heirate, dann nur in
Las Vegas. Ferner habe sie auch die Sterbeurkunde ihres ersten Ehemannes beim Aufenthalt in Amerika dabei gehabt und seien
bei der Trauung Eheringe ausgetauscht worden. Schon diese Umstände belegten, dass die Angaben der Klägerin gegenüber dem SG, es habe sich um eine spontane Eheschließung gehandelt, so nicht zutreffen könnten, sondern zielgerichtet im Hinblick auf
die Rückforderung erfolgt seien. All dies spreche dafür, dass es der Klägerin hätte einleuchten müssen, dass die Eheschließung
durchaus in Deutschland Konsequenzen hatte und sie nach der Eheschließung im Ausland auch hier keine rentenberechtigte Witwe
mehr war. Wenn sich die Klägerin nach der Urlaubsrückkehr nicht um die Rechtsfolgen der rechtsgültigen Eheschließung in Deutschland
gekümmert habe, sei dies zumindest grob fahrlässig. Nachdem die Klägerin zumindest grob fahrlässig ihre Mitteilungspflicht
verletzt habe und dies ursächlich für die Überzahlung der Witwenrente sei, sei die Klägerin auch zur Erstattung verpflichtet.
Nach Mitteilung der Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd erhalte die Klägerin inzwischen von dieser eine Rente aus der Versicherung
des H. B. und sei die Rentennachzahlung am 14. Juni 2016 an die Klägerin ausgezahlt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Januar 2016 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das SG habe zutreffend entschieden, dass sie ihre Mitteilungspflichten nicht grob fahrlässig verletzt habe. Sie gehe sie auch nach
wie vor davon aus, dass die Heirat mit H. B. nach deutschem Recht nicht wirksam gewesen sei und sie deshalb eine Mitteilungspflicht
nicht habe verletzen können. Eine Sorgfaltspflichtverletzung in besonders schwerem Maße könne ihr nicht unterstellt werden.
Zwar habe "sich die Zeremonie über zwei Tage" hingezogen, doch sich habe das Prozedere im Marriage-Büro, mit mehreren Schaltern,
höchstens 15 bis 20 Minuten gedauert. Die Gesamtkosten hätten sich auf weniger als 100,00 Dollar belaufen und bei dem "Trauzeugen"
habe es sich um den Mitarbeiter des Marriage-Büros gehandelt. Über "deutsch-amerikanische Eheschließungen" (gemeint: Heiraten
in den USA) habe man während ihrer beruflichen Tätigkeit in der amerikanischen Kaserne nicht gesprochen und sonstige Informationen
darüber habe man auch nicht eingeholt. Vor diesem Hintergrund und wegen des erhaltenen Hinweises anlässlich der Zeremonie,
dass die Heirat in Deutschland nicht rechtswirksam sei und keine Folgen haben, hätten sie und H. B. sich darauf verlassen
können, in Deutschland nicht wirksam verheiratet zu sein. Schließlich hat die Klägerin noch angegeben, es sei schon immer
ein Wunsch von ihr gewesen, in die Vereinigten Staaten zu reisen. H. B. habe auch heiraten wollen, sie allerdings nicht. Sie
habe dann gesagt, wenn sie einmal heirate, dann nur in Las Vegas. Zu Weihnachten habe ihr H. B. dann als Geschenk zwei Tickets
nach Las Vegas gegeben. Reiseführer habe man sich vorher nicht angeschaut. Aus ihrer Sicht sei damals "allgemein bekannt"
gewesen, jedenfalls für sie, dass eine in den USA geschlossene Ehe in Deutschland nicht gelte. Noch in Las Vegas habe man
diskutiert, ob man eine Hochzeitszeremonie machen sollte. H. B. habe dies unbedingt gewollt, sie "eigentlich nicht". Er habe
