Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer (höheren) Rente wegen Berufsunfähigkeit nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht.
Der am 1956 geborene Kläger absolvierte in den Jahren 1971 bis 1975 eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und war im Anschluss
lediglich unterbrochen durch Bundeswehrzeit und den Besuch einer Aufbauschule bis zum Jahr 2000 als Kfz-Schlosser beschäftigt.
Er erlitt am 16.6.2000 einen Schlaganfall. Auf Reha-Anträge vom 5.7.2000 und 23.11.2000 wurden dem Kläger jeweils Leistungen
zur medizinischen Rehabilitation gewährt (Bewilligungsbescheide vom 13.7. und 8.12.2000). Ein Rentenantrag des Klägers vom
5.10.2001 wurde mit Bescheid vom 10.10.2001 zunächst abgelehnt. Im Widerspruchsverfahren wurde dem Kläger mit Bescheid vom
29.10.2002 unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles am 16.6.2000 eine befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit unter Anwendung des §
43 SGB VI n.F. (Rentenartfaktor 0,5) für die Zeit vom 1.1.2001 bis 31.12.2003 bewilligt. In dem genannten Bescheid ist erläutert, dass
der Antrag auf Rehabilitationsmaßnahmen vom 5.7.2000 gemäß §
116 SGB VI als Rentenantrag gelte. Der Widerspruch im Übrigen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.1.2003 zurückgewiesen (Bl. 26 VA).
Die hiergegen mit dem Ziel der Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung erhobene Klage wies das Sozialgericht Stuttgart
mit Urteil vom 15.3.2006 ebenfalls unter Anwendung des §
43 SGB VI n.F. ab (Az. S 11 R 963/03, Bl. 125 VA). Das Berufungsverfahren blieb für den Kläger ohne Erfolg (Berufungsurteil vom 18.3.2008, Az. L 11 R 1678/06, Bl. 180 VA).
Auf Weiterbewilligungsanträge des Klägers gewährte die Beklagte die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zunächst befristet,
sodann als Dauerrente weiter (Bescheide vom 13.10.2005 und 6.11.2006). Mit Überprüfungsanträgen vom 27.12.2007 (Bl. 165 VA)
und 28.12.2007 (Bl. 166 VA) beantragte der Kläger die Überprüfung seiner Rentenbescheide vom 29.10.2002, 13.10.2005 und 6.11.2006.
Er bat mit Blick auf das "Urteil des Bundessozialgerichts 2005" um Prüfung, ob die Verwaltungspraxis des Rentenversicherungsträgers
beim Übergang vom alten in das neue Erwerbsminderungsrecht in seinem Fall rechtmäßig gewesen sei, da die sogenannten Stammvoraussetzungen
vor dem 1.1.2001 erfüllt gewesen seien, der Rentenbeginn aber erst nach dem 31.12.2000 gelegen habe. Seiner Ansicht nach müsse
er nach altem Recht behandelt werden. Darüber hinaus machte er geltend, dass die Abschläge (Verminderung des Zugangsfaktors)
zu überprüfen seien im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 16.5.2006 (B 4 RA 22/05). Mit "Widerspruchsbescheid" vom 3.11.2011 (Bl. 182 VA) lehnte die Beklagte die begehrte Gewährung einer höheren Rente mit
der Begründung ab, dass die Abschläge bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gesetzes- und verfassungsmäßig seien.
Die hiergegen am 5.12.2011 zum SG Stuttgart erhobene Klage (Az. S 25 R 6810/11, Bl. 183 VA) nahm der Kläger am 8.2.2012 zurück und stellte am gleichen Tag einen erneuten Überprüfungsantrag bei der Beklagten
betreffend den Rentenbescheid vom 29.10.2002 und alle Folgebescheide (Bl. 187 VA). Er habe Anspruch auf eine BU-Rente nach
dem Recht des Jahres 2000 mit dem Rentenartfaktor 2/3, denn mit einem Eintritt des Leistungsfalls der Berufsunfähigkeit am
16.6.2000, dem Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und dem Vorliegen eines Rentenantrags (umgedeuteter
Reha-Antrag) seien alle Voraussetzungen bereits im Jahr 2000 erfüllt gewesen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in einem Urteil vom 8.9.2005 (B 13 RJ 10/04 R) festgelegt, dass bei Erfüllung der Voraussetzungen vor dem Jahr 2001 auch bei einem Rentenbeginn ab 1.1.2001 die Rente
nach dem Recht des Jahres 2000 zu leisten sei.
Mit Bescheid vom 1.3.2012 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab (Bl. 193 VA). Komme es bei zeitlich befristeten Renten
wegen der Beginnsvorschrift des §
101 Abs.
1 SGB VI zu einem Rentenbeginn nach dem 31.12.2000, habe der Anspruch auf die Rente nicht rechtzeitig für die Anwendung des alten
Rechts bestanden. Die Übergangsvorschrift des §
302b Abs.
1 SGB VI finde somit keine Anwendung. Nach §
300 Abs.
1 SGB VI sei der fällige Anspruch auf Zahlung gemeint und nicht der Zeitpunkt des Versicherungsfalls (bzw. Leistungsfalls). Obwohl
der Leistungsfall (16.6.2000) sowie der umgedeutete Rehabilitationsantrag (5.7.2000) vor dem 1.1.2001 vorgelegen hätten, sei
das Recht anzuwenden, welches zum Rentenbeginn 1.1.2001 gegolten habe. Bei dem zitierten BSG-Urteil vom 8.9.2005 handele es sich um einen Einzelfall, dem von der Rentenversicherung darüber hinaus nicht gefolgt werde.
Dem Überprüfungsantrag könne somit nicht entsprochen werden. Der hiergegen am 28.3.2012 vom Kläger erhobene Widerspruch (Bl.
202 VA) hatte keinen Erfolg und wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 12.6.20012 zurückgewiesen (Bl. 206 VA).
Aus der Sicht der Rentenversicherungsträger überzeugten die Urteilsgründe des BSG in der zitierten Entscheidung nicht. Das Urteil stelle für die Frage des anzuwendenden Rechts ausschließlich auf den Eintritt
des Anspruchs "dem Grunde nach" ab. Es ziele damit auf das bis zum 31.12.1991 geltende "Versicherungsfalllprinzip" des AVG-Rechts ab. Dies stehe jedoch dem sog. "Rentenbeginnprinzip", das vom Gesetzgeber mit Einführung des
SGB VI über §
300 SGB VI beabsichtigt gewesen sei, entgegen. Aus der amtlichen Begründung ergebe sich die gesetzgeberische Absicht, die Rechtsanwendung
bei der Feststellung einer Rente gerade nicht am Eintritt des Versicherungsfalls (hier: dem Zeitpunkt der Minderung der Erwerbsfähigkeit)
festzumachen, sondern an dem sich nach §§
99,
101 SGB VI ergebenden Rentenbeginn. Die Übergangsvorschrift des §
302b Abs.
1 SGB VI finde hier somit keine Anwendung.
Mit der am 26.6.2012 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat der Kläger weiterhin die Zuerkennung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit mit dem Rentenartfaktor 0.6667
(nach dem Recht vor dem Jahr 2001) anstelle der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit mit dem Rentenartfaktor
0,5 (nach dem Recht ab dem Jahr 2001 begehrt. Zur Begründung hat er erneut auf die Entscheidung des BSG vom 8.9.2005 verwiesen. Sofern im Jahr 2000 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
(hier: wegen Berufsunfähigkeit) erfüllt worden seien, verbleibe es bei befristeten Renten unabhängig von der Verschiebung
des Rentenbeginns in das Jahr 2001 dabei, dass die Rente nach dem Recht des Jahres 2000 festzustellen und zu leisten sei.
Die Beklagte hat zur Begründung des Klageabweisungsantrags auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides verwiesen.
Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1.3.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.6.2012 verpflichtet,
dem Kläger unter Abänderung der Bescheide vom 29.10.2012, vom 13.10.2005 und vom 6.11.2006 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit
gemäß §
43 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 zu bewilligen und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die höhere Rente wegen Berufsunfähigkeit
gemäß §
42 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 rückwirkend seit dem 1.1.2008 zu erbringen. Die Ablehnung der Änderung der ergangenen Bescheide
sei rechtswidrig; die Berufsunfähigkeitsrente stehe dem Kläger seit dem 1.1.2001 als solche nach §
43 SGB VI a.F. i.V.m. §
300 Abs.
2 SGB VI und §
302b SGB VI zu. Aufgrund des § 44 Abs. 4 SGB X sei die Erbringung der höheren Leistungen der Berufsunfähigkeitsrente auf die Zeit nach 1.1.2008 begrenzt. Der Überprüfung
des Bescheides vom 29.10.2002 und der Folgebescheide stehe zunächst nicht entgegen, dass die frühere Klage des Klägers auf
Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung rechtskräftig mit den Urteilen des SG und LSG vom 15.3.2006 und 18.3.2008 (unter Anwendung des ab 1.1.2000 gültigen Rechts (gemeint wohl 1.1.2001) abgewiesen worden
sei. Unabhängig davon, ob den Ausführungen insoweit Rechtskraft zukomme, stünden der Überprüfungsmöglichkeit nach § 44 SGB X jedoch selbst rechtskräftige Urteile nicht entgegen (unter Verweis auf Steinwedel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht,
78. EL 2013, § 44 SGB X, Rn. 7 m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG). Dem Überprüfungsbegehren stehe auch nicht die Frist des § 44 Abs. 4 SGB X entgegen. Zwar könne eine Überprüfung bestandskräftiger Bescheide und ihre Rücknahme selbst bei Rechtswidrigkeit der Bescheide
nicht mehr verlangt werden, wenn Leistungen nur außerhalb der zeitlichen Grenze des § 44 Abs. 4 SGB X begehrt würden. Stehe jedoch aufgrund der Rücknahme bzw. Änderung eines Bescheides außerhalb der zeitlichen Grenze des §
44 Abs. 4 SGB X innerhalb des Zeitraums höhere Leistungen zu, schließe die Frist des § 44 Abs. 4 SGB X die Überprüfung eines vor diesem Zeitraum ergangen Bescheides nicht aus. Ein über vier Jahre zurückliegender rechtswidriger
Bescheid sei also zurückzunehmen, wenn auf seiner Grundlage noch innerhalb der Vier-Jahres-Frist höhere Leistungen zustünden.
Dies sei vorliegend der Fall: Der Bescheid vom 29.10.2002 und die Folgebescheide hätten Auswirkungen auch für die innerhalb
des Vier-Jahres-Zeitraum liegende Zeit ab 1.1.2008. Dass der Kläger seit dem Schlaganfall im Juni 2000 berufsunfähig sei und
dass zunächst noch die begründete Aussicht auf Besserung bestanden habe, sei zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die
befristete Rente sei daher aufgrund des §
101 SGB VI ausgehend von einem Leistungsfall im Juni 2000 erst ab 1.1.2001 zu leisten gewesen. Der Kläger habe auch einen Rentenantrag
vor dem 31.12.200 gestellt, denn sein Reha-Antrag vom 5.7.2000 gelte gemäß §
116 Abs.
2 Nr.
2 SGB VI als Antrag auf Rente, weil der Kläger berufsunfähig gewesen und die Leistungen zur Rehabilitation nicht erfolgreich gewesen
seien. Der Kläger habe somit im Juli 2000, d.h. vor dem 1.1.2001, alle Voraussetzungen für die Rentenleistung nach §
43 SGB VI a.F. erfüllt. Der Rentenanspruch des Klägers bestimme sich gemäß §
300 Abs.
2 SGB VI nach den bis zum 31.12.2000 gültigen, zum 1.1.2001 aufgehobenen Vorschriften des
SGB VI, obwohl der Leistungsbeginn (1.1.2001) erst nach dem Zeitpunkt der Aufhebung liege, denn der Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente
habe bereits am 31.12.2000 bestanden. Der Wortlaut des §
300 Abs.
2 SGB VI stelle auf einen "bestehenden Anspruch" ab und nicht darauf, wann die Rente i.S.d. §
101 Abs.
1 SGB VI "geleistet" werde. Der in §
300 Abs.
2 SGB VI verwendete Wortlaut "Bestehen" entspreche dem in §
40 SGB I geregelten "Entstehen" eines Anspruchs. Das Entstehen eines Anspruchs bestimmt sich nach §
40 Abs.
1 SGB I, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen entstünden, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen
vorlägen. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Berufsunfähigkeitsrente ergäben sich aus §
43 SGB VI a.F., §
99 SGB VI und umfassten die medizinischen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die sämtlich erfüllt seien. Der Zeitpunkt,
ab welchem die Rente geleistet werde, sei nicht Voraussetzung des Rentenanspruchs (BSG, Urt. v. 8.9.2005, B 13 RJ 10/04 R, Rn. 24 - [...]). Die Fälligkeit des Rentenanspruchs sei zwar gem. §
41 SGB I, §
101 Abs.
1 SGB VI für den "Sonderfall" der befristeten Rente auf den 7. Kalendermonat bestimmt. Dass die Rente noch nicht ab 1.7.2000, sondern
erst ab 1.1.2001 "zu leisten" gewesen sei, sei für die Anspruchsentstehung mit Erfüllung sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen
unerheblich. Dass "bestehender Anspruch" in §
300 Abs.
2 SGB VI nicht den fälligen Anspruch meine, ergebe sich auch aus den Übergangsregelungen der §§ 302b, 314b
SGB VI, wonach der Fortbestande des einmal zugebilligten "Anspruchs" auf Rente wegen Berufsunfähigkeit bis zur Vollendung des 65.
Lebensjahres, solange die Voraussetzungen für diese Rente vorlägen, gewährt werde, ebenso der Bestandsschutz für befristete
Renten auch für einen Anspruch nach Ablauf der Frist (BSG a.a.O., weitere Nachweise auch zur Gegenansicht). Zweck der Übergangsregelungen sei die Gewährung von Vertrauensschutz. Vertrauen
begründe aber bereits die Entstehung des Anspruchs, auch wenn der Anspruch erst 6 Monate später fällig werde. Auf diesen Vertrauensschutz
ab dem Zeitpunkt des Leistungsfalls stelle auch das BSG im Urteil vom 26.7.2007 ab (Az. B 13 R 44/06 R, Rn. 31 - [...]), das ausgeführt habe, dass eine andere Lösung als im Urteil des BSG vom 8.9.2005 verfassungsrechtlich bedenklich wäre, da der Versicherte in dem Zeitpunkt, in dem sämtliche Anspruchsvoraussetzungen
vorgelegen hätten, nicht mit der Gesetzesänderung zu seinen Ungunsten habe rechnen müssen.
Die Beklagte hat gegen das ihr gegen Empfangsbekenntnis am 13.11.2013 zugestellte Urteil vom 4.11.2013 am 13.12.2013 Berufung
beim Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass dem Kläger entgegen der Auffassung des SG höhere Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß §
43 SGB VI i.d.F. bis 31.12.2000 nicht zustehe. In diesem Zusammenhang werde auch auf die Entscheidung des 5. Senats des BSG in seiner Entscheidung vom 24.2.1999 (B 5 RJ 28/98 R) verwiesen, in welcher dieser die Auffassung der Rentenversicherungsträger hinsichtlich der Rechtsanwendung bezüglich des
sich über §
99 Abs.
1 S. 1
SGB VI ergebenden Rentenbeginn bestätige. Nach diesem Urteil habe ein Anspruch auf Regelaltersrente, der erst im Zeitpunkt der Rechtsänderung
(im konkreten Fall: Änderung von Vorschriften des
SGB VI durch das am 1.1.1997 in Kraft getretene Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz) fällig werde, nicht bis zu diesem
Zeitpunkt im Sinne des §
300 Abs.
2 SGB VI "bestanden". Der Gesetzeswortlaut des §
302b Abs.