dann für beide Country-Kleidung gekauft und sie habe sich danach mit der Heirat einverstanden erklärt, wobei man allerdings
schon etwas getrunken habe. Nach zwei Tagen sei man zu der Wedding Chaple gegangen. Bei der Anmeldung für die Trauung habe
man die Pässe vorlegen müssen. Sie habe auch noch die Sterbeurkunde ihres ersten Ehemannes dabei gehabt, sei aber nur gefragt
worden, ob sie verheiratet sei, was sie verneint habe. Bei H. B. sei dies ebenso gewesen. Bei der Trauung habe man auch Eheringe
ausgetauscht, nach ihrer Erinnerung die alten Eheringe aus früheren Ehen. Den in Las Vegas getauschten Ring trage sie immer
noch, vor der Trauung habe sie ihn nicht getragen, aber immer in einem Seitenfach ihrer Tasche gehabt. Warum sie der Überzeugung
gewesen sei, dass die Ehe nicht gelte, könne sie nicht sagen. Dass die Ehe in Nevada gültig sei, habe sie schon angenommen,
nicht aber in Deutschland. Ein Mann, der alles aufgenommen habe, habe damals gesagt, dass die Ehe nicht wirksam sei, wenn
man dies nicht beim Standesamt in Stuttgart beantrage. Auch wenn er dies nicht gesagt hätte, hätte sie ihn nicht gefragt,
sie sei aber durch diese Aussage in ihrer Vermutung bestätigt worden. Beide seien sie sich sicher gewesen, dass die Ehe in
Deutschland nicht gelte. Man habe sich auch keine Gedanken gemacht, welche rechtlichen Konsequenzen es hätte, wenn die Ehe
wirksam wäre. Sich rechtlich beraten zu lassen, habe sie ebenfalls keine Veranlassung gesehen. Man habe Freunden und Bekannten
immer gesagt, dass die Ehe nicht gültig sei. Nach der Rückkehr habe man ein Fest gemacht, bei dem der 60. Geburtstag und auch
diese Hochzeit mitgefeiert worden sei. Auf Frage, warum sie auf H. B. eingeredet habe, nicht zu heiraten, obwohl sie gewusst
habe, dass die Heirat nicht gültig sei, hat sie erklärt, sie habe nicht heiraten wollen, weil sie dies ihren Kindern versprochen
habe und auch den Namen H. nicht habe aufgeben wollen. H. B. habe zwar heiraten wollen, sie jedoch auf keinen Fall. Als man
zurück gewesen sei in Deutschland habe man auch nie über ein Anerkennungsverfahren zur Anerkennung der Ehe in Deutschland
gesprochen. Seit Juli 2016 erhalte sie aus der Versicherung des H.B. eine Rente in Höhe von ca. monatlich 645,00 EUR. Bezüglich
der Angaben der Klägerin im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift des Termins zur Erörterung des Sachverhalts vom 25.
Oktober 2016 verwiesen.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die
Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Nachdem lediglich die Beklagte Berufung eingelegt hat, ist vom Senat nur darüber zu entscheiden, ob die Beklagte befugt war,
die Bewilligung von Witwenrente für den Zeitraum vom 1. Mai 2003 bis 31. Juli 2014 aufzuheben und die Klägerin zu verpflichten,
den Betrag von 70.602,63 EUR zu erstatten.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der die Aufhebung der Bewilligung von Witwenrente vom 3. Juli 1996 aufhebende Bescheid
vom 11. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2014 sowie die Verfügung, dass die Klägerin einen
Betrag von 70.602,63 EUR (86.811,75 EUR abzüglich der seinerzeit zustehenden Witwenrentenabfindung in Höhe von 16.209,12 EUR)
zu erstatten hat, ist rechtmäßig.
Mit Bescheid vom 3. Juli 1996 hat die Beklagte der Klägerin für die Zeit ab 1. April 1996 Witwenrente aus der Versicherung
des am 3. November 1940 geborenen und am 31. März 1996 verstorbenen J.H., mit dem die Klägerin seit 11. November 1960 verheiratet
gewesen war, bewilligt.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung des die Witwenrente bewilligenden Bescheids vom 3. Juli 1996 ist die Bestimmung des § 48 SGB X.
Nach § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll nach §
48 Abs. 1 Satz 2 STGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer
durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse
vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die
erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft
Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4).
Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt (§ 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X). Der Betroffene muss schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet haben,
was im gegebenen Falle jedem einleuchten muss (vgl. u.a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Februar 1986, 7 RAr 55/84, in [...]). Es ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und das Verhalten des Betroffenen
sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen (BSG, Urteil vom 19. Februar 1986 a.a.O. und Urteil vom 16. März 2005, B 11a/11 AL 41/03 R, in [...]).
Gemessen daran war die Beklagte war berechtigt, den Bescheid vom 3. Juli 1996 auch mit Wirkung für die Vergangenheit, also
vom 1. Mai 2003 bis 31. Juli 2014, aufzuheben und die Erstattung des geforderten Betrages von 70.602,63 EUR (86.811,75 EUR
abzüglich 16.209,12 EUR, die als Abfindung zu zahlen gewesen wären) zu verlangen.
Hierzu stellt der Senat zunächst fest, dass es sich bei dem die Gewährung von Witwenrente bewilligenden Bescheid vom 3. Juli
1996 um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, der rechtmäßig war und, da er nicht angefochten wurde, gemäß § 77 SGG bindend geworden ist. Mit ihm wurde der Klägerin Witwenrente auf unbestimmte Zeit gewährt (Dauerverwaltungsakt). Er war zunächst
bei seinem Erlass auch rechtmäßig, da die Klägerin als Witwe des J.H. einen Anspruch auf Rente aus dessen Versicherung gemäß
§ 46 Abs. 1 SGB VI hatte.
Eine die Beklagte zur Aufhebung des die Witwenrente bewilligenden Bescheids vom 3. Juli 1996 berechtigende wesentliche Änderung
der diesem zu Grund liegenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ist insofern eingetreten, als die Klägerin im April
2003 H.B. geheiratet hat. Ein Anspruch auf Witwenrente besteht - worauf die Klägerin im Rentenbescheid auch hingewiesen worden
ist (wörtlich: "Die Rente fällt mit Ablauf des Monats der Wiederheirat weg. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns
die Wiederheirat unverzüglich mitzuteilen ... Soweit Änderungen Einfluss auf den Rentenanspruch oder die Rentenhöhe haben,
werden wir den Bescheid - auch rückwirkend - ganz oder teilweise aufheben und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückfordern.")
- nur so lange und soweit die Witwe nicht wieder heiratet (§ 46 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Die Wiederheirat setzt ihrerseits das Zustandekommen einer neuen, formgültigen Ehe voraus (BSG SozR 2200 § 1291 Nr. 35). Der Anspruch auf Witwenrente entfällt gemäß § 100 Abs. 3 Satz 1 SGB VI mit dem Beginn des Kalendermonats, zu dessen Beginn der Wegfall wirksam ist, und wird bei der ersten Wiederheirat des Berechtigten
abgefunden (§ 107 SGB VI). Damit ist der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente ab 1. Mai 2003 weggefallen, da sie im April 2003 H.B. geheiratet hat.
Die im April 2003 in Las Vegas geschlossene Ehe war und ist - entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung - auch
in Deutschland formgültig und wirksam, insbesondere bedurfte es einer weiteren Registrierung oder Beglaubigung in Deutschland
nicht. Die sachlichen Voraussetzungen des deutschen Rechts für eine wirksame Eheschließung waren bei der Heirat erfüllt. Die
Klägerin und H.B. waren bzw. sind deutsche Staatsangehörige, Ehefähigkeit lag vor und Ehehindernisse oder -verbote bestanden
nicht. Beide waren nicht (mehr) verheiratet. Es hat auch ein Ehewille vorgelegen. Der (von der Klägerin geltend gemachte)
Irrtum, dass der ausländische Eheschließungsakt in Deutschland keine Wirkung zeige, ist im Rahmen des Ehewillens unbeachtlich.