1 S. 1 sei in Bezug auf den Begriff "Anspruch" nicht eindeutig, da es sich beim Rentenanspruch einerseits auf die zu bewilligende
fortlaufende Rente im Sinne des Grundanspruchs (auch bezeichnet als sogenanntes Rentenstammrecht), andererseits auch die Zahlung
des fälligen Rentenbetrags, also die konkret zu bewirkende Leistung, handeln könnte. Gesetzessystematische Auslegung, Entstehungsgeschichte
sowie Sinn und Zweck des §
302b Abs.
1 SGB VI sprächen für die bisherige Auslegung der Rentenversicherung. Normzweck der Gesetzesvorschrift sei es sicherzustellen, dass
Ansprüche auf Renten nach §§
43, 44
SGB VI a.F., welche vor dem 1.1.2001 begonnen hätten, auch weiterhin nach dem bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht zu beurteilen
seien. Um hierfür eine für den Rechtsanwender einfache Abgrenzungsregel zu finden und einen hohen Verwaltungsaufwand zu vermeiden,
habe der Gesetzgeber sich entschieden, wie bei der Vorschrift des §
300 SGB VI nicht (mehr) auf den Eintritt des Versicherungsfalls, sondern auf den Rentenbeginn abzustellen (seit dem 1.1.1992 geltendes
sog. "Rentenbeginnsprinzip"). Auch könne dem Argument nicht gefolgt werden, dass Zweck der Übergangsregelung die Gewährung
von Vertrauensschutz ab dem Zeitpunkt des Leistungsfalles sei. Dies vermöge nicht zu überzeugen, da es die Intention des Gesetzgebers
gewesen sei, eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zukünftig lediglich ausnahmsweise auf Dauer zu gewähren. Es komme
also somit grundsätzlich für alle Versicherte nach dem neuen Recht zu einer Zeitrente mit späterem Rentenbeginn. Darüber hinaus
habe der Kläger im vorliegenden Fall erstmals am 5.10.2001 einen Rentenantrag gestellt, der zunächst abgelehnt worden sei.
Dass dann zu einem späteren Zeitpunkt ein Reha-Antrag aus dem Jahr 2000 umgedeutet worden sei, könne nicht dazu führen, dass
ein Vertrauensschutz bezüglich einer "zeitlich verzögerten" Leistung konstruiert werden könnte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. November 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Sofern die Beklagte darauf hinweise, dass im vorliegenden Fall erst am 5.10.2001 ein Rentenantrag gestellt
worden sei, weise er darauf hin, dass gerade die von der Beklagten durchgeführte Umdeutung eines Antrags auf Leistungen zur
medizinischen Rehabilitation die (vollständige) Gleichstellung mit einem (noch nicht gestellten) Antrag auf Erwerbsminderungsrente
zur Folge habe. §
116 SGB VI solle den Rentenbewerber vor Nachteilen aufgrund von Fristversäumnissen schützen. Genau dies müsse auch im vorliegenden Fall
gelten.
Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin am 7.5.2014 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden
erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten,
die Gerichtsakte des SG und die Senatsakte Bezug genommen.
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Der Rentenbeginn gehört auch nach der Überzeugung des Senats nicht zu den Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Rente
wegen Berufsunfähigkeit. Dies ist auch §
99 Abs.
1 SGB VI zu entnehmen. Die dort in Bezug genommenen "Anspruchsvoraussetzungen", also die Entstehungs- und Bestehensvoraussetzungen
für die Rechte auf Renten und auch die Entstehungsvoraussetzungen für die Einzelansprüche hieraus sind nicht im 5., sondern
im 1. und 2. Unterabschnitt des 2. Abschnitts des 2. Kapitels des
SGB VI (§§
33-
62 SGB VI) abschließend geregelt (vgl. BSG, Urt. v. 2.8.2000, B 4 RA 54/99 R). Die in der Kommentarliteratur und von der Beklagten vertretene andere Auffassung, nach welcher §
300 Abs.
2 SGB VI neben dem Bestehen des Anspruchs auch dessen Fälligkeit voraussetzt, überzeugt den Senat nicht. Es ist dem Gesetz nicht zu
entnehmen, dass §
300 Abs.
2 SGB VI einen anderen Anspruchsbegriff meint als er in den §§
38,
40 SGB I verwendet wird (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 4.5.2006, L 3 RJ 87/03, Rn. 27).
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.