Im Übrigen könnte die Beachtlichkeit eines solchen Irrtums lediglich zur Aufhebbarkeit einer Ehe führen, eine Aufhebung ist
jedoch nicht erfolgt. Die Wirksamkeit der Form der Eheschließung beurteilt sich im Übrigen, mangels vorrangiger Staatsverträge
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB a.F. Demgegenüber ist Art. 13 Abs. 3 EGBGB in der Fassung vom 21. September 1994 nach seinem Wortlaut nur auf Eheschließungen in Deutschland ("im Inland") anwendbar.
Das Formstatut für die Eheschließung im Ausland bestimmt sich nach der allgemein für die Form von Rechtsgeschäften geltenden
Vorschrift des Art. 11 EGBGB. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung ist ein Rechtsgeschäft formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf seinen Gegenstand
bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (Alt. 1) oder das Recht des Staates erfüllt, indem es vorgenommen wurde (Alt.2).
Eine in Las Vegas, Nevada nach den dort geltenden Formvorschriften geschlossene Ehe ist daher auch in Deutschland formwirksam
und gültig. Unter die Formerfordernisse einer Eheschließung fallen etwa vorbereitende Verfahrensschritte, die Befugnis der
Trauungsperson zur Vornahme der Eheschließung, der Ablauf des Trauungsaktes, das Erfordernis von Zeugen sowie das Erfordernis
von Registrierungen (vgl. zu alledem Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2015, Art. 13 EGBGB Rdnr. 120ff, 128 ff, 146ff; Erman Kommentar zum BGB, 14. Aufl., Art 13 EGBGB, RdNr. 56ff; Palandt, Kommentar zum BGB, 76. Aufl., 2017, Art 13 EGBGB, RdNr. 3, 19). Vorliegend ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die formellen Voraussetzungen für die Eheschließung in Las Vegas,
Nevada nicht erfüllt waren. Die in Las Vegas in sogenannten Wedding Chaples durchgeführten Eheschließungen betrachten und
nutzen amerikanische Staatsbürger wie auch Touristen als ernsthafte, rechtswirksame Eheschließungen. Es handelte sich bei
der Trauungszeremonie im April 2003 um "kein reines Schauspiel". Dass auch im Falle der Klägerin kein "Schauspiel" stattgefunden
hat, wird durch den Inhalt der Heiratsurkunde bestätigt. Es bestehen keine Zweifel, dass die formellen Eheschließungsvoraussetzungen
des Staates Nevada eingehalten wurden. Dies wird auch durch den Inhalt der Heiratsurkunde bestätigt, in der die trauende Person
J. F. bestätigt, dass die Klägerin und H.B. auf Grund übereinstimmenden Willens und in Gegenwart des Trauzeugen R. M. C. rechtmäßig
und entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen des Staates Nevada in den Ehestand eingetreten sind. Die formellen Eheschließungsvoraussetzungen
des Staates Nevada waren eingehalten und die Klägerin und H.B. waren ab April 2003 nach dem Recht des Staates Nevada rechtswirksam
verheiratet. Die Aufnahme einer in Deutschland geschlossenen Ehe in das deutsche Eheregister ist für deren Wirksamkeit in
Deutschland nicht Voraussetzung. Die Regelung des § 1312 Abs. 2 BGB in der Fassung vom 1. Januar 2002 bestimmt, dass der Standesbeamte die Eheschließung in das Heiratsbuch eintragen "soll".
Es handle sich um eine Soll-Vorschrift, deren Nichtbeachtung keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Ehe habe ( vgl. Beckscher
Online-Kommentar BGB, 37. Ausgabe, Stand 1. November 2015, § 1312 BGB, Rdnr. 1). Nichts anderes kann, mangels anderer gesetzlicher Regelung, für eine im Ausland geschlossene Ehe gelten. Der seit
1. Januar 2009 geltende § 34 Abs. 1 Satz 1 Personenstandsgesetz (PStG) bestimmt, dass die Eheschließung auf Antrag im Eheregister beurkundet werden "kann", wenn ein Deutscher im Ausland die Ehe
geschlossen hat (sogenannte Nachbeurkundung). Gemäß dem Wortlaut der Bestimmung handelt es sich auch hier um eine rein deklaratorische
Vorschrift, sodass sich an der Rechtslage gegenüber 2003 nichts geändert hat. Es existiert auch keine Rechtsnorm, die für
die Wirksamkeit der im Ausland geschlossenen Ehe eine Art "Ratifizierung" oder Anerkennung erfordert. Die Wiederheirat der
Klägerin im April 2003 war somit auch in Deutschland wirksam und führte zum Wegfall des Anspruchs auf Witwenrente. Somit war
die Klägerin ab April 2003 mit H.B. - auch nach deutschem Recht wirksam - verheiratet, sodass der Anspruch auf Witwenrente
mit Ablauf des Monats April 2003 entfallen ist.
Auf Grund dieser wesentlichen Änderung war die Beklagte auch berechtigt, die Rentenbewilligung für die Vergangenheit ab 1.
Mai 2003 aufzuheben, da die Klägerin ihrer Verpflichtung, die Wiederheirat der Beklagten anzuzeigen, nicht nachgekommen ist,
sondern die Beklagte erstmals am 25. Juni 2014 über die Wiederheirat informiert hat.
Die Klägerin bezog von der Beklagten Witwenrente und erhielt damit Sozialleistungen, weswegen sie gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB I) verpflichtet war, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich waren, hier die Heirat in Las Vegas, anzuzeigen.
Hierauf war die Klägerin auch im Bescheid vom 3. Juli 1996 hingewiesen worden. Der Rentenbewilligungsbescheid hat den unmissverständlichen
Hinweis ("Die Rente fällt mit Ablauf des Monats der Wiederheirat weg. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns die
Wiederheirat unverzüglich mitzuteilen ... Soweit Änderungen Einfluss auf den Rentenanspruch oder die Rentenhöhe haben, werden
wir den Bescheid - auch rückwirkend - ganz oder teilweise aufheben und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückfordern.") enthalten,
dass die Klägerin zur unverzüglichen Mitteilung einer Wiederheirat verpflichtet war. Die Klägerin wusste daher oder hätte
wissen müssen, dass eine Wiederheirat zum Wegfall ihres Anspruchs auf Witwenrente führt und sie daher verpflichtet ist, eine
solche anzuzeigen. Der Hinweis war einfach, klar und für jeden verständlich. Auch einem juristischen Laien muss angesichts
dessen einleuchten, dass eine erneute Heirat mit dem Bezug einer Witwenrente nicht vereinbar ist. Dies ergibt sich auch für
den Senat aus seinem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung, den er von der Klägerin gewonnen hat. Insofern hat
der Senat auch keinen Zweifel, dass der Klägerin dies bekannt war oder zumindest bekannt sein musste und insofern ein Umstand
vorlag, der jedem einleuchten musste.
Da die Klägerin der Beklagten die Wiederheirat nicht unverzüglich mitgeteilt erst nach etwa elf Jahren der Beklagten zur Kenntnis
gegeben hat, ist sie ihrer ihr obliegenden Verpflichtung nicht nachgekommen.
Entgegen der Auffassung des SG hat die Klägerin - auch unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks des Senats - ihre Mitteilungspflicht grob fahrlässig
verletzt. Sie hat die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, da sie schon einfachste, naheliegende Überlegungen
nicht angestellt hat und deshalb nicht beachtet hat, was jedem einleuchten muss. Nämlich, dass sie die Heirat der Beklagten
anzeigen musste oder sich zumindest durch Einholung von Rechtsrat erforderliche Gewissheit verschaffen musste, ob ihre Wiederheirat
in Las Vegas rechtliche Auswirkungen hat, die - wie oben dargelegt - hier auch bestehen.
Entgegen der Auffassung des SG ist der Senat zum Ergebnis gelangt, dass auch grobe Fahrlässigkeit insoweit vorliegt, als die Klägerin nach ihrer Behauptung
verkannt haben will, dass die Heirat in Las Vegas keine anzuzeigende Tatsache ist und keine rechtliche Auswirkung hat. Zumindest
wäre die Klägerin gehalten gewesen, sich Rechtsrat einzuholen. Dass die Heiratszeremonie in Las Vegas insofern nicht ohne
jede rechtliche Bedeutung war, hätte jedem einleuchten müssen. Für die Heirat waren Gebühren zu entrichten und weitere Formalien
zu erfüllen. So benötigte die Klägerin ihren Reisepass und musste Angaben zum Familienstand machen. Ferner führte sie nach
eigenen Angaben die Sterbeurkunde ihres verstorbenen ersten Ehemannes mit sich, auch wenn sie diese nicht vorlegen musste.
H.B. wollte eine Heirat schon seit langem und schenkte der Klägerin, die erklärt hatte, sie werde "nur in Las Vegas" heiraten
deshalb zu Weihnachten 2002 ein Flugticket. Angesichts dessen ist auch nicht glaubhaft und feststellbar, dass die Heirat ohne
jegliche Überlegung und unvorbereitet spontan erfolgte, wie dies das SG auf Grund der früheren Angaben der Klägerin noch als glaubhaft angesehen hat. Wie die Klägerin im Erörterungstermin selbst
angegeben hat, wollte H.B. die Heirat schon vor der Reise und hat ihr die Reise im Hinblick darauf, dass sie erklärt hatte,
sie würde allenfalls in Las Vegas heiraten, geschenkt. Die Klägerin ist auch selbst davon ausgegangen, dass die Heirat, was
auch zutrifft, nach dem Recht des Staates Nevada und in den Vereinigten Staaten von Amerika Gültigkeit hat. Gerade deshalb
ergibt die naheliegende und einfachste Überlegung, dass die in Nevada geschlossene Ehe auch rechtliche Wirkungen in Deutschland
und letztlich auch für den Anspruch auf Witwenrente hat. Weswegen dies dann keinerlei rechtliche Auswirkungen auf ihren Personenstand
(Wiederheirat) in Deutschland und nach deutschem Recht haben sollte, ist nicht ersichtlich. Indem sich die Klägerin dem allen
verschlossen und von der Einholung einer Rechtsauskunft und der Anzeige der Heirat bei der Beklagten verschlossen hat, handelte
sie grob fahrlässig. Sie hat zwar angegeben, sie sei davon mit Gewissheit überzeugt gewesen, allerdings hat sie dem Senat
nicht mitzuteilen vermocht, woher sie die Überzeugung genommen hat, dass die Ehe in Deutschland keine Gültigkeit habe. Schlussendlich
hat man auch Eheringe getauscht und trägt die Klägerin ihren Ehering immer noch.
Soweit das SG seine Entscheidung damit begründet hat, dass die Klägerin die Eheschließung gegenüber Freunden, Bekannten und Verwandten
offen kommunizierte und offenbar nicht verschweigen wollte, spricht dies für den Senat nicht dafür, dass die Klägerin nicht
hätte erkennen können, dass die Eheschließung anzuzeigen war. Die Behauptung, es habe sich um einen "Urlaubsspass" gehandelt,
ist für den Senat, anders als das SG, auch nicht nachvollziehbar, widerspruchsfrei und glaubhaft, zumal, wie die Klägerin zuletzt eingeräumt hat, die Heirat eben
nicht erst spontan in Las Vegas beschlossen wurde, sondern Diskussionen darüber durchaus vorausgegangen sind. Der Umstand,
dass bei der Trauung beide Country-Kleidung getragen haben, spricht ebenfalls nicht gegen ein ernsthaftes "Rechtsgeschäft",
ebenso wie auch die Form, in der H.B. das Jawort gegeben haben soll.
Ferner durfte sich die Klägerin nicht ohne weitere Klärung den Angaben des Bediensteten der Wedding Chaple, den sie, wie sie
erklärt hat, von sich aus auch gar nicht danach gefragt hätte, Glauben schenken. Der Umstand, dass dieser in deutscher Sprache
erklärt haben soll, dass die Ehe nur dann in Deutschland gültig sei, wenn dies beantragt werde, kann nicht dazu führen, dass
sich die Klägerin auf diese Auskunft verlassen durfte. Dass ein Deutsch Sprechender auf Grund dieser Fähigkeit auch mit den
rechtlichen Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Ehe in Deutschland hinreichend vertraut ist und rechtlich zutreffende
Angaben machen kann, ist in keiner Weise nachvollziehbar, sondern abwegig. Angesichts dessen und unter Berücksichtigung der
persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie des Einsichtsvermögens der Klägerin ist der Senat zur Überzeugung gelangt,
dass diese ohne Zuziehung rechtlichen Rats in Deutschland nicht davon ausgehen konnte und durfte, dass die Eheschließung in
Deutschland keinerlei rechtliche Wirkungen, insbesondere bezüglich der Witwenrente, haben würde und der Beklagten anzuzeigen
war. Angesichts dessen stellt es eine grobe Fahrlässigkeit der Klägerin dar, wenn sie hier keinen Rechtsrat eingeholt hat,
sei es durch einen Rechtskundigen, wie einen Rechtsanwalt, oder aber durch die Inanspruchnahme einer (kostenfreien) Beratung
bei einer örtlichen Beratungsstelle der Beklagten oder die schlichte Anzeige gegenüber der Beklagten, die dann den Vorgang
bereits rechtzeitig und zu einem früheren Zeitpunkt hätte prüfen können.
Da die Klägerin - auch nach dem persönlichen Eindruck des Senats von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung - somit grob
fahrlässig gegen ihre Verpflichtung zur Mitteilung der Heirat bei der Beklagten verstoßen hat, weswegen die Witwenrente auch
zu Unrecht über den 30. April 2003 hinaus gezahlt wurde, liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Rentenbescheids
auch für die Zeit ab 1. Mai 2003 vor.
Die Aufhebung soll nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse erfolgen, soweit - wie im vorliegenden Falle - insbesondere die Voraussetzungen
der Nrn. 2 und 4 dieses Satzes vorliegen. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X legt damit ein Regel-Ausnahme-Verhältnis fest. Der Regelfall ist die Aufhebung ab Eintritt der Änderung der Verhältnisse,
während die Aufhebung (nur) für die Zukunft lediglich in einer besonderen Ausnahmesituation in Betracht kommen soll und nur
in diesem Fall nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen ist, ob von der Rücknahme für die Vergangenheit ganz oder teilweise
abzusehen ist. Deshalb ist auch in den Fällen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X neben den Tatbestandsvoraussetzungen auch zu prüfen, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt, der in Bezug auf die Sondersituation
eine Ermessensentscheidung gebietet; das Vorliegen eines atypischen Falls ist durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit
voll überprüfbar (vgl. u.a. Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rdnr. 20 m.w.N.). Ein solcher atypischer Fall liegt bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht vor. Atypische Lagen
sind vielmehr grundsätzlich anzuerkennen, wenn die Umstände des Einzelfalls im Hinblick auf die mit der rückwirkenden Aufhebung
verbundenen Nachteile von den Normalfällen der Tatbestände des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB X so signifikant abweichen, dass der Leistungsempfänger in besondere Bedrängnis gerät (vgl. u.a. BSGE 59,111). Insoweit können
Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Betroffenen nicht ohne weiteres einen atypischen Fall begründen. Auch liegt grundsätzlich
kein Ausnahmefall vor, wenn zu bereits bestehenden Schulden weitere hinzutreten. Andererseits kann nach der Rechtsprechung
des BSG aber in solchen Situationen gelten, in denen ohne die zurückgeforderte Leistung einen Sozialhilfeanspruch hätte bestehen
können und nachträglich nicht mehr geltend gemacht werden kann (BSG, SozR 3-1300 § 48 Nr. 37). Gemessen daran ist vorliegend kein atypischer Fall festzustellen. Dass die Klägerin einen Anspruch auf andere Leistungen
gehabt hätte, die sie nun nicht mehr geltend machen kann, wie z.B. Sozialhilfeleistungen, und deshalb von einem atypischen
Fall auszugehen wäre, ist weder dargetan, noch ersichtlich. Insbesondere bezog die Klägerin eine Rente aus eigener Versicherung
und war Eigentümerin eines Hauses. Sie wäre zur Überzeugung des Senats ohne die von der Beklagten zu Unrecht gewährte Witwenrente
auch nicht sozialhilfeberechtigt gewesen. Im Übrigen hat die Beklagte der Klägerin die Witwenabfindung, die dieser zugestanden
hätte, von dem Rückforderungsbetrag abgezogen und sie ihr insofern im Ergebnis nachträglich gewährt.
Im Übrigen hat die Beklagte mit ihrer angefochtenen Entscheidung auch die Fristen des § 48 SGB X gewahrt. So ist die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt, und ebenso sind die Fristen des § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1, Satz 4 SGB X beachtet. Zwischen der Mitteilung der Klägerin vom 25. Juni 2014, mit der die Beklagte erstmals von der Wiederheirat erfahren
hat, und dem Erlass des angefochtenen Bescheids vom 11. August 2014 liegt weniger als ein Jahr. Im Übrigen bestimmt der gemäß
§ 48 Abs. 4 SGB X anwendbare § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach § 45 Abs. 2 SGB X bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann, wenn 1. die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 SGB X gegeben sind oder 2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde. Nach § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X kann in den Fällen des § 45 Abs. 3 SGB X ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn
diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. Dies ist hier der
Fall, denn die Witwenrente wurde bis Juni 2014 und damit bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens gezahlt.
Die Pflicht der Klägerin, die zu Unrecht gewährten Leistungen zu erstatten, ergibt sich aus § 50 SGB X. Auf Grund dessen ist die Klägerin verpflichtet, den von der Beklagten geforderten Betrag, dessen Berechnung weder beanstandet
wird, noch nach Prüfung des Senats zu beanstanden ist, und bei dessen Festlegung die Beklagte auch die bei rechtzeitiger Beantragung
zustehende Heiratsabfindung in Abzug gebracht hat, zurückzuzahlen.
Der angefochtene Bescheid vom 11. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2014 ist inhaltlich ausreichend
bestimmt und im Übrigen von der Beklagten auch verfahrensrechtlich ordnungsgemäß erlassen worden, nachdem die Klägerin zunächst
vor seinem Erlass mit Schreiben vom 8. Juli 2014 gemäß § 24 Abs. 1 SGB X angehört worden ist. Der Bescheid ist auch hinreichend bestimmt und lässt klar erkennen, welche Regelungen mit ihm getroffen
wurden.
Da das SG somit zu Unrecht den Bescheid der Beklagten teilweise aufgehoben hat, hebt der Senat das Urteil des SG vom 14. Januar 2016 insoweit auf und weist die Klage insgesamt ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